Sicher im Sexgeschäft

Ein vergleichsweise kleiner Teil der HIV-positiven Menschen in Deutschland sind Frauen. Damit das auch in Zukunft so bleibt, geht die Deutsche AIDS-Hilfe bald auch ins Bordell. Warum das viel bringt, erklärt DAH-Frauenreferentin Marianne Rademacher.

Frau Rademacher, in Deutschland entfallen nur 16 Prozent der HIV-Neudiagnosen auf Frauen – warum gibt es bei der Deutschen AIDS-Hilfe trotzdem ein eigenes Referat für sie?
Das ist die Gretchenfrage [lacht]. Natürlich ist ihr Anteil an den Neuinfektionen hier in Deutschland im Vergleich zu anderen Zielgruppen relativ gering. Weltweit sind jedoch 50 Prozent der Menschen, die mit HIV leben, weiblich. Schon vor unserer Haustür in Osteuropa ist die Lage ganz anders.

Warum ist die Lage hier vergleichsweise rosig?
Unsere HIV-Prävention scheint erfolgreich zu sein. Da sollten wir unbedingt dranbleiben. In der großen und sehr inhomogenen Zielgruppe der Frauen setzen wir aber Schwerpunkte, zum Beispiel beim Thema Prostitution.

Wieso gerade da?
Seit Öffnung der Grenzen in Europa sind Sexarbeiterinnen noch viel mobiler als früher. Daher sind nun auch in Deutschland viele Frauen in der kommerziellen Sexarbeit tätig, die aus Ländern kommen, wo die HIV-Prävention noch nicht so erfolgreich war. Sie entsprechen nicht dem Bild professioneller Sexarbeiterinnen, die diese Arbeit gut informiert und selbstbestimmt ausüben. Auf lange Sicht könnte sich das negativ auf die bisherigen Erfolge in der Prävention auswirken – und damit auf die Verbreitung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STIs). Hier wollen wir mit Aufklärung gegensteuern.

Seit einigen Jahren ist Prostitution in Deutschland legal. Ist das eine Hilfe für Ihre Arbeit?
Grundsätzlich ja, aber das Gesetz muss unbedingt nachgebessert werden. Denn in den einzelnen Bundesländern wird es sehr unterschiedlich und zum Teil sehr restriktiv ausgelegt. Den Sexarbeiterinnen werden noch immer viele Knüppel zwischen die Beine geworfen. Das verunsichert sie sehr. Umso wichtiger ist es, sie über ihre Rechte aufzuklären. Das ist neben der HIV- und STI-Prävention ein wichtiger Teil unseres Fortbildungsangebots in Clubs und Bordellen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe bildet Sexarbeiterinnen in Bordellen fort?
Ja, in diesem Jahr wird es nach den ersten 20 erfolgreichen Pilotschulungen bundesweit 30 Angebote in Clubs und Bordellen geben. Die bisherigen Ergebnisse sind sehr ermutigend. Wir erreichen die Sexarbeiterinnen mit unseren Angeboten direkt vor Ort – vor allem solche, die bisher kaum Zugang zu HIV- und STI-Prävention hatten. Sie haben ein enormes Informationsbedürfnis. Mit dem Geld, das wir sonst in ein Seminar für 20, 25 Frauen stecken, erreichen wir in den Clubs auf Anhieb um die 100 Personen. Und die tragen dann unsere Präventionsbotschaft weiter auch in andere Segmente der kommerziellen Sexarbeit.

Warum gehen die Frauen nicht einfach zur nächsten AIDS-Hilfe?
Die Angst, sich an Institutionen zu wenden, besteht nach wie vor. Die einen sorgen sich, dass ihr Doppelleben auffliegt, die anderen fürchten Diskriminierungen und Benachteiligungen aufgrund ihres Berufes. Bei Migrantinnen kommt häufig hinzu, dass sie keinen geregelten Aufenthaltsstatus haben.

Was lernt man während so einer Schulung?
Wir informieren die Sexarbeiterinnen über HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen – alles im Kontext sexueller Dienstleistungen, verknüpft mit Strategien zur professionellen Umsetzung. Aber es geht auch um ganz praktische Lebenshilfe, um Steuerrecht und Schuldenmanagement. Damit können wir den Frauen viele Sorgen nehmen. Und nur wenn sie sich in ihren Lebensumständen sicher fühlen, können sie auch sicher im Sexgeschäft arbeiten!

(Pressemitteilung der DAH)