bleiben oder gehen? Datenschutz nach dem Ende des Kompetenznetz HIV/Aids (akt.)

Seit Ende April 2011 ist es Geschichte, das ‚Kompetenznetz HIV/Aids‘, und mit ihm letztlich auch die HIV-Kohorte. Oder doch nicht? Was geschieht mit all den gespeicherten Daten der Tausenden Studien-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer? Und was mit den Tausenden Bio-Materialien (z.B. Gewebe- und Blut-Proben)?

Schon zu Zeiten seines Bestehens waren immer wieder Vorwürfe nicht ausreichenden Datenschutzes oder laxen Umgangs mit Teilnehmer-Daten laut geworden. Wie geht es nun weiter, nach dem offiziellen ‚Aus‘?

Das ‚Aus‘ des Kompetenznetzes ist keineswegs, wie vermutet werden könnte, das ‚Aus‘ für Speicherung der seit über sieben Jahren gesammelten Daten und Bio-Materialien Tausender HIV-Positiver. Denn, so informiert die Deutsche Aids-Hilfe:

„Die Mitgliederversammlung [des Kompetentznetzes HIV/Aids; d.Verf.] beschloss deshalb, die Daten und das Biomaterial vorerst nicht zu vernichten, sondern weiterhin zugänglich zu halten.

Auf Betreiben des Patientenbeirates und der Deutschen AIDS-Hilfe hat das Steering Committee ein verbindliches Schlussdatum festgelegt, das sich streng an der Einwilligungserklärung der Studienteilnehmer orientiert: Spätestens zum 30.06.2016 werden alle Daten und das gesamte Biomaterial vernichtet.“

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten inzwischen über das Ende des Kompetenznetzes HIV/Aids informiert worden sein, müssten die „Information an alle Studienteilnehmenden des Kompetenznetzes HIV/AIDS über das Ende der Förderung der HIV-Kohorte“ erhalten haben (Link siehe unten).

In dieser „Information an alle Studienteilnehmenden des Kompetenznetzes HIV/AIDS über das Ende der Förderung der HIV-Kohorte“ von Kompetenznetz HIV/Aids und Deutscher Aids-Hilfe (offiziell datiert auf den 28. April 2011), der allen Teilnehmern zugehen sollte, heißt es u.a.

„Sofern Sie Ihrem Arzt nichts anderes mitteilen, werden ihre Daten und ihr Biomaterial jetzt noch bis Juni 2016 aufbewahrt. …
Unberührt davon bleibt Ihr Recht, auch jetzt schon eine Vernichtung Ihrer Daten und des Biomaterials zu verlangen.“

Für Teilnehmer, die eine Löschung ihrer Daten / Vernichtung ihrer Bio-Materialien wünschen, informiert der Brief

„teilen Sie Ihrem Arzt mit, dass Sie die Vernichtung Ihrer Daten und Ihres Biomaterials wünschen. Einen entsprechenden Vordruck können Sie ab Mitte Mai 2011 [geplant: hier ab 20. Mai 2011; d.Verf.] auf der Website www.aidshilfe.de herunterladen. Den ausgefüllten Vordruck händigen Sie Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin aus. Auf Wunsch erhalten Sie eine Löschungsbestätigung.“

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Aktualisierung 25. Mai 2011, 07:30 Uhr: Die Deutsche Aids-Hilfe hat inzwischen das ‚Formular zum Ausstieg‘ veröffentlicht.
In einer Reihe von Beiträgen setzen sich auf dem DAH-Blog Autoren mit dem Für und Wider eines Ausstiegs oder Verbleibens in der Kohorte auseinander – die Beiträge sind unter „weitere Informationen“ verlinkt.

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Die umfangreichen Daten Tausender HIV-positiver Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kompetenznetzes ebenso wie Tausende Proben von Bio-Materialien sollen weiterhin gespeichert werden. Obwohl das Kompetentznetz nicht mehr existiert, obwohl es keine Förderung für irgendwelche Arbeiten mehr gibt.

Daten und Bio-Materialien, die nicht einmal anonymisiert, sondern nur pseudonymisiert sind. Dies bedeutet, sie sind mit einer Nummer codiert, über die letztlich eine Re-Identifikation des konkreten Teilnehmers möglich ist.

Die Speicherung nach dem ‚Aus‘ soll zudem in Strukturen erfolgen, in denen die Deutsche Aids-Hilfe als mögliche Vertreterin der Interessen HIV-Positiver seit 1. Mai 2011 nicht mehr beteiligt ist.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kompetenznetzes sollen sich eindringlich überlegen, ob sie in diesen Strukturen weiterhin noch ihre Daten und Bio-Materialen gespeichert haben wollen – oder ob sie eine Löschung verlangen.

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weitere Informationen:
DAH-Blog 17.05.2011: Kompetenznetz HIV/AIDS 1 | Das Ende nach 18,6 Millionen Euro
Information an alle Studienteilnehmenden des Kompetenznetzes HIV/AIDS über das Ende der Förderung der HIV-Kohorte (pdf)
DAH-Blog 18.05.2011: Kompetenznetz HIV/AIDS 2 – Die Hoffnung stirbt zuletzt
DAH-Blog 19.05.2011: Kompetenznetz HIV/AIDS 3 – Kohorte der Kohorte wegen?
DAH-Blog 20.05.2011: Kompetenznetz HIV/AIDS 4 – Setzen, sechs!
Kompetenznetz HIV/AIDS 5: Raus bevor’s ganz dicke kommt!
DAH-Blog 24. Mai 2011: Kompetenznetz HIV/AIDS 6 – Was nun?
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5 Gedanken zu „bleiben oder gehen? Datenschutz nach dem Ende des Kompetenznetz HIV/Aids (akt.)“

  1. Also wenn sich am Datenschutz überhaupt etwas verändert, dann wird er jetzt höchstens besser! Die pseudonymisierten Daten werden nämlich in der Uniklinik Köln vorgehalten (unter den selben strengen Datenschutzrichtlinien wie alle anderen medizinischen Daten dort auch), während die Pseudonymlisten, die eine Zuordnung zu den Namen ermöglichen würden, bei den behandelnden Ärzten in den Praxen und Kliniken verbleiben – d.h. eine klare räumliche Trennung von Daten und Klarnamen. Die Biomaterialien werden weitestgehend in Bochum zusammengeführt, so dass die (zukünftige) Entsorgung besser koordiniert und überwacht werden kann als wenn das Zeugs über die ganze Republik verteilt bliebe.
    Und das „Aus“ bedeutet eben nur ein „Aus“ der Förderung. Die Forschung (d.h. die Auswertung der Daten und Biomaterialien) geht soweit möglich weiter. Das Steering Committee, das für die Verwendung der Daten und Biomaterialien seine Zustimmung geben muss, gibt es nach wie vor und da sitze ich auch nach wie vor als Vertreter des Patientenbeirats mit Stimmrecht drin. Und den Patientenbeirat gibt es auch weiterhin als Vertreter der Patienteninteressen, auch wenn die DAH nicht mehr im Boot sitzt.
    Ich hätte es einfach als Verhöhnung all der Patienten empfunden, die sich für das KompNet engagiert haben, indem sie Blut und Biomaterialien zur Verfügung stellten, wenn man das Zeugs jetzt einfach in die Tonne tritt, ohne zu versuchen, den maximalen wissenschaftlichen Nutzen daraus zu ziehen. Ich kenne einige Forscher, die noch recht intelligente Ideen zur Auswertung haben, aber das braucht eben auch Zeit. Und ich finde, die Zeit sollten wir ihnen lassen!

  2. @ Siegi:

    danke für dein Plädoyer des „drin bleiben“
    sowie deine erläuterungen als mitglied des patientenbeirats und mitglied des steering committees

    dein plädoyer ist vielleicht der „aufschlag“ für eine debatte – in der offen die argumente für ein ‚bleiben‘ wie auch für ein ‚raus jetzt‘ ausgetauscht und diskutiert werden

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