Guck mal wer da spricht …

„Nicht über uns reden, sondern mit uns“ forderte ACT UP Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre, ging mit Aktionen und Inhalten in die Aids-Kongresse, zwang Mediziner Forscher und Pharmaindustrie zum Dialog, zum Streitgespräch mit ‚Betroffenen‘.

Und heute?

Manchmal scheint mir, die gleichen ACT UP – Aktionen müssten heute in so einigen Aidshilfen stattfinden. Damit Positive endlich (wieder) nicht nur als Klienten, als zu bespaßende und beratende Kundschaft (und, nebenbei, als Existenzgrundlage der Jobs vieler Mitarbeiter) betrachtet werden, sondern als Partner mit denen zusammen Aidshilfen handeln, und die selbstverständlich aktiv mit einbezogen werden.

Viele Aidshilfen haben sich inzwischen zu Organisationen entwickelt, in denen Selbsthilfe, aktives Einbeziehen von Positiven (auch in Entscheidungen) oder Fördern von positivem Selbst-Engagement Fremdworte zu sein scheinen, die höchstens noch zu dunklen Schatten einer fernen Vergangenheit gehören.

Dazu ist es nicht ohne Grund gekommen – welche/r Positive will sich denn heute noch einmischen, sich auch nur Gedanken machen? Ich fürchte, ihre Zahl ist gering, ihr Alter eher hoch.

Und dennoch – brauchen wir nicht neben aller Bespaßung Betreuung Befütterung -auch- wieder eine Kultur, in der die, die es angeht, selbstverständlich aktiv mit eingebunden werden? In der Positive ermuntert, aktiv unterstützt werden sich zu beteiligen? In der Selbsthilfe und positives Engagement wieder selbstverständlich und erwünscht sind? In der Kritik geschätzt, Diskussionen und Debatten gewürdigt (und nicht als unerwünschtes Einmischen abgekanzelt) werden?

Oder müssen wir uns von der Illusion verabschieden, dass Aids-Hilfe noch etwas mit Selbsthilfe, mit aus eigener Betroffenheit engagierter Interessenvertretung zu tun hat?

Hilfe für die Selbsthilfe ?

Ist Selbsthilfe, aktives Engagement und Interessen- Vertretung von Positiven noch erwünscht? Warum scheint sie immer schwieriger, sowohl in der Arbeit vor Ort als auch der politischen Interessenvertretung auf Bundesebene? Eine der Frage wurde am Samstag ausgiebig diskutiert, die andere blieb offen im Raum stehen.

Bereits seit einiger Zeit tobt unter einigen Positiven, in Netzwerken, Selbst- und Aids-Hilfen eine Diskussion über ‚Aids-Hilfe und Selbsthilfe‘. Fragen, die dabei diskutiert werden sind z.B.: wie weit ist Aids-Hilfe noch Selbst-Hilfe? Wie weit ’nur noch‘ Service-Einrichtung? Welche Rolle spielen Sekundär- und Primär-Prävention? Welche Rolle haben Positive überhaupt noch in Aids-Hilfen?

Hintergrund dieser Fragen ist u.a., dass so manche Aids-Hilfe nicht gerade ein Hort positiver Selbsthilfe zu sein scheint. Dass es Aids-Hilfen gibt, in denen es beim Thema Selbsthilfe mehr auf Schein als auf Sein, mehr auf den (billigen) Effekt als auf die (langfristige) Wirkung ankommt, auch das wird des öfteren als Befürchtung geäußert.

In diesem Spannungsfeld möglicher Fragen und Herausforderungen an und durch Selbsthilfe veranstaltete das Netzwerk plus am 9.12.2006 in Berlin eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Mehr Schein als Sein? – Beteiligungsmöglichkeiten von HIV-Positiven in Selbsthilfestrukturen“.

Netzwerk 02
Deutlich wird schon zu Beginn der Veranstaltung, mit welcher Bescheidenheit Selbsthilfe zurecht zu kommen, manchmal zu kämpfen hat. Da werden z.B. Selbstverständlichkeiten (wie die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen) als großzügiges Entgegenkommen verkauft. Wenn Verantwortliche sich tatsächlich Fragen stellen, auch kritischen Fragen, ist man/frau schon vorab dankbar allein für die Bereitschaft – und sieht sich, je kritischer die Fragen werden, doch mit dem Vorwurf konfrontiert, man sei doch nicht ‚Rechenschaft schuldig‘. Oder da da wird die Entsendung von Selbsthilfe-Vertretern in Entscheidungsgremien von der Zustimmung von Vorständen abhängig gemacht.

Viel Enttäuschung, viel an Zugangshemmnissen ist zu erahnen, wenn des öfteren unterschwellig der verzweifelte Ruf herauszuhören ist ‚wir machen hier nun so mühevoll Selbsthilfe – warum kommt denn kaum jemand?‘.

Etwas anders die Beteiligung von PatientInnen- Vertretern auf Bundesebene, die als Ergebnis der letzten Gesundheitsreform inzwischen ihre Anfänge nimmt (insbesondere, wenn auch noch ohne Stimmrecht, im ‚Gemeinsamen Bundesausschuß‘ G-BA). Hier ist ganz klar – die Hürden sind hoch, haben Namen wie ‚Vertretung politischer Gruppeninteressen, nicht von Einzelschicksalen‘ oder ‚viel Gremien-Arbeit, viel Frustrationstoleranz sind gefragt‘.

Diese beiden Ebenen in der Diskussion um Selbsthilfe zu unterscheiden – ‚wie kann ich mich in der Selbsthilfe engagieren‘, und die Frage, ‚wie kann Selbsthilfe sich an (politischen) Prozessen beteiligen‘ (also der Innen- und der Aussenwirkung) – bleibt im Verlauf der Diskussion immer wieder Herausforderung.

Einigkeit besteht hingegen bald, dass auf beiden Feldern eine wesentliche Herausforderung die Vermittlung von Kompetenzen ist. Kompetenzen, die in der praktischen Selbsthilfe vor Ort ein effizienteres Arbeiten ermöglichen, die aber auch für die Gremienarbeit auf Bundesebene erforderlich sind. Die Patientenbeauftragte für Berlin sowie anwesende Aids-Hilfe-Vertreter sehen hier Möglichkeiten konkreter Unterstützung, die sie bieten könnten – eine baldige Umsetzung wäre im Sinne effektiver Selbsthilfe-Arbeit wünschenswert.

Und es wird im Verlauf der Diskussion deutlich, wie wichtig es -gerade für die politische Interessenvertretung auf Bundesebene- ist, eine breite Basis aufzubauen. Eine Basis, die die vorhandenen Strukturen (insbes. von Netzwerken und Aids-Hilfen) nutzt, die auf Probleme aufmerksam macht. Eine Struktur, die einerseits eine Bündelung von Themen, Interessen und anstehenden Fragen ermöglicht und eine Kondensierung für die bundespolitische Arbeit bietet, diese andererseits auch ‚erdet‘ und am ‚Abheben‘ hindert.

Die letztlich entscheidende, das Spannungsfeld (s.o.) treffend auf den Punkt bringende Frage wird erst ganz gegen Schluss gestellt: welches Interesse haben Aids-Hilfen überhaupt noch, dass Positive sich befähigen, sich engagieren, aktiv einbringen und beteiligen?

Diese Frage bleibt gen Ende der Veranstaltung im Raum stehen – verbunden mit dem Hinweis, die Leitbild-Diskussion der DAH beschäftige sich ja genau damit.

Regierung plant Gesetz gegen ‚fahrlässige Verbreitung von HIV‘

Was gestern noch wie ein Märchen klang, kann morgen schon Wirklichkeit sein … leider aber auch ein Alptraum, denn die Bundesregierung plant anscheinend ein Gesetz gegen die ‚fahrlässige Verbreitung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten‘.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 2. Dezember, dass die Regierungsparteien (CDU/CSU und SPD) sich auf einen Entschließungs-Antrag zur Strafbarkeit der fahrlässigen Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten geeinigt haben. Der Antrag sei inzwischen an die zuständigen Bundestags- Ausschüsse überwiesen worden.

Dem Antrag 1) zufolge soll geprüft werden, ob entsprechende Erfahrungen Österreichs und der Schweiz (zur Strafbarkeit der fahrlässigen HIV-Verbreitung) auch für Deutschland nutzbar gemacht werden können.
Ziel seien dabei (zunächst?) nicht die jeweiligen Sexualpartner, sondern die Betreiber von Internet-Sexagenturen sowie Betreiber von Sex-Parties. Gesucht werden laut Antrag „handhabbare Regelungen zur Eindämmung der kommerziellen Angebote von ungeschütztem Sex“. Nach einem Zeitraum von 2 Jahren, in dem die Wirksamkeit von Selbstverpflichtungen geprüft werden soll, werden Vorschläge für eine rechtliche Regelung gefordert.

Parallel wird in dem Antrag auch gefordert, dass ‚Anbieter von Orten sexueller Begegnung‘ Kondome, Gleitgel sowie safer-sex-Informationen bereit legen und vollständig „auf Werbung und Unterstützung für ungeschützten Geschlechtsverkehr“ verzichten.

Der Antrag geht dabei teilweise von Vorurteile und falschen Annahmen aus, so z.B. wenn dort formuliert wird „besonders beunruhigend ist eine Zunahme an Infektionen mit primär resistentem HI-Virus“. Hierzu sagt das Robert-Koch-Institut im Gegenteil „es ist keine Zunahme der Übertragungshäufigkeit resistenter HIV zu verzeichnen und bisher auch keine Zunahme der Übertragung mehrfach resistenter Viren“ (Epidemiologisches Bulletin Nr. 47 vom 24. November 2006).

Bereits im Entwurf zum Aids-Aktionsplan der Bundesregierung hatte es entsprechende Hinweise auf derartige Bemühungen gegeben, wenn auch verharmlosend mit dem Hinweis, entsprechende Bemühungen sollten erst weiter verfolgt werden wenn …

Mit dem nun publik gewordenen Vorhaben mehren sich die Anzeichen, dass auch in Deutschland ein Rollback zu law and order in der Aids-Politik droht, vermehrt mit juristischen Maßnahmen (auch) gegen Positive vorgegangen werden soll.

Bemühungen, auf freiwilliger Basis die Möglichkeiten und Bedingungen von safer sex in Szene-Einrichtungen zu verbessern (safer environment Ansatz), wie sie z.B. auch die Initiative safety4free Berliner Wirte und Partybetreiber zusammen mit ManCheck geht, werden so brüskiert.

Ganz abgesehen von der Frage, ob es nicht auch legitime Formen des ungeschützten Sex geben mag, zeigt die Initiative erneut, dass die Bundesregierung bei der Aids-Bekämpfung den Weg des Stärkens der Kompetenz des Individuums und des eigenverantwortlichen Handelns (Risikomanagement) verlässt zugunsten zusätzlicher repressiver Maßnahmen.

DAH-Empfang Ulla Schmidt
Nebenbei, wie nett, dass Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt beim Jahresempfang der DAH zu diesem Regierungsvorhaben kein Wort verloren hat …

Anmerkung:
1) Sollte jemand sich an seinen Abgeordneten wenden wollen: Der Antrag wurde eingereicht von den Abgeordneten Jens Spahn, Wolfgang Zöller, Annette Widmann-Mauz, Peter Albach, Norbert Barthle, Dr. Wolf Bauer, Maria Eichhorn, Dr. Hans-Georg Faust, Hubert Hüppe, Max Straubinger, Hermann-Josef Scharf, Willi Zylajew, Hartmut Koschyk, Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Peter Friedrich, Elke Ferner, Carola Reimann, Dr. Wolfgang Wodarg, Olaf Scholz, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD.

(gepostet 2.12., 21:28, ergänzt 3.12. 12:40)

Schock in Brandenburg

Dass Justitia in London und Memmingen gegen Positive vorgeht, hatte ich ja bereits berichtet.

Nun aber zeigt sich das bekannte Fachblatt mit den vier Buchstaben schockiert …

Schock in Brandenburg
Dass ein sogenannter ‚HIV-Kranker‘ (was soll denn das sein? Ein HIV-Positiver? oder ein Aids-Kranker?) mit Frauen schlief, und gleich mit zwölf! Schock schwere Not! Na welcher Neid steht da denn dahinter, hat da ein frustrierter Redakteur überlegt, ‚zwölf, wann hatt‘ ich das jemals‘??? Und darüber vergessen, dass es nicht um den Sex an sich, sondern das Wörtchen ’safer‘ geht?

Besonders ekelig, dazu direkt ein Portrait-Foto mit notdürftigem Augen-Balken abzubilden. Vielleicht noch direkt die Adresse und den vollen Namen dazu, wie wär’s direkt mit ’ner Aufforderung zum Lynchen?

Das „Gold-Bingo“ darunter fällt dann wohl eher in die Kategorie „unfreiwillige Satire“ …

Ich bin nicht willens, auch noch Geld für dieses Erzeugnis auszugeben – so dass ich Ihnen den Rest der Story leider nicht erzählen kann. Aber es reicht ja auch so …

Kriminalisierung von Positiven in Europa

Vor einigen Tagen habe ich ja bereits über die Kriminalisierung von Positiven, über ein Urteil in Deutschland, Verfolgungsversuche der Krankenkassen und die drastische Situation in Großbritannien geschrieben.

Nun befasst sich auf dem „Eigth International Congress on Drug Therapy in HIV Infection“, einem der wichtigsten HIV-Kongresse in Europa, ein ganzer Workshop mit dem Thema.
Im Verlauf des Kongresses, der vom 12. bis 16. November 2006 in Glasgow stattfindet, wird es ein Satelliten-Symposium unter dem Titel „Criminalisation of HIV Transmission: The implications for clinical services, confidentiality and doctor-patient relations, national policy“ geben.

Einen guten Überblick über den derzeitigen Stand der Kriminalisierung von Positiven in Europa (Datenbasis 2004) gibt die Untersuchung „Criminalisation of HIV transmission in Europe – A rapid scan of the laws and rates of prosecution for HIV transmission within signatory States of the European Convention of Human Rights“ auf den Seiten von gnp+, dem Global network of people living with HIV/Aids.

Mit Justitia gegen Positive?

Sind es nur Zufälle? Oder mehren sich die Anzeichen, dass auch in Deutschland vermehrt mit juristischen Mitteln gegen HIV-Positive vorgegangen werden soll?
justitia
Einige Fälle in jüngster Zeit veranlassen zum Nachdenken.

In Großbritannien und einigen skandinavischen Ländern wird bereits seit einigen Jahren vermehrt das Mittel des Strafrechts gegen Positive eingesetzt. In jüngster Zeit gab es nun auch in Deutschland einige bemerkenswerte Fälle, in denen Positive Gegenstand juristischer Ermittlungen wurden:

Der Fall „Barmer“
Die Siegessäule berichtet in ihrer September-Ausgabe über mehrere Fälle, in denen die Barmer Ersatzkasse bei ihr krankenversicherte Positive angefragt hat mit der Bitte anzugeben, bei wem sie sich mit HIV infiziert hätten.
Auf Nachfrage und Beschwerde des HIV-/Aids-Wohnprojekts ZiK bestätigte die Barmer, ja, sie habe diesbezüglich nachgefragt, Ziel seien mögliche Regressforderungen. Sie sei sich zwar der Problematik der haftungsrechtlichen Prüfung bewusst, glaube aber zu Regress-Versuchen verpflichtet zu sein.
Regress heißt in diesem Fall: die Barmer versucht, ausfindig zu machen, wer den bei ihr versicherten Patienten infiziert haben könnte – um dem dann etwa die Behandlungs- und weiteren Folge-Kosten aufzubürden?
Sollen hier wieder einseitig Positive zur Verantwortung gezogen werden? Als gäbe es nicht eine beidseitige Verantwortung, auch beim Thema Safer Sex? Versucht hier eine Krankenkasse (etwa als „vorgeschobener Versuchsballon“?), eine Drohkulisse auszubauen? Oder drohen echte finanzielle Regress-Versuche gegen Positive?

Der Fall „Memmingen“
Aus Süddeutschland wird der Fall der Verurteilung eines Positiven wegen gefährlicher Körperverletzung gemeldet.
Das Landgericht Memmingen verurteilte am 27. Juni 2006 einen HIV-Positiven zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Ihm wurde vorgeworfen, im Frühjahr 2004 einen Sex-Partner zumindest bedingt vorsätzlich mit HIV infiziert zu haben (Körperverletzung).

Ein Tötungsvorsatz wurde im konkreten Fall nicht unterstellt. Das Teilgeständnis des Angeklagten wurde strafmildernd gewertet; zu Lasten des Angeklagten wurde hingegen gewertet, dass er wahrheitswidrig seine eigene HIV-Infektion verleugnet hatte (erhebliche kriminelle Energie). Gutachter im Prozess war Prof. Goebel (München).

Die Situation in Großbritannien
In Großbritannien ist es in den vergangenen Jahren bereits zu zahlreichen Verurteilungen von Positiven u.a. wegen Körperverletzung gekommen.

Erst vor kurzem (Mitte September) wurde ein 43jähriger Brite (die britische Presse nannte in Berichten seinen vollen Namen und Adresse!) zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, mit einer 49jährige britische Frau (die in der darauf folgenden Zeit HIV-positiv getestet wurde) ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, ohne sie über seine HIV-Infektion aufzuklären. Psychische Probleme des Angeklagten wurden als nicht urteilsrelevant erachtet.

Dieser Fall war bereits der neunte Fall einer Verurteilung eines Positiven in Großbritannien wegen HIV-Übertragung. Von den ersten acht Fällen kamen nur zwei zur Verhandlung vor Gericht, in den übrigen sechs Fällen lagen vorher Schuld-Erklärungen vor. Die sieben ersten Fälle betrafen heterosexuelle Männer und Frauen, denen eine bewusste Infektion eines Sexpartners vorgeworfen wurde.

Ende Juli wurde erstmals auch ein schwuler Mann wegen bewusster Infektion verurteilt. Er hatte sich anfangs aufgrund virologischer Daten (und dem Rat seiner Verteidiger) selbst für schuldig erklärt. Ein Widerruf dieses Geständnisses wurde dann nicht für glaubwürdig erachtet.
Anfang August war erstmals in Großbritannien ein schwuler Mann vom Vorwurf der bewussten Infektion eines Sexpartners freigesprochen worden. Sein Verteidiger hatte mithilfe von Gutachtern nachweisen können, dass mit größter Wahrscheinlichkeit das HIV des Angeklagten keine Verwandtschaft mit dem HIV des Klägers haben kann (er also seine Infektion bei einem anderen Partner erworben haben müsse).

Beachtenswert ist, dass britische Gerichte in letzter Zeit vermehrt virologische Gutachten für die Urteilsfindung heranziehen. Virologisch kann nachgewiesen werden, ob zwischen zwei Varianten von HIV (zum Beispiel dem des Klägers und dem des Angeklagten) eine genetische Verwandtschaft besteht und wie eng diese ist.

Die britische Staatsanwaltschaft (Crown Prosecution Service) hat inzwischen einen Entwurf für Richtlinien erstellt und zur öffentlichen Diskussion gestellt. Diese Richtlinien sollen zukünftig regeln, wie die Staatsanwaltschaften mit Fällen umgehen, in denen die sexuelle Übertragung von Infektionskrankheiten (u.a. HIV) schwerwiegende körperliche Beeinträchtigungen hervorruft. Vor Abfassung des Entwurfs waren u.a. auch HIV-Ärzte sowie Aids-Gruppen konsultiert worden.

Positive wollen Asyl

Eine von der Mehrzahl der Organisatoren wohl weniger erwartete Folgewirkung hat die Welt-Aids-Konferenz, die vor einem Monat in Toronto (Kanada) stattfand. 160 HIV-positive Teilnehmer der Konferenz ersuchten im Anschluss um Asyl in Kanada.

Wie die kanadische Presse berichtet, haben 160 Teilnehmer der Welt-Aids-Konferenz einen Antrag auf Asyl gestellt.

Die HIV-positiven Frauen und Männer stammen u.a. aus El Salvador, Südafrika, Uganda, Eritrea, Simbabwe und Peru. Unter ihnen befindet sich z.B. auch der Gründer der eritreischen Positiven-Vereinigung.
Viele berufen sich in ihrem begehren um Asyl nicht ausschließlich auf einen Wunsch nach medizinischer Behandlung. Vielmehr steht meist die Diskriminierung als HIV-Positive/r oder als politisch Aktiver im Vordergrund.

Eine HIV-Infektion an sich ist in Kanada kein Grund für die Bewilligung von Asyl. Andererseits ist ein HIV-positiver Serostatus auch kein Ausschlussgrund für Asyl.
Auch die ökonomische Situation (z.B. sich keine antiretrovirale Behandlung leisten zu können) sei kein ausreichender Asylgrund, betonten Offizielle. Vielmehr müsse eine konkrete Verfolgung nachgewiesen werden, oder bei einer Auslieferung an ihr Heimatland eine massive Gefährdung vorliegen. Die Unfähigkeit des Heimatlandes, für wirksame Behandlung zu sorgen, sei kein Grund für Asyl.

Eigentlich hatten die Organisatoren eine derartige Entwicklung bereits im Vorfeld verhindern wollen. So war versucht worden, von jedem Teilnehmer (insbesondere wenn für sein Visum Hilfestellungen gewährt wurden) ein gültiges Rückflug-Ticket vorlegen zu lassen.

Bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag erhalten die Antragsteller in Kanada auf Wunsch antiretrovirale Behandlung.