Wir operieren Sie selbstverständlich gerne … HIV-Positiver doch als Patient willkommen

„Wir operieren Sie selbstverständlich gerne.“ Ein HIV-positiver Patient, dem nach einer Vorsorgeuntersuchung angekündigt worden war, man könne ihn wegen HIV nicht operieren, ist inzwischen doch auch als OP-Patient willkommen.

Eine Spezial-Klinik an der Mosel hatten einem HIV-positiven Patienten bei einer Vorsorge-Untersuchung angekündigt, ihn wegen seiner HIV-Infektion nicht operieren zu können. Inzwischen hat sich alles geklärt – veraltete Informationen werden aktualisiert, und der Patient „selbstverständlich auch operiert“.

Einige Wochen später erhielt P. einen Anruf. Die Verwaltungsdirektorin  der Klinik meldete sich. Es habe in der Sache eine Anfrage an die an Zentrale der Gruppe gegeben, zu der auch diese (privat geführte) Klinik gehört, dadurch habe die Zentrale von dem Vorgang erfahren und sich eingeschaltet.

Die Verwaltungsdirektorin entschuldigt sich für den Vorgang und erläutert. Vor Jahren habe es in der Klinik eine Ablauf-Schulung gegeben, wie sich Mitarbeiter in diesen Fällen zu verhalten hätten. Aus dieser vor Jahren erfolgten Ablauf-Schulung habe der Arzt eventuell nicht mehr zutreffende Informationen zu PEP im Hinterkopf gehabt  (z.B. zur Frage, wie schnell nach einem etwaigen Risikokontakt die Medikamenten einzunehmen seien).

Man habe Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen. Es sei Kontakt mit Arbeitsmedizinern des TÜV (die im Haus das Monitoring machen) aufgenommen worden, um sich mit dem aktuellen Sachstand vertraut zu machen. In der Konsequenz sollen die neuen Informationen medizinisch aufgearbeitet werden und zu einem neuen Ablaufplan führen. In diesem werde die aktuelle medizinische Situation berücksichtigt.

Die Verwaltungsdirektorin betonte, HIV (bzw. ein sich offen als HIV-positiv zu erkennen gebender Patient) sei in der Klinik noch nie ein Thema gewesen.

Selbstverständlich würde P, sollte es erforderlich werden, in der Klinik auch operiert werden – und beim nächsten Besuch solle man sich doch gerne einmal „zusammensetzen auf einen Kaffee“.

P. zeigte sich erfreut über die Reaktion der Klinik und darüber, nun doch eine Option für eine etwaig erforderlich werdende Operation zu haben. „So hat es sich doch gelohnt, für meine Rechte einzutreten, für mich – und für andere Positive, die einmal in die selbe Situation kommen könnten.“

HIV-positiv beim Arzt: Behandlungspflicht – oder nicht?

Muss ein Arzt einen HIV-Positiven behandeln – oder nicht? Gibt es eine Behandlungs-Pflicht, und wenn ja unter welchen Umständen? Und wie verhalte ich mich, wenn ich Schwierigkeiten bekomme? Ein Interview mit Silke Eggers, Referentin für Soziale Sicherung und Pflege der Deutschen Aids-Hilfe.

Silke, es gab in der Vergangenheit immer wieder die Situation, dass HIV-Positive klagten ihnen würde die Behandlung verweigert. Erst jüngst kündigte eine Klinik an eine Operation wegen HIV nicht durchführen zu können, und ein Zahnarzt in Essen verweigerte einem HIV-Positiven die Behandlung.

Da stellt sich zunächst die Frage: muss ein Arzt mich als HIV-positive Frau, als HIV-positiver Mann behandeln?

Silke Eggers: Ärzte und Zahnärzte sind in der Ausübung ihres Berufes frei. Sie können also auch eine Behandlung ablehnen. Dem Recht des Patienten auf freie Arzt/Zahnarztwahl steht somit das Recht der Ärzte auf freie Patientenwahl gegenüber. Diese Freiheit darf aber keinesfalls dazu führen, dass der Patient ohne eine dringend notwendige medizinische Versorgung bleibt.

Gilt das für gesetzlich und für privat Versicherte gleichermaßen?

Silke Eggers: Nein, hier ist weiterhin zwischen Kassenärzten und privat abrechnenden Ärzten zu unterscheiden.

Und wie sieht es bei Kassenärzten (also bei der Behandlung von gesetzlich Krankenversichterten) aus?

Silke Eggers: Bei Kassenärzten gilt: grundsätzlich haben beide Parteien gewisse Rechte: Patientinnen und Patienten haben das Recht, die Ärztin oder den Arzt frei zu wählen oder zu wechseln. Andererseits sind – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – auch Ärztinnen und Ärzte frei, eine Behandlung abzulehnen. Geregelt ist das in § 7 Abs. 2 (Muster-)Berufsordnung.Dort heißt es

§ 7 Behandlungsgrundsätze und Verhaltensregeln
(1) Jede medizinische Behandlung hat unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der Patientinnen und Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen.
(2) Ärztinnen und Ärzte achten das Recht ihrer Patientinnen und Patienten, die Ärztin oder den Arzt frei zu wählen oder zu wechseln. Andererseits sind – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – auch Ärztinnen und Ärzte frei, eine Behandlung abzulehnen. Den begründeten Wunsch der Patientin oder des Patienten, eine weitere Ärztin oder einen weiteren Arzt zuzuziehen oder einer anderen Ärztin oder einem anderen Arzt überwiesen zu werden, soll die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt in der Regel nicht ablehnen.

Das klingt jetzt so, als dürfe sich jeder Arzt -außer in Notfällen- aussuchen, wen er behandelt?

Silke Eggers: Nicht ganz! Über die Regelungen der Berufsordnung hinaus gibt es auch noch einen Bundesmantelvertrag der Ärzte. Und der besagt ganz klar: der Vertragsarzt darf die Behandlung eines Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen (§ 13 Abs. 7 BMV-Ä):

„Der Vertragsarzt ist berechtigt, die Behandlung eines Versicherten, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, abzulehnen, wenn dieser nicht vor der Behandlung sowohl die Elektronische Gesundheitskarte vorlegt als auch in den in § 28 Absatz 4 SGB V i.V.m. § 18 Absatz 1 bestimmten Fällen eine Zuzahlung von 10,00 € leistet. Dies gilt nicht bei akuter Behandlungsbedürftigkeit sowie für die nicht persönliche Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch den Versicherten.
Der Vertragsarzt darf die Behandlung eines Versicherten im Übrigen nur in begründeten Fällen ablehnen. Er ist berechtigt, die Krankenkasse unter Mitteilung der Gründe zu informieren.“

„Nur in begründeten Fällen ablehnen“ – was heißt das in der Praxis? was sind „begründete Fälle?

Silke Eggers: Nun, Gründe für die Ablehnung der Behandlung können zum Beispiel sein:
• Fehlendes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt,
• nicht Befolgung ärztlicher Anordnungen während der Behandlung,
• Überlastung der Praxis,
• Störung des Behandlungsablaufes durch den Patienten,
• Verlangen von unwirtschaftlichen Behandlungsmaßnahmen,
• Behandlung außerhalb des Fachgebietes.

Eine letzte Frage: wenn ein HIV-Positiver nun meint, eine Behandlung bei ihm oder ihr sei unberechtigt abgelehnt worden, wie soll sie / er sich verhalten? An wen kann man sich in solchen Fällen wenden?

Silke Eggers: Für Fälle der Ablehnung einer Behandlung ohne hinreichenden Grund sind die Kassenärztlichen Vereinigungen, bei Zahnärzt(inn)en die Kassenzahnärztliche Vereinigungen zuständig. Eine Liste mit den zuständigen Adressen findet man unter:
http://www.kbv.de/wir_ueber_uns/4130.html bzw.
http://www.kzbv.de/m520.htm
Eine Beschwerde muss immer schriftlich eingereicht werden.
Die Kassenärztliche Vereinigung leitet die Beschwerde dann an den betroffenen Arzt weiter und gibt diesem Gelegenheit zu einer eigenen Stellungnahme. Anhand beider Dokumente wird dann über das weitere Vorgehen (z.B. Einleitung eines Disziplinarverfahrens bei nachgewiesener Verletzung vertragsärztlicher Pflichten) entscheidet. Über das Ergebnis der Entscheidung werden man dann informiert.

Beim Verdacht das ein Behandlungsfehler oder eine Verletzung der ärztlichen Berufspflichten (dazu zählt auch die Schweigepflicht) vorliegt, ist der Ansprechpartner für eine schriftliche Beschwerde die jeweils zuständige Ärztekammer. Die entsprechenden Adressen finden sich unter:
http://www.tk-online.de/tk/beratungsangebote/behandlungsfehler/beschwerdestellen-der-aerztekammern/40394
oder http://www.bzaek.de/

Im übrigen gilt sowohl für die Kassenärztliche Vereinigung als auch für die Ärztekammer, dass eine Beschwerde im Falle der Unzuständigkeit an die jeweils andere Körperschaft weitergeleitet wird.

Vielen Dank für das Gespräch und die Informationen, Silke!

Essen: Zahnarzt verweigert HIV-Positivem die Behandlung

Ein Zahnarzt in Essen verweigert einem HIV-Positiven nach dessen Aussage die Behandlung – er habe keine Lust, sich einer Gefahr auszusetzen.

Nicht nur in Rheinland-Pfalz kündigt eine Klinik einem HIV-Positiven eine Behandlungs-Verweigerung an, in Nordrhein-Westfalen ist ein neuer Fall bekannt geworden, in dem ein Zahnarzt einem HIV-Positiven nach dessen Aussage die Behandlung verweigerte.

Marcel D. besucht seinen Zahnarzt in Essen, zu einer Routine-Kontrolluntersuchung. Marcel weiß seit einigen Monaten von seinem positiven HIV-Status, von dem er seinem Zahnarzt berichtet:

„Ich bin ja immer sehr ehrlich, was die Infektion angeht, da ich finde, wenn jemand davon weiß, kann er besser damit umgehen, besonders im medizinischen Bereich!
Ich sitz also so im Wartezimmer rum, werde aufgerufen, setz mich auf den Stuhl, der übrigens voll bequem ist und warte auf den Arzt. Als er kommt, erkläre ich ihm, dass ich seit einigen Monaten HIV-Positiv bin …“

Ein Zahnarzt könnte jetzt souverän und informiert reagieren mit Worten wie „Danke dass Sie mir das mitteilen, ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen – das ändert aber nichts, ich schütze meine Patienten und mich eh“.

Nicht so dieser Essener Zahnarzt, wie Marcel D. berichtet:

„Er fand das leider nicht besonders toll, reagierte sogar sehr aggressiv und schnauzte mich an, warum ich ihm das nicht vorher gesagt hätte und das er keine Lust habe sich solch einer Gefahr auszusetzen. Im Endeffekt habe ich dann die Praxis Wortlos verlassen …“

Marcel verlässt fassungslos und unbehandelt die Zahnarzt-Praxis – während die Praxishelferin seinem Bericht zufolge zur Desinfektion herbeieilt.

Guido Schlimbach, Pressesprecher der Aidshilfe NRW, kommentierte gegenüber ‚ruhrbarone‘:

„Ein Kassenarzt hat nicht das Recht einen HIV-positiven Patienten abzulehnen. Das kann ihn seine Zulassung kosten. Jedem, dem so etwas passiert kann ich nur raten, sich bei der für den Arzt zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu beschweren.“

weitere Informationen:
marceldams-Blog 03.02.2010: Mein letzter Zahnarztbesuch
ruhrbarone.de 04.02.2010: Zahnarzt weist HIV positiven Patienten ab (Artikel nicht mehr online, aber noch im Google Cache)
lesenswert: die Kommentare auf den Link-Tipp zu diesem Artikel im law blog von Udo Vetter
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Rheinland-Pfalz: kündigt Spezial-Klinik HIV-Positivem Behandlungs-Verweigerung an?

Eine Spezial-Klinik in Rheinland-Pfalz kündigt einem HIV-positiven Patienten nach dessen Aussagen an, ihn im Fall eines erforderlich werdenden Eingriffs nicht behandeln zu wollen – aus „arbeitsrechtlichen Gründen“.

Behandlung verweigert aufgrund der HIV-Infektion – nicht möglich, nicht 2010, nicht in Deutschland? Die Realität scheint gelegentlich anders auszusehen. Ein aktueller Fall aus Rheinland-Pfalz wirft viele Fragen auf. Ein vorläufiger Bericht über den Fall aus Sicht des Betroffenen:

Ein HIV-positiver Mann besucht eine Venen-Klinik, um eine Vorsorge-Untersuchung durchführen zu lassen. Seine Venen sind infolge des Lipodystrophie-Syndroms stark hervorgetreten, zudem besteht eine Beschwerde, die abgeklärt werden soll.

Wie im Formular erfragt, gibt er im Aufnahmebogen die eingenommenen Medikamente an (die seiner antiretroviralen Kombi-Therapie). Es erfolgt keine weitere Nachfrage. Bei der Eingangsuntersuchung gibt er zudem an, die Venen seien stark hervorgetreten, vermutlich aufgrund von Lipodystrophie durch HIV-Medikamente. Erst hier wird der untersuchende Arzt hellhörig, fragt nach und bittet, die HIV-Infektion auf der Patientenkarte vermerken zu dürfen. Die Vorsorge-Untersuchung wird durchgeführt.

Bei der Besprechung des Untersuchungsergebnisses allerdings kommt der Klinikleiter hinzu. Ein Termin für die nächste Vorsorge-Untersuchung wird vereinbart – allerdings verbunden mit der Ankündigung, eine etwaig erforderlich werdende Behandlung könne man in der Klinik nicht vornehmen.

Der Patient erfährt vom Ärztlichen Direktor (!) der Klinik

„Wenn bei Ihnen ein Eingriff nötig werden sollte, kann der in unserem Haus aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden. Sollte sich jemand vom Personal beim Eingriff verletzen, hätten wir die Notfallmedikamente nicht im Haus.“

Die von einem privaten Träger geführte Klinik hat in Vergleichen extrem wenige Behandlungsfehler aufzuweisen, die Komplikationsquote liegt stark unter dem Bundes-Durchschnitt. Die Klinik wirbt explizit mit dieser niedrigen Komplikationsquote.

Der Patient spricht seine Krankenkasse auf den Vorfall an. Diese reagiert sofort. Die Krankenkasse bekommt die Angaben des Patienten vom Assistenzarzt der Klinik mündlich bestätigt und fordert eine kurzfristige schriftliche Äußerung an.
Dem Betroffenen kündigt die Kasse an, das Verhalten der Klinik nicht tolerieren zu wollen. Der Betroffene beabsichtigt, sich zudem an Landes-Ärztekammer und Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (DKG) zu wenden

Gelegentlich wird die Frage gestellt, ob heute, in Zeiten wirksamer Aids-Medikamente, Menschen mit HIV überhaupt noch große Probleme hätten, sich Diskriminierungen ausgesetzt sähen. Kurze Antwort: Ja – wie dieser Fall wieder einmal beispielhaft zeigt.

Gehen die Uhren an der Mosel anders?, mag man sich zunächst fragen, ist dort 1980, nicht 2010? Aber – ein derartiges Vorgehen schiene nicht nur heute, sondern jederzeit bizarr …

Eine beinahe unfassbare Situation. Arbeitsrechtliche Gründe anzugeben erscheint schon bizarr genug. Die Begründung, man habe die ‚Notfallmedikamente‘ nicht im Haus, ist nicht minder absurd. Schließlich dürften auch in Rheinland, Eifel und anderen Provinzen wirksame Medikamente verfügbar sein – zudem, sollten sie tatsächlich benötigt werden und kein anderer Weg möglich sein, der Patient dürfte sie ja haben.

So erwecken beide Begründungen den Eindruck einer Ausrede, um nicht offen Diskriminierung von HIV-Positiven zugeben zu müssen.

Und eine weitere Frage steht im Raum:
Gerade HIV-Positive werden aufgrund ihres geschwächten Immunsystems hohen Wert auf eine gute und komplikationsfreie Behandlung legen – und auch ihre Kliniken nach entsprechenden Kriterien wählen. Erst jüngst hatte das RKI „Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten“ formuliert (auch wenn diese auf die Spezifika HIV-Infizierter nicht gesondert eingehen).
Wird hier gerade denjenigen Patienten, die am meisten auf eine hochqualitative Behandlung angewiesen sind, genau diese vorenthalten? Und das womöglich gar aus dem Grund, sich nicht mit eher „komplikations-trächtigen Fällen“ die (doch so werbeträchtige) Statistik zu versauen?

Immerhin – in seiner Krankenklasse hat der betroffene Patient derzeit einen kompetenten und engagierten Ansprechpartner gefunden, der sich für ihn einsetzt.

Fortsetzung folgt … hier: Wir operieren Sie selbstverständlich gerne … HIV-Positiver doch als Patient willkommen