Rolands Washington-Tagebuch, Tag 3: Aids 2012: die grosse Demo – Bring it back, Robin Hood!

Morgens ein ausführliches Gespräch mit J. (Nurse in Administration, ca. 57+ Jahre, verpartnert). Er erzählt anschaulich von den Anfängen von AIDS, als er als junger Pfleger mit den Versicherungen Deals machen mußte, damit sie Kosten der Behandlung der ersten AIDS Kranken übernehmen. Diese Kosten waren oft nicht versichert und keiner wollte für die Pflege und die kleinen Dinge aufkommen. Eigentlich wolle auch keiner diese Pflege leisten. Den einen war es zu gefährlich, für die anderen war es zu wenig Geld, was bei der langwierigen Arbeit übrig blieb.

Man mußte Ärzte finden, die eine Behandlung damals praktisch ohne geeignete Medikamente durchführen konnten, und es war ein Problem, überhaupt Diagnosen richtig gestellt zu bekommen. Der HIV-Test wurde von vielen Ärzten überhaupt nicht in Erwägung gezogen, die Folge war noch schlechtere Versorgung der Patienten als ohnehin schon.

Wir vergleichen dann noch das Versicherungssystem in Deutschland und den USA. Dabei erfahre ich dann auch, dass man in den USA am besten dasteht, wenn man Ex-Militär ist. Die Veteran Insurance war früher einmal die schlechteste Form der Versicherung – wenige Leistungen bei hohen Versicherungsprämien und nur wenigen Ärzten, die überhaupt für die Leistungen in Frage kamen. Dann kam ein ehrgeiziger, patriotischer Mann vor einigen Jahren und baute die Versicherung zu der am besten leistenden Versicherung in den USA um.

Das Event des Tages ist die Demonstration!

HIV is not a crime! Criminalizing it is!
HIV is not a crime! Criminalizing it is!

Es wurde im Amerikanischen Stil demonstriert. Sprechchöre, Einpeitscher, Ausstattungsdepartment, Emotionen und ein kleines Ordnerdurcheinander gehören dazu und schaffen eine unvergeßliche Atmosphäre für den vom deutschen CSD-Getümmel gelangweilten Teilnehmer.

Politik ist wesentlich auf der Demo. Viele verschieden Gruppen beteiligen sich.

For an Aids-free world: In $ we trust!
For an Aids-free world: In $ we trust!

Aus New York ist man mit Bussen seit 5 Uhr morgens angereist – und sieht trotzdem gut aus.

ACT UP & Occupy: Tax Wall Street - End Aids
ACT UP & Occupy: Tax Wall Street - End Aids

Es ging in mehreren Teildemos durch die Innenstadt. Vor entsprechenden Institutionen machten die einzelnen Gruppen ihrem Unmut Luft. So machte sich die Gruppe, welche für eine Robin Hood Tax (Tobin Tax, Tobin-Steuer, in Deutschland etwas langweilig Finanztransaktionssteuer genannt) einsetzt, vor der Bank of Amerika breit.

 Bank of America
Bank of America

Manchmal versteh ich die Politik nicht – da fordert das Volk schon Steuererhöhungen, und dann ist es den Damen und Herren auch nicht recht – normalerweise demonstrieren Bürger gegen Steuerhöhungen (meist zu Recht).

Geendet hat die Demo im Vorgarten vom Präsidentenpalast … ER hat aber trotz klingeln an der Tür nicht geöffnet.

Gerüchteweise haben sich noch Demonstranten sorgfältig an den Gartenzaun vom Weißen Haus gekettet und wurden dann sorgfältig festgenommen. Hat ER wirklich Angst vor Männern mit grünem Hütchen?

Kosten werden zu Investitionen

Im den Wirtschaftsveranstaltungen wird jetzt viel, gern und unwidersprochen von einem „Investment“ gesprochen. Die Maßnahmen für/gegen HIV und AIDS waren/sind/werden ein „lohnendes Investment“. Statt Kostenverursacher und Wohltätigkeit nun also Erträge. Damit bin ich als Positiver ab heute ein Investitionsgut der HIV-Branche und muß entsprechende Gewinne abwerfen, damit sich das Investment lohnt. (SO hat das heute aber keiner gesagt …. das ist dann nur meine zugespitzte Schlußfolgerung).

Was passiert mit mir / meiner Medikamentenversorgung, wenn ich mich nicht mehr rechne?

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In ‘Rolands Washington-Tagebuch’ sind bisher erschienen:
ondamaris 18.07.2012: XIX. International Aids Conference 2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -5: Flug und Einreise
ondamaris 18.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -4: Einladung bei Barack Obama
ondamaris 20.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -3: Obama spricht nicht
ondamaris 21.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -2: Kriminalisierung der HIV-Infektion … und … der Präsident … rauscht vorbei
ondamaris 22.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -1: Aids 2012 – Indigenious Youth is the Present … weil sie schon angefangen haben die Welt zu verändern
ondamaris 23.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag 1: Aids 2012 – Es geht los … mit Demo und Minister
ondamaris 24.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag 2: Aids 2012 – Geld, Geld, Geld
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Frankreich: kaum Missbrauch der kostenlosen Gesundheitsversorgung durch ‚Illegale‘

Die kostenlose Gesundheitsversorgung für Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus in Frankreich wird kaum missbraucht. Dies ist das Ergebnis eines offiziellen Berichts der französischen Regierung.

Ein französischer Regierungsbericht kann keine Hinweise darauf feststellen, dass dem französischen Gesundheitssystem durch Betrug oder Missbrauch durch Menschen mit illegal(isiert)em Aufenthaltsstatus nennenswerter Schaden entsteht. Entsprechende Vorwürfe rechtsgerichteter französischer Politiker erweisen sich damit als weitestgehend substanzlos.

Die Berichterstatter wiesen im Gegenteil darauf hin, dass vorgeschlagene Einschränkungen in der Gesundheitsversorgung Illegaler sich bald als kontraproduktiv erweisen würden. Der Bericht war bereits Ende November 2010 dem Parlament vorgestellt worden, war zunächst jedoch nicht öffentlich verfügbar (um die Debatte um eine Reform nicht zu beeinflussen, wie Beobachter vermuteten).

Analyse de l'évolution des dépenses au titre de l'aide médicale d'Etat
Analyse de l'évolution des dépenses au titre de l'aide médicale d'Etat

Frankreich hat im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten weltweit ein klar festgelegtes und kodifiziertes System, mit dem Menschen mit illegal(isiert)em Aufenthaltsstatus (in Frankreich: „sans-papiers“, ‚Papier-lose‘) Zugang zu Gesundheitsversorgung erhalten. Dieses System (Aide Médicale d’Etat) greift für Menschen, die nachweisen, dass sie sich seit mindestens drei Monaten im Land befinden und dort leben, und deren Einkommen sehr niedrig ist (unter 634€ monatlich).

Sind diese Minimal-Bedingungen erfüllt, bekommt er/sie (sowie etwaige Familienangehörige) für ein Jahr Zugang zum französischen Gesundheitssystem; nach Ablauf des Jahres kann ein erneuter Antrag gestellt werden. Ärzte und Krankenhäuser bekommen die Behandlungs-Kosten direkt vom französischen Staat erstattet.
Etwa 220.000 Personen nutzen pro Jahr die ‚Aide Médicale d’Etat‘ (AME); dem Französischen Staat entstehen hierdurch jährlich Kosten in Höhe von ca. 546 Mio. € (Wert für 2009). Auch für viele Menschen mit HIV in Frankreich, die einen ungeklärten Aufenthaltsstatus haben, ist die AME von existentieller Bedeutung.

Die AME war unter Lionel Jospin 2000 eingeführt worden, vorher galt eine Regelung auf Departement-Ebene. Der derzeitige Staatspräsident Sarkozy hatte im Januar 2007 während des Präsidentschafts-Wahlkampfes versprochen, die unentgeltliche AME beizubehalten. Allerdings wurden vom französischen Parlament im November 2010 umfangreiche Änderungen debattiert, darunter eine jährliche Eigenleistung von 30 €.

Seit Jahren wird das System AME von rechtsgerichteten Politikern angegriffen. Sie weisen auf steigende Nutzerzahlen und steigende Ausgaben hin. Sie führten dies auf weitgehenden Missbrauch und fehlende Kontrollen zurück. Hierfür konnte der Regierungsbericht keine Anzeichen finden.

Aids-Organisationen wie Aides oder ACT UP Paris kritisierten den Regierungsbericht. ACT UP Paris veranstaltete am 11. Januar 2011 eine Email-Protest-Aktion. Der Bericht sei nur ein Feigenblatt, um von einer verheerenden Reform abzulenken, die letztlich das bestehende System demontiere.

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siehe auch: ondamaris / Bernd Aretz: Sans papiers darf nicht heißen sans sanitaire

weitere Informationen:
Informationen zu Bedingungen zur Aide Médicale d’Etat
Sida Info Service: L’Aide Médicale d’Etat (AME) – Rappels et nouveauté
Alain Cordier & Frédéric Salas: Analyse de l’évolution des dépenses au titre de l’aide médicale d’Etat (pdf)
ACT UP Paris 05.01.2011: Aide Médicale d’Etat : un rapport dissimulé pour une réforme dévastatrice
aidsmap 12.01.2011: France: minimal abuse of free healthcare for undocumented migrants; reforms will undermine public health
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Sans papiers darf nicht heißen sans sanitaire

Etwa 30.0000 Bundesbürger leben ohne Krankenversicherungsschutz. Dazu gehören Selbständige, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen konnten, Studenten, die wegen Alters oder zu langer Studiendauer aus der studentischen Krankenversicherung hinausfallen und Menschen, die mit den ganzen Formalia der Bürokratie nicht klarkommen. Für Asylbewerber sieht das Asylbewerber Leistungs Gesetz im Grunde nur eine Notversorgung vor. Dazu kommen hunderttausende bis zu einer Million Menschen, die sich im Sinne des Ausländergesetzes illegal im der BRD aufhalten und Touristen ohne Versicherungsschutz.

Alle in der Flüchtlingsarbeit Tätigen, also auch die Aidshilfen, wissen, wie schwierig es ist, im Einzelfall die Versorgung Kranker sicherzustellen. Klar die Schwerpunktpraxen und viele engagierte Ärztinnen und Ärzte versorgen auch mal einen Menschen kostenfrei, aber Laboruntersuchungen, Gerätemedizin und gar Krankenhausaufenthalte werfen immer wieder Finanzierungsprobleme auf. Anders als zum Beispiel in Frankreich, wo es staatliche Zentren zur Versorgung nicht Versicherter gibt, steht in der BRD die immerwährende Suche nach Lösungen im Einzelfall an. In einigen Städten haben die Flüchtlingsorganisationen Notambulanzen eingerichtet, die Obdachlosenhilfe engagiert sich und der Malteserorden unterhält im mehreren Städten überwiegend einmal wöchentlich geöffnete Ambulanzen, in denen Menschen untersucht betreut und mit gespendeten Medikamenten versorgt werden.

Die Aidshilfe Offenbach hat im Rahmen der interkulturellen Wochen Herrn Dr. Kauder aus Darmstadt eingeladen, der sich vorstellte, er stehe nach dreißig Jahren internistischer Tätigkeit, zuletzt als leitender Klinikarzt auf der Rentnerliste der KV Hessen. „Das war für mich aber kein Schlussstrich, sondern die Gelegenheit, jetzt meinen Traum verwirklichen, nach jahrzehntelanger strukturierter Kassenarzttätigkeit endlich einmal humanitäre Medizin zu betreiben. Auf diese Art und Weise ist zunächst als Plan und dann als Realität die Anlaufstelle Malteser Migranten Medizin MMM am Marienhospital Darmstadt entstanden.“ Getragen ist das Projekt von seiner „felsenfesten Überzeugung aller Beteiligten, dass jeder Mensch Zugang zu medizinischer Versorgung haben sollte“. Dazu benötigt man als zentrale Funktionseinheit einen Träger der Einrichtung, geeignetes ärztliches und Assistenzpersonal sowie Praxisräume. Erforderlich sind medizintechnische Infrastruktur, ein Netzwerk von Konsiliarärzten und eine Personalreserve ist erforderlich. Es werden quasi als Schutzschicht Förderer und Gönner benötigt. Für einen reibungslosen Betrieb muss der Kontakt zu Behörden und Einrichtungen hergestellt werden. Und dann bedarf es einer Öffentlichkeitsarbeit, mit der sowohl die Bevölkerung als natürlich auch die Patienten über die Existenz des Projektes informiert werden. Er schildert: „Von Anfang an bestand Klarheit, dass wir eine qualifizierte, zeitgemäße Versorgung unserer Patienten gewährleisten und nicht nur eine Barfußmedizin betreiben wollten. Dankenswerterweise erklärte sich das Krankenhaus bereit, seine Infrastruktur kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Ich kann also bei Bedarf und das sogar sofort vor Ort Labor-, Röntgen- und Endoskopiediagnostik betreiben. Blutzucker- und Harnuntersuchungen machen wir in der Praxis selbst, außerdem verfügen wir dort über ein eigenes, jeweils gespendetes EKG, Spirometer und Sonographiegerät.“

„Um den Betrieb der Ambulanz rechtlich und organisatorisch abzusichern, muss sie nicht nur öffentlich akzeptiert, sondern institutionell und behördlich abgesichert sein. Nur so ist zu erreichen, dass sie später nicht mehr angegriffen oder infrage gestellt wird. Wir haben deswegen zu zahlreichen Stellen Kontakt aufgenommen und dort sowohl uns persönlich als auch unser Projekt vorgestellt. Die übliche Praxis-Eröffnungsanzeige in der Tageszeitung oder im Radio schied a priori aus, da wir einerseits keine Trittbrettfahrer anziehen wollten, andererseits unsere Botschaft kaum unsere Zielgruppe erreicht hätte. Welcher illegale Migrant liest schon das Darmstädter Echo oder hört den Hessischen Rundfunk? Die Information musste also durch Mund zu Mund Propaganda weitergegeben werden. Wichtigster Multiplikator war für uns hierbei das Interkulturelle Büro beim Sozialamt der Stadt Darmstadt, das regelmäßigen Kontakt zu fast 140 strukturierten Migrantenvereinigungen in Darmstadt hält. Glücklicherweise wurden wir dort mit offenen Armen empfangen, unser Vorhaben sogar materiell unterstützt und unsere Flyer an die Zielgruppen verteilt.“

Nach Anlaufschwierigkeiten, in denen mehr deutsche nicht Versicherte die Hilfe der Ambulanz in Anspruch nahmen sind inzwischen etwa zwei Drittel der bis zu zwanzig Patienten wöchentlich Ausländer. Das Arbeitsspektrum ist weit. Es geht von der Begleitung Schwangerer bis hin zur Sterbebegleitung krebskranker Menschen. In der dem Vortrag sich anschließenden regen Diskussion berichtete die Ärztin der MMM Frankfurt am Bürgerhospital von ihren Schwierigkeiten, Urlaubsvertretungen zu finden, von der Angst der Patienten, wenn vor der Klinik ein Polizeiauto steht. Es kam zur Sprache die Angst mancher Ärzte, sie machten sich ausländerechtlich strafbar, wenn sie Hilfe leisten. Dazu hat der Berliner Innensenator Körting klargestellt: „Ich bin der Meinung, dass die Verpflichtung zur Datenübermittlung in Fällen unerlaubten Aufenthalts gern. § 76 Abs 2 Nr. 1 AuslG abschließend und hinreichend in der bundesweit verbindlichen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 28. Juni 2000 geregelt ist. Unabhängig davon, ob es sich um die Gewährleistung medizinischer Versorgung, vorschulische oder schulische Bildung, soziale Betreuung oder ähnliches handelt, sind öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1-3 und 4 S.2 BDSG übermittlungspflichtig. Diese Pflicht trifft hier – also in allen Einrichtungen in städtischer Trägerschaft oder Behörden – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über die Aufnahme und Gewährung von Leistungen entscheiden und sich in diesem Zusammenhang über die Anschrift und damit auch den Aufenthaltsstatus des Betroffenen unterrichten müssen. Sonstiges Personal, das lediglich im Rahmen der Tätigkeit von dem illegalen Aufenthalt erfährt (etwa Ärzte, Erzieherinnen, Lehrer, Sozialarbeiter etc.) sind nicht übermittlungspflichtig. Nicht öffentliche Stellen – Einrichtungen in privater Trägerschaft, in Trägerschaft der Wohlfahrtsverbände und der Kirchen – sind nicht zur Datenübermittlung gem. § 76 Abs. 2 AuslG verpflichtet. Das gilt auch, wenn sie aus öffentlichen Mitteln finanziert oder bezuschusst werden.“

Mitteilen kann man nur was man weiß. Und das hängt davon ab, was man fragt. Ein lebenspraktisch leicht lösbares Problem. Dennoch, die Ängste gibt es. Dies wird auch deutlich aus einer Entschließung des 108. Deutsche Ärztetages im Jahre 2005, in der festgestellt wird, dass Deutschland nicht den erforderlichen medizinischen Standards entspricht, die Versorgung durch gesetzliche Regelungen behindert. wird. Die Entschließung fordert, die politisch Verantwortlichen auf, „die medizinische Behandlung von in Deutschland lebenden Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus zu gewährleisten. Dazu gehört die Rechtssicherheit für Behandelnde, es muss klargestellt werden, dass ärztliche Hilfe nicht die Tatbestandsmerkmale der Beihilfe für illegalen Aufenthalt erfüllen. Die Gleichsetzung von Ärzten mit z. B. Schleppern, Schleusern und Menschenhändlern, wie aus § 96 AufenthG gefolgert werden kann, ist nicht akzeptabel. Aufzuheben ist die „Übermittlungspflicht“ für öffentliche Krankenhäuser an die Ausländerbehörden. Die Übermittlung von Daten gemäß § 87 AufenthG hat in der Regel die Abschiebung zur Folge. Die Verpflichtung zur ärztlichen Verschwiegenheit wird damit unterlaufen. Oft wird eine lebensnotwendige stationäre Behandlung aus Angst vor Abschiebung vermieden. Erforderlich ist eine Kostenregelung für die Behandlung von Menschen ohne Papiere. Die bisher übliche Praxis, die auf der kostenlosen Hilfe einzelner Ärztinnen und Ärzte oder von Krankenhäusern beruht, ist nicht ausreichend und auf Dauer finanziell nicht durchführbar. Eine Kostenübernahme durch die Sozialämter, die dann aber die Abschiebung zur Folge hat, ist keine realistische Lösung. Es ist vielmehr eine staatliche Aufgabe, allen hier lebenden Menschen eine angemessene medizinische Versorgung zu ermöglichen. “

Das fordert nicht nur die Humanität sondern ergibt sich schon daraus, dass es sträflich ist, Menschen mit zum Teil ansteckenden Krankheiten unversorgt zu lassen.

Daher die Bitte, unterstützen Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten die Ambulanzen und machen Sie ihren Einfluss geltend, dass Kranke in Deutschland fachgerecht versorgt werden, ohne aus diesem Grunde eine Abschiebung befürchten zu müssen.

(Erst-Veröffentlichung dieses Textes in der ‚posT‘ Januar 2008)

HIV-Infizierter mit fremder Krankenversicherungs-Karte behandelt – Freispruch

Ein Mitte 2008 an den Folgen von Aids verstorbener HIV-Infizierter ist jahrelang mit der Krankenversicherungs-Karte seines Bruders behandelt worden. Dieser wurde vom Vorwurf des Betrugs nun freigesprochen – eine wissentliche Beteiligung war ihm nicht nachzuweisen.

Sie lebten bis 2008 nahe Düsseldorf zusammen – vier Geschwister, drei Brüder und eine Schwester. Mitte 2008 stirbt der jüngste der drei Brüder an den Folgen von Aids. Erst nun fällt plötzlich auf, dass der 1955 geborene Mann bereits seit 2005 zwar medizinische Behandlung und Medikamente erhielt – jedoch über die Krankenversicherungskarte eines seiner Brüder.

Das Amtsgericht Düsseldorf beschrieb den Tatvorwurf der Anklage (Strafsache 127 Ds 30 Js 8046/08 – 668/09) in einer Pressevorschau wie folgt:

„Der Angeklagte übergab in der Zeit vom 31.10.2003 bis 31.05.2008 seinem am 05.06.2008 an HIV verstorbenen Bruder seine Krankenversichertenkarte. Er meldete sodann die Karte gegenüber der Krankenkasse als verloren und beantragte für selbst eine Zweitkarte. Dies geschah, um seinem Bruder die Nutzung und den Bezug ärztlicher Leistungen und Medikamente bzgl. seiner HIV-Erkrankung und Begleichung der damit einhergehenden Rechnungen durch die Krankenkasse zu ermöglichen. Insgesamt entstand der Krankenkasse ein Schaden in Höhe von 67.663,62 Euro.“

Der 60-jährige Bruder des Verstorbenen wird angeklagt, wegen Betrugs in 99 Fällen.

Am 8. Dezember 2010 wurde der Staplerfahrer vom Amtsgericht Düsseldorf freigesprochen – wie vom Staatsanwalt beantragt. Der Vorwurfs des Betrugs war nach dem Verlauf der Verhandlung nicht mehr aufrecht zu erhalten. Er habe von der Erkrankung seines Bruders nicht gewusst, erst recht nicht, dass dieser mit seiner damals verloren gegangenen Versicherungskarte behandelt wurde. Vielleicht habe der Lebensgefährte seines verstorbenen Bruders den Betrug eingefädelt.

Eine Beteiligung war dem Bruder nicht nachweisbar. Ob gegen den Lebensgefährten des Verstorbenen ermittelt wird, ist noch unklar.

Bei allen vier Geschwistern liegt einem Gutachten zufolge intellektuelle Schwäche vor, der Angeklagte ist als geistig behindert anerkannt.

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Das Urteil macht wieder einmal aufmerksam auf ein immer noch nicht befriedigend gelöstes Problem: Auch in Deutschland gibt es aus verschiedensten Gründen (z.B. illegaler Aufenthaltsstatus, ökonomische Probleme) Menschen, die keine Krankenversicherung haben. Wie kann diesen Menschen ohne Krankenversicherung dennoch ein Zugang zum Medizin-System ermöglicht werden? Und wie können HIV-Positive, die keine Krankenversicherung haben, dennoch ärztliche Behandlung und antiretrovirale Therapie erhalten?

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weitere Informationen:
Amtsgericht Düsseldorf: Pressevorschau Dezember 2010
RP 09.12.2010: Krankenkassen-Betrug: Freispruch für Bruder
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Hinweis: Auch Menschen ohne einen legalen Aufenthaltsstatus haben Anspruch auf Behandlung, darauf weist die Bundesärztekammer hin (”Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis”, pdf)

Krankenversicherung Schweiz: ‚Selbstzahler‘ (nicht nur mit HIV) vor Problemen

Selbstzahler-Tarife bereiten Patienten, auch HIV-Positiven, in der Schweiz Probleme – plötzlich stehen sie vor hohen Medikamenten-Rechnungen von mehreren Tausend Franken. Krankenversicherer geraten in Verdacht, sich auf diese Weise ihrer ‚teuren‘ Versicherten entledigen zu wollen.

„Das macht dann 7.500 Franken“, spricht der freundliche Apotheker und lächelt. Er kann ja nichts dafür – dass der Patient, der gerade seine HIV-Medikamente bei ihm abholt, bei einem Krankenversicherer ist, der einen ‚Selbstzahler-Tarif‘ hat. Der HIV-Positive hingegen steht vor einem Problem: woher eben auf die Schnelle 7.500 Franken nehmen?

So könnte es für einen HIV-Positiven in der Schweiz ab 1. Januar aussehen. W.B., wie ihn der Tagesanzeiger nennt, ist in einer Krankenversicherung, die ihren Tarif ab kommendem Jahr auf Selbstzahler umstellt. Die Folge: in der Apotheke wird er seine (hochpreisigen) Aids-Medikamente zukünftig zunächst selbst bezahlen müssen, bevor er die Rechnung dem Versicherer zur Erstattung einreicht – und wartet, bis das Geld bei ihm eingeht, genannt werden drei Wochen als Bearbeitunsgzeit.

Die betreffende Krankenkasse begründet ihre Umstellung damit, man wolle „die Eigenverantwortung der Patienten fördern“. Experten vermuten andere Beweggründe: Kostensenkung. Oder das Vergraulen „teurer“ Patienten.

Das Blog ‚Pharmama‘ nennt inzwischen bereits sechs Krankenkassen, die in der Schweiz auf derartige Selbstzahler-Tarife umgestellt haben. In der Schweiz ist eine grundlegende Krankenversicherung gesetzlich Pflicht, ergänzbar um freiwillige Zusatzversicherungen. Zahlreiche private Anbieter konkurrieren. Die Beiträge sehen i.d.R. eine Kostenbeteiligung der Patienten vor.

In der Gesundheitspolitik (insbes. französischsprachiger Länder und der Schweiz) werden derartige Selbstzahler-Tarife auch als ‚tiers garant‘ oder TG bezeichnet. Der Versicherer (tiers = Dritter, hier: Krankenversicherung) garantiert (grant) die Kostendeckung bei diesen TG-Tarifen, der Versicherte zahlt aber zuerst selbst, bekommt anschließend erstattet – ggf. nach Abzug einer Selbstbeteiligung. TG-Tarife stehen im Gegensatz zu ‚tiers payant‘ – Tarifen (TP), bei denen Arzt und Apotheker direkt mit der Kasse abrechnen (wie in Deutschland bei der gesetzlichen Krankenversicherung bisher üblich).

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Auch in der deutschen Gesundheitspolitik wird die Einführung von Selbstzahler-Tarifen überlegt. Der Bericht aus der Schweiz zeigt eindrücklich, dass Patienten (insbesondere auch chronisch Kranke) hier wachsam sein sollten. Das Beispiel macht bewusst, was es in der Praxis bedeuten kann, wenn Politiker vermeintlich „die Eigenverantwortung der Patienten fördern“ wollen.

Erfahrungsberichte aus der Schweiz zu Selbstzahler-Tarifen kommen oft zu einem einfachen Schluss, wie ein Beispiel des Präsidenten der Ärztegesellschaft Solothurn zeigt: „Der Tiers payant wird von den Versicherern bevorzugt, der Tiers garant von der Ärzteschaft.“

Und die Patienten? Die stehen zwischen allen Stühlen und im Zweifelsfall vor großen Problemen. Sie werden laut Ärztepräsident „von beiden Seiten mit Informationsmaterial eingedeckt – und, wie entsprechende Fragen am Ende der Sprechstunde immer wieder zeigen, haben viele von ihnen Mühe, dieses Problem richtig zu verstehen und zu werten.“

weitere Informationen:
Tagesanzeiger 20.10.2010: Wie eine Krankenkasse ihre teuren Patienten vergrault
Pharmamas Blog 20.10.2010: Wie eine Krankenkasse ihre (teuren) Kunden vergrault
Christoph Ramstein, Präsident der Gesellschaft der Ärztinnen und Ärzte
des Kantons Solothurn (GAeSO): Tiers garant versus Tiers payant –
Dichtung und Wahrheit (pdf)
Aids-Hilfe Schweiz 16.11.2010: Krankenkasse wechseln lohnt sich für viele HIV-Positive
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GKV-Finanzierungsgesetz benachteiligt Menschen mit Behinderung

Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz) benachteiligt Menschen mit Behinderung. Aus diesem Grunde hat der Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, Dr. Martin Danner, am 14. September 2010 einen Brief an Hubert Hüppe, den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, geschrieben. Darin fordert Dr. Danner den Behindertenbeauftragten auf, sich dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderung von der Entrichtung von Zusatzbeiträgen ausgenommen werden.

Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz sucht die Bundesregierung den Einstieg in eine durch Zusatzbeiträge finanzierte gesetzliche Krankenversicherung. Menschen mit einem geringen oder gar keinem Einkommen sollen einen automatischen Sozialausgleich erhalten. Dieser soll letztendlich dadurch erfolgen, dass Sozialleistungsträger die Zusatzbeiträge an die gesetzliche Krankenversicherung überweisen. Der Sozialausgleich soll jedoch auf einen jährlich vorab bestimmten durchschnittlichen Zusatzbeitrag beschränkt sein.

Tatsache ist, dass sehr viele Menschen mit Behinderung auf Transferleistungen wie die Eingliederungshilfe oder ALG II angewiesen sind. Für diese Menschen wären die nun vorgesehenen Regelungen nicht nur diskriminierend, sondern hätten auch unzumutbare Konsequenzen hinsichtlich ihrer Versorgung. Da die Beitragszahlung auf den durchschnittlichen Zusatzbeitrag beschränkt wäre, hätten diese Menschen aufgrund ihrer Behinderung keinen Zugang mehr zu allen gesetzlichen Krankenkassen. Zudem ändert sich das Niveau der Zusatzbeiträge ständig. Dies hat zur Folge, dass Menschen mit Behinderungen unter Umständen jährlich die Krankenkasse wechseln müssen, was gerade bei komplexen Krankheitsbildern zu gravierenden Nachteilen und zu einem unzumutbaren Papierkrieg führen würde.

Weiter wäre Menschen mit Behinderung der Zugang zu kassenspezifischen Angeboten aus Rabattverträgen, kassenindividuellen Hilfsmittelverträgen, Verträgen der integrierten Versorgung, bestimmten Reha-Einrichtungen und zu Satzungsleistungen bestimmter Kassen verschlossen. Dies ist insbesondere deshalb unangemessen, weil gerade solche Krankenkassen behinderungsadäquate Leistungen anbieten werden, die im Kassenwettbewerb auf Versorgungsqualität und nicht auf einen Billigbeitrag setzen.

Schließlich ist zu befürchten, dass die Kostenträger, insbesondere die Kommunen, diejenigen Beträge nicht mehr für die Versorgung und Förderung von Menschen mit Behinderungen ausgeben werden, die sie für die Bereitstellung der Beiträge für die GKV aufwenden müssen. Auch unter diesem Gesichtspunkt droht eine erhebliche Verschlechterung der Versorgungssituation von Menschen mit Behinderungen.

Aus den vorstehenden Gründen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bislang die entsprechenden Passagen des GKV-Finanzierungsgesetzes für die anstehenden Kabinettsberatungen nicht mitgetragen. Der Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE bat Hubert Hüppe in dem Schreiben vom 14. September dringend, sich in seiner Position als Behindertenbeauftragter der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderungen von der Entrichtung von Zusatzbeiträgen ausgenommen werden oder dass zumindest die Kostenträger verpflichtet werden, nicht nur den durchschnittlichen Zusatzbeitrag, sondern den kassenindividuellen Zusatzbeitrag zu entrichten. Die Kommunen müssten jedoch dann entsprechende Kompensationsleistungen erhalten, erklärte Dr. Martin Danner.

(Pressemitteilung der BAG Selbsthilfe)

Wir operieren Sie selbstverständlich gerne … HIV-Positiver doch als Patient willkommen

„Wir operieren Sie selbstverständlich gerne.“ Ein HIV-positiver Patient, dem nach einer Vorsorgeuntersuchung angekündigt worden war, man könne ihn wegen HIV nicht operieren, ist inzwischen doch auch als OP-Patient willkommen.

Eine Spezial-Klinik an der Mosel hatten einem HIV-positiven Patienten bei einer Vorsorge-Untersuchung angekündigt, ihn wegen seiner HIV-Infektion nicht operieren zu können. Inzwischen hat sich alles geklärt – veraltete Informationen werden aktualisiert, und der Patient „selbstverständlich auch operiert“.

Einige Wochen später erhielt P. einen Anruf. Die Verwaltungsdirektorin  der Klinik meldete sich. Es habe in der Sache eine Anfrage an die an Zentrale der Gruppe gegeben, zu der auch diese (privat geführte) Klinik gehört, dadurch habe die Zentrale von dem Vorgang erfahren und sich eingeschaltet.

Die Verwaltungsdirektorin entschuldigt sich für den Vorgang und erläutert. Vor Jahren habe es in der Klinik eine Ablauf-Schulung gegeben, wie sich Mitarbeiter in diesen Fällen zu verhalten hätten. Aus dieser vor Jahren erfolgten Ablauf-Schulung habe der Arzt eventuell nicht mehr zutreffende Informationen zu PEP im Hinterkopf gehabt  (z.B. zur Frage, wie schnell nach einem etwaigen Risikokontakt die Medikamenten einzunehmen seien).

Man habe Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen. Es sei Kontakt mit Arbeitsmedizinern des TÜV (die im Haus das Monitoring machen) aufgenommen worden, um sich mit dem aktuellen Sachstand vertraut zu machen. In der Konsequenz sollen die neuen Informationen medizinisch aufgearbeitet werden und zu einem neuen Ablaufplan führen. In diesem werde die aktuelle medizinische Situation berücksichtigt.

Die Verwaltungsdirektorin betonte, HIV (bzw. ein sich offen als HIV-positiv zu erkennen gebender Patient) sei in der Klinik noch nie ein Thema gewesen.

Selbstverständlich würde P, sollte es erforderlich werden, in der Klinik auch operiert werden – und beim nächsten Besuch solle man sich doch gerne einmal „zusammensetzen auf einen Kaffee“.

P. zeigte sich erfreut über die Reaktion der Klinik und darüber, nun doch eine Option für eine etwaig erforderlich werdende Operation zu haben. „So hat es sich doch gelohnt, für meine Rechte einzutreten, für mich – und für andere Positive, die einmal in die selbe Situation kommen könnten.“

PKV und BZgA verlängern ihre Partnerschaft bis 2015

Die erfolgreichste öffentlich-private Partnerschaft in der Aidsprävention wird weitergeführt. Mit insgesamt 16 Millionen Euro unterstützt der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV) die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für weitere fünf Jahre in der Aidsprävention. Die Partnerschaft hat in den vergangenen fünf Jahren wesentlich dazu beigetragen, den Zuwachs der HIV-Neuinfektionen in Deutschland zu stoppen.

Seit Mitte 2005 unterstützt der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. die Aidsprävention der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit über drei Millionen Euro jährlich. Mit dieser innovativen Partnerschaft konnten die Mittel der Bundesregierung soweit aufgestockt werden, dass Reichweite, Präsenz und Wirkung der bekannten Präventionskampagne „GIB AIDS KEINE CHANCE“ deutlich verbessert wurden.

„Die großzügige und langfristige Unterstützung der PKV für die HIV-Prävention hat wesentlich dazu beigetragen, dass der bis 2007 beobachtete jährliche Anstieg der Neuinfektionen bundesweit gestoppt werden konnte. So hat Deutschland im westeuropäischen Vergleich mit die geringsten HIV-Neudiagnosen“, betont Prof. Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Die heutige Vertragsverlängerung ermöglicht es uns, die intensive Ansprache der Bevölkerung, die ohne Mittel der PKV so nicht möglich gewesen wäre, fortzusetzen. Gemeinsam wollen wir dauerhaft die Zahl neuer HIV-Infektionen so gering wie möglich halten.“

„Das Engagement mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist ein gelungenes Beispiel für eine Partnerschaft, die ohne zusätzliche Bürokratien auskommt“, erklärt Dr. Volker Leienbach, Direktor des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. „Für die PKV ist Aidsprävention eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Aids ist nach wie vor eine unheilbare Krankheit, die sehr viel menschliches Leid verursacht. Eine Infektion kann durch Prävention wirksam verhindert werden. Darauf müssen wir immer wieder hinweisen. Zugleich entlasten wir mit dieser Präventionsarbeit das gesamte Gesundheitssystem. Immerhin werden die Kosten einer einzelnen HIV-Infektion heute auf rund 500.000 Euro geschätzt.“

Dass das Schutzverhalten in den vergangenen Jahren wieder deutlich zugenommen hat zeigen die aktuellen Ergebnisse der Repräsentativerhebung „Aids im öffentlichen Bewusstsein 2009“ der BZgA. Verwendeten vor fünf Jahren 74 Prozent der 16- bis 44-Jährigen zu Beginn einer neuen Beziehung Kondome, so ist ihr Anteil 2009 auf 86 Prozent gestiegen. Bei den 16- bis 20-Jährigen ist der Trend, sich mit Kondomen zu schützen, ebenfalls ungebrochen. 83 Prozent der jungen Menschen mit sexuellen Erfahrungen besitzen Kondome. Vor fünf Jahren waren es 75 Prozent und 1990 nur 43 Prozent.

Diese aktuelle Entwicklung ist maßgeblich auf die intensive Aidspräventionsarbeit zurückzuführen. Dazu reagiert die BZgA stets auf neue Rahmenbedingungen und aktuelle Herausforderungen und entwickelt die Präventionskampagne GIB AIDS KEINE CHANCE kontinuierlich weiter. Diese geht in diesem Sommer mit der neuen mach’s mit-Staffel in die zweite Runde. Unter dem Motto „Liebesorte“ werden verschiedene Zielgruppen angesprochen. Passend zur Sommersaison sind unterschiedliche Motive wie Strandkorb, Abenteuer im Auto oder Gartenparty auf Groß und Citylightplakaten, in Anzeigenmotiven und in Kino/TV- Spots zu sehen.

Die beliebten Sommermotive der Liebesorte-Kampagne prägen auch die außergewöhnliche Gestaltung des Informationsstandes der Bundesrepublik Deutschland auf der Welt-Aids-Konferenz, die in diesem Jahr vom 18. bis 23. Juli 2010 in Wien stattfindet. Die BZgA wird dort außerdem einige ihrer Projekte präsentieren.

(Pressemitteilung der BZgA)

Keine Immunglobuline bei Aids

Immunglobuline können bei Aids wie auch bei multipler Sklerose nicht zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Dies entschied das Bundessozialgericht in Kassel.

Weder bei Patienten mit HIV-bedingter Immunschwäche noch bei Patienten mit Multipler Sklerose können Immunglobuline auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eingesetzt werden. Ärzte, die dennoch verordnen, müssen Regress leisten. Klagen eines Onkologen sowie eines Neurologen aus Berlin wurden vom Bundessozialgericht abgewiesen.

Zahlreiche weitere Fälle der Verordnung von Immunglobulinen sind auf unteren Instanzen anhängig – oftmals aufgrund der Verordnung von Immunglobulinen bei Aids.

Für die Indikationen MS und Aids seien Immunglobuline nicht zugelassen (sog. ‚off-label-use‘), begründete das Bundessozialgericht. Ein off-label-use zulasten der GKV ist nach einem Urteil des ersten Senats des BSG nur zulässig, wenn es sich um eine besonders schwere Krankheit handelt, keine weiteren Therapien verfügbar sind sowie eine begründete Aussicht auf Erfolg besteht.

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts entschied in einem schon vor der Vorinstanz Landessozialgericht Berlin-Potsdam verhandelten Fall, in dem es um die Frage des Regresses wegen von einem Arzt verordneter Immunglobuline ging.

Bundessozialgericht Kassel
Az.: B 6 KA 6/09 R (AMS) und B 6 KA 24/09 R (MS)

weitere Informationen:
Ärzteblatt 21.05.2010: Keine Immunglobuline bei Aids und MS
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USA: Behandlung des Fettverlusts im Gesicht wird von Krankenversicherung gezahlt

In den USA übernimmt eine der bedeutendsten Krankenversicherungen, MediCare, zukünftig die Kosten für die Behandlung des Fettverlusts im Gesicht bei HIV-Patienten.

Im Januar hatte sich bereits angekündigt, dass die US-Krankenversicherung für ältere und/oder behinderte Mitbürger MediCare bald die Behandlungskosten bei Lipoatrophie übernehmen würde. Die zuständigen U.S. Centers for Medicare and Medicaid Services CMS betonten nun, die als Gesichts-Füllstoffe verwendeten Produkte hätten sich als hilfreich erwiesen bei HIV-Positiven, die auch an Depressionen leiden. Für diese werden die Behandlungskosten nun übernommen.

MediCare ist als Krankenversicherung für etwa 45 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner zuständig.

Fettverlust im Gesicht (”facial wasting”) ist eine der von vielen HIV-Positiven gefürchteten möglichen Nebenwirkungen von HIV und medikamentöser Behandlung. Er führt dazu, dass Positive wieder als HIV-Infizierte erkannt werden können – er macht HIV wieder sichtbar, mit all den potentiell stigmatisierenden und diskriminierenden Folgen.

Dieser Fettverlust im Gesicht kann medizinisch erfolgreich behandelt werden, durch Füllstoffe. In Europa sehr häufig angewandt werden die Produkte Sculptra® (früher: New Fill) und Radiesse®.  Das Problem: die Kosten für die Behandlung werden von gesetzlicher wie auch privater Krankenversicherung in der Regel nicht übernommen (im Gegensatz zu einigen europäischen Nachbarstaaten). Nur im Einzelfall konnten HIV-Positive bisher eine Übernahme der Behandlungskosten für New Fill vor Gericht durchsetzen.

weitere Informationen:
aegis 23.03.2010: Medicare to pay for „fillers“ in HIV patients
CMS 23.03.2010: Decision Memo for Dermal injections for the treatment of facial lipodystrophy syndrome
POZ 24.03.2010: Medicare to Cover HIV-Related Facial Wasting Treatment
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USA: Krankenversicherer scannte gezielt nach HIV-positiven Kunden – um deren Verträge zu kündigen

Ein Krankenversicherer in den USA hat unter seinen Kunden gezielt mit spezieller Software nach HIV-Infizierten gesucht – um ihnen die Kostendeckungs-Zusage zu widerrufen und die Verträge zu kündigen.

Er hatte gerade mit dem College begonnen, als der 17jährige Jerome Mitchel erfuhr, dass er HIV-positiv ist. Vor Beginn des College hatte er glücklicherweise eine private Krankenversicherung abgeschlossen, glaubte insofern zumindest vor finanziellen Problemen aufgrund von Untersuchungen und Therapie geschützt zu sein.  Doch weit gefehlt – sein Versicherer kündigte ihm seine damals schon über ein Jahr bestehende Versicherung.
Nicht ganz zufällig, wie im Verlauf des Prozesses deutlich wurde, den er gegen seinen nun ehemaligen Versicherer anstrengte.

Der Versicherer, damals noch unter den Namen Fortis, soll mit Hilfe eines speziell dafür eingerichteten Programms und Algorithmus‘ gezielt nach jüngst diagnostizierten HIV-Positiven unter seinen Versicherten gesucht haben – im Rahmen einer Untersuchung auf ‚Betrugsverdacht‘, um dann anschließend die Kostendeckungszusage zurück zu ziehen und die Versicherungspolice zu kündigen. Dies geht aus Unterlagen hervor, die bei einem Gerichtsverfahren gegen den Versicherer vor dem South Carolina Supreme Court vorgelegt wurden.

Versicherer würden des öfteren die Akten von Versicherten genauer prüfen, bei denen kürzlich eine schwerwiegende Erkrankung festgestellt wurde. Gezieltes Scannen nach HIV-Positiven, um diese dann zu kündigen – dies als bewusste und absichtliche Geschäftspolitik, das habe es vorher noch nicht gegeben, betonte ein Ermittler Presseberichten zufolge die Besonderheit des Falles. Es sei hier angesichts lebenslanger Therapie bei inzwischen hoher Lebenserwartung klar um den Kostenfaktor gegangen.

Der Versicherer „Assurant Health“ wirbt auf seiner Internetseite mit dem Motto „Feel good about your health insurance choices“. Der Versicherer gehört zur Assurant-Gruppe. Das Unternehmen entstand als selbständiges Unternehmen im Februar 2004, als der belgisch-niederländische Finanzkonzern Fortis seine US-Versicherungsaktivitäten unter dem Namen Assurant an die Börse brachte. Assurant ist über Tochterunternehmen u.a. auch in Deutschland auf dem Markt ist, jedoch nicht mit Krankenversicherungen.

Die Akten, aus denen Assurants fragwürdige Geschäftspolitik hervorging, wurden im Rahmen des Prozesses bekannt, den Jerome Mitchel gegen Assurant Health angestrengt hatte. Er gewann in erster Instanz, der Versicherer kündigte jedoch an in Berufung zu gehen.

Jean Hoefer, Präsidentin des Supreme Court, bezeichnete das Verhalten des Versicherers unter anderem als „verwerflich“. Der Richter des Verfahrens kommentierte, die Gesellschaft habe mit dem Leben der ehemaligen Versicherten gespielt. Das Motiv hierfür sei klar erkennbar: Fortis habe die Maximierung von Profiten über die Rechte und Interessen seiner Kunden gestellt, so der Richter.

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weitere Informationen:
aegis 17.03.2010: Insurer targeted HIV patients to drop coverage
metro 17.03.2010: Report: HIV patients canceled by insurer
POZ 17.03.2010: Insurance Company Allegedly Targeted HIV-Positive People and Dropped Coverage
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Deutsche Aids-Hilfe gegen „kassenindividuelle Zusatzbeiträge“

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) lehnt die angekündigten „kassenindividuellen Zusatzbeiträge“ strikt ab: Sie teilt die Haltung des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, der die Zusatzbeiträge als unsozial und ungerecht kritisiert hat. Viele Menschen beziehen z.B. als Folge einer chronischen Erkrankung niedrige Einkommen – darunter tausende Menschen mit HIV und Aids. Die DAH unterstützt die Vorschläge des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die solidarische Finanzierung wiederherzustellen und die Versicherungspflichtgrenze aufzuheben.

Dazu erklärt DAH-Bundesvorstand Carsten Schatz: „Wir fordern die gesetzlichen Krankenkassen auf, Niedrigeinkommensbezieher unverzüglich von der geplanten Zuzahlung zu befreien. Alles andere würde unzumutbare Härten bedeuten: einerseits wegen der finanziellen Zusatzbelastung, andererseits wegen des „Quasi-Zwangs“ zum Kassenwechsel. Und dies noch mit der von allen Experten bestätigten Prognose, dass bald alle Kassen einen Zusatzbeitrag erheben werden. Menschen mit HIV und Aids sind wie andere chronisch Kranke auch auf eine sehr gute und verlässliche medizinische Versorgung zwingend angewiesen. Hierzu gehört auch eine verlässliche Krankenkasse. Ein „Krankenkassenhopping“ würde das wichtige, zum Teil über Jahre gewachsene Vertrauensverhältnis der Menschen zu ihrer Krankenkasse zerstören“.

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe vom 28.01.2010)

Auch die BAG Selbsthilfe hatte die Beitragserhöhungen als unsozial und unsolidarisch kritisiert.

Unsozial und unsolidarisch – BAG Selbsthilfe kritisiert pauschale Beitragserhöhung der Krankenkassen

„Die einkommensunabhängige Erhöhung der Krankenkassenbeiträge um 8 Euro ist unsozial und ein weiterer Baustein der Entsolidarisierung des deutschen Gesundheitssystems,“ kommentiert Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, die sich abzeichnenden Zusatzbeiträge für Millionen gesetzlich Versicherte – Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer, Rentnerinnen und Rentner, behinderte und chronisch Kranke. Zusatzbeiträge treffen chronisch kranke und behinderte Menschen besonders hart, da diese Menschen bereits durch Zuzahlungen, Aufzahlungen, Eigenanteile und die Praxisgebühr übermäßig belastet werden.

Als erste plant die DAK statt der ebenfalls möglichen prozentual am Einkommen orientierten Beitragserhöhung den Pauschalbetrag von allen gesetzlich Versicherten zum 1. Februar einzufordern. Andere Krankenkassen kündigten an, ebenfalls im Laufe des Jahres Zusatzbeiträge zu erheben.

„Hier wird scheibchenweise das Gesundheitssystem auf Pauschalbeiträge umgeschichtet und ein Probelauf für die Einführung der Kopfpauschale gefahren,“ so Dr. Danner weiter. „Zudem ist der Abrechnungsmodus der Nachzahlung die Geburt eines Bürokratiemonsters, bei dem der Aufwand der Beitragsbeschaffung in keiner Relation zum finanziellen Ergebnis steht.“

(Pressemitteilung der BAG Selbsthilfe vom 27.01.2010)

Methadon-Therapie: muss Krankenkasse zahlen – oder nicht?

Die Krankenversicherung muss nicht für die Methadon-Behandlung eines Drogengebrauchers aufkommen, urteilt das Landgericht Nürnberg-Fürth.

Ein Drogengebraucher genießt für die Methadon-Behandlung keinen Versicherungsschutz seiner Krankenkasse. Schließlich nehme er seine Abhängigkeit bewusst in Kauf. So urteilte Ende 2008 das Landgericht Nürnberg-Fürth. Die Krankenversicherung müsse die Kosten für eine Methadon-Behandlung nicht übernehmen.

Auf ein entsprechendes jüngst publiziertes Urteil weist die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltsvereins hin:

„Wer seine Abhängigkeit von Heroin bewusst in Kauf nehme, führe den Versicherungsfall der möglichen späteren Methadon-Behandlung vorsätzlich herbei. In solchen Fällen müsse die Krankenkasse nicht zahlen.“

Das Urteil gilt für eine Private Krankenversicherung.

In der Gesetzlichen Krankenversicherung werden die Kosten einer Substitutions-Behandlung mit Methadon übernommen – auf Antrag:

„Die Kosten der Methadonbehandlung werden bei entsprechender medizinischer Indikationsstellung vom substitutionsberechtigten Arzt durch die gesetzliche Krankenkasse übernommen. Dies klärt der Arzt mit Ihnen beim ersten Untersuchungs-/ Vorstellungstermin in der Substitutionspraxis. Danach wird der Antrag zur Kostenübernahme vom behandelnden Arzt bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gestellt. Erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheides durch die KV werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen.“ (midames – Münchner Informationssystem Drogen Alkohol Medikamente Eßstörungen Sucht)

In der Privaten Krankenversicherung können die Kosten für eine Methadon-Therapie auch weiterhin aus Kulanz vom Versicherer übernommen werden..

Es verwundert, warum der Deutsche Anwaltsverein jetzt auf dieses Urteil hinweist OHNE den Hinweis, dass es für die private Krankenversicherung gilt –  und eine Debatte anstößt.

In der Private Krankenversicherung gilt zunächst Vertragsfreiheit – ein Grund mehr, sich diesen Schritt genau zu überlegen. Der Fall der Methadon-Behandlung zeigt mögliche Konsequenzen …

Viel wichtiger aber ist die Frage nach Konsequenzen, wenn sich der Grundgedanke dieses Urteils auch generell durchsetzen sollte.
Denn – welcher Gedanke steht hinter diesem Urteil? Wieder der des Schuldprinzips. Wer für ein gesundheitliches Problem selbst verantwortlich ist, für den solle die Krankenversicherung auch nicht aufkommen, so diese Denkweise.

Eine gefährliche Denkweise, die an den Grundfesten unseres Versicherungssystems kratzt – nämlich dem der Solidargemeinschaft. Alle Versicherten stehen gemeinsam für alle Probleme aller ein. Durch die Verteilung der Kosten auf alle muss niemand existentielle Probleme aufgrund eines gesundheitlichen Problems befürchten – egal aus welchem Grund.

Wer dieses Prinzip aushöhlt – besonders, indem er das Schuldprinzip einführt -, legt damit die Axt an eines der Grundprinzipien unserer Gesellschaft, gefährdet den sozialen Frieden.

HIV-Positive sollten hellhörig werden: wer so denkt, wird irgendwann auch die Frage stellen, wie weit jemand für seine HIV-Infektion „selbst schuld“ sei – und die Übernahme Behandlungskosten durch die Gesetzliche Krankenversicherung in Frage stellen.

Danke an L. und das Forum für den Hinweis!.

weitere Informationen:
Landgericht Nürnberg-Fürth 11. Dezember 2008 (AZ: 8 O 3170/07) (publiziert u.a. in VersR Heft 20, 5. Juli 2009)
Ärzte-Zeitung 17.07.2009: PKV muss nicht aufkommen für die Methadonbehandlung
Deutscher Anwaltverein 28.08.2009: Krankenkasse muss Methadon-Behandlung nicht zahlen
Deutsches Ärzteblatt 28.08.2009: Urteil: Krankenkasse muss Methadon-Behandlung nicht zahlen
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DocCheck einmal anders – Patienten bewerten Ärzte

Die AOK plant ein eigenes Portal, auf dem Patienten ihre Ärzte bewerten können. Ziel sei eine Verbesserung der Behandlungsqualität.

Welcher Arzt ist denn gut bei …? Und wer hat Erfahrungen mit …? Bisher werden Tipps und Erfahrungen von Patientinnen und Patienten mit Ärzten eher im Privaten, in Freundes- und Bekanntenkreisen weitergegeben.

Dabei sind die Erfahrungen, die andere Patienten mit Ärzten machen, womöglich hilfreiche und wichtige Informationen auch für andere Patienten, z.B. bei der Frage der Arzt-Wahl. Eine Art „Ärzte-TÜV“ könnte hilfreich sein, mag sich die AOK gedacht haben.

Mehr Transparenz, mehr Offenheit in Sachen Meinungen und Erfahrungen über Ärzte will nun die Krankenkasse zukünftig ermöglichen, mit einem Portal, auf dem Patienten ihre Ärzte bewerten können.

Die AOK will zusammen mit Medizinern und der Bertelsmann-Stiftung Kriterien für die Bewertung entwickeln. Zudem sollen die Bewertungen erst dann freigeschaltet werden, wenn für einen Arzt mehrere Bewertungen vorliegen. Damit sollen die Angaben aussagefähiger werden.

Die AOK hat bundesweit über 24 Millionen Versicherte. Etwa 185.000 Mediziner arbeiten in Deutschland als niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte.

Die Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel, stimmte dem Projekt grundsätzlich zu. Es könne eine wichtige Orientierungshilfe bieten. Ärzteverbände hingegen äußerten bereits massive Kritik. Das Vorhaben sei „unseriös“.

Der „AOK – Arzt – Navigator“, so der Name des zukünftigen Angebots der Krankenkasse, soll noch im Laufe des Jahres 2009 online gehen. Er soll ein Angebot für die Versicherten der AOK sein.

Weitere Informationen:
Ärtztezeitung 12.06.2009: AOK will Arzt-Bewertungsportal noch in diesem Jahr online stellen
SZ 12.06.2009: Ärzte-TÜV im Internet: „unseriös und anonym“
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Gericht: Kasse muss Lipodystrophie- Behandlung zahlen

Erst auf dem Weg einer Eil-Entscheidung konnte ein 44jähriger HIV-infizierter Mann erreichen, dass die Krankenkasse eine Behandlung massive Fettverteilungsstörungen aufgrund antiretroviraler Therapie (Lipodystrophie) übernimmt. Nun wurde die Kasse auch im Hauptverfahren vom Hessischen Landessozialgericht zur Kostenübernahme verpflichtet.

Nach mehreren Medikamentenresistenzen konnte der 44jährige Mann bereits vor einigen Jahren eine Kombitherapie beginnen, die seinen Zustand deutlich verbesserte. Er erlitt jedoch massive Fettverteilungsstörungen (Lipodystrophie) verbunden mit einer Gewichtszunahme von 13kg. Erhebliche organische Gesundheitsstörungen (starke Rückenschmerzen, Kurzatmigkeit, Einschränkung der Bewegungsfähigkeit) waren die Folge.

Die Fettverteilungsstörungen sollten mit dem Medikament Serostim® behandelt werden. Serostim® ist seit 1996 in den USA zugelassen zur Behandlung von Aids-Wasting, während die Europäische Medikamentenbehörde EMEA im April 2003 die Zulassung von Serostim® ablehnte.

Wasting ist ein starker Gewichtsverlust, üblicherweise u.a. im Rahmen von Aids. Studien mit Serostim® haben in den vergangenen Jahren jedoch auch Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Substanz dazu geeignet sein könnte, übermäßige Fettansammlungen im Bauchbereich (Lipodystrophie) zu behandeln.

Die Krankenkasse des 44jährigen Mannes (AOK Hessen) lehnte die Behandlung mit dem Medikament jedoch ab. Die Beweislage für eine Wirksamkeit sei nicht ausreichend, zudem sie das Medikament in Deutschland und Europa nicht zugelassen.

Der Patient klagte jedoch und gewann im März 2003 vor dem Sozialgericht Kassel. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutz-Verfahrens wurde die Kasse zur Kostenübernahme verurteilt.  Der Mann wurde 2003 bis 2005 behandelt – erfolgreich, die Fettansammlungen bildeten sich fast völlig wieder zurück.

Das Hauptsache-Verfahren allerdings lief weiter. Am 15. Januar 2009 verurteilte das Hessische Landessozialgericht (AZ L 1 KR 51/05) die Kasse zur Kostenübernahme. Das Urteil wurde am 12. März 2009 veröffentlicht.

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Das Hessische Landessozialgericht dazu:

„Leidet ein gesetzlich Krankenversicherter an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für die eine anerkannte medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, kann er die Versorgung mit einem nicht zugelassenen Medikament beanspruchen. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Versicherte in einer notstandsähnlichen Situation befindet und dass eine Abwägung von Nutzen und Risiken für die Versorgung spricht.“

Das Landessozialgericht führte weiter aus:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstoße die Verweigerung einer neuen medizinischen Behandlungsmethode gegen das Grundgesetz, wenn eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege, für welche eine anerkannte Behandlung nicht zur Verfügung stehe. Bei einer notstandsähnlichen Situation sei dies auf Arzneimittel übertragbar.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Revision wurde zugelassen.

weitere Informationen:
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15.01.2009
Hessisches Landessozialgericht 12.03.2009: Anspruch eines HIV-Erkrankten auf Versorgung mit Serostim
FAZ.net 12.03.2009: Kasse muss im Notfall nicht zugelassene Arznei bezahlen
HIV-i-base Oktober 2003: US approves and Europe rejects Serostim (recombinant growth hormone) for treatment of HIV-related wasting

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