Zum ersten Mal liegen aussagekräftige Daten zur Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV in Deutschland vor.
Anlässlich ihrer Konferenz „Positive Begegnungen“, die am Donnerstag in Wolfsburg beginnt, hat die Deutsche AIDS-Hilfe am Mittwochvormittag bei einer Pressekonferenz in Wolfsburg die Ergebnisse ihrer Studie „positive stimmen“ vorgestellt.
„positive stimmen“ ist die deutsche Umsetzung des internationalen Projekts „The People living with HIV Stigma Index“, das unter anderem von der HIV/Aids-Organisation der Vereinten Nationen, UNAIDS, und dem Globalen Netzwerk von Menschen mit HIV, GNP+, getragen wird. Das Prinzip: HIV-Positive befragen HIV-Positive. So werden in dieser Studie nicht nur Stigmatisierung und Diskriminierung sichtbar, sondern gleichzeitig können sich alle Beteiligten mit ihrer Situation auseinandersetzen und Wege zum Umgang damit entwickeln. Forschung und Ermutigung, Hilfe zur Selbsthilfe gehen Hand in Hand.
In Deutschland fanden 1.148 Interviews statt. Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:
• Knapp 77% der Befragten hatten im Jahr vor der Befragung Diskriminierung erlebt – von Tratsch über Beleidigungen bis hin zu tätlichen Angriffen.
• Rund 20% der Befragten wurde im Jahr vor der Befragung aufgrund von HIV eine medizinische Behandlung verweigert (zum Beispiel beim Zahnarzt).
• Es verloren mehr Leute ihren Job aufgrund von Diskriminierung als aus gesundheitlichen Gründen. Kündigungen hatten in 84% der Fälle mit Diskriminierung zu tun.
• 30% der Befragten haben sich von ihrer Familie zurückgezogen. Bei denen, die zuvor bereits Ausschlusserfahrungen in der Familie machen mussten, waren es sogar 66%.
• Stigmatisierung und Diskriminierung werden verinnerlicht: 42% berichteten, sie hätten im Jahr vor der Befragung aufgrund von HIV ein niedriges Selbstwertgefühl gehabt.
• Die gute Nachricht: 29% der Befragten gehen gegenüber ihrem Arbeitgeber offen mit ihrer Infektion um – mehr als meist vermutet. 61% tun dies allerdings nicht, viele davon aus Angst vor Benachteiligung. (Rest zu 100 Prozent: Mischformen).
• 74% der Arbeitgeber reagierten auf das Coming-out HIV-Positiver unterstützend oder neutral, 26% diskriminierend.
Dazu sagt Carsten Schatz, Mitglied im Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Die in der Befragung deutlich gewordene Diskriminierung im Alltag ist nicht überraschend, aber völlig inakzeptabel. Unser Ziel bleibt eine Gesellschaft ohne Diskriminierung. Die Politik und die gesamte Gesellschaft sind aufgerufen, sich dafür einzusetzen. Die Bundesregierung muss HIV-Positive und chronisch Kranke endlich ausdrücklich unter den Schutz des Allgemeinen Gesetzes zur Gleichbehandlung (AGG) stellen. Arbeitgeber und Berufsverbände sind aufgefordert klarzustellen, dass HIV kein Hinderungsgrund ist, wenn es um die Ausübung des Berufes geht. Und nicht zuletzt kann sich jeder einzelne Mensch fragen, wo sein eigenes Denken und Handeln von Vorurteilen und Ängsten geprägt ist. Informationen und realistische Bilder vom Leben mit HIV sind die besten Mittel, damit umzugehen. Diskriminierung ist heilbar!“
Die Befragung selbst geht hier mit gutem Beispiel voran. So sagt Teilnehmer Manni im Interview: „,positive stimmen’ ist sicher auch ein Stück auf dem Weg zu mehr Offenheit im Umgang mit HIV!“
Markus Schmidt vom Projektbeirat und selbst HIV-positiv: „Dieses Projekt ist ein wichtiger Schritt, um dem Leben mit HIV aktuelle Gesichter zu geben.“
Und Michael Jähme, ebenfalls vom Projektbeirat und HIV-positiv: „Das Leben mit HIV ist ganz anders, als die meisten sich das vorstellen. HIV-Positive dürfen sich stark fühlen, sie dürfen sich empören und fordern, dass es nicht in Ordnung ist, sie zu benachteiligen.“
Ausführliche Dokumentation der Ergebnisse (PDF)
Mehr Informationen zu den „Positiven Begegnungen“ in Wolfsburg (Die Ergebnisse der Befragung werden bei der Konferenz in vielen Veranstaltungen diskutiert.)
Behandlungsverweigerungen, Behandlungen nur in Nebenzeiten, oder nur in Notfällen – oft begründet mit dem vermeintlich erhöhten Hygiene-Aufwand, oder damit, man befürchte negative Konsequenzen für die eigene Praxis. Selten die direkte Antwort, man / frau habe zu wenig Kompetenz bei diesem Thema – oder schlicht Angst.
Das Robert-Koch-Instuitut hat sich hierzu bereits 2010 begrüßenswert klar geäußert:
“Die Weigerung von Zahnärztinnen und Zahnärzten, Patienten mit HIV-Infektion zu behandeln, lässt sich NICHT aus der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention ableiten bzw. begründen. Wer sich auf diese Empfehlungen beruft, um eine diskriminierende Behandlung HIV-infizierter Patienten in der zahnärztlichen Versorgung zu begründen, setzt sich dem Verdacht aus, diesen Grund nur vorzuschieben, um eine auf Halbwissen und Ängsten beruhende Diskriminierungsbereitschaft zu verschleiern.”
Dennoch – die Weigerung von Zahnärzten, HIV-Positive zu behandeln, häufen sich – seit Jahren. Hier handelt es sich nicht (wie Verbandsvertreter gelegentlich gerne entschuldigend äußern) um ‚bedauerliche Einzelfälle‘. Zu viele dieser Fälle sind inzwischen dokumentiert (einige z.B. hier auf ondaamris unter dem Stichwort ‚Zahnarzt‘ oder auch bei Blogger alivenkickin zur Situation in Frankfurt,. Darmstadt und Dieburg: ‚HIV + der Gang zum Zahnarzt‚ und ‚Zahznärzte – besser als ihr Ruf?‚). All diese Fälle und Umfragen zeigen: dieses Problem tritt nicht vereinzelt auf, sondern seit langem immer wieder. Ob Ignoranz, Unwissen, Angst oder Dummheit beteilgt sind, mag dem betroffenen HIV-Positiven letztlich egal sein. Wichtig ist, dass sich endlich etwas ändert.
Behandlungsverweigerung, Diskriminierung HIV-Positiver – wann ziehen wir Zahnärzten endlich diesen Zahn ?
Oder wird es Zeit, dass HIV-Positive den Deutschen Zahnärzte-Tag aufmischen, hier ihren Protest deutlich hörbar machen? Der nächste Deutsche Zahnärztetag wäre dann am 9. und 10. November 2012 in Frankfurt. Kurz vor dem Welt-Aids-Tag und der Paulskirchen-Veranstaltung der Frankfurter Aids-Hilfe … ein guter Zeitpunkt, dass Zahnärzte sich endlich dem Thema HIV stellen, Position beziehen. Und klar machen, wie sie zum Thema Behandlungsverweigerung und Stigmatisierung HIV-Positiver stehen.
Anfang Juli suchte ein HIV-positiver Mann Rat bei der Aids-Hilfe Münster – sein bisheriger Zahnarzt hatte die weitere Behandlung aufgrund der HIV-Diagnose abgelehnt. Die Aids-Hilfe Münster fragte daraufhin bei zehn Zahnärzten in Rheine nach – nur einer (!) war bereit, HIV-Positive zu behandeln. Die anderen neun wollten HIV-Positive gar nicht, nur im Notfall oder nur in Randzeiten behandeln.
Zahnprobleme und Zahnarzt-Behandlung sind für viele Menschen mit HIV immer noch ein Problem, selbst in Großstädten – wie vielfach hier berichtet (siehe Tag Zahnarzt).
Der Blogger-Kollege alivenkickin hat Zahnarzt-Praxen im Raum Frankfurt am Main getestet – mit bestürzendem Ergebnis: Reaktionen zwischen ‚Verweis an die Uniklinik‘ oder ‚Behandlung nur in Randzeiten‘ waren die häufigsten, häufig auch die glatte Aussage „Positive behandeln wir nicht“.
HIV-Positive berichten anderen HIV-Positiven über ihre Erfahrungen mit Ärzten – und empfehlen HIV-Behandler. Dies ermöglicht eine neue Initiative – in Großbritannien.
Erstmals haben HIV-Positive in Großbritannien die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit Ärzten zu dokumentieren, diese zu bewerten und anderen Positiven HIV-Behandler zu empfehlen. Eine entsprechende Initiative wurde von der britische Aids-Organisation Terrence Higgins Trust (THT) in Zusammenarbeit mit der Organisation ‚My Aids‘ ‚IWantGreatCare’auf dem britischen Internetportal „My HIV“ [nicht zu verwechseln mit der US-amerikanischen Site ‚My HIV, My Aids‘] gestartet.
HIV-Positive, die sich über die Site ‚My HIV‚ (die vom Terrence Higgins Trust betrieben wird) anmelden, können auf ‚IWantGreatCare‘ vertraulich über ihre Erfahrungen mit Ärzten berichten und diese bewerten. Diese detaillierten, zusammengestellten Informationen können dann von anderen HIV-Positiven, die einen Arzt suchen, eingesehen und bei ihrer Entscheidung über eine Arzt-Wahl berücksichtigt werden. Die Bewertung der Behandler erfolgt anhand eines Fragen-Katalos (z.B. ob er / sie dem Arzt vertraut, ob der Arzt / die Ärztin zuhört bzw. ihm / ihr ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet hat oder ob er / sie diesen Arzt empfehlen würde). Grundidee: Positive helfen Positiven – auch bei der Arzt-Wahl.
Vertreter des Terrence Higgins Trusts betonten, HIV-Positive würden auch heute noch beim Arzt oftmals stigmatiserende oder diskriminierende Erfahrungen machen, oder machten sich hierüber Sorgen. Man wolle mit dem neuen Portal HIV-Positiven eine Möglichkeit bieten, Ärzte zu finden, die sich sensibel mit ihrer Situation auseinander setzen, und auf gute HIV-Behandler mit hohem Qualitätsstandard hinweisen.
Die britische unabhängige Organisation ‚IWantGreatCare‘ ermöglicht Patienten, zu verschiedensten Erkrankungen ihre individuellen Erfahrungen mit Ärzten zu berichten und diese zu bewerten. Die Organisation beschreibt ihr allgemeines Anliegen so:
„Experiences and views of patients and their carers show that there is a huge range in quality of care received – not only in clinical outcomes, but in the actual experience of receiving care. iWantGreatCare empowers a doctor’s patients, patients‘ carers and relatives and colleagues rate them using objective criteria derived from the evidence base for patient satisfaction. Everything added to the site is seen and used by doctors and organisations to help them improve the service they provide.“
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Immer wieder hört man/frau Fragen wie „Zu welchem, Arzt kann ich denn gehen?“ oder „Hast du einen Tipp für eine gute … ?“. Wichtiger beinahe noch, auch schlechte Erfahrungen mit Ärzten sind immer wieder zu hören, sei es Erfahrungen von Stigmatisierung oder Diskriminierung, Behandlungs-Probleme oder gar -Verweigerungen (wie sie z.B. von Zahnärzten oder aus der Chirurgie immer wieder berichtet werden).
Erfahrungen mit Ärzten zu sammeln, und diese strukturiert zugänglich zu machen, auf dass andere HIV-Positive ihre Arzt-Wahl informiert und auf breiterer Basis treffen können – das wünschen sich vermutlich auch viele HIV-Positive in Deutschland.
Auch wenn Erfahrungen anderer Patientinnen und Patienten nicht das einzige Kriterium einer Arzt-Wahl sein sollten (sondern z.B. Faktioren wie Kompetenz, Behandlungserfahrung), die britische Initiative zur Bewertung und Empfehlung von HIV-Behandlern durch HIV-Positive ist ein spannendes Experiment …
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weitere Informationen:
Terrence Higgins Trust 12.03.2012: Terrence Higgins Trust and iWantGreatCare launch UK’s first ever healthcare recommendation service for people with HIV
Pinknews 12.03.2012: THT’s myHIV site to let users find and recommend best HIV services
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Aids sei eine „Milieu – Erkrankung“ und werde nicht durch HIV ausgelöst. Mit dieser Äußerung sorgte ein Bielefelder Zahnarzt in der Öffentlichkeit für Diskussionen – und darf es auch weiterhin, so das Verwaltungsgericht Münster.
Auch für Zahnärzte gilt die Meinungsfreiheit. So begründete das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Münster sein Urteil, es sehe keinen Grund für ein berufsgerichtliches Verfahrern gegen einen Bielefelder Zahnarzt. Dieser hatte sich in einem Interview mit einem Lokalblatt unter dem Titel „AIDS ist keine HIV-Erkrankung“ sowie in einem Leserbrief geäußert. Aids sei nicht übertragbar, sondern eine nicht übertragbare Stoffwechselstörung. Vielmehr sei Aids eine „Milieu-Erkrankung“. Anlass der Äußerungen des Zahnarztes waren Medienberichte zur Verhaftung einer Pop-Sängerin wegen des Verdachts der HIV-Infektion.
Nachdem sich mehrere Zahnärzte beschwert hatten, klagte die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe gegen ihr Mitglied. Er habe gegen die Berufsordnung verstoßen und Aids verharmlost.
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit decke die Äußerungen des Zahnarztes. Ein Verstoß gegen die Berufsrodnung bestehe nicht. Zu dieser Einschätzung kam nun das zuständige Berufsgericht.
Bundesgesundheitsminster Bahr hat Ärzte in Deutschland für den diskriminierenden Umgang mit HIV-Positiven gerügt. Dies sei erschreckend.
„Es ist erschreckend, dass Berufsgruppen, die eigentlich eine entsprechende Ausbildung haben müssten, ein solches Verhalten an den Tag legen.“ Mit diesen Worten wandte sich Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr an Ärzte und Zahnärzte und kritisierte ihren Umgang mit HIV-Positiven. Bahr sprach anläßlich der Vorstellung der Welt-Aids-Tags-Kampagne 2011 in Berlin. Er kündigte an, die Frage der Ausgrenzung HIV-Positiver mit den zuständigen Berufsverbänden anzusprechen.
Bahr betonte, ein „offener und diskriminierungsfreier Umgang“ mit HIV-Positiven sei wesentliche Voruassetzung für eine erfolgreiche Prävention. Wer gut informiert sei, „neigt nicht dazu, Menschen wegen irrationaler Ängste auszugrenzen“.
Berlin: Ihre Praxis sei ein Ausbildungsbetrieb, sie könne HIV-Patienten nicht behandeln. Mit dieser Begründung verweigerte eine Zahnärztin in Berlin einem HIV-positiven Mann die Behandlung – trotz akuter Schmerzen.
Ralf (Name geändert) freute sich auf die Hochzeit eines befreundeten Paares am Wochenende, berichtet er. Doch am Montag bekam er Zahnschmerzen. Als diese auch am Dienstag (6. September 2011) noch anhielten, entscheid er sich, zum Zahnarzt zu gehen. Die Praxis einer Zahnärztin in Berlin-Wedding wurde ihm empfohlen, erst für Donnerstag bekam er einen Termin.
„Ach, ich seh schon“, begrüßte ihn die Sprechstundenhilfe, sein Problem war offensichtlich. Ralf bezahlte die Praxis-Gebühr, füllte den Patienten-Fragebogen aus. Doch – schon bald wurde klar: hier ist er nicht willkommen, aufgrund seiner HIV-Infektion. Die Zahnärztin erläuterte ihm -am Empfang, in Anwesenheit anderer Patienten – klipp und klar, ihre Praxis bilde aus, sie könne HIV-Positive nicht behandeln. Trotz längerer Diskussion, Erläuterung der Situation (Ralf nimmt erfolgreich antiretrovirale Medikamente, Viruslast unter der Nachweisgrenze), die Zahnärztin beharrte auf ihrer Position. Obwohl der Patient dezidiert auf starke Schmerzen und Entzündung hinwies, um Hilfe bat, verweigerte sie die Behandlung. Verwies ihn an einen anderen Zahnarzt oder die Zahnklinik – „zur Weiterbehandlung“, obwohl sie überhaupt keine Behandlung begonnen hatte. Trotz offensichtlicher Entzündung (Fieber) erhielt er auch keine Medikamente vorgeschlagen.
Ralf hat veranlasst, dass die Berliner Zahnärztekammer sowie die Berliner Patientenbeauftragte von dem Verhalten der Zahnärztin informiert werden. Und sich einen anderen Zahnarzt gesucht …
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Gleiche Geschichte, schon wieder – nur dieses Mal mit einer neuen Variante der Begründung, der Ausbildung. Als würden in der Ausbildung andere Hygiene- oder Behandlungsvorschriften gelten. Als böte sich nicht gerade in dieser Situation die Chance, ihren Auszubildenden zu zeigen, wie eine diskriminierungs- und vorurteilsfreie und rein an Sachverhalten orientierte Praxisführung aussieht.
Ganz offensichtlich besteht bei der Zahnarzt-Behandlung HIV-Positiver in Deutschland immer noch ein gravierendes Problem.
Die Stellungnahmen von dagnä und DAIG sowie des RKI waren ein wichtiger, ein begrüßenswerter Schritt – allein, die Realität zeigt, dass sie nicht ausreichen. Nun sind die Politik sowie die Bundes-Zahnärztekammer gefragt, endlich für Klarheit zu sorgen.
Immer wieder haben HIV-Positive Probleme bei Zahnarzt-Besuchen – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, wie ein aktueller Fall aus La Rochelle zeigt.
Cyrille Vezzoli, ein 36-jähriger Mann aus La Rochelle, wollte zum Zahnarzt. Doch der verweigerte die Behandlung, mit Hinweis auf seine HIV-Infektion. Es könne ein Risiko für andere Patienten bestehen. „Es bestehen zu viele Risiken.“ Für Patienten wie ihn gebe es schließlich die Krankenhäuser. Er habe sich gefühlt wie vor 18 Jahren, als man ihm seinen HIV-positiven Status mitgeteilt habe, sagte Cyrille Vezzoli. Französische Medien berichteten am 1. September breit über den Fall.
Ein Vertreter der regionalen Zahnarzt-Kammer (der von einem vernachlässigbar kleinen Risiko sprach) betonte, falls der Zahnarzt tatsächlich die Behandlung aufgrund der HIV-Infektion verweigert habe, könnten schwere disziplinarische Maßnahmen bis zum vorübergehenden Verbot der Berufsausübung ergriffen werden. Schließlich seien alle Zahnarzt-Praxen mit optimalen Sterilisations-Möglichkeiten ausgestattet, jedes Risiko einer Infektions-Übertragung könne ausgeschlossen werden.
Auch in Deutschland werden immer wieder von Menschen mit HIV Fälle berichtet, in denen Zahnärzte die Behandlung verweigern oder die Behandlung in Randzeiten verlegen, z.B. mit der Begründung eines erhöhten Hygieneaufwands.
weitere Informationen:
France Info 01.09.2011: La Rochelle : un patient séropositif victime de „discrimination dentaire“
Le Monde 01.09.2011: Un séropositif affirme qu’un dentiste a refusé de le soigner
Tetu 01.09.2011: La Rochelle: Un dentiste aurait refusé de soigner un séropositif
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Osthofen – eine Stadt in Wonnegau nahe Mainz. Eine Zahnarzt-Praxis soll sich geweigert haben, einen HIV-Positiven als Patient anzunehmen. Die Uniklinik Mainz könne ihm doch weiterhelfen.
Ein 38jähriger Wormser benötigt Zahnersatz, vereinbart einen Termin mit einer Praxis in Osthofen. Er wird gebeten, einen ‚zahnärztlichen Fragebogen‘ auszufüllen. Die dort enthaltene Frage nach einer HIV-Infektion beantwortet er gegenüber der Praxishelferin wahrheitsgemäß mit ‚ja‘. Ihre direkte Reaktion, nach seiner Darstellung: in diesem Fall könne man ihn als Patienten nicht annehmen – er könne sich ja an die Uniklinik im nahen Mainz wenden.
Die Landeszahnärztekammer nimmt zu dem Vorfall gegenüber der Lokalpresse Stellung – das „gehöre sich nicht“ und entspräche „nicht der Berufsordnung“. Falls der Patient Schmerzen gehabt habe, habe es sich zudem um unterlassene Hilfeleistung gehandelt, betont Dr. Rainer Lehnen von der Landeszahnärztekammer.
Die Landesärztekammer hingegen betont gegenüber der Lokalpresse, es könne „auch weitere Ausnahmen geben“.
Immer wieder werden von Menschen mit HIV Fälle berichtet, in denen Zahnärzte die Behandlung verweigern oder die Behandlung in Randzeiten verlegen, z.B. mit der Begründung eines erhöhten Hygieneaufwands.
Der Wormser HIV-Positive hat inzwischen einen Zahnarzt gefunden, der ihn behandelt und mit dem er zufrieden ist.
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Aktualisierung
20.07.2011, 09:40: Der betreffende Zahnarzt hat nach erstem Schweigen nach Angaben der ‚Wormser Zeitung‘ geäußert, ihm sei der Vorgang unerklärlich. Er lehne niemanden ab, es müsse sich um eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ gehandelt haben. Die Praxishelferin habe dem HIV-positiven Patienten einen Termin in den abendlichen Randzeiten anbieten wollen, da man dann „die Hygiene besser einhalten“ könne.
Der betreffende HIV-Positive hält an seiner Version fest.
HIV-Positive mit Problemen beim Zahnarzt – kein seltener Fall. Aber wie sieht die Situation aus, wenn der Zahnarzt HIV-positiv ist?
HIV-Positive stoßen immer wieder auf Probleme, wenn sie eine Behandlung beim Zahnarzt benötigen. ‚Keine Zeit‘, Termine an Rand-Zeiten, oder gar Behandlungs-Verweigerung – immer wieder machen HIV-Positive diese Erfahrungen beim Zahnarzt.
Doch – wie ist die Situation ‚anders herum‘? Wenn nicht der Patient, sondern der Zahnarzt HIV-positiv ist?
Ein britischer HIV-positiver Zahnarzt berichtet im ‚Guardian‘ über seine Erfahrungen.
Allan Reid weiß seit 2007 von seiner HIV-Infektion. Zunächst hält er seine Infektion geheim, doch wenige Monate später outet ihn ein Boulevard-Blatt mit Sensations-Berichterstattung über den ‚Zahnarzt, der Tausende von Patienten behandelte, ohne ihnen zu sagen dass er HIV-positiv ist‘. Von einem Moment zum anderen war seine Karriere beendet. Selbst sein Haus musste er verkaufen – nach Verlust seines Berufs konnte er die Abzahlungen nicht mehr leisten.
In Großbritannien haben HIV-positive Zahnärzte de facto ein Berufsverbot zu befürchten. Der britische Zahnärzte-Verband betrachtet dies als ’nicht gerechtfertigt und ungesetzlich‘ und fordert eine Änderung der seit 20 Jahren (mit einer Revision 2007) geltenden Regelungen der britischen Gesundheitsverwaltung.
Anders die Situation in Deutschland: in einem Artikel des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 1999 (auch) zur Situation HIV-positiver Zahnärzte (ähnlich so bereits auch 1991) heißt es:
„Bei positivem Testausfall sollten keine ärztlichen oder zahnärztlichen Eingriffe mehr vorgenommen werden, die eine Verletzungsgefahr für die operierende Person selbst beinhalten und somit auch eine Infektionsgefahr für den jeweiligen Patienten. Alle anderen ärztlichen Tätigkeiten können ohne Vorbehalt ausgeübt werden. HIV-infizierte Ärzte/Ärztinnen oder Zahnärzte/-ärztinnen sollen gegebenenfalls ihr Tätigkeitsfeld einschränken oder in ein anderes wechseln.“
Aktuellere Empfehlungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit hochwirksamer Therapien, zur Frage HIV-positiver Zahnärzte gibt es in Deutschland nicht. Als Anhaltspunkt kann jedoch ein Beschluss (2010) eines Expertengremiums dienen (siehe „HIV-infiziert und im Gesundheitssystem – was ist zulässig?„), das für HIV-infizierte Chirurgen (!) feststellt
„Das Expertengremium hat in dem vorliegenden Fall einstimmig den Beschluss gefasst, dass bei einer derzeitigen Viruslast unter der Nachweisgrenze sowohl für HIV als auch für HCV keine Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit des Chirurgen erforderlich sind.“
Weltweit ist bisher nur ein Fall von Übertragungen von HIV durch einen HIV-positiven Zahnarzt bekannt. Für viel Aufregung sorgte Anfang der 1990er Jahre ein HIV-positiver Zahnarzt in Florida, der vermutlich sechs Patienten mit HIV infizierte.
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weitere Informationen:
The Guardian 17.05.2011: Dentists with HIV face ‚unfair‘ treatment
Annals of Internal Medicine 15.01.1996: The 1990 Florida Dental Investigation: Theory and Fact (abstract)
Annals of Internal Medicine 01.12.1994: Lack of HIV Transmission in the Practice of a Dentist with AIDS (abstract)
Bundesärztekammer und Bundesministerium für Gesundheit (1991) gemeinsame Empfehlung „Ärzte für freiwilligen HIV-Test“. Dt
Ärztebl 1991; 88: 2962–2963 (gekürzt: Epid Bull 7/97: 42)
Zahnärztliche Mitteilungen 01.02.2000: Die Wogen sind noch nicht geglättet
Epidemiologisches Bulletin 34/1999: Zur Problematik der nosokomialen Übertragung von HIV
Dr. Klaus Korn: HIV-infizierte Mitarbeiter im Gesundheitswesen – was dürfen sie (nicht)? In: Retrovirus-Bulletin 01/2010 (pdf)
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Priv.-Doz. Dr. A. Rainer Jordan wurde von der weltgrößten Vereinigung von Zahnärzten zu einem der Direktoren der Forschungsgruppe gewählt
Die weltgrößte Vereinigung von Zahnärzten, die International Association for Dental Research (IADR), hat Priv.-Doz. Dr. A. Rainer Jordan von der Universität Witten/Herdecke zu einem der Direktoren der Forschungsgruppe ernannt. Mehr als 12.000 Mitglieder zählt die IADR, die damit die wichtigste Organisation für Forschungsarbeiten zur Mundgesundheit weltweit darstellt.
Jordan wird damit für seine Forschungsleistung geehrt, die er zum Thema Mundgesundheit in den letzten Jahren erbracht hat. Er hat – noch als Studierender – ein Hilfsprojekt zur Zahngesundheit in dem westafrikanischen Staat Gambia (mit)gegründet und betreut es auch heute noch: Weit weg von der Hauptstadt Banjul müssen die Menschen immer noch tagelange Fußmärsche unternehmen, wenn sie Zahnprobleme haben. Das Projekt bildet Zahnärzte und Helfer aus, heute geht es aber auch um die Frage, wie sich die Zahngesundheit in einem Entwicklungsland unterscheidet von der in den Industrieländern.
Außerdem arbeitet Jordan seit den 1990er Jahren an dem Thema HIV und Zahnbehandlung. „In den 80er Jahren hatten viele Zahnärzte Angst vor einer AIDS-Ansteckung, aber sie waren auch die Ersten, die eine Infektion an der Veränderung der Mundschleimhaut feststellen konnten. Damals ging es vor allem um Aufklärung“, berichtet Jordan. Heute haben sich die Probleme mit den neuen Behandlungsarten geändert: „HIV-Patienten bekommen heute einen Medikamenten-Cocktail, den sie täglich einnehmen müssen. Die haben Nebenwirkungen auch auf die Mundschleimhaut und das Zahnfleisch. Dazu gibt es zurzeit nur wenig Forschung.“
Die aktuellste Forschung betreibt Jordan zusammen mit den Augusta-Kranken-Anstalten in Bochum. Darin geht es um Frauen, die nach einer Brustkrebsoperation Behandlungen mit Chemo- oder Strahlentherapie bzw. Hormonhemmern auf sich nehmen müssen. „Auch da gibt es massive Beschwerden beim Kauen. Zahnfleisch und Mundschleimhaut sind entzündet, die Patienten, die eh schon unter Appetitlosigkeit leiden, können nicht mal schmerzfrei kauen. Aber niemand weiß, welcher Wirkstoff dafür verantwortlich ist. Wir wissen auch nicht, wie sich die Effekte der einzelnen Behandlungen, die in kurzer Zeit aufeinanderfolgen, gegenseitig beeinflussen. Außerdem wird der Speichelfluss durch die Behandlung geringer, das wiederum begünstigt Karies und Parodontitis“, beschreibt Jordan die aktuelle Forschungsarbeit, die erst 2013 abgeschlossen sein wird.
Offenbar haben diese Arbeiten die IADR veranlasst, Jordan in die Position eines Direktors der Forschungsgruppe zu wählen. „Da wird immer ein Amerikaner und ein Vertreter aus dem Rest der Welt berufen. Das bin ich jetzt für drei Jahre“, freut er sich über die Auszeichnung.
Marcel ist 21 Jahre alt, lebt in Essen und arbeitet als Angestellter bei der Stadt
Homo? Hetero? Bi? Ich war verwirrt
Seit etwa eineinhalb Jahren lebe ich in meiner eigenen Wohnung, ganz in der Nähe von meinem Elternhaus. Zu meinen Eltern hatte ich immer ein sehr gutes Verhältnis. Elf Jahre lang war ich ein Einzelkind, dann wurde meine kleine Schwester geboren, sie war eine richtige Nachzüglerin.
So mit 13 oder 14 ist mir aufgefallen, dass ich Jungs mag. Anfangs haben mich allerdings manche Mädchen auch noch interessiert. Deshalb wusste ich erst mal nicht, was ich eigentlich bin: Homosexuell? Heterosexuell? Bisexuell? Ich habe dann einige Erfahrungen gemacht, auch mit Mädchen, und es hat sich herausgestellt, dass ich schwul bin. Mit Mädchen, das hat irgendwie überhaupt nicht gepasst.
Diese Klarheit war für mich wichtig, und dann konnte ich es auch anderen erzählen. Zu Hause war es zunächst mein Vater, mit dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe. Seine Reaktion: „Du bist mein Sohn, und es bleibt alles so, wie es ist.“ Meine Mutter hat es auch ganz gut aufgefasst. Allerdings war sie zunächst ein bisschen enttäuscht, da ich es dann wohl nicht sein werde, der ihr Enkelkinder schenken wird. Meine Eltern haben mich aber immer unterstützt und das ist für mich sehr wichtig!
In der Schule habe ich mich dann auch geoutet – und zwar gleich vor der ganzen Klasse. Mein Lehrer hat mir dabei den Rücken gestärkt. Ich hatte mich darauf vorbereitet, dass vielleicht nicht alle begeistert und verständnisvoll reagieren werden. Aber es gab keine Probleme – im Gegenteil! Ein Mitschüler war so ein typischer Machotyp, der immer den Mädchen hinterhergelaufen ist und sehr gut aussah. Ich hatte gedacht, dass er ein Problem mit Schwulen haben würde. Aber er sagte: „Warum sollen wir das nicht akzeptieren? Du musst ja auch akzeptieren, dass ich auf Mädchen stehe.“ Diese Reaktion hat mir gezeigt, dass man Leute nicht voreilig als intolerant und oberflächlich einschätzen sollte.
Klar wusste ich, dass es HIV gibt – aber das war alles sehr oberflächlich
So mit 18 Jahren bin ich das erste Mal in die Szene gegangen. Klar wusste ich da schon, dass es so etwas wie HIV gibt, aber es war für mich nicht sichtbar. Es gab da niemanden, der gesagt hätte: „Hallo, hier bin ich und ich habe HIV.“ Ab und an wurden irgendwo Kondome, aber das war alles sehr oberflächlich. Vielleicht ist diese Erfahrung einer der Gründe dafür, dass ich heute einen ganz anderen Blick auf diese Sache habe.
Aber eins nach dem anderen: Den ersten Sex hatte ich mit meinem ersten Freund, als ich 18 Jahre alt war. Ich war mit ihm etwa anderthalb Jahre zusammen. Anfangs haben wir Kondome verwendet. Als es ernster wurde mit uns, haben wir jeder einen HIV-Test gemacht, uns das Ergebnis gegenseitig gezeigt und dann auf Kondome verzichtet. Ich hatte dafür genügend Vertrauen zu ihm. Bis zum Ende dieser Beziehung habe ich über Safer Sex nicht mehr nachgedacht. Vielleicht habe ich es mir da ein bisschen zu leicht gemacht. Aber ich glaube bis heute, dass er nicht fremdgegangen ist – genau wie ich.
Nach der Trennung wollte ich mich dann mal ein bisschen austoben. Auch da habe ich nur Safer Sex gemacht. Nicht aus Angst davor mich anzustecken, sondern einfach weil ich verstandesmäßig wusste, dass man sich mit Kondomen vor HIV und einigen anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützen kann.
Dann ist es doch passiert …
Wie kommt es dann, dass ich trotzdem HIV-positiv bin? Ich hatte jemanden kennen gelernt, und die Sache entwickelte sich in Richtung Beziehung. Alles lief super und nach ein paar Wochen hatte ich das Gefühl, dass er das auch so sah. Deswegen habe ich mich darauf eingelassen, ohne Kondom mit ihm zu schlafen. Ich hatte Vertrauen zu ihm und in meiner vorherigen Beziehung war ja auch alles gut gegangen. Ich habe gedacht: Wenn er mich mag, dann will er mir nicht wehtun. Wenn er HIV-positiv wäre, würde er keinen ungeschützten Sex mit mir haben. Dass es Leute gibt, die gar nicht wissen, dass sie HIV-positiv sind, daran habe ich nicht gedacht.
Ich glaube, dass sehr viele Ansteckungen auf so eine Weise entstehen: Man vertraut jemandem, aber es gibt eigentlich noch gar keine richtige Beziehung und man weiß noch nicht genug vom anderen. Oder der Partner geht eben doch fremd. Es gibt Leute, die oberflächlich lieb und nett wirken, aber in Wirklichkeit ist denen egal, was mit dir passiert. Deswegen möchte ich gerade jungen Leuten erzählen, wie wichtig es ist, sich in solchen Situationen zu schützen.
Ich selbst habe sogar damals noch gedacht, dass es besser wäre, wenn wir ein Kondom benutzen würden. Nach dem Sex kamen dann auch Zweifel und Ängste auf. Die hab ich dann aber erst mal verdrängt: Warum sollte ausgerechnet ich bei diesem einen Mal zur falschen Zeit am falschen Ort mit der falschen Person Sex gehabt haben?
Nach zwei Wochen kamen die ersten Symptome: eine Grippe und eine Entzündung der Mundschleimhaut. Obwohl ich meinem Arzt davon erzählt hatte, was passiert war, gab er mir einfach nur Antibiotika. Die haben auch erst mal geholfen – aber die Angst blieb. Na ja, ich hab dann einen Test gemacht. Und der war positiv.
Am Anfang habe ich noch gedacht: Ich bin selber schuld – total blöd, naiv und dumm
Als ich auf dem Gesundheitsamt mein Ergebnis bekommen hatte, bin ich direkt nach Hause gefahren und habe mich schlafen gelegt. Ich war traurig, klar – aber das richtige Gefühlschaos kam erst ein paar Tage später. Ich habe mich erst mal zurückgezogen, mit niemandem gesprochen. Irgendwann hat meine Mutter mich gefragt, was denn los sei, warum ich mich so abschotte. Und da habe ich es ihr gesagt. Das war ein sehr emotionaler Moment.
Meine Eltern sind dann mit mir zur Aidshilfe gegangen. Es hat ihnen geholfen,
Informationen zu bekommen. So ging es mir selbst ja auch: Ich habe mit professionellen Leuten geredet und dabei mehr und mehr über HIV erfahren. Für mich war es genauso wie für meine Eltern: Mit jedem Schritt wurde es ein bisschen leichter.
Am Anfang habe ich noch gedacht: Ich bin selber schuld – total blöd, naiv und dumm. Heute denke ich, dass nichts davon zutrifft. Ich habe halt einen Fehler gemacht – und das ist einfach nur menschlich. Viele anderen machen den gleichen Fehler und haben vielleicht einfach Glück. Andere machen andere Fehler, nur dass die nicht so schwere Folgen haben. Wenn mir heute jemand erzählen will, ich sei Opfer meiner Dummheit oder Naivität, dann denke ich: „Leck mich, pass lieber auf dich selber auf!“
Meine Offenheit hilft auch mir selbst, mit der Infektion umzugehen
Ich versuche jetzt, mit der HIV-Infektion zu leben, so gut es geht. Dazu gehört für mich auch, darüber zu sprechen, privat genauso wie auf Facebook, in meinem Blog und in meinem Youtube-Kanal. Ich will mich nicht verstecken, weder in der Familie und bei Freunden noch bei der Arbeit. Ich möchte erreichen, dass sich die Menschen mit HIV auseinandersetzen und Vorurteile abbauen. Im Netz habe ich bisher keinen anderen HIV-Positiven in meinem Alter gefunden, der aus seinem Leben erzählt. Also tue ich das.
Meine Offenheit hilft auch mir selbst, es ist ein bisschen wie eine Therapie. Wenn ich über meine Erlebnisse erzähle oder schreibe, kann ich sie gleichzeitig mit ein bisschen Abstand betrachten und sortieren.
Im privaten Bereich habe ich mit dieser Strategie bisher überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht. Auch bei der Arbeit gab es keine Probleme. Im Gegenteil, ich bekomme viel Unterstützung. Im Internet ist das anders, da gibt’s schon Menschen, die mich angreifen. Das geht bis hin zu Morddrohungen. Oft höre ich zum Beispiel: „Wenn du nicht schwul wärst, dann wäre dir das auch nicht passiert.“ Dahinter steckt Schwulenhass. Ich denke, die Leute, die sowas sagen, haben Frust und trampeln dann eben auf anderen rum.
Manchmal habe ich fünf E-Mails am Tag, in denen ich beleidigt werde, zum Beispiel als „Virenschleuder“. Wenn ich bedroht werde, zeige ich das bei der Polizei an. Ansonsten antworte ich auf solche Sachen nur, wenn falsche Behauptungen drinstehen, zum Beispiel dass HIV eine Schwulenkrankheit ist. Das lasse ich dann so nicht stehen.
Die Leute sind insgesamt viel zu wenig aufgeklärt über HIV. Viele sprechen von Aids, wenn sie HIV meinen. Das hat man in der Berichterstattung über Nadja Benaissa gut sehen können. Da hieß es dann: „der Aids-infizierte Todesengel“ Aber das stimmt ja nicht: Sie hat das Virus, nicht Aids. Und die Infektion ist heute eine chronische Krankheit, die nicht mehr zu Aids führen muss – bei allen Problemen und Nebenwirkungen der Medikamente, die damit verbunden sind. Ich wünsche mir sehr, dass solche Informationen in die Köpfe kommen!
Wie wenig sogar Ärzte manchmal aufgeklärt sind, zeigt mir das Verhalten meines Zahnarztes. Ich habe ihn darüber informiert, dass ich positiv bin, damit er die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen ergreifen kann – für ihn und für mich. Aber er wollte mich dann nicht mehr behandeln, weil er seine Patienten und seinen Ruf gefährdet sah! Diese Erfahrung machen viele HIV-Positive. Ich habe das akzeptiert, auch wenn ich natürlich weiß, dass keinerlei Gefahr besteht, wenn der Zahnarzt sich an alle Hygieneregeln hält.
Diskriminierung und Zurückweisung sind ohnehin ein großes Thema. Nicht jeder kann an seinem Arbeitsplatz oder bei Freunden so einfach über seine Infektion sprechen wie ich. Manchmal werde ich auf Partys von Leuten angesprochen, die auch positiv sind, es aber auf jeden Fall geheim halten wollen. Oft merke ich dann, wie unglücklich sie damit sind – obwohl es ihnen gesundheitlich nicht schlecht geht. Der Grund ist nur das, was sie in ihrem sozialen Umfeld erleben. Deswegen vertrete ich den Standpunkt, dass die Diskriminierung viel schlimmer ist als die gesundheitlichen Auswirkungen von HIV.
Natürlich frage ich mich auch, warum ich so offen sein kann und kaum schlechte Erfahrungen mache. Ich denke, das liegt einfach daran, dass ich mit mir Reinen bin. Man muss sich selber akzeptieren, dann ist es einfacher, mit dem Druck von außen umzugehen. Meine Erziehung hat viel dazu beigetragen, dass ich so selbstbewusst bin. Meine Eltern haben mir beigebracht, nicht auf die anderen zu achten, sondern auf mich. Es geht nicht um das, was man nach außen darstellt, sondern um das, was man ist, um die Persönlichkeit.
Nur weil ich damit so offen mit meiner Infektion umgehe, erwarte ich das aber nicht von jedem. Es ist nicht notwendig, anderen davon zu erzählen, um zu wissen, was man wert ist und sich zu akzeptieren.
Ich wollte nie wieder Sex haben
Ich stehe noch ganz am Anfang mit meiner Infektion: Das Testergebnis habe ich im Sommer 2009 bekommen, infi ziert habe ich mich relativ kurz davor. Bis auf ein paar kleine Ausnahmen geht es mir gesundheitlich sehr gut. Eine Therapie mache ich noch nicht, denn meine Blutwerte sind recht gut.
Was sich als erstes verändert hat, war mein Sexleben: Ich hatte wochenlang keinen Sex. Ich habe mich nicht einmal selbst befriedigt. Irgendwie hatte ich Angst vor dem, was da passiert, wenn ich einen Orgasmus habe. Ich habe mein Sperma und auch mein Blut gehasst und ich wollte eigentlich nie wieder Sex haben. Schließlich konnte da wer weiß was passieren, dachte ich.
Das hat eine ganze Zeit angehalten. Beim ersten Onanieren nach dem Testergebnis hatte ich nicht nur Lustgefühle, sondern ich habe mich auch geekelt. Aber dann ist eine Last von mir abgefallen: „So schlimm ist es nicht.“ Heute empfinde ich beim Sex wieder Lust. Aber ich achte sehr auf mich – denn ich möchte das Risiko einer Co-Infektion mit irgendeiner anderen Krankheit so gering wie möglich halten.
Bevor ich mit jemandem Sex habe, sage ich ihm immer, dass ich HIV-positiv bin. Ich sage es, sobald ich das Gefühl habe, da könnte was laufen. Das war am Anfang nicht einfach – aber inzwischen habe ich keine Angst mehr davor, einen Korb zu bekommen. Ich kann sogar verstehen, wenn jemand einen Rückzieher macht, denn ich weiß selber nicht, wie ich früher damit umgegangen wäre.
Die Szene ist ein für mich ein zweischneidiges Schwert
Ich gehe gern und oft in die Szene. Das bedeutet für mich Freiheit, weil’s eben eine Welt ist, wo man so sein kann, wie man ist – egal, ob man jetzt schwul ist, bisexuell, oder hetero. Das alles spielt da kaum eine Rolle – da gibt’s einfach nur Party! Alles mischt sich. Zugleich bedeutet Szene für mich aber, mich mit anderen Leuten austauschen zu können, die auch homosexuell sind.
Leider gibt es in der Szene auch viel Oberflächlichkeit und Intoleranz. Manche Leute glauben offenbar, dass man da nur hingehen darf, wenn man gut aussieht, wenn man cool ist oder tolle Klamotten anhat. Das sehe ich ganz anders! Schwule fordern Toleranz, verbreiten aber untereinander sehr viel Intoleranz. Deswegen ist Szene für mich ein zweischneidiges Schwert: Es macht Spaß, da hinzugehen für ein paar Stunden. Aber ich muss jetzt nicht montags bis sonntags jeden Abend in eine schwule Kneipe gehen – das wäre zu viel des Guten. Die Mischung macht’s.
Bei der Behandlung HIV-Infizierter beim Zahnarzt gelten keine über Standardhygiene hinaus gehenden hygienischen Anforderungen, betonen zwei ärztliche Organisationen der HIV-Therapie.
Die zwei bei der Versorgung HIV-Infizierter wichtigsten ärztlichen Gesellschaften, die DAIG (Deutsche Aids-Gesellschaft) und die DAGNÄ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter) äußern sich in einer gemeinsamen Stellungnahme zur Frage der zahnmedizinischen Betreuung HIV-Infizierter.
Die gemeinsame, an Zahnärztinnen und Zahnärzte gerichtete Stellungnahme formuliert noch einmal das Problem, mit dem sich viele HIV-Positive bei Zahnarzt-Besuchen konfrontiert sehen:
„HIV-Patienten berichten immer wieder darüber, dass es für sie schwer sei, eine adäquate Behandlung für ihre Zahngesundheit zu erhalten. Das Spektrum der Reaktionen, die sie wahrnehmen, reicht von offener Ablehnung und Diskriminierung über Verweise auf arbeitsintensive Hygienerichtlinien bis hin zu verzögerten Terminvergaben und separaten Behandlungszeiten.“
Sie zeigen nochmals einige der problematischen Folgen auf:
„Etliche Patienten fühlen sich auf Grund negativer Erfahrungen mit einer Offenlegung [ihrer HIV-Infektion, d.Verf.] gesellschaftlich stigmatisiert. Das begünstigt Situationen, in denen Patienten ihre Infektionen mit z.B. HIV, HBC oder HCV dem behandelnden (Zahn)Arzt verschweigen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit wird dadurch oft erheblich erschwert.“
DAIG und DAGNÄ weisen darauf hin, dass die Standard-Hygienemaßnahmen für alle Patienten gleichermaßen gelten und betonen nochmals, dass
„bei der Behandlung HIV-Infizierter keine über die o.g. Maßnahmen hinausgehenden hygienischen Anforderungen gelten bzw. erforderlich sind, um eine HIV-Übertragung zu verhindern.“
DAIG und DAGNÄ weisen explizit hin auf
„die Ergebnisse verschiedener Studien …, die nahe legen, dass sich das Risiko einer sexuellen HIV-Übertragung durch eine effektive antiretrovirale Therapie des HIV-infizierten Partners bei einer im Blut nicht nachweisbaren Viruslast (<50 Kopien HIV-RNA/ml Plasma) drastisch reduziert. Diese Risikoreduktion kann in gewissem Umfang auch für medizinische Eingriffe angenommen werden, obwohl keine verlässlichen Daten dafür vorliegen, und ohne dass sich daraus Änderungen der o.g. Hygienestandards herleiten müssen.“
„Nach Behandlung eines Patienten mit HIV-Infektion genügen die routinemäßig erforderlichen Hygienemaßnahmen“, betont das RKI in einer Stellungnahme.
„Hygiene in der Zahnmedizin: HIV-Infizierte und Nicht-Infizierte gleich behandeln„, hatte Dr. Ulmer (Stuttgart) gefordert, und dabei die Frage aufgeworfen „Müssen die Hygienehinweise aus dem Robert Koch–Institut von 2006 für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention in der Zahnheilkunde für HIV-Patienten aktualisiert werden?“.
In einer Reaktion kommentiert das Robert-Koch-Institut RKI u.a.:
„Die Weigerung von Zahnärztinnen und Zahnärzten, Patienten mit HIV-Infektion zu behandeln, lässt sich NICHT aus der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention ableiten bzw. begründen. Wer sich auf diese Empfehlungen beruft, um eine diskriminierende Behandlung HIV-infizierter Patienten in der zahnärztlichen Versorgung zu begründen, setzt sich dem Verdacht aus, diesen Grund nur vorzuschieben, um eine auf Halbwissen und Ängsten beruhende Diskriminierungsbereitschaft zu verschleiern.“
Und:
„Es ist weder ein eigener Behandlungsraum erforderlich noch ist es notwendig solche Patienten am Ende eines Sprechtages zu behandeln.“
Erläuternd betont das RKI:
„Für alle durch Blut übertragenen Krankheitserreger genügen Standardhygienemaßnahmen.“
Erläuternd weist das RKI darauf hin, dass besondere Hygieneanforderungen lediglich bei „Patienten mit HIV-Infektion im Stadium Aids“ erforderlich sein könnten – zum Schutz des Patienten.
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Kommentar des Robert-Koch-Instituts: Erschweren Hygienerichtlinien für Zahnarztpraxen eine normale zahnärztliche Versorgung von HIV-Patienten?
In: HIV&more September 2010, S. 23/25 (online)
29. Juli 2010: ‚Berlin Patient‚: „Das Verfahren ist nicht allgemein auf andere HIV-Positive übertragbar. Dazu ist die Therapie zu gefährlich und nebenwirkungsreich. Aber in der Charité scheint die erste Heilung eines HIV-Patienten gelungen zu sein.“ So kommentiert die Deutsche Aids-Hilfe aktuelle Berichte zum ‚Berlin Patient‚.
Wie strategisch weiter umgehen mit der Kriminalisierung der HIV-Infektion? Roger Pebody berichtet auf aidsmap über verschiedene Ansätze: „Three tactics to stem the tide of criminal prosecutions“
26. Juli 2010: Tibotec (Tochter von Johnson&Johnson) hat am 26.7.2010 die US-Zulassung des NNRTI Rilpivirine (TMC278) beantragt.
23. Juli 2010: Die Pharmakonzerne Merck (MSD), Tibotec und Gilead verhandeln mit UNITAID, der internationalen Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose, über einen Patent-Pool zu HIV-Medikamenten für sich entwickelnde Staaten. ViiV, Joint Venture von Pfizer und GSK, scheint sich nicht beteiligen und eher alleine gezielt lizenzieren zu wollen (siehe 18.7.20109.
18. Juli 2010: Ist eine Heilung von HIV möglich? Medizin-Nobelpreisträgerin Francois Barré-Sinoussi ist skeptisch, hält das völlige Entfernen von HIV aus dem Körper eines Infizierten für „sehr schwer bis unmöglich„.
Auf den Einfluss rechter christlicher (US-)Kirchenkreise auch auf internationale Aids-Bekämpfung weisen Sean Cahill und Lyndel Urbano auf The Body hin: „The Christian Right: Wrong on AIDS“
Der Pharmakonzern ViiV (eine Bündelung der Aids-Sparten von Pfizer und GlaxoSmithKline) kündigte an, sein gesamtes HIV/Aids-Portfolio (einschließlich Pipeline) Generika-Herstellern in der sog. Dritten Welt unentgeltlich verfügbar machen zu wollen. Die Medikamenten-Versorgung in den ärmsten Staaten der Welt solle so verbessert werden. Diese Initiative gelte für 69 Staaten.
17. Juli 2010: HIV breitet sich in Osteuropa und Zentralasien besonders bei Kindern, Jugendlichen und Frauen weiter aus. „HIV trifft vor allem Kinder am Rande der Gesellschaft“
16. Juli 2010: Aus Anlass der Wiener Welt-Aids-Konferenz bespricht „Spoiler Art“ HIV & Aids in Superhelden-Comics.
15. Juli 2010: Merck (MSD) stoppt die gesamte weitere Entwicklung des CCR5-Hemmers Vicriviroc. Grund seien enttäuschende Daten aus einer Phase-II-Studie, teilte der Hersteller mit.
13. Juli 2010: UNAIDS fordert eine radikale Therapie-Vereinfachung. Damit sollen die Nutzen für die Prävention optimiert werden.
9. Juli 2010: Die Weltbank hat David Wilson zum Leiter ihres globalen HIV/Aids-Programms benannt. Wilson stammt aus Zimbabwe und hat seit 2003 im Auftrag der Weltbank u.a. die Regierungen von Südafrika, Vietnam und China bei ihren Aids-Programmen beraten.
8. Juli 2010: US-Wissenschaftler finden Antikörper, die in der Lage sind, die meisten HIV-Stämme am Eindringen in Zellen zu hindern. Die Entdeckung dieser sehr breit neutralisierenden Antikörper weckt neue Hoffnungen auf die Möglichkeit, wirksame HIV-Impfstoffe entwickeln zu können.
Ein US-Bundesgericht hat entschieden, mit dem US-weiten Verbot von Homo-Ehen (Defense-of-Marriage-Act, DOMA) habe sich der Gesetzgeber zu sehr in Angelegenheiten der US-Bundesstaaten eingemischt, das Verbot sei verfassungswidrig.
7. Juli: Das Bundeskabinett hat die „Arzneimittel-Härtefall-Verordnung“ (pdf) verabschiedet. „Ziel der Verordnung ist es, den Zugang für Schwerstkranke zu neuen Arzneimittelbehandlungen, die sich noch in der Entwicklung befinden, durch ein unbürokratisches und rasches Verfahren zu verbessern.“
6. Juli 2010: Elf Monate alt war Muriel, ein HIV-infiziertes junges Mädchen, das kurz vor Weihnachten 2009 in der Grazer Kinderklinik im LKH lag. Es wurde mit einer Lungenentzündung eingeliefert, in lebensbedrohlichem Zustand. Beide Eltern waren Anhänger eines „Wunderheilers“. Die Mutter ist in Graz am 6. Juli 2010 zu Monaten bedingter Haft verurteilt worden, weil sie ihr Baby mit HIV angesteckt haben soll.
Zahnärzte seien „die am schlechtesten über HIV und Aids informierte Berufsgruppe im medizinischen Bereich“, kritisiert die Deutsche Aids-Stiftung.
4. Juli 2010: Das Landhaus von Jean Cocteau und Jean Marais in Milly-la-Forêt südlich von Paris ist seit Anfang Juli 2010 als Museum umgebaut der Öffentlichkeit zugänglich.
Während insbesondere in Großstädten die Massen zu CSDs strömen und munter feiern, gerät oft in Vergessenheit, dass auch anderes in Deutschland vorkommt: in Schwerin wird der CSD beschimpft und bedroht.
2. Juli 2010: Nadja Benaissa steigt bei der Pop-Band ‚No Angels‘ aus. Benaissa ist seit einigen Wochen krank geschrieben, Mitte August beginnt ihr Prozess. Laut Medienberichten musste sie inzwischen Privatinsolvenz anmelden.