Kontexte von HIV-Neuinfektionen bei schwulen Männern

Eine Untersuchung des Sozialwissenschaftlers Michael Bochow beschäftigt sich mit der Frage, in welchen Kontexten heute HIV-Neuinfektionen bei Schwulen stattfinden Die Untersuchung ist jetzt in der Reihe ‚Aids-Forum DAH‘ erschienen.

In welchen Kontexten infizieren sich heute schwule Männer mit HIV? Und wie kann Prävention darauf reagieren? Ist die starke Fokussierung einzig auf Kondome heute noch zeitgemäß, oder ist eine Anpassung von Präventionsstrategien erforderlich?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unterstützten Untersuchung. Der Sozialwissenschaftler Dr. Michael Bochow (WZB) führte hierzu 30 leitfadengestützte biographische Interviews mit frisch mit HIV infizierten Schwulen durch. Er arbeitete fünf Typen heraus und kam zu Empfehlungen für Prävention und Beratung.

„Die Untersuchungsgruppe kann im Hinblick auf das Alter, die Herkunft, die Bildungsabschlüsse und die Lebensstile der Befragten als heterogen bezeichnet werden. Im kontrastierenden Fallvergleich hat der Autor fünf Typen aus dem Material herausgearbeitet und zahlreiche Empfehlungen für die Prävention und Beratung erarbeitet. Die Kontexte, in denen Risikokontakte stattfinden, sind vielschichtig.“ (DAH)

Die Untersuchung räumt, so die DAH, auch mit Mythen wie denen vom „verantwortungslosen Schwulen“ oder um so genanntes ‚Bugchasing‚ auf:

„Kein einziges Interview verweist auf einen Infektionshintergrund, der durch intentional praktiziertes „barebacking“ bestimmt ist.“

Dr. Michael Bochow (Foto: WZB)
Dr. Michael Bochow (Foto: WZB)

Der Sozialwissenschaftler Dr. Michael Bochow befragt seit 1987 [wie schon seit 1985 Michael Pollok in Frankreich] schwule Männer zu ihrem Sexualverhalten vor dem Hintergrund von HIV und Aids (zuletzt: „Schwule Männer und HIV/Aids – Lebensstile, Szene, Sex 2007„). Bochow ist auch beteiligt an der europaweit größten Befragung über HIV, andere sexuell übertragbare Infektionen und ihr Safer-Sex-Verhalten EMIS.

Bochow arbeitet am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in der Forschungsgruppe Public Health und hat dort u.a. den Forschungsschwerpunkt „HIV/AIDS-Prävention für für homo- und bisexuelle Männer und Migranten mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten“.

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weitere Informationen:
Michael Bochow: „Kontexte von HIV-Neuinfektionen bei schwulen Männern“.
Aids-Forum DAH Nr. 59, Deutsche Aids-Hilfe
Direktlink zu Download und online-Bestellung
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„Auf die Grösse kommt es an“ – europaweite Studie über Schwule und HIV

Ab Juni werden in einer beispiellosen Studie europaweit Schwule über HIV, andere sexuell übertragbare Infektionen und ihr Safer-Sex-Verhalten befragt.

Im Juni startet europaweit die größte Befragung schwuler Männer, die es je gegeben hat. In mindestens 31 Ländern werden Männer, die Sex mit Männern haben, aufgerufen, online einen Fragebogen zu ihrem Umgang mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen auszufüllen. Die Befragung wird in Online- und Offline-Medien (Print, Postkarten etc.) für schwule Männer bekannt gemacht. Der Fragebogen wird in 25 Sprachen zur Verfügung stehen.

Das gigantische Projekt trägt den Titel EMIS (European MSM Internet Survey on knowledge, attitudes and behaviour as to HIV and STIs) und verdankt sich der Zusammenarbeit von zahlreichen Forschern und Organisationen. In Deutschland sind das Robert-Koch-Institut (RKI), das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), in persona Michael Bochow, sowie die Deutsche AIDS-Hilfe beteiligt. Die Befragung führt die bisherigen „Bochow-Studien“ zum Safer-Sex-Verhalten fort, die es in der bisherigen Form nicht mehr geben wird.

Ziel der Befragung ist es, möglichst viel über das Verhalten, das Wissen und die Bedürfnisse der Zielgruppe in Bezug auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen zu erfahren. EMIS soll zeigen, welche Präventionsmaßnahmen in den jeweiligen Ländern notwendig sind und welche Untergruppen bei den MSM besondere Ansprache durch die Prävention benötigen.

Zugleich soll die Untersuchung die Bedürfnisse und Rechte homosexueller Männer öffentlich sichtbar machen und einfordern. „Mit einer massenhaften Teilnahme können Schwule, Bisexuelle und andere Männer, die Sex mit Männern haben, den Anspruch anmelden, mit ihren gesundheitlichen Bedürfnissen von der Politik ernst genommen zu werden!“, sagt Dr. Dirk Sander, MSM-Referent der Deutschen AIDS- Hilfe. „Mit den Ergebnissen einer solchen Befragung wird sich Politik machen lassen – auch und gerade in besonders homophoben Ländern, zum Beispiel in Osteuropa. Wir bauen darum auf möglichst viel Unterstützung in der Community und den schwulen Medien.“

Auch auf den EMIS-Seiten des Robert-Koch-Instituts wird der Zusammenhang zwischen Prävention und Politik betont: „Die Möglichkeiten zu präventivem Verhalten und Gesundheitsvorsorge unter schwulen und bisexuellen Männern – zum Beispiel Zugang zu angemessenem Wissen und Informationen, Zugang zu Testangeboten und HIV-Behandlung – sind stark abhängig von ihren allgemeinen Lebensbedingungen, dem Grad der Stigmatisierung von Homosexualität und der HIV-Infektion.“

Die EMIS-Befragung wird drei Monate laufen. Erste Ergebnisse der Studie sollen bereits in diesem Sommer veröffentlicht werden.

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe)

siehe auch „EMIS – europaweite Befragung von Männern, die Sex mit Männern haben

APuZ-Heft „Homosexualität“

Das Magazin „Aus Politik und Zeitgeschichte“ widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe dem Thema Homosexualität.

„Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) ist eine Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“ zu zeitgeschichtlichen und sozialwissenschaftlichen Themen. Sie wird von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben.
Aus der Ankündigung:

„Zwischen fünf und zehn Prozent der Weltbevölkerung sind homosexuell. Nach aller wissenschaftlichen Erkenntnis ist Homosexualität ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal. Weltweit unterliegen Lesben und Schwule jedoch bis heute vielfältigen Formen häufig religiös verbrämter Diskriminierung.
Auch in Deutschland wird ihnen als gesellschaftlicher Minderheit nicht selten mit Angst oder gar Hass begegnet. Ein Coming Out ist, abhängig vom gesellschaftlichen und beruflichen Status sowie vom persönlichen Umfeld, meist noch immer mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden.“

Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 15-16 / 2010 "Homosexualität"
Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 15-16 / 2010 "Homosexualität"

Inhalt:

Editorial (Hans-Georg Golz)
Homosexuelle zwischen Verfolgung und Emanzipation – Essay (Volkmar Sigusch)
Eine Regenbogengeschichte (Benno Gammerl)
Diskriminierung von Homo- und Bisexuellen (Melanie Caroline Steffens)
Homosexualität und Fußball – ein Widerspruch? (Tatjana Eggeling)
Respekt und Zumutung bei der Begegnung von Schwulen/Lesben und Muslimen (Bernd Simon)
Homosexualität und internationaler Menschenrechtsschutz (Hans-Joachim Mengel)
AIDS-Prävention: Erfolgsgeschichte mit offenem Ausgang (Michael Bochow)

Aus Politik und Zeitgeschichte
Homosexualität
48 Seiten
erschienen 12.04.2010
(APuZ 15-16/2010)
pdf

Danke an Dirk für den Hinweis!

Schwule Männer und HIV/Aids – Lebensstile, Szene, Sex 2007

Seit 1987 befragt der Soziologe Michael Bochow schwule Männer zu ihrem Sexualverhalten vor dem Hintergrund von HIV und Aids. Der ersten Befragung 1987 [nachdem der französische Soziologe Michael Pollok 1985 erstmals eine Befragung schwuler Männer zu HIV / Aids durchgeführt hatte] folgten weitere in den Jahren 1991, 1993, 1996, 1999 und 2003. Die Ergebnisse der neuesten Befragung 2007 wurden nun in der Reihe ‚Aids-Forum DAH‘ publiziert.

Die DAH schreibt über die Publikation:

„Der Band präsentiert die Ergebnisse der im Sommer 2007 durchgeführten achten Befragung von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), zu ihrem Sexualverhalten vor dem Hintergrund von HIV und Aids. Auftraggeber war die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), durchgeführt wurde die Studie von der Forschungsgruppe Public Health am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Die Ergebnisse belegen zum einen den Erfolg der HIV-Prävention bei MSM in Deutschland: Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, im Jahr vor der Erhebung überhaupt keine Risikokontakte gehabt zu haben (hier: ungeschützter Analverkehr bei unbekanntem oder abweichendem Serostatus des Partners), neun Zehntel gaben keine oder nur sporadische Risikokontakte an. Diese Anteile sind, entgegen allen anders lautenden Annahmen und Aussagen, seit 1991 relativ zeitstabil. Aufklärung tut aber nach wie vor Not, z. B. über Risikominderungsstrategien, deren Wirksamkeit gering ist oder die sich sogar kontraproduktiv auswirken können (etwa wenn der Serostatus des Partners „erraten“ wird, statt darüber zu sprechen). Auch sollten die Präventionsbotschaften stärker ausdifferenziert werden, so die Autoren – dies gilt besonders für Männer in Paarbeziehungen und für positiv Getestete. Und nicht zuletzt müssen die Aidshilfen angesichts der Verschiebungen im Informations- und Sozialverhalten ihre Internetangebote ausbauen, intensiv bewerben und regelmäßig durch die Nutzer evaluieren lassen.“

Aids-Forum DAH Nr. 55
Aids-Forum DAH Nr. 55

Michael Bochow, Axel J. Schmidt, Stefanie Grote:
„Schwule Männer und HIV/Aids – Lebensstile, Szene, Sex 2007“
Aids-Forum DAH Band 55
DINB A5, 264 Seiten
Bestell-Nummer 030055