Türkei: erstmals Ehrenmord an Schwulem vor Gericht

Erstmals kommt in der Türkei ein Ehrenmord an einem Schwulen vor Gericht. Am 8. September 2009 wird vor einem Istanbuler Gericht über den Mord an dem Istanbuler Studenten Ahmet Yildiz verhandelt.

Der 26jährige Physik-Student Ahmet Yildiz wurde im Sommer 2008 in einem Café in Istanbul erschossen.

Der LSVD berichtet

„Angeklagt wird der Vater des Opfers, der sich möglicherweise im Irak versteckt hält. Damit kommt zum ersten Mal in der Türkei ein sog. Ehrenmord an einem schwulen Mann vor Gericht. Es ist davon auszugehen, dass die Presse ausführlich über den Prozess berichten wird.“

Ibo Can, der Lebenspartner vom Ahmet Yildiz, setzt sich seit der Ermordung für die Aufklärung des Mordes und Strafverfolgung der Täter ein. Unterstützt wird er von der türkischen Schwulen- und Lesbengruppe Lambda Istanbul (bei der auch Ahmet Yildiz aktiv war) sowie der deutschen Hirschfeld-Eddy-Stiftung.

Die Ermordung von Ahmet Yildiz dürfte vermutlich nicht der erste Ehrenmord an einem Schwulen in der Türkei gewesen sein, wie der Blogegr Steven Milverton anmerkt. Aber er wird nun vielleicht der erste Ehrenmord an einem Schwulen, der in der Türkei vor Gericht verhandelt wird.

weitere Informationen:
Steven Milverton 22.07.2008: Wo ist Ahmet Yildiz’ Freund?
Steven Milverton 06.08.2008: Neues zum Mordfall Ahmet Yildiz
LSVD / Hirschfeld-Eddy-Stiftung 10.06.2009: Neues im Istanbuler Mordfall Ahmet Yildiz
queer.de 10.06.2009: Ehrenmord in Istanbul: Vater wird angeklagt
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Istanbul: Trans-Aktivistin ermordet (akt.)

Ebru, Trans-Aktivistin und Mitglied von Lambda Istanbul, sei ermordet worden – dies berichtet ein Mitglied von Lambda Istanbul.

Ebru Soykan, Trans-Aktivistin ist am 10. März 2009 in Istanbul tot aufgefunden worden. Im Blog „Transmission“ berichtet dazu Sinan, ebenfalls Mitglied von Lambda Istanbul,

„Apparently, she went to the police and sought protection from a man she refused to be with recently, she was found dead in her apartment this morning.“

Noch seien die genauen Umstände des Todes von Ebru nicht bekannt.

Die generellen Lebensbedingungen von Trans-Frauen in der Türkei jedoch seien von Diskriminierungen, Belästigungen und Gewalt gekennzeichnet:

„Trans women in Turkey face extreme amounts of harassment and violence from their partners, people in the street and police forces on a daily basis. When the perpetrators are caught or called out, patriarchal bullshit protection mechanisms of violence such as „crimes of passion“ or „moral provocation“ help these men get away with it.“

Aus Anlass des Todes von Ebru sollen heute (12.3.2009) Protestversammlungen stattfinden.

Transmission 12.03.2009: Trans*aktivistin in Istanbul ermordet
dazu am 12.03.2009 Lambda Istanbul (in türkischer Sprache)
zum Hintergrund: indymedia 24.11.2008: ‚Hassmorde‘ an Transsexuellen in der Türkei
Human Rights Watch 12.03.2009: Turkey: Transgender Activist Murdered
Advocate 13.03.2009: Trans Activist Murdered in Turkey
Pinknews 13.03.2009: Transgender Activist Murdered in Turkey
queer.de 13.03.2009: Istanbul: Transgender-Aktivistin ermordet
365gay.com 13.03.2009: Police accused of ignoring transwoman’s pleas for help
indymedia.de: Trans*-Aktivistin in Istanbul ermordet
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Lambda Istanbul gerettet – Gericht urteilt im Sinn türkischer Schwulen- und Lesbengruppe

Die türkische Schwulengruppe Lambda darf weiter bestehen und aktiv sein. Dies entschied ein Gericht in Istanbul.

Das oberste Berufungsgericht hat die Entscheidung des lokalen Gerichts, dass Lambda seine Tätigkeit einstellen müsse, zurückgewiesen. Dies wurde der Gruppe gestern mitgeteilt. Die Erwähnung von Schwulen, Lesben und Transgender im Namen der Gruppe stelle keinen verstoß gegen die Moral dar.

Lambda Istanbul
Lambda Istanbul

Im Mai 2008 hatte ein Gericht in Istanbul auf Antrag des Istanbuler Gouverneursamtes die 1993 gegründete Schwulen- und Lesbengruppe Lambda zur Selbst-Auflösung verurteilt. Die Gruppe verletze türkische Gesetze zur Moral.

Das jetzige Urteil erkennt das Recht von schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender an, Vereine zu gründen.

Das Verfahren selbst wird nun an das lokale Gericht zurückverwiesen.

Lambda Istanbul
pinknews: Istanbul gay rights group wins appeal against closure under morality laws
Amnesty International: Turkish LGBT organization wins appeal against closure
365gay.com: Appeals court overturns order to close Turkish gay group

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Türkei: Schwulengruppe Lambda muss sich auflösen (akt.)

Ein Gericht in Istanbul hat heute auf Antrag des Istanbuler Gouverneursamtes die Schwulen- und Lesbengruppe Lambda zur Selbst-Auflösung verurteilt. Die Gruppe verletze türkische Gesetze zur Moral.

Lambda (voller Name ‚Lambda Istanbul Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transsexuellen Solidaritäts-Gruppe‘) verletze sowohl türkisches Strafrecht als auch die türkische Verfassung (Artikel 41). Ein Vertreter der Gruppe erläuterte laut Foxnews, schon der Name der Gruppe habe Anstoß erregt. Die Begriffe schwul, lesbisch etc im Namen seien nach Ansicht des Gerichts eine Verletzung der öffentlichen Moral. Da die Gruppe eine Umbenennung verweigert habe, habe das Gericht das Verbot ausgesprochen.

Bei der heutigen Verhandlung war ein Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch HRW anwesend. Lambda kündigte an, das heutige Urteil innerhalb einer Woche vor dem Appellationsgericht anzufechten. Falls auch dieser Schritt erfolglos sei, werde man vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen, so ein Vertreter von Lambda.

Lambda (Istanbul) ist neben Kaos-GL (Ankara) die bedeutendste Schwulen-, Lesben- und Transgender-Organisation in der Türkei. Ein Versuch staatlicher Stellen, die Schwulen- und Lesbengruppe Kaos-GL zu verbieten, scheiterte 2005.

Noch gestern hatten Vertreter von Schwulengruppen aus der Türkei sowie Menschenrechts-Aktivisten eindrücklich darauf hingewiesen, dass die Türkei endlich von ihren Gummi-Paragraphen à la „öffentliche Moral“ Abstand nehmen müssen …

Die Türkei muss vor einem EU-Beitritt die Rechte von Homosexuellen garantieren“ forderte Human Rights Watch gestern auf einer Veranstaltung in Berlin – selten hat eine Forderung so schnell eindrücklich ihre Berechtigung erwiesen …

Nachtrag 31.5.2008: Der Europarat zeigt sich „sehr besorgt“. „Die Argumente des Staatsanwalts, die zur Schließung der Organisation Lambda Istanbul geführt haben und beinhalteten, dass die Aktivitäten der Organisation gegen die Gesetze der öffentlichen Moral verstoßen, machen mich sprachlos“, so M. de Puig, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.

Nachtrag 4.6.2008: der LSVD ruft zur Unterstützung für Lambda auf. Protestbrief an den Botschafter der Türkei auf den Internetseiten der Hirschfeld-Eddy-Stiftung.

Nachtrag 6.6.2008: sehr lesenswert: Doug Irleand Turkeys latest anti-gay surge
Nachtrag 9.2.2008: Photos vom Berliner Protest gegen die Schließung von Lambda am 7. Juni
Nachtrag 29.11.2008: Verbot von Lambda Istambul aufgehoben

[via pinknews]
weitere Informationen (Stand noch vor dem heutigen Urteil):
SZ: Eine Frage der Moral (17.4.2008)
taz: der lange Weg zur Toleranz (28.5.2008)
SpON/Unispiegel: Homosexuelle führen ein Doppelleben (29.10.2007)
gaywest: Quo vadis, Türkei (2.2.2008)

Türkei: vor EU-Beitritt Homo-Rechte garantieren

Die Türkei müsse die Rechte von Schwulen und Lesben sicherstellen, bevor sie in die EU aufgenommen werden könne. Dies fordert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem in Berlin vorgestellten Bericht.

‚Gender, Sexualität und Menschenrechte in einer sich verändernden Türkei‘ war der Titel einer Veranstaltung im Rathaus Schöneberg in Berlin am 28. Mai 2008. Und gleichnamig der Titel eines Berichts, den die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) nach der erstmaligen Präsentation in Istanbul letzte Woche nun in Berlin präsentierte.

Türkei-Veranstaltung von HRW / PodiumIm Mittelpunkt stand die Präsentation des Berichts von HRW und die Situation von Schwulen, Lesben und Transgender in der Türkei. Auf der Podiumsdiskussion diskutierten miteinander Dr. Lale Akgün ( MdB, SPD-Bundestagsfraktion), Juliana Cano Nieto (Researcherin, Human Rights Watch), Safter Çinar (Sprecher, Türkischer Bund in Berlin- Brandenburg) und ein Vertreter von Kaos-GL (türkische LGBT-Organisation). Moderiert wurde von Günter Dworek (Hirschfeld-Eddy-Stiftung).

Für den über 100seitigen Bericht wurden in den letzten Jahren über 70 Interviews geführt. Der Bericht behandelt ein breites Spektrum an Menschenrechtsverletzungen wegen sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Bisher gebe es in der Türkei seitens Staat und Behörden nahezu keine aktiven Maßnahmen gegen Diskriminierung von und Gewalt gegen Lesben, Schwule und Transgender. In der Türkei bestehe ein Antidiskriminierungsgesetz nicht, schwule Männer seien von Militärdienst ausgeschlossen.

Scott Long, Human Rights WatchDas Resüme von Human Rights Watch (HRW) zur Situation von Schwulen und Lesben in der Türkei: vor einer Aufnahme in die EU müsse die Türkei die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen garantieren. HRW forderte zudem die EU auf, die Bewerbung der Türkei um eine EU-Mitgliedschaft davon abhängig zu machen, ob Misshandlungen von Mitgliedern dieser Personengruppen beendet und ihnen sowohl Schutz als auch die gleichen Rechte zuerkannt werden.
„Demokratie bedeutet, dass die grundlegenden Rechte aller Menschen gegen die Diktatur vorherrschender Sitten und die Tyrannei des Hasses geschützt werden“, betonte Scott Long, Leiter des Programms für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transsexuellen bei HRW.

Zwar habe sich insgesamt gesehen das gesellschaftliche Klima für Lesben und Schwule in der Türkei in den vergangenen Jahren verbessert. Doch weiterhin gebe es Gewalt gegen Lesben und Schwule, Schikanierungen, Raubüberfälle, Morddrohungen. Wenn staatliche Stellen behaupten, Schwule und Lesben würden in der Türkei durch Artikel 10 der Verfassung geschützt, so treffe dies in der Realität einfach nicht zu. So sei aktuell gerade die 1993 gegründete Schwulen-, Lesben- und Transsexuellen-Gruppe Lambda (Istanbul) von der Schließung bedroht, der Vorwurf laute „Förderung der Prostitution“.

Publikationen von Kaos-GLKaos-GL (Ankara) ist eine der ältesten Schwulen- und Lesbengruppen in der Türkei (gegründet 1994). Immer wieder wird gegen die Gruppe vorgegangen, so versuchte z.B. 2005 ein Mitglied der Regierungspartei AKP (vergeblich), die Gruppe mittels eines Gerichtsverfahrens zu verbieten. Gegen den Herausgeber des Kaos-GL-Magazins gingen die Strafverfolgungsbehörden der Türkei 2006/07 vor mit dem Vorwurf, „obszönes Material“ zu verbreiten (Art. 227 des türkischen Strafgesetzes). In der zweiten Verhandlung wurde Umut Güner im Februar 2007 freigesprochen. Das Magazin allerdings sei (so das Gericht) obszön und müsse im verschlossenen Umschlag verschickt werden.

Der Vertreter von Kaos-GL berichtete eindrücklich über die Situation von Lesben und Schwulen in der Türkei und die Veränderungen in den letzten Jahren. Kaos-GL habe lange rein aus eigenen Mittel arbeiten müssen, erst langsam selbst den Mut gefunden an die Öffentlichkeit zu gehen. 2001 sei man erstmals im Rahmen einer Demonstration als Schwule und Lesben an die Öffentlichkeit gegangen – und über die positiven Reaktionen der anderen Demonstranten überrascht gewesen. 2003 habe es im Rahmen eines großen Symposiums zur Homophobie in der Türkei erstmals eine Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen (Rathaus) gegeben.

Der Kaos-GL-Vertreter zeigte auf, dass es in den vergangenen Jahren zwar deutliche Verbesserungen sowohl der Gesetzeslage allgemein als auch des Alltags für Lesben und Schwule gegeben habe. Insbesondere Transsexuelle aber (besonders nicht operierte) seien mit einer Verschlechterung ihrer Situation konfrontiert. Besonders bizarr sei die Situation u.a. für Schwule, die zum Militär eingezogen werden sollte. Sie müssten, um ihre Homosexualität nachzuweisen (und dann nicht eingezogen zu werden) Photos vorlegen, die sie beim Geschlechtsverkehr zeigen – in der passiven Rolle. In vergangenen Jahren habe Kaos-GL zunächst das prinzipielle Recht auch von Schwulen gefordert Militärdienst leisten zu dürfen. inzwischen habe man sich Forderungen nach einer Einführung eines Rechts auf Kriegsdienstverweigerung angeschlossen.

Dr. Lale Akgün, MdB SPDDr. Lale Akgün, MdB (SPD) zeigte sich „nicht überrascht“ über die Ergebnisse des beeindruckenden Berichts von HRW. Sie begrüße die komprimierte Darstellung der derzeitigen Situation und der Menschenrechtsverletzungen, hiermit sei nun einen gute Arbeitsgrundlage geschaffen für zukünftige Maßnahmen und Gespräche mit der Türkei.

Akgün, die ihre solidarische Teilnahme am Instanbuler CSD im Juni ankündigte, betonte sie erwarte von der Türkei, dass in die neue Verfassung ein umfassendes Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Orientierung aufgenommen werde. Begriffe wie die ‚Verletzung der öffentlichen Moral‘ müssten abgeschafft werden. Homosexuelle müssten sich selbstverständlich uneingeschränkt selbst organisieren dürfen; bei Polizei und Justiz solle es Trainings zur Antidiskriminierung geben. Zudem wies sie auf die Notwendigkeit hin, Daten zur Situation der Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transgender nicht nur einmalig, sondern regelmäßig zu veröffentlichen.

Als Hebel, von der Türkei nicht nur Dialogbereitschaft, sondern auch konkrete Maßnahmen einzufordern sehe auch sie den angestrebten Türkei-Beitritt des Landes. Die Türkei müsse zudem Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Gleichheit vor dem Gesetz) endlich anerkennen.
Sie wies darauf hin, dass neben vielen anderen gesellschaftlichen Gruppen gerade auch Schwule und Lesben schon von den Bemühungen um einen EU-Beitritt der Türkei deutlich profitieren würden. Dies gelte umso mehr für einen etwaigen Beitritt.

„We Need a Law for Liberation“ – Gender, Sexuality, and Human Rights in a Changing Turkey
Human Rights Watch, Mai 2008
(auch als pdf hier)

Nachtrag 08.09.2008: Auf Anfrage der Fraktion Die Grünen teilt die Bundesregierung mit ‚Homophobe Einstellungen in der Türkei zu beobachten‘