Großbritannien: de facto Behandlungsverbot – ein HIV-positiver Zahnarzt berichtet

HIV-Positive mit Problemen beim Zahnarzt – kein seltener Fall. Aber wie sieht die Situation aus, wenn der Zahnarzt HIV-positiv ist?

HIV-Positive stoßen immer wieder auf Probleme, wenn sie eine Behandlung beim Zahnarzt benötigen. ‚Keine Zeit‘, Termine an Rand-Zeiten, oder gar Behandlungs-Verweigerung – immer wieder machen HIV-Positive diese Erfahrungen beim Zahnarzt.

In einer gemeinsamen Stellungnahme betonen Deutsche Aids-Gesellschaft DAIG und Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter dagnä: Bei der Behandlung HIV-Infizierter beim Zahnarzt gelten keine über Standardhygiene hinaus gehenden hygienischen Anforderungen. Und auch das Robert-Koch-Institut RKI betont: mit HIV beim Zahnarzt – routinemäßige Hygiene genügt.

Doch – wie ist die Situation ‚anders herum‘? Wenn nicht der Patient, sondern der Zahnarzt HIV-positiv ist?

Ein britischer HIV-positiver Zahnarzt berichtet im ‚Guardian‘ über seine Erfahrungen.

Allan Reid weiß seit 2007 von seiner HIV-Infektion. Zunächst hält er seine Infektion geheim, doch wenige Monate später outet ihn ein Boulevard-Blatt mit Sensations-Berichterstattung über den ‚Zahnarzt, der Tausende von Patienten behandelte, ohne ihnen zu sagen dass er HIV-positiv ist‘. Von einem Moment zum anderen war seine Karriere beendet. Selbst sein Haus musste er verkaufen – nach Verlust seines Berufs konnte er die Abzahlungen nicht mehr leisten.

In Großbritannien haben HIV-positive Zahnärzte de facto ein Berufsverbot zu befürchten. Der britische Zahnärzte-Verband betrachtet dies als ’nicht gerechtfertigt und ungesetzlich‘ und fordert eine Änderung der seit 20 Jahren (mit einer Revision 2007) geltenden Regelungen der britischen Gesundheitsverwaltung.

Anders die Situation in Deutschland: in einem Artikel des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 1999 (auch) zur Situation HIV-positiver Zahnärzte (ähnlich so bereits auch 1991) heißt es:

„Bei positivem Testausfall sollten keine ärztlichen oder zahnärztlichen Eingriffe mehr vorgenommen werden, die eine Verletzungsgefahr für die operierende Person selbst beinhalten und somit auch eine Infektionsgefahr für den jeweiligen Patienten. Alle anderen ärztlichen Tätigkeiten können ohne Vorbehalt ausgeübt werden. HIV-infizierte Ärzte/Ärztinnen oder Zahnärzte/-ärztinnen sollen gegebenenfalls ihr Tätigkeitsfeld einschränken oder in ein anderes wechseln.“

Aktuellere Empfehlungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit hochwirksamer Therapien,  zur Frage HIV-positiver Zahnärzte gibt es in Deutschland nicht. Als Anhaltspunkt kann jedoch ein Beschluss (2010) eines Expertengremiums dienen (siehe „HIV-infiziert und im Gesundheitssystem – was ist zulässig?„), das für HIV-infizierte Chirurgen (!) feststellt

„Das Expertengremium hat in dem vorliegenden Fall einstimmig den Beschluss gefasst, dass bei einer derzeitigen Viruslast unter der Nachweisgrenze sowohl für HIV als auch für HCV keine Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit des Chirurgen erforderlich sind.“

Weltweit ist bisher nur ein Fall von Übertragungen von HIV durch einen HIV-positiven Zahnarzt bekannt. Für viel Aufregung sorgte Anfang der 1990er Jahre ein HIV-positiver Zahnarzt in Florida, der vermutlich sechs Patienten mit HIV infizierte.

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weitere Informationen:
The Guardian 17.05.2011: Dentists with HIV face ‚unfair‘ treatment
Annals of Internal Medicine 15.01.1996: The 1990 Florida Dental Investigation: Theory and Fact (abstract)
Annals of Internal Medicine 01.12.1994: Lack of HIV Transmission in the Practice of a Dentist with AIDS (abstract)
Bundesärztekammer und Bundesministerium für Gesundheit (1991) gemeinsame Empfehlung „Ärzte für freiwilligen HIV-Test“. Dt
Ärztebl 1991; 88: 2962–2963 (gekürzt: Epid Bull 7/97: 42)
Zahnärztliche Mitteilungen 01.02.2000: Die Wogen sind noch nicht geglättet
Epidemiologisches Bulletin 34/1999: Zur Problematik der nosokomialen Übertragung von HIV
Dr. Klaus Korn: HIV-infizierte Mitarbeiter im Gesundheitswesen – was dürfen sie (nicht)? In: Retrovirus-Bulletin 01/2010 (pdf)
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