Therapiefreiheit : Therapieumstellung, um Versorungs-Kosten zu senken ? Das wirft Fragen auf …

In Großbritannien wird die Zusammenstellung der antiretroviralen Therapie zukünftig auch von Kosten-Gesichtspunkten bestimmt (siehe ondamaris 29.08.2012: Einschränkung der Auswahl der ART-Medikamente – erste Untersuchung) Die vorgelegte Studie aus London zeigt ein Spannungsfeld in der Gesundheitsversorgung auf, in dem auch wir Positive uns mehr und mehr bewegen.

Auf der einen Seite sollen die Kosten von HIV-Therapien eine Akzeptanz durch die Versichertengemeinschaft behalten, und auf der anderen Seite soll gleichzeitig eine Auswahl von guten Therapien durch behandelnde Ärzte und Patienten erfolgen. Jede Anforderung für sich ist schon eine Herausforderung. Beide Ziele zusammen verfolgt, haben ein gewisses Konfliktpotential, welches einer Diskussion unter den Beteiligten bedarf.

Es ergeben sich für mich Fragestellungen aus diesem Versuch, die Kosten der Versorgung zu senken, die einer weitergehenden Diskussion bedürfen:

  • Wie wirkt sich eine solche Behandlungsvorgabe auf das Arzt – Patienten Verhältnis aus? Wird das Vertrauen in die für mich als Patienten „richtige“ Entscheidungen des Arztes gestört?

Im NHS sind die Ärzte Angestellte des NHS und damit viel leichter zu lenken als zum Beispiel ein niedergelassener Schwerpunktarzt in Deutschland. Dieses Faktum spricht für eine Belastung des Vertrauensverhältnisses. Es scheint auch so zu sein, das „aufgeklärte“ Patientengruppen wie weiße, homosexuelle Männer eher nicht einem Therapiewechsel unterzogen wurden.

Was ist mit den untersuchten 69 Fällen von „anderen“ (nicht von den Kosten getriebenen) Gründen? Waren das wirklich in allen Fällen medizinische Gründe, die für den Wechsel sprachen, oder hat man es sich einfach gemacht und einfach diese „medizinischen“ Gründe nur vorgeschoben, um eine Diskussion mit dem Patienten zu umgehen? Hier könnte nur eine zweite unabhängige Studie zu jedem Wechselfall etwas Licht ins Dunkel bringen.

  • Wenn mein Arzt mit mir offen und ehrlich die Kostenfrage anspricht und keinerlei wesentliche medizinische Gründe gegen einen Wechsel des PI zu ATV sprechen, würde ich da als verantwortungsbewusster Patient meine Zustimmung geben?

Je offener und transparenter Kostenfragen mit Patienten besprochen werden, desto besser können diese in die gesamte Therapieplanung mit eingehen (diese besteht ja nicht nur aus Kostenerwägungen). Voraussetzung für den Erfolg ist der aufgeklärte Patient (wie auch bei der rein medizinischen gemeinsamen Therapieplanung).

Hier wäre es hilfreich, wenn jeder Patient sich zusätzlich einen unabhängigen Rat von dritter Seite einholen könnte. (Der behandelnde Arzt ist ja als Angestellter des NHS nicht als gänzlich unabhängig anzusehen. – Ist der HIV-Behandler im deutschen Gesundheitssystem immer unabhängig?)

  • Ist es eine gute Idee, den Pharmafirmen durch große Abnahmemengen erhebliche Rabatte abzutrotzen?

Grundsätzlich verändert sich durch den zentralen Einkauf der Medikamente und die Erhöhung der bisherigen Menge eines bestimmten PIs die Verhandlungsposition zu Gunsten der Einkäufer (Versicherte; Steuerzahler). Der Beschaffungsprozess kann sogar in vielen Bereichen transparent geführt werden (aber nicht in allen).

Ein potentieller Kostenvorteil ist aber nur real umzusetzen, wenn man die Therapiefreiheit von Arzt und Patient einschränkt.

  • Soll man sich als HIV Positiver grundsätzlich solchen Modellen verweigern, da diese immer die Therapiefreiheit einschränken? Oder beteiligt man sich aktiv an der Entwicklung solcher Gedankenmodelle?

Eine aktive, fordernde und gestaltende Mitarbeit durch Positive (GIPA!) an solchen Überlegungen erlaubt frühzeitige, weiterreichende Einflussnahme. Diese Beteiligung kann auch zur vollständigen Ablehnung einer angedachten Kostensenkungsmöglichkeit durch die Positiven führen.

Therapiefreiheit : Einschränkung der Auswahl der ART-Medikamente – erste Untersuchung

Der ART-Wechsel von 402 Patienten in London wurde in einer kleinen Studie ausgewertet. Für London gibt es derzeit aus Kostensenkungsbemühungen eine Einschränkung in der Therapiefreiheit für Ärzte und Patienten. Es wurde untersucht, wie viele Menschen aus Kostengründen ihre ART gewechselt haben.

In London wohnen ca. 47% der HIV-Positiven Großbritanniens, die in Behandlung sind.

Die Gesundheitsversorgung ist in diesem Land sehr stark durch den nationalen Gesundheitsdienst NHS – National Health Service – geprägt. Die Kosten für den NHS werden aus Steuermitteln gedeckt und nicht wie in Deutschland durch Sozialabgaben.

Entscheidungen über eine durch den NHS festgelegte HIV-Therapieform wirken sich also ggf. erheblich auf die Kosten des Dienstes aus.

Man hat sich für London im Mai 2011 entschlossen nur aus Kostengründen eine Vorgabe für die Verwendung des Protease Inhibitors (PI) Atazanavir (ATV) an die HIV-Behandler auszugeben (siehe ondamaris 18.05.2011: London: adieu Therapiefreiheit ? ). Danach sollen, wenn im Einzelfall keine besonderen medizinischen Umstände dagegen sprechen, möglichst viele Patienten eine erste Therapie mit Atazanavir beginnen. Auch bereits laufende Therapien sollen möglichst umgestellt werden auf Atazanavir. Hiervon erwartet man im Laufe von 2 Jahren eine Einsparung von ca. 8 Millionen GBP (ca. 10 Millionen €). Erreicht wurde diese Einsparmöglichkeit durch einen höheren Einkaufsrabatt bei der Pharmafirma, die ATV herstellt.

Das ist also schon heute der Stand der Dinge im Reich der Königin von England.

Da die Briten aber auch Evaluationen und eine gewisse Transparenz lieben, hat man gleich einige Untersuchungen zu diesem Kostensenkungsversuch mit aufgelegt. Einschränkungen in der Auswahl der Medikamente aus Kostengründen gehören bei anderen Krankheitsbildern zum Alltag, waren bei HIV jedoch bisher noch nicht zur Anwendung gekommen.

Es wurde nun bei der BHIVA 2012 18th Annual Conference eine erste kleine Studie präsentiert, die die kurzfristigen Ergebnisse zu dieser Sparmaßnahme untersucht.

Betrachtet wurden die aufgetretenen 402 Fälle eines Wechsels in der Therapie zwischen April 2011 und Januar 2012 in London.

In der Olympiastadt waren 2444 Menschen in einer ART während diesem Zeitraum. Davon haben 402 Personen ihre Therapiezusammensetzung während der 9 Monate geändert – und die wurden dann genauer unter die Lupe genommen.

Übersicht Studie
Übersicht Studie

201 Patienten wechselten ihren PI–Bestandteil in der Therapie. Ein Teil wechselte von der bisherigen Einnahme von ATV weg zu einem anderen PI (21 Personen), der andere Teil (180 Personen) nahm bisher nicht ATV als PI und wäre daher für die vorgesehene Maßnahme potentiell geeignet. Es wurden dann aber nur 153 Patienten auf ATV umgestellt.

In der Untersuchung wurde unterschieden, ob diese Umstellung aus Kostengründen erfolgt ist (in 84 Fällen) oder ob andere Gründe (z.B. Unverträglichkeit des bisherigen PI) maßgeblich waren – wie in den verbleibenden 69 Fällen.

Zusätzlich wurde abgefragt, wie viele Patienten innerhalb von 3 Monaten die Einnahme von ATV wieder abgebrochen haben. In beiden Gruppen waren dies rund 15% der Patienten.

Was ist das Ergebnis der Untersuchung?

  • Der Wechsel zu ATV rein aus Kostengründen führt nicht zu einer erhöhten kurzfristigen Unverträglichkeit von ATV in dieser Gruppe gegenüber der Gruppe die ATV aus anderen (vorwiegend medizinischen) Gründen eingenommen hat. In beiden Fällen beträgt die Abbruchrate ca. 15%.
  • Die Wechsler sind überproportional häufig Schwarze und Heterosexuell. (Das führt mich zu der Vermutung, dass diese Gruppe sich leichter in einen Wechsel „hineindrängen“ lässt.)
  • Die Studienverfasser verweisen zwar auf statistische Korrekturfaktoren für diesen Effekt und behaupten daher, dass es keine Abweichungen zur Gesamtgruppe gibt; weil es sich aber um eine sehr kleine Zahl von untersuchten Fällen handelt, scheint mir hier die Statistik zu weit ausgelegt worden zu sein. Ich würde lieber nur die absoluten Fälle und ihre augenscheinliche Tendenz betrachten wollen. Dann erkennt man schnell, wer besonders häufig einen Wechsel zu ATV hin gemacht hat.
Studienergebnisse
Studienergebnisse
  • Die Studie ist nur eine kurze Momentaufnahme mit einer sehr geringen Zahl von Fällen und kann nichts aussagen über die langfristigen Effekte der Maßnahme. Es könnte immerhin sein, dass es sich aus medizinischer Sicht erweist, dass die kosteninduzierten ATV – Wechsel zu schlechteren Ergebnissen im virologischen Bereich führt.

Bareback Porno : 7% der Schwulen zu Sex ohne Kondom motiviert?

Knapp 7% der Nutzer von Bareback Porno glauben, durch diese Pornos zu Sex ohne Kondomen motiviert worden zu sein. Dies ergab eine Befragung  (‚FS Porn Survey‘) der Organisation GMFA (früher: ‚Gay Men Fighting AIDS‘) von über 1.000 schwulen Männern in Großbritannien.

88,2% der Befragten gaben an, durch Bareback-Pornos nicht zu Sex ohne Kondomen veranlasst worden zu sein. Allerdings glaubten 53,6% der Teilnehmer, dass andere Schwule durch Konsum von Bareback Porno zu Sex ohne Kondom veranlasst würden.

98% der Befragten gaben an, Pornos zu konsumieren – ein Viertel täglich, insgesamt weit über drei Viertel (87%) mindestens einmal pro Woche. Mit 92,1% war ‚online‘ der inzwischen mit Abstand häufigste Weg des Konsums von Pornos, gedruckte Magazine verlieren stark an Bedeutung. Knapp 70% der Befragten sehen (auch) Bareback-Pornos, 95,8% gaben an, bisher überhaupt je schon einmal einen Bareback-Porno gesehen zu haben.

Die Ergebnisse sind in der jüngsten Ausgabe des von der GMFA herausgegebenen ‚FS Magazine – The Fit and Sexy Gay Magazine‘ veröffentlicht.

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GMFA: FS Magazine Ausgabe #131 Sommer 2012 (pdf)
Pinknews 08.08.2012: Survey: 7 percent ‘led to unprotected sex’ by bareback porn
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Spermawäsche erhöht die Sicherheit bei Kinderwunsch nicht mehr als erfolgreiche antiretrovirale Therapie – britischer Richtlinien-Entwurf

Der Entwurf zur britischen Richtlinie zur Behandlung der Unfruchtbarkeit führt aus, dass eine Sperma-Wäsche nicht mehr unbedingt erforderlich sein muss bei serodifferenten Paaren mit Kinderwunsch, bei denen der Mann HIV-positiv ist und die Frau nicht. Sofern der Mann eine erfolgreiche antiretrovirale Behandlung durchführe und Sex ohne Verwendung von Kondomen sich auf die Ovulations-Periode beschränke, werde durch eine Sperma-Wäsche das Risiko einer Infektion nicht weiter reduziert:

„sperm washing may not further reduce the risk of infection“

Der Richtlinien-Entwurf aktualisiert die bisherige Richtlinie aus dem Jahr 2004 und wurde herausgegeben vom National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE). Seine Aufgabe ist es u.a., dem britischen National Health Service besonders effektive und Kosten-effiziente Behandlungsverfahren zu empfehlen.

Die Autoren des Entwurfs weisen darauf hin, dass ihre Empfehlung nicht außerhalb ihres Kontextes auf andere Sachverhalte übertragen werden sollte.

Der Entwurf ist bis 3. Juli 2012 für Diskussion und öffentliche Beratung offen.

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zur Situation in Deutschland siehe auch
ondamaris 28.06.2011: ‘Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung HIV-betroffener Paare mit Kinderwunsch’ – Aktualisierung verzögert sich (dort auch Link auf die am 09. September 2011 verabschiedeten Leitlinien).

weitere Informationen:
aidsmap 22.05.2012: NICE says sperm washing is no safer than effective treatment and timed intercourse
Entwurf der Richtlinie (pdf), zu Sperma-Wäsche siehe S. 105 – 122
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Großbritannien: Gesundheitsdienst vernachlässigt Bedürfnisse Schwuler

Schwule und bisexuelle Männer werden durch den Gesundheitsdienst Großbritanniens vernachlässigt und diskriminiert, hat eine britische Gesundheits-Studie ergeben.

Die Studie auf Basis einer Befragung von 6.861 Männern habe gezeigt, dass die Arbeit des National Health Service NHS sich stattdessen vornehmlich auf sexuelle Gesundheit konzentriere und dabei Neigung zu Selbstverletzung, Suizid und schweren Depressionen außer Acht lasse. Ein Drittel der Befragten berichtete über negative Erfahrungen mit dem NHS wegen ihrer Sexualität. Viele berichteten über Fälle offener Diskriminierung oder Stigmatisierung Homosexueller (wie offen einsehbare Akten-Kennzeichnung ‚Homosexueller‘). Zudem berichteten viele Befragte, allein aufgrund ihrer Homosexualität seien sie auch für HIV-positiv gehalten worden.

PinkNews 24.04.012: Stonewall survey: NHS ‘failing gay and bisexual men’
Stonewall’s Gay and Bisexual Men’s Health Survey

Großbritannien: Positive bewerten und empfehlen Ärzte

HIV-Positive berichten anderen HIV-Positiven über ihre Erfahrungen mit Ärzten – und empfehlen HIV-Behandler. Dies ermöglicht eine neue Initiative – in Großbritannien.

Erstmals haben HIV-Positive in Großbritannien die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit Ärzten zu dokumentieren, diese zu bewerten und anderen Positiven HIV-Behandler zu empfehlen. Eine entsprechende Initiative wurde von der britische Aids-Organisation Terrence Higgins Trust (THT) in Zusammenarbeit mit der Organisation ‚My Aids‘ ‚IWantGreatCare’auf dem britischen Internetportal „My HIV“ [nicht zu verwechseln mit der US-amerikanischen Site ‚My HIV, My Aids‘] gestartet.

HIV-Positive, die sich über die Site ‚My HIV‚ (die vom Terrence Higgins Trust betrieben wird) anmelden, können auf ‚IWantGreatCare‘ vertraulich über ihre Erfahrungen mit Ärzten berichten und diese bewerten. Diese detaillierten, zusammengestellten Informationen können dann von anderen HIV-Positiven, die einen Arzt suchen, eingesehen und bei ihrer Entscheidung über eine Arzt-Wahl berücksichtigt werden. Die Bewertung der Behandler erfolgt anhand eines Fragen-Katalos (z.B. ob er / sie dem Arzt vertraut, ob der Arzt / die Ärztin zuhört bzw. ihm / ihr ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet hat oder ob er / sie diesen Arzt empfehlen würde). Grundidee: Positive helfen Positiven – auch bei der Arzt-Wahl.

Vertreter des Terrence Higgins Trusts betonten, HIV-Positive würden auch heute noch beim Arzt oftmals stigmatiserende oder diskriminierende Erfahrungen machen, oder machten sich hierüber Sorgen. Man wolle mit dem neuen Portal HIV-Positiven eine Möglichkeit bieten, Ärzte zu finden, die sich sensibel mit ihrer Situation auseinander setzen, und auf gute HIV-Behandler mit hohem Qualitätsstandard hinweisen.

Die britische unabhängige Organisation ‚IWantGreatCare‘ ermöglicht Patienten, zu verschiedensten Erkrankungen ihre individuellen Erfahrungen mit Ärzten zu berichten und diese zu bewerten. Die Organisation beschreibt ihr allgemeines Anliegen so:

„Experiences and views of patients and their carers show that there is a huge range in quality of care received – not only in clinical outcomes, but in the actual experience of receiving care. iWantGreatCare empowers a doctor’s patients, patients‘ carers and relatives and colleagues rate them using objective criteria derived from the evidence base for patient satisfaction. Everything added to the site is seen and used by doctors and organisations to help them improve the service they provide.“

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Immer wieder hört man/frau Fragen wie „Zu welchem, Arzt kann ich denn gehen?“ oder „Hast du einen Tipp für eine gute … ?“. Wichtiger beinahe noch, auch schlechte Erfahrungen mit Ärzten sind immer wieder zu hören, sei es Erfahrungen von Stigmatisierung oder Diskriminierung, Behandlungs-Probleme oder  gar -Verweigerungen (wie sie z.B. von Zahnärzten oder aus der Chirurgie immer wieder berichtet werden).

Erfahrungen mit Ärzten zu sammeln, und diese strukturiert zugänglich zu machen, auf dass andere HIV-Positive ihre Arzt-Wahl informiert und auf breiterer Basis treffen können – das wünschen sich vermutlich auch viele HIV-Positive in Deutschland.

Auch wenn Erfahrungen anderer Patientinnen und Patienten nicht das einzige Kriterium einer Arzt-Wahl sein sollten (sondern z.B. Faktioren wie Kompetenz, Behandlungserfahrung), die britische Initiative zur Bewertung und Empfehlung von HIV-Behandlern durch HIV-Positive ist ein spannendes Experiment …

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weitere Informationen:
Terrence Higgins Trust 12.03.2012: Terrence Higgins Trust and iWantGreatCare launch UK’s first ever healthcare recommendation service for people with HIV
Pinknews 12.03.2012: THT’s myHIV site to let users find and recommend best HIV services
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Großbritannien: neue PEP-Richtlinie berücksichtigt Viruslast unter der Nachweisgrenze

Die Richtlinien zur Post-Expositions-Prophylaxe nach sexuellen Risiko-Situationen berücksichtigen in Großbritannien nun die Frage der Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze. In manchen Situationen kann auf eine PEP verzichtet werden.

Die neuen britischen Richtlinien für Post-Expositions-Prophylaxe empfehlen nach sexuellen Risiko-Situationen eine PEP zukünftig für eine Reihe von Situationen nicht mehr, falls die Viruslast des HIV-positiven Sex-Partners (‚Index-Person‘) unterhalb der Nachweisgrenze liegt. Die neue Richtlinie nennt explizit verschiedene Situationen (z.B. rezeptiver Analverkehr (‚Ficken lassen‘), insertiver Analverkehr (‚Ficken‘), Oralverkehr mit und ohne Ejakulation, Sperma ins Auge) und gibt jeweils differenzierte PEP-Empfehlungen für die Konstellationen ‚Indexpartner HIV-positiv‘ und ‚Indexpartner HIV-positiv, Viruslast unter der Nachweisgrenze‘.

Die neuen britischen PEP-Richtlinien, herausgegeben von der British Association for Sexual Health and HIV (BASHH) und der British HIV Association (BHIVA), wurden publiziert in der Dezember-2011 – Ausgabe des ‚International Journal of STD and AIDS‘. Sie ersetzen die frühere HIV- PEP-Richtlinie aus dem Jahr 2006.

Die in Deutschland gültige PEP-Richtlinie (Deutsch-Österreichische Empfehlungen – Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) und der Österreichischen AIDS-Gesellschaft (ÖAG) sowie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung von HIV- und AIDS-Patienten (DAGNÄ), der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH), der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), des Nationalen Referenzzentrums für Retroviren, Universität Erlangen/Nürnberg, des Robert Koch-Institutes (RKI), des Kompetenznetzes HIV/AIDS und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Aktualisierung Januar 2008) stammt vom 10.03.2008. Sie sagt zur Frage der Viruslast

„Es ist bisher nicht bewiesen, jedoch wahrscheinlich, dass eine erfolgreiche antiretrovirale Therapie die Infektiosität der behandelten Person deutlich verringert.“
und bei sexuellen Risiko-Situationen:
„Wenn die HIV-infizierte Indexperson eine antiretrovirale Therapie erhält, unter der die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt, reduziert sich dadurch wahrscheinlich das HIV-Übertragungsrisiko. Trotzdem ist nicht auszuschließen, daß u.a. durch die Übertragung virusinfizierter Zellen oder eine Diskrepanz zwischen Viruslast im Blut und Viruskonzentration an Schleimhäuten oder in Genitalsekreten auch in solchen Fällen eine relevante HIV-Exposition vorliegen kann.“

Die Indikationen für eine PEP brücksichtigen die Frage der Viruslast in dieser Richtlinie (Tabelle 5 – Indikation zur HIV-PEP nach sexueller und anderer HIV-Exposition) wie folgt:

„Ungeschützter insertiver oder rezeptiver vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr (z.B. infolge eines geplatzten Kondoms) mit einer HIV-infizierten Person
⇒ empfehlen, außer wenn Indexperson unter stabiler HAART (VL<50 Kopien seit mind. 6 Monaten)

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weitere Informationen:
UK guideline for the use of post-exposure prophylaxis for HIV following sexual exposure (2011). International Journal of STD & AIDS 22 : 695-708, 2011
aidsmap 21.12.2011: PEP guidelines for the UK revised to take account of undetectable viral load
Robert-Koch-Institut: Postexpositionelle Prophylaxe der HIV-Infektion (Stand Januar 2008)
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Großbritannien: 6.658 HIV-Neudiagnosen im Jahr 2010

In Großbritannien wurden 2010 insgesamt 6.658 HIV-Infektionen neu diagnostiziert, davon schätzungsweise 3.000 bei Schwulen und anderen Männern, die Sex m it Männern haben,.

Etwa 3.350 neue HIV-Infektionen wurden in Großbritannien 2010 bei Menschen diagnostiziert, dier ihre HIV-Infektion bei heterosexuellem Sex erwarben. Bei zwei Drittel von ihnen wird angenommen, dass sie sich im Ausland mit HIV infizierten, eine seit einigen Jahren fallende Zahl. Ein Drittel von ihnen infizierte sich in Großbritannien, diese Zahl steigt in den letzten Jahren langsam an.

Schätzungsweise 3.000 HIV-Neudiagnosen (45% der Gesamtzahl) traten 2010 bei Schwulen und anderen Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), auf. Die Zahl der jährlichen HIV-Neudiagnosen bei MSM steigt damit in Großbritannien seit Jahren an: 2001 lag sie bei 1.820, 2005 bei 2.660 und 2009 bei 2.790 HIV-Neuinfektionen.
80% der HIV-Neudiagnosen bei Schwulen und anderen MSM erfolgten in Großbritannien, 20% wurden im Ausland erworben. Ein Drittel der HIV-Neuionfektionen bei MSM trat bei Menschen auf, die außerhalb Großbritanniens geboren sind.

Bei Schwulen und anderen MSM ist in Großbritannien die Wahrscheinlichkeit, dass eine HIV-Infektion bereits in frühem Stadium (frische HIV-Infektion) festgestellt wird, deutlich höher als bei Menschen mit heterosexuellen Übertragungswegen. Die Rate der Menschen, bei denen eine HIV-Infektion erst in spätem Infektionsverlauf (weniger als 350 CD4-Zellen) festgestellt wird, sinkt seit Jahren langsam – der Anteil liegt insgesamt jedoch noch bei 50% (2001: 59%). Bei heterosexuellen Männern (63%)n und heterosexuellen Frauen (58%) ist dieser Anteil höher als bei Schwulen und anderen MSM mit 39%.

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weitere Informationen:
aidsmap 29.11.2011: 3000 UK gay men diagnosed with HIV in 2010 – the highest number ever reported
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Großbritannien: bald Aufhebung der Einschränkungen für HIV-positive Beschäftigte im Gesundheitswesen ?

Die britische Regierung überlegt, bisher bestehende Beschränkungen für HIV-positive Beschäftigte im Gesundheitswesen aufzuheben, sofern die Viruslast unter der Nachweisgrenze ist.

Das britische Gesundheitsministerium hat Beratungen darüber eröffnet, ob es bisher bestehende Regelungen für die Beschäftigung HIV-Positiver ändern soll. Derzeit dürfen HIV-Positive bestimmte („expositionsträchtige“) Tätigkeiten in der Chirurgie, in der Zahnmedizin sowie in der Gynäkologie nicht durchführen. Dies führt dazu, dass einige Berufe derzeit für HIV-Positive in Großbritannien de facto unerreichbar sind.

Dieses Verbot könnte, so ein nun zur Diskussion gestellter Vorschlag, aufgehoben werden. HIV-Positive könnten dann in Großbritannien im National Health Service ohne diese bisherigen Beschränkungen arbeiten, sofern sie antiretrovirale Therapie erhalten und die Viruslast bei ihnen unter 200 Kopien liegt.

Der nun begonnene Konsultations-Prozess soll bis zum 9. März 2012 dauern. Vom Ausgang dieser Diskussionen hängt mit ab, ob der Vorschlag umgesetzt und die bisherigen Beschränkungen abgeschafft bzw. modifiziert werden.

Nur wenige Staaten haben derzeit eine dermaßen restriktive Politik für HIV-Positive im Gesundheitswesen wie Großbritannien (unter anderem Irland, Italien und Australien). In zahlreichen Staaten wird statt starrer allgemeiner Regelungen eher fallweise entschieden; dies ist z.B. in Frankreich und Österreich derzeit der Fall.

Experten fordern auch in Deutschland seit einiger Zeit eine Anpassung an die veränderte Situation aufgrund hochwirksamer Therapien und rufen nach mehr Normalität: „HIV und Arbeit: Normalität auch im Gesundheitswesen„. Die Deutsche Aids-Gesellschaft DAIG arbeitet allerdings einem Bericht des Ärztezeitung zufolge in Abstimmung mit anderen virologischen Fachgesellschaften bereits an einer Stellungnahme, die sich mit der Frage HIV-Infizierter im Gesundheitswesen beschäftigt.

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weitere Informationen:
aidsmap 01.12.2011: UK considering lifting restrictions on health workers with HIV – as long as viral load is undetectable
aidsmap Informationen zu der derzeit geltenden Regelung für HIV-positive Beschäftigte im britischen Gesundheitswesen
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„Es waren wohl nicht nur gute Feen … “ – Ladi Di: eine Würdigung zum 50. Geburtstag

Lady Di

* 1. Juli 1961 Sandringham, † 31. August 1997 Paris

eine Würdigung von Bernd Aretz

Es waren wohl nicht nur gute Feen, die sich an der Wiege von Diana Spencer versammelten. Eine gescheiterte Ehe der Eltern, abgeschoben Sein in Internate begleiteten ihre Kindheit und Jugend. Die bösen Zauberinnen packten dann noch in die Wiege Essstörungen und Magersucht. Und ob die Fee besser war, die als Ausgleich bestimmte, „aber Prinzessin sollst Du werden“, darf bezweifelt werden. Diana hätte gewarnt sein können, ist doch die Märchenliteratur voll von bösen Königinnen und Schwiegermüttern. Aber wenigstens ließen die Erzählungen einen verliebten Prinzen erhoffen. Zu Recht, dumm nur, dass die Liebe sich nicht auf die Prinzessin sondern die scheinbar unerreichbare Geliebte bezog. Umgeben von schlechten Beratern wurde das junge Mädel mit dem ebenso unglücklichen Königssohn verkuppelt und wurde Her Royal Highness The Princess Charles Philip Arthur George, Princess of Wales & Countess of Chester, Duchess of Cornwall, Duchess of Rothesay, Countess of Carrick, Baroness of Renfrew, Lady of the Isles, Princess of Scotland. Nach ihrer Scheidung entfiel das königliche, aber Hoheit und Prinzessin blieb sie. Das Ausscheiden aus der Königsfamilie machte nach ihrem Undalltod noch einmal Ärger, weil zwar die Bestattung nach den schon ausgearbeiteten Plänen für die Beisetzung ihrer Schwiegergroßmutter Queen Elisabeth, The Queen Mother logistisch bewältigt werden konnte, das strenge Hofzeremoniell aber das Hissen einer Flagge auf Halbmast auf dem Palast verbot. Wären in dieser Frage nicht die Sitten gelockert worden, hätte darüber die Monarchie stürzen können.

Prinzessin Diana am 22. Mai 1987 bei der Eröffnung des Community Centers in Bristol (Foto: wikimedia / Rick)
Prinzessin Diana am 22. Mai 1987 bei der Eröffnung des Community Centers in Bristol (Foto: wikimedia / Rick)

Zig Millionen Einträge im Internet, Bücher und Filme, zeichnen viele Details ihres Lebensweges und Wirkens nach. Ihr Konterfei ist auf Tellern, Tassen, Dosen T-Shirts und einer Handtasche im Besitz des Deutschen Ledermuseums in Offenbach verewigt. Warum ein weiterer Beitrag zu Lady Di, die am 1. Juli 2011 Fünfzig geworden wäre?

Es gibt eine Facette ihrer Arbeit, die auf ondamaris interessiert und die beispielhaft ist. Von Mitgliedern des englischen Königshauses wird erwartet, dass sie sich aus Politik raushalten und ihr wohltätiges Wirken auf nicht anstößiges Engagement beschränken.

1987 regierte Margaret Thatcher. Englische Freunde beschreiben das soziale Klima als Eiszeit gegen die Hartz IV eine Wärmedecke sei. Die Prävention gegen HIV setzte auf Angst. Die Michael Stich Kindersargbilder erinnerten mich an die frühen Grabsteinbilder der englischen Kampagnen. Die homosexuellen Männer wurden als Motor der Seuche ausgemacht. 1988 wurde Section 28 in den Local Government Act eingefügt. Er verbot öffentlichen Stellen oder öffentlich geförderten Stellen für Homosexualität zu werben. Das galt auch für Schulen, Erziehungsberatungstellen etc. Es war letztlich eine Aufforderung, mindestens aber Rechtfertigung Schwule zu diskriminieren. Es hat zwar nur ein einziges Gerichtsverfahren aus dieser Vorschrift im Jahre 2000 gegeben, als das Christian Intitute vergeblich versuchte, die Stadt Glasgow an der Beteiligung an einem Aids Charity Event zu hindern, weil es die Homosexualität bewerbe, aber diese Bestimmung hat nachhaltig das Klima in England beieinflusst.

Am 9. April 1987 besuchte The Princess of Wales die neueröffnete Broderip Station, Englands erste Aids Station am Middlesex Hospital, London. Den Fernsehnachrichten hoben hervor, dass sie keine Handschuhe trug und dass sie neun Aidskranken die Hand geschüttelt hat. Dietmar Bolle, einer der Mitorganisatoren der 5. internationalen Positivenkonferenz 1991 in London war damals Krankenpfleger auf der Station und erzählte mir hinterher, er habe leider während des königlichen Besuches keinen Dienst gehabt. Aber die schwulen Patienten hätten berichtet, dass sie Händchen haltend auf den Betten sitzend Trost gespendet habe. Dieser Besuch und die Positionierung der Prinzessin hätten das Klima verändert. Er wertete dies auch als einen Mosaikstein für die Bereitschaft der Westminster Abbey 1991 einen ungewöhnlichen Gottesdienst anläßlich der Konferenz zu zelebrieren.

Die Königin der Herzen ist dem Thema treu geblieben und hat Schirmherrschaften übernommen, Kongresse eröffnet, Einrichtungen besucht, mit Betroffenen gesprochen. Das reihte sich ein in ihr weiteres soziales Engagement, in dem sie zum Thema Essstörungen auch ihre eigenen Erfahrungen öffentlich einbrachte, sich gegen Landminen engagierte, als diese noch nicht international geächtet waren. Kurz, sie hat jede Möglichkeit genutzt, randständige Themen aufzugreifen, sie mit Ihrer Person zu verknüpfen und ohne dies ausdrücklich zu benennen durch ihr Handeln Stellung in gesellschaftspolitischen Konflikten zu beziehen.

Ihr ist häufig vorgeworfen worden, sie sei verschwendungssüchtig, investiere gar zu viel in Kleidung. Einspruch, Euer Ehren! Dadurch, dass sie von ihr öffentlich getragen wurde, wurden sie nach dem Grundprinzip der katholischen Berührungsreliquien veredelt und erzielten auf Auktionen zu wohltätigen Zwecken Höchstpreise.

Man hätte ihr schon gewünscht, dass sie ihren fünfzigsten Geburtstag im Kreise befreundeter Künstlerinnen und Künstler, heterosexuellen, schwulen und lesbischen hätte feiern und sich auf das zukünftige Leben einer Oma vorbereiten können.

Großbritannien: de facto Behandlungsverbot – ein HIV-positiver Zahnarzt berichtet

HIV-Positive mit Problemen beim Zahnarzt – kein seltener Fall. Aber wie sieht die Situation aus, wenn der Zahnarzt HIV-positiv ist?

HIV-Positive stoßen immer wieder auf Probleme, wenn sie eine Behandlung beim Zahnarzt benötigen. ‚Keine Zeit‘, Termine an Rand-Zeiten, oder gar Behandlungs-Verweigerung – immer wieder machen HIV-Positive diese Erfahrungen beim Zahnarzt.

In einer gemeinsamen Stellungnahme betonen Deutsche Aids-Gesellschaft DAIG und Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter dagnä: Bei der Behandlung HIV-Infizierter beim Zahnarzt gelten keine über Standardhygiene hinaus gehenden hygienischen Anforderungen. Und auch das Robert-Koch-Institut RKI betont: mit HIV beim Zahnarzt – routinemäßige Hygiene genügt.

Doch – wie ist die Situation ‚anders herum‘? Wenn nicht der Patient, sondern der Zahnarzt HIV-positiv ist?

Ein britischer HIV-positiver Zahnarzt berichtet im ‚Guardian‘ über seine Erfahrungen.

Allan Reid weiß seit 2007 von seiner HIV-Infektion. Zunächst hält er seine Infektion geheim, doch wenige Monate später outet ihn ein Boulevard-Blatt mit Sensations-Berichterstattung über den ‚Zahnarzt, der Tausende von Patienten behandelte, ohne ihnen zu sagen dass er HIV-positiv ist‘. Von einem Moment zum anderen war seine Karriere beendet. Selbst sein Haus musste er verkaufen – nach Verlust seines Berufs konnte er die Abzahlungen nicht mehr leisten.

In Großbritannien haben HIV-positive Zahnärzte de facto ein Berufsverbot zu befürchten. Der britische Zahnärzte-Verband betrachtet dies als ’nicht gerechtfertigt und ungesetzlich‘ und fordert eine Änderung der seit 20 Jahren (mit einer Revision 2007) geltenden Regelungen der britischen Gesundheitsverwaltung.

Anders die Situation in Deutschland: in einem Artikel des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 1999 (auch) zur Situation HIV-positiver Zahnärzte (ähnlich so bereits auch 1991) heißt es:

„Bei positivem Testausfall sollten keine ärztlichen oder zahnärztlichen Eingriffe mehr vorgenommen werden, die eine Verletzungsgefahr für die operierende Person selbst beinhalten und somit auch eine Infektionsgefahr für den jeweiligen Patienten. Alle anderen ärztlichen Tätigkeiten können ohne Vorbehalt ausgeübt werden. HIV-infizierte Ärzte/Ärztinnen oder Zahnärzte/-ärztinnen sollen gegebenenfalls ihr Tätigkeitsfeld einschränken oder in ein anderes wechseln.“

Aktuellere Empfehlungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit hochwirksamer Therapien,  zur Frage HIV-positiver Zahnärzte gibt es in Deutschland nicht. Als Anhaltspunkt kann jedoch ein Beschluss (2010) eines Expertengremiums dienen (siehe „HIV-infiziert und im Gesundheitssystem – was ist zulässig?„), das für HIV-infizierte Chirurgen (!) feststellt

„Das Expertengremium hat in dem vorliegenden Fall einstimmig den Beschluss gefasst, dass bei einer derzeitigen Viruslast unter der Nachweisgrenze sowohl für HIV als auch für HCV keine Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit des Chirurgen erforderlich sind.“

Weltweit ist bisher nur ein Fall von Übertragungen von HIV durch einen HIV-positiven Zahnarzt bekannt. Für viel Aufregung sorgte Anfang der 1990er Jahre ein HIV-positiver Zahnarzt in Florida, der vermutlich sechs Patienten mit HIV infizierte.

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weitere Informationen:
The Guardian 17.05.2011: Dentists with HIV face ‚unfair‘ treatment
Annals of Internal Medicine 15.01.1996: The 1990 Florida Dental Investigation: Theory and Fact (abstract)
Annals of Internal Medicine 01.12.1994: Lack of HIV Transmission in the Practice of a Dentist with AIDS (abstract)
Bundesärztekammer und Bundesministerium für Gesundheit (1991) gemeinsame Empfehlung „Ärzte für freiwilligen HIV-Test“. Dt
Ärztebl 1991; 88: 2962–2963 (gekürzt: Epid Bull 7/97: 42)
Zahnärztliche Mitteilungen 01.02.2000: Die Wogen sind noch nicht geglättet
Epidemiologisches Bulletin 34/1999: Zur Problematik der nosokomialen Übertragung von HIV
Dr. Klaus Korn: HIV-infizierte Mitarbeiter im Gesundheitswesen – was dürfen sie (nicht)? In: Retrovirus-Bulletin 01/2010 (pdf)
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London: adieu Therapiefreiheit ?

Therapiefreiheit adieu ? HIV-Positive in London stehen vor größeren Veränderungen: standardmäßig bekommen sie als Erst-Therapie zukünftig aufgrund einer Rabatt-Vereinbarung bestimmte Medikamente.

HIV-Positive, die eine antiretrovirale Therapie beginnen, erhalten in London seit April 2011 bevorzugt Abacavir plus 3TC (als Kombination vermarktet unter dem Handelsnamen Kivexa®) plus Efavirenz (vermarktet als Sustiva®). Bisher wurde als Erst-Therapie bevorzugt Tenofovir plus FTC plus Efavirenz (vermarktet unter dem Handelsnamen Atripla®) eingesetzt. Die Umstellung bedeutet für die Positiven auch zwei Pillen pro Tag statt einer Pille pro Tag.

Weitere Änderung: Positive, die eine Proteasehemmer-basierte Therapie beginnen oder zu ihr wechseln, erhalten bevorzugt Atazanavir (Handelsname Reyataz®).

Beide Veränderungen basieren auf einer Rabatt-Vereinbarung, die das ‚London HIV Consortium‘ (LHC) mit Arzneimittel-Herstellern geschlossen hat. Das LHC vertritt die Mehrzahl der Londoner Krankenhäuser und ‚primary care trusts‘ (PCT, Behandlungszentren des National Health Service). Da in London 47% der britischen Positiven die in Behandlung sind leben, hat das LHC eine entsprechend große Verhandlungsmacht und kann umfangreiche Rabatt-Vereinbarungen erzielen (25% unter Listenpreis).

Ein 'primary care trust' in Großbritannien (hier: Jericho Health Center, Oxford; Foto: Kaishu Tai)
Ein 'primary care trust' in Großbritannien (hier: Jericho Health Center, Oxford; Foto: Kaishu Tai)

Die Neuregelung gilt seit April 2011 (und bis April 2013) – für alle HIV-Positivem, die erstmals eine antiretrovirale Therapie beginnen, oder die zu einer Second-Line – Therapie mit einem Proteasehemmer wechseln.

Die Neuregelung steht im Einklang mit der aktuellen (3 Jahre alten) britischen HIV-Therapierichtlinie; zudem soll laut einem Bericht von ‚hiv treatment update‘ kein Positiver gezwungen werden, ein Medikament mit signifikanten Nebenwirkungen oder Einschränkungen der Lebensqualität zu nehmen. Zudem ist kein Medikament prinzipiell von der Verordnung ausgeschlossen.

Allerdings besteht für Medikamente  mit höheren Kosten (wie Raltegravir, Handelsname Isentress®) nur eingeschränkter Zugang. So heißt es seitens des NHS eindeutig

„Reserve use of the more expensive drugs (raltegravir) to agreed clinical indications“.

Und – ebenfalls Kosten-motiviert – zum Einsatz von Proteasehemmern

„Use of least expensive PI (atazanavir) where is it is clinically appropriate“.

Beteiligte in Großbritannien äußern Bedenken gegenüber der Neuregelung – u.a. hinsichtlich potentieller Nebenwirkungen, sind doch immer wieder Berichte über möglicherweise erhöhte Risiken von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Abacavir sowie Bedenken hinsichtlich des Ausmaßes der Wirksamkeit von Abacavir bei Positiven mit hoher Viruslast laut geworden.

Hintergrund der Maßnahme ist auch zunehmender Kostendruck im britischen Gesundheitswesen. So sollen aufgrund der höheren HIV-Prävalenz allein 19% der gesamten (!) Ausgaben des National Health Service (NHS) im Großraum London auf Aids-Medikamente entfallen. Entsprechend groß ist die Bedeutung  von Einsparmöglichkeiten hier für das Gesamt-Budget des NHS.

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„Bevorzugte Erst- und Zweit-Therapie“ – das bedeutet im Klartext auch: sowohl Arzt als auch HIV-Positiver haben nicht mehr die freie Wahl der Therapie (wie in Deutschland). Zudem bringt die Neuregelung klar zum Ausdruck, dass Entscheidungskriterium nicht mehr einzig die medizinischen Erfordernisse und Situation des Patienten sind, sondern vor allem auch Kosten-Aspekte.

 

Immer weiter dringt die Gesundheits-Ökonomie vor – statt eines eindeutigen Primats der medizinischen Situation und Bedürfnisse des Patienten.

Bisher haben wir in Deutschland Therapiefreiheit. Dies bedeutet: allein der Arzt entscheidet, und allein aufgrund seiner fachlichen Kompetenz, welche Behandlungsmethode er frei wählt und dem Patienten vorschlägt. Eine Freiheit, die auch in unserem Interesse als HIV-Positive ist – und die wir zu schätzen lernen und verteidigen sollten.

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weitere Informationen:
hiv treatment update april 2010: HIV drug prescribing in London: changes from this month
i-base 23.03.2011: Changes to HIV drug prescribing in London
London Specialised Commissioning (NHS) April 2011: Improving the cost of ARVs in London – Summary of ARV prescribing messages for London (pdf)
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Großbritannien: dürfen Schwule Blut spenden – wenn sie 10 Jahre keinen Sex hatten ? (akt.2)

Der bisherige Ausschluss Homosexueller von Blutspenden wird einem Pressebericht zufolge in Großbritannien demnächst aufgehoben. Schwule dürfen zukünftig ebenfalls Blut spenden – wenn sie in den vergangenen zehn Jahren keinen Sex hatten.

Männer, die Sex mit Männern haben, sind bisher in Großbritannien – ebenso wie in zahlreichen anderen Staaten – von Blutspenden ausgeschlossen. Hierdurch soll das Risiko einer Übertragung von HIV durch Blutprodukte gesenkt werden. Zwar werden alle Blutspenden auf HIV untersucht, aufgrund des ‚diagnostischen Fensters‘ (Zeit zwischen Infektion und Nachweisbarkeit) könnten hierbei aber einige HIV-Infektionen ‚übersehen‘ werden. Dieses Risko soll durch die Maßnahme gesenkt werden.

Dieses Verbot soll nun in Großbritannien aufgehoben werden. Ein völliger Ausschluss Homosexueller von Blutspenden sei diskriminierend. Andererseits müsse man die öffentliche Gesundheit schützen, deswegen sie die Zehnjahresfrist gerechtfertigt, erläuterte ein Regierungsvertreter der Zeitung „Telegraph“.

Eine Beratungsgruppe habe ermittelt, dass bei einer „5jährigen sexuellen Abstinenz“ das Risiko einer Kontamination von Blutspende um 5% steige. Durch die Verdopplung des Zeitraums auf 10 Jahre sei dieses Risiko nun noch halbiert worden.
Eine Zehnjahres-Frist soll bereits auch in Neuseeland für homosexuelle Blutspender gelten.

Die britische Neuregelung soll den Berichten zufolge in den kommenden Wochen von Gesundheitsministerin Anne Milton offiziell bekannt gegeben werden.

Aids-Organisationen in Großbritannien zeigten sich von den Medienberichten überrascht. Ihnen sei bisher keine neue Empfehlung an die Ministerin bekannt. Bisher seien die Beratungen nicht abgeschlossen, solange werde man sich nicht äußern.

Auch in Deutschland kritisieren Schwulengruppen und einige Blogger  seit längerem das bestehende pauschale Blutspende-Verbot für Homosexuelle (gemäß Transfusionsrichtlinie der Bundesärztekammer) als diskriminierend.

Bis Mitte 2010 waren in Deutschland pauschal „Menschen mit einem erhöhten Übertragungsrisiko“ [von z.B. HIV, d.Verf.] von der Blutspende ausgeschlossen: „zum Beispiel homo- und bisexuelle Männer, Drogenabhängige, männliche und weibliche Prostituierte, Häftlinge“. Seit einer Neufassung heißt es nun „Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten wie HBV, HCV oder HIV bergen“.

Bedeutet dies, dass Schwule unter bestimmten Umständen in Deutschland Blut spenden dürfen? „Diese Klärung muss noch erfolgen“, berichtete die Deutsche Aidshilfe im November 2010, „Gegenwärtig erarbeitet eine Expertengruppe am Robert Koch-Institut (RKI) Konzepte und Vorschläge zur Spenderbefragung, die eine gezieltere Erfassung der individuellen Infektionsrisiken ermöglichen.“

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weitere Informationen:
Advocate 10.04.2011: UK Gay Blood Ban Over?
The Telegraph 10.04.2011: Homosexual men allowed to give blood but sex banned for decade
Pinknews 10.04.2011: Gay blood donation ban to be lifted but only for men who haven’t had sex for 10 years
Queer 11.04.2011: Briten erlauben keuschen Schwulen Blutspende
Pinknews 11.04.2011: HIV charities surprised at gay blood ban reports
SZ 23.02.2009: Blutspenden von Homosexuellen Böses Blut
Focus 07.08.2006: Aids-Angst: Schwule dürfen kein Blut spenden
DAH 04.11.2010: Blutspende: Homosexuelle Männer müssen (noch) draußen bleiben
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Richtlinien der Bundesärztekammer zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)

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Großbritannien: ‚Life plus‘ – neuer Service für HIV-Positive

Der britische Gesundheitsminister hat am 27. Januar 2011 einen neuen Gesundheits-Service für HIV-Positive in Großbritannien eingeweiht: ‚Life plus‘.

Andrew Lansley, britischer Gesundheitsminister (Konservative), weihte am 27. Januar 2011 im ‚Lambeth Wing‘ des Guy’s and St Thomas‘ Hospital in London ‚Life plus‘ ein, einen neuen Dienst für Menschen mit HIV. St. Thomas liegt in Süd-London, dem Bezirk Großbritanniens mit der höchsten HIV-Prävalenz; die Klinik ist zudem führend in HIV-Behandlung und -Therapie.

Ziel von ‚Life plus‘ sei es, Menschen mit HIV dabei zu unterstützen ein längeres und gesünderes Leben zu führen. Gleichzeitig soll mit dem Angebot auch der National Health Service (NHS) entlastet werden, der sich mit steigenden Behandlungskosten für HIV-Positive konfrontiert sieht. Der NHS solle sich auf klinische Expertise konzentrieren dort, wo sie am meisten benötigt werde.

‚Life plus‘ soll online-Angebote, persönliche Gesprächs- und Beratungsangebote und Telefonberatung mit einander kombinieren. Hierdurch soll ein personalisierter Service für Menschen mit HIV kosteneffizient angeboten werden können. Das Angebot konzentriert sich auf Regionen, in denen besonders viele Menschen mit HIV leben, wie (neben London) Brighton, Birmingham, Cardiff, Glasgow und Manchester.

Unterstützt wird der Dienst von einem online-Angebot: http://www.myhiv.org.uk/. In ganz Großbritannien sollen hierdurch HIV-Positive Zugang zu persönlich angepassten interaktiven Diensten haben, einschließlich der Möglichkeit, privat und abgesichert ihre Gesundheits- und Behandlungs-Informationen zu speichern, um diese ständig verfügbar zu haben.

myHIV.org.uk - Screenshot (02.02.2011)
myHIV.org.uk - Screenshot (02.02.2011)

‚Life plus‘ wurde entwickelt gemeinsam vom Terrence Higgins Trust (THT) und den HIV-Organisationen George House Trust sowie NAM unter Beteiligung von HIV-Positiven. Finanziert wurde die Entwicklung von der Elton John Aids Foundation.

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weitere Informationen:
www.myhiv.org.uk
pinkpaper.com 27.01.2011: Secretary of State for Health to unveil new HIV service today
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Großbritannien: HIV-Behandlungskosten 2013 über 750 Mio. Pfund

Die jährlichen Behandlungs- und Therapiekosten durch HIV könnten in Großbritannien im Jahr 2013 über 750 Millionen Pfund (über 880 Mio. €) liegen, schätzen Forscher.

Die Kosten, die der öffentliche Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) für die Therapie und Behandlung HIV-Positiver aufwendet, könnten im Jahr 2013 den Betrag von 758 Millionen brit. Pfund (über 880 Mio. Euro) erreichen. Werden auch Kosten für Sozialfürsorge mit einbezogen, lägen die Kosten deutlich über 1.000 Millionen Pfund. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher in einer online auf PLoS One veröffentlichten Studie.

Die Zahl HIV-positiver Patientinnen und Patienten, die den NHS nutzen, sei am Steigen. Hintergrund der steigenden Kosten sei die steigende Lebenserwartung von Menschen mit HIV, aber auch die Zahl an Neuinfektionen. Großbritannien habe in Europa die am deutlichsten wachsende HIV-Epidemie.

Die Kosten für Behandlung und Therapie aller HIV-Positiven in Großbritannien seien von 104 Mio. £ (1997) auf 483 Mio. £ (2006) gestiegen und würden für 2013 auf zwischen 721 und 758 Mio. £ prognostiziert. 2006 hätten die Behandlungskosten (bei Dreierkombi) bei etwas über 18.000£ jährlich pro asymptomatischem Patient gelegen, bei Positiven mit symptomatischer HIV-Infektion bei 21.500 £ und bei Aids-Kranken bei über 41.000 £.

Die Ist-Daten basieren auf Auswertungen anhand von 14 Behandlungszentren. Die Zahl der HIV-Positiven, die Angebote des NHS nutzen, sei von etwa 17.000 (1997) auf über 52.000 (2006) gestiegen. Für 2013 schätzen sie über 78.000 HIV-positive Patienten des NHS.

Als eine der Ursachen steigender Kosten bezeichnen die Forscher das „relative Fehlen von Erfolg der Präventionsprogramme“ („relative lack of success of HIV preventing programs“).

Sie schlussfolgern, wo möglich sollten die Kosten von HIV-Therapie und Behandlung reduziert werden, ohne die Qualität des Angebots zu beeinträchtigen. Zudem seien wirksamere Präventionsprogramme erforderlich.

weitere Informationen:
Mandilia S et al. Rising population cost of treating people living with HIV in the UK, 1997-2013. PLoS One, 5, 12: e15677, 2010 (Artikel auf PubMed)
aidsmap 23.01.2011: Annual UK HIV treatment and care costs could reach £750 million by 2013
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Großbritannien: seit 4 Jahren Rückgang der HIV-Neudiagnosen

Schätzungsweise 86.500 Menschen in Großbritannien sind mit HIV infiziert. 6.630 HIV-Infektionen wurden 2009 neu diagnostiziert. Dies geht aus einem Bericht der Health Protection Agency hervor.

86.500 Menschen leben in Großbritannien mit HIV, davon ca. 26.000 schwule und bisexuelle Männer. 2009 wurde in Großbritannien bei 6.630 Menschen neu eine HIV-Infektion diagnostiziert. Die Zahl der HIV-Neudiagnosen ist damit zum vierten Mal in Folge seit 2005 gesunken (2005:  7.982).

Davon wurden 2.760 HIV-Diagnosen bei schwulen und bisexuellen Männern gestellt (41,6%), 2.430 (36,6%) bei Heterosexuellen, die ihre HIV-Infektion im Ausland erwarben. Insgesamt liegt der Anteil heterosexuell erworbener HIV-Infektionen in Großbritannien 2009 bei 54%.

17% der neu diagnostizierten HIV-Infektionen bei schwulen und bisexuellen Männern seien jüngst erworbene Infektionen, stellt ein Bericht der Health Protection Agency fest (bei Heteros: 7%). Der Bericht schätzt, dass in Großbritannien ca. 22.200 Menschen mit HIV infiziert sind, ohne von ihrer Infektion zu wissen. Der Anteil undiagnostizierter HIV-Infektionen an der Gesamtzahl HIV-Infizierter sei zwischen 2001 und 2008 zurück gegangen.

Bei 52% der Menschen, bei denen 2009 eine HIV-Infektion neu diagnostiziert wurde, lag die Zahl der CD4-Zellen (Marker für den Zustand des Immunsystems) bereits unter 350. Dies wird in dem Bericht als ‚late diagnosis‘ betrachtet. Bei schwulen und bisexuellen Männern war der Anteil niedriger (39%) als bei heterosexuellen Männern (66%) und heterosexuellen Frauen (59%.

20% der insgesamt ca. 65.000 HIV-Positiven, die HIV-bezogene Gesundheitsdienste in Anspruch nahmen, hatten ein Lebensalter über 50 Jahre (Verdreifachung des Anteils seit 2000). 13% der HIV-Neudiagnosen wurden bei Menschen über 50 Jahren gestellt, bei zwei Dritteln davon mit Immunwerten unter 350 CD4.

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weitere Informationen:
Health Protection Agency. HIV in the United Kingdom: 2010 Report.
aidsmap 26.11.2010: UK diagnoses fall – because fewer people infected abroad
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