Hat der ‚ Berlin Patient ‚ zwei ‚Weggefährten‘? In Boston sollen zwei weitere Personen nach Knochenmark-Transplantationen von HIV ‚geheilt‘ worden sein.
Der ‚Berlin Patient‘ machte vor einigen Jahren Geschichte, noch immer weckt er mediales Interesse. Timothy Ray Brown war an Leukämie erkrankt und gleichzeitig HIV-infiziert. Mediziner an der Berliner Charité unter Leitung von Dr. Hütter begannen 2007 mit einer innovativen Behandlung. Statt dem Patienten “nur” eine ‘normale’ Stammzelltherapie zukommen zu lassen, benutzten sie Stammzellen eines Knochenmark-Spenders, bei dem aufgrund einer seltenen Mutation (ca. 3 – 5% der Bevölkerung) ein bestimmter Korezeptor (CCR5) fehlt – den jedoch HIV wiederum zur Infektion von Zellen benötigt. Resultat der komplizierten Behandlung: Brown ist von Leukämie geheilt – und HIV-negativ. Die „erste funktionale Heilung von HIV“, für die Dr. Gero Hütter 2010 ausgezeichnet wurde.
Nun berichteten zahlreiche Medien im Rahmen der XIX. Internationalen Aids-Konferenz in Washington von zwei weiteren Fällen. Doch Beobachter mahnen zur Vorsicht.
Ein etwa 20-jähriger von Geburt an HIV-positiver Mann sowie ein etwa 50-jähriger seit den 1980er Jahren HIV-infizierter Mann sollen nach Knochenmark-Transplantationen ebenfalls frei von HIV sein. Beide Männer wurden zu unterschiedlichen Zeiten im Brigham and Women’s Hospital in Boston behandelt. Beide erhielten auch nach der Knochenmark-Transplantation weiterhin antiretrovirale Medikamente. Nach acht Monaten waren die Zellen der beiden Patienten ersetzt durch die Zellen des (HIV-negativen) Knochenmark-Spenders. Die Zahl der HIV-Antikörper ging zurück, weder HIV-DNA noch -RNA konnte nachgewiesen werden. Derzeit könnten keine Spuren von HIV nachgewiesen werden, so Forscher. Vermutlich habe die antiretrovirale Therapie in den acht Monaten verhindert, dass die neuen Zellen erneut mit HIV infiziert würden.
Einige Beobachter raten zu Vorsicht bei der Interpretation der bisherigen Ergebnisse sowie dem Vergleich mit dem ‚ Berlin Patient ‚. So sei im Gegensatz zum ‚ Berlin Patient ‚ in diesen beiden Fällen Knochenmark eines Spenders verwendet worden, das nicht die CCR5-Depletion aufweist. Zudem sei eine weniger starke Chemotherapie eingesetzt worden (so dass sie während und nach der Transplantation weiterhin ihre antiretroviralen Medikamente nehmen konnten). Zudem seien beide, anders als Brown (der seit über 5 Jahren keine Aids-Medikamente mehr nehme) derzeit weiterhin auf antiretroviraler Therapie – ein Erfolg müsse sich erst in einer Therapiepause erweisen. Noch sei es zu früh, von weiteren Fällen einer „functional cure“, einer ‚funktionellen Heilung von HIV‘ zu sprechen.
Der ‚ Berlin Patient ‚ Timothy Ray Brown äußerte sich im Mai 2011 erstmals selbst im Interview im US-Fernsehen: „Ich bin von HIV geheilt“. Später kamen allerdings wieder Zweifel auf, Spuren von HIV wurden entdeckt – der ‚Berlin patient‘ doch nicht von HIV geheilt? Nach lebhaften Debatten erklärte sein Arzt: er gilt weiterhin als von HIV geheilt, die Funde konnten zunächst nicht bestätigt werden, spätere Funde erwiesen sich als Virus-Bestandteile, nicht komplettes HIV.
Auf der XIX. Internationalen Aids-Konferenz 2012 in Washington hatten Wissenschaftler eine ‚Strategie zur Heilung von HIV‚ auf den Weg gebracht. Ko-Vorsitzende dieser Srategie ist Françoise Barré-Sinoussi, neue Präsidention der International Aids Society IAS.
Zudem hatten französische Forscher einen einen Ansatz vorgestellt. Sie hoffen, mit einer sehr frühen Behandlung direkt nach Infektion eine ‘funktionale Heilung’ erreichen zu können.
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weitere Informationen:
HIVplus 27.07.2012: Two Men Possibly Cured of HIV With Bone Marrow Transplant
POZ 28.07.2012: New Stem Cell Transplant Cases Encouraging, but Cure Buzz May be Premature
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