Berlin Patient nicht allein – zwei weitere HIV-Positive mit Knochenmark-Transplantation ‚geheilt‘?

Hat der ‚ Berlin Patient ‚ zwei ‚Weggefährten‘? In Boston sollen zwei weitere Personen nach Knochenmark-Transplantationen von HIV ‚geheilt‘ worden sein.

Der ‚Berlin Patient‘ machte vor einigen Jahren Geschichte, noch immer weckt er mediales Interesse. Timothy Ray Brown war an Leukämie erkrankt und gleichzeitig HIV-infiziert. Mediziner an der Berliner Charité unter Leitung von Dr. Hütter begannen 2007 mit einer innovativen Behandlung. Statt dem Patienten “nur” eine ‘normale’ Stammzelltherapie zukommen zu lassen, benutzten sie Stammzellen eines Knochenmark-Spenders, bei dem aufgrund einer seltenen Mutation (ca. 3 – 5% der Bevölkerung) ein bestimmter Korezeptor (CCR5) fehlt – den jedoch HIV wiederum zur Infektion von Zellen benötigt. Resultat der komplizierten Behandlung: Brown ist von Leukämie geheilt – und HIV-negativ. Die „erste funktionale Heilung von HIV“, für die Dr. Gero Hütter 2010 ausgezeichnet wurde.

Nun berichteten zahlreiche Medien im Rahmen der XIX. Internationalen Aids-Konferenz in Washington von zwei weiteren Fällen. Doch Beobachter mahnen zur Vorsicht.

Ein etwa 20-jähriger von Geburt an HIV-positiver Mann sowie ein etwa 50-jähriger seit den 1980er Jahren HIV-infizierter Mann sollen nach Knochenmark-Transplantationen ebenfalls frei von HIV sein. Beide Männer wurden zu unterschiedlichen Zeiten im Brigham and Women’s Hospital in Boston behandelt. Beide erhielten auch nach der Knochenmark-Transplantation weiterhin antiretrovirale Medikamente. Nach acht Monaten waren die Zellen der beiden Patienten ersetzt durch die Zellen des (HIV-negativen) Knochenmark-Spenders. Die Zahl der HIV-Antikörper ging zurück, weder HIV-DNA noch -RNA konnte nachgewiesen werden. Derzeit könnten keine Spuren von HIV nachgewiesen werden, so Forscher. Vermutlich habe die antiretrovirale Therapie in den acht Monaten verhindert, dass die neuen Zellen erneut mit HIV infiziert würden.

Einige Beobachter raten zu Vorsicht bei der Interpretation der bisherigen Ergebnisse sowie dem Vergleich mit dem ‚ Berlin Patient ‚. So sei im Gegensatz zum ‚ Berlin Patient ‚ in diesen beiden Fällen Knochenmark eines Spenders verwendet worden, das nicht die CCR5-Depletion aufweist. Zudem sei eine weniger starke Chemotherapie eingesetzt worden (so dass sie während und nach der Transplantation weiterhin ihre antiretroviralen Medikamente nehmen konnten). Zudem seien beide, anders als Brown (der seit über 5 Jahren keine Aids-Medikamente mehr nehme) derzeit weiterhin auf antiretroviraler Therapie – ein Erfolg müsse sich erst in einer Therapiepause erweisen. Noch sei es zu früh, von weiteren Fällen einer „functional cure“, einer ‚funktionellen Heilung von HIV‘ zu sprechen.

Der ‚ Berlin Patient ‚ Timothy Ray Brown äußerte sich im Mai 2011 erstmals selbst im Interview im US-Fernsehen: „Ich bin von HIV geheilt“. Später kamen allerdings wieder Zweifel auf, Spuren von HIV wurden entdeckt – der ‚Berlin patient‘ doch nicht von HIV geheilt? Nach lebhaften Debatten erklärte sein Arzt: er gilt weiterhin als von HIV geheilt, die Funde konnten zunächst nicht bestätigt werden, spätere Funde erwiesen sich als Virus-Bestandteile, nicht komplettes HIV.

Auf der XIX. Internationalen Aids-Konferenz 2012 in Washington hatten Wissenschaftler eine ‚Strategie zur Heilung von HIV‚ auf den Weg gebracht. Ko-Vorsitzende dieser Srategie ist Françoise Barré-Sinoussi, neue Präsidention der International Aids Society IAS.

Zudem hatten französische Forscher einen einen Ansatz vorgestellt. Sie hoffen, mit einer sehr frühen Behandlung direkt nach Infektion eine ‘funktionale Heilung’ erreichen zu können.

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weitere Informationen:
HIVplus 27.07.2012: Two Men Possibly Cured of HIV With Bone Marrow Transplant
POZ 28.07.2012: New Stem Cell Transplant Cases Encouraging, but Cure Buzz May be Premature
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‚Berlin patient‘: doch nicht geheilt? – Spuren von HIV entdeckt

Er gilt bisher als der erste Mensch weltweit, der von einer HIV-Infektion geheilt wurde – Timothy Ray Brown sagt von sich selbst „Ich bin von HIV geheilt„. Doch es gibt neue Verwirrung um die Frage, ob der ‚Berlin patient‘ tatsächlich geheilt ist.

Widersprüchliche Ergebnisse lieferten neue Untersuchungen, mit denen geklärt werden sollte, ob Brown weiterhin frei von HIV ist. Dies wurde am 8. Juni 2012 auf einem Expertentreffen in Sitges berichtet. Erneut wurden mit hochempfindlichen Verfahren (PCR) Virus-Patrtikel (keine vollständigen, vermehrungsfähigen HIV-Viren) gefunden. Einige Experten bezweifeln nun, ob Brown tatsächlich als geheilt bezeichnet werden könne. Andere Forscher widersprechen, es sei unklar ob die neuen Funde nicht auf Test-Verunreinigungen beruhten.

Bereits zu Jahresanfang waren Meldungten aufgekommen, beim so genannten ‚Berlin patient‘ seien Spuren von HIV gefunden worden. Sein Berliner Arzt erklärt daraufhin im März 2012, Brown gelte weiterhin als geheilt; eine Wiederholung der Untersuchung habe den Fund nicht bestätigt. Doch erste Ergebnissse vertiefender Untersuchungen, die daraufhin veranlasst wurden, brachten nun neue Debatten um die Frage, ob eine Heilung gelungen ist. Zweifel bleiben – auch wenn Brown seit nunmehr 5 Jahren keine Aids-Medikamente mehr nehmen muss.

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weitere Informationen:
Tagesspiegel 12.06.2012: Rätselraten um den „Berliner Patienten“
POZ 12.06.2012: HIV Material Detected in Berlin Patient Samples Spurs Cure Questions, Confusion
The So Called HIV Cured „Berlin“ Patient Still Has Detectable HIV in His Body (Pressemeldung)
DAH 13.06.2012: Ist der „Berliner Patient“ tatsächlich von HIV geheilt?
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‚Berlin Patient‘ gilt weiterhin als von HIV ‚geheilt‘ (akt.2)

Ist der ‚Berlin Patient‘ doch nicht von HIV geheilt? So sah es zunächst aus. Sein US-Arzt sprach davon, HIV-Partikel in der Darmschleimhaut gefunden zu haben. Sein Berliner Arzt erklärt inzwischen, Brown gelte weiterhin als geheilt; eine Wiederholung der Untersuchung habe den Fund nicht bestätigt.

Timothy Ray Brown hatte Hoffnung, der erste „von HIV geheilte“ HIV-Positive zu sein. Nun hat sein Arzt jedoch bei dem inzwischen 46-Jährigen HIV-Partikel festgestellt, in der Darmschleimhaut. Allerdings, so Dr. Gero Hütter „tote Partikel“. Dies berichtet das Magazin ‚Focus‘.

Browns Geschichte: Ein Mann aus den USA, der damals in Berlin lebte, erkrankt an Leukämie. Zudem ist er seit 1995 mit HIV infiziert. Mediziner an der Berliner Charité beginnen 2006/07 mit einer innovativen Behandlung: statt dem Patienten “nur” eine ‘normale’ Stammzelltherapie zukommen zu lassen, benutzen sie Stammzellen eines Knochenmark-Spenders, bei dem aufgrund einer seltenen Mutation (ca. 3 – 5% der Bevölkerung) ein bestimmter Korezeptor (CCR5) fehlt – den jedoch HIV wiederum zur Infektion von Zellen benötigt. Resultat der komplizierten Behandlung: der Mann ist von Leukämie geheilt – und bisher HIV-negativ.

Der ‚Fall‘ ging 2008 als “Berlin Patient” groß durch die Medien – und wird heute von einigen als “functional cure”, als ‘funktionale Heilung‘ von HIV betrachtet.

Timothy Ray Brown hatte sich lange nicht gegenüber Medien geäußert. Im Mai 2011 hat er erstmals im Fernsehen gesprochen, in einem Interview betont „“Ich bin von HIV geheilt”.

Browns Arzt, der Berliner Mediziner Dr. Gero Hütter wurde vom AIDS Policy Project in San Francisco und San Franciscos Supervisor Ross Mirkarimi im Rathaus von San Francisco für “die erste funktionale Heilung von HIV/Aids” ausgezeichnet.

Der Grundgedanke von Hütters Behandlung, die CCR5-Depletion, wird heute in ersten Studien als experimentelles gentherapeutisches Verfahren untersucht.

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Aktualisierung
17.03.2012, 04:00: Auf den Münchner Aids-Tagen 2012 spricht Dr. Hütter laut ‚Abendzeitung‘ weiterhin von einer „bis heute währenden Heilung“. Das Vorhandensein von HIV-Partikeln erwähnt der Artikel nicht.
18.03.3012, 19:15: Auf den Müncher Aids-tagen äußerte prof. Hütter, der damals behandelnde Arzt des ‚Berlin patient‘, „bei nochmaliger Untersuchung der Proben sei alles negativ gewesen“. Der Patient gelte weiterhin als geheilt. siehe Kommentar Siegfried Schwarze unter diesem Artikel (danke an Siegi! – Überschrift des Artikels aus diesem Grund geändert von „‚Berlin patient‘ doch nicht von HIV geheilt?“ in „‚Berlin patient weiterhin von HIV geheilt“; d.Verf.)

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weitere Informationen:
timothyrbrown.com
Focus 11.03.2012: Der weltweit erste geheilte Aids-Patient ist offenbar doch nicht gänzlich HIV-frei
Abendzeitung München 16.03.2012: Er heilte einen Mann von HIV
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Berlin Patient Interview : „Ich bin von HIV geheilt“

Timothy Ray Brown hat sich lange nicht gegenüber Medien geäußert. Timothy Ray Brown ist der „Berlin Patient“, der erste Mensch, der von einer HIV-Infektion „geheilt“ wurde. Nun hat er erstmals im Fernsehen gesprochen.

„I’m cured of HIV. I had HIV but I don’t anymore“ – dies ist der zentrale Satz von Timothy Ray Brown. „Ich bin von HIV geheilt. Ich hatte eine HIV-Infektion, aber ich bin nicht mehr HIV-infiziert.“

Die Geschichte des Timothy Ray Brown: Ein heute 45jähriger Mann aus den USA, der damals in Berlin lebte, erkrankt an Leukämie. Zudem ist er seit 1995 mit HIV infiziert. Mediziner an der Berliner Charité begannen 2006/07 mit einer innovativen Behandlung: statt dem Patienten “nur” eine ‘normale’ Stammzelltherapie zukommen zu lassen, benutzten sie Stammzellen eines Knochenmark-Spenders, bei dem aufgrund einer seltenen Mutation (ca. 3 – 5% der Bevölkerung) ein bestimmter Korezeptor (CCR5) fehlt – den jedoch HIV wiederum zur Infektion von Zellen benötigt.
Resultat der komplizierten Behandlung: der Mann ist von Leukämie geheilt – und derzeit HIV-negativ.

Erstmals trat Timothy Ray Brown nun im Fernsehen auf – in einem Exklusiv-Interview, das Hank Plante mit ihm für den US-Sender CBS (CBS local San Francisco) führte, und das über die erste „funktionelle Heilung“ (functional cure) berichtet:

Berlin Patient Interview

Brown wird inzwischen medizinisch weiter betreut am San Francisco General Hospital sowie am ‚Medical Center‘ der University of California, San Francisco.

Der Berliner Mediziner Dr. Gero Hütter wurde Mitte 2010 vom AIDS Policy Project in San Francisco und San Franciscos Supervisor Ross Mirkarimi im Rathaus von San Francisco ausgezeichnet – für “die erste funktionale Heilung von HIV/Aids”.

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Stammzell-Transplantationen (wie bei Timothy Ray Brown) sind eine sehr schwierige und riskante Prozedur. Diese „funktionelle Heilung“ von HIV bei Timothy Ray Brown ist kein Ansatz, der sich bei vielen HIV-Positiven problemlos wiederholen ließe. Aber sie zeigt einen Weg, eröffnet Hoffnung – Hoffnung auf eine Intensivierung der Forschung für eine realistische Heilung von HIV.

[ via towleroad]

Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurz-Berichte 22.07.2010

In Wien findet vom 18. bis 23. Juli 2010 die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt. Im Folgenden Kurzberichte über einige wichtige Themen, die auf der Konferenz behandelt wurden. Diese Übersicht wird im Verlauf der Konferenz fortlaufend aktualisiert – Tag 4, 22. Juli 2010:

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Nicht Aids definierende Krebs-Arten treten bei HIV-Positiven früher auf

Krebs-Erkrankungen, die nicht Aids-definierend sind, treten bei Menschen mit HIV nicht nur häufiger auf – sie treten auch früher, in jüngerem Alter auf. Dies zeigte eine auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz in Wien vorgestellte Studie aus Atlanta. In einer retrospektiven Analyse der Daten von 8.300 HIV-positiven Patienten des Ponce de Leon Health Center in Atlanta (2000 bis 2007)  wurden 512 Fälle von Krebs-Erkrankungen festgestellt, davon 192 von Krebs-Arten, die nicht zur Definition des Krankheitsbildes Aids gehören, darunter am häufigsten Lungen- (40) und Anal-/Rektal-Karzinome (24). Das Durchschnitts-Alter des Auftretens einer Krebs-Erkrankung der HIV-positiven Patienten lag bei 47 (Männer) bzw. 48 (Frauen) Jahren. Bei zahlreichen Krebs-Arten wurden signifikant deutliche Alters-Unterschiede zur Allgemein-Bevölkerung festgestellt.

POZ 21.07.2010: Non-AIDS Cancers Occurring at Earlier Age Among People With HIV

‚Toiletten-Wauwau‘ – Proteste gegen die Politik der EU-Kommission

Etwa Hundert Aids-Aktivist/innen protestierten am 21. Juli 2010 auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz gegen die Politik der EU-Kommission. Die Aktivisten (u.a. von Act Up-Paris, Health GAP und DNP+ (Delhi Network of people living with HIV)) blockierten den Stand der EU-Kommission, riefen dabei Parolen wie „Die EU-Kommission bemächtigt sich der Medikamente, wir bemächtigen uns der EU-Kommission“. Später wurde eine Satelliten-Veranstaltung der EU-Kommission gestört, als EU-Vertreter Patrick Ravaillard für die Generaldirektion Handel sprach. Die ACT UP Paris – ‚Haus-Künsterlin‘ ‚Mademoiselle Toutou-des-Labos‘ (etwa: ‚Toiletten-Wauwau) gab ihren Pharma-kritischen Song ‚Mrs. Pharmas Pet Song‘ zum besten.
ACT UP Paris sieht die EU-Kommission als ‚Marionette der Pharma-Industrie‘. Hintergrund der Proteste ist das von zahlreichen Organisationen (in der derzeitigen Version) weltweit kritisierte geplante Freihandelsabkommen der EU mit Indien. Im Abkommen soll Indien die Einhaltung des Schutzes geistigen Eigentums („intellectual property rights“) garantieren, darunter würden auch Patente auf Medikamente fallen. Indien ist der weltweit bedeutendste Hersteller generischer (und damit kostengünstiger) Versionen von Aids-Medikamenten.

ACT UP Paris 21.07.2010: Les activistes dénoncent la politique criminelle de l’Europe
ACT UP Paris 21.07.2010: Miss Pharma’s Pet Song
Ärzte ohne Grenzen 26.04.2010: Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EU-Indien – Ärzte ohne Grenzen fürchtet um den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten
Stern 21.07.2010: Demonstranten nehmen bei Wiener Aids-Konferenz EU-Stand in Beschlag

HIV-Therapie senkt HIV-Transmission – indirekter Nachweis für Viruslast-Methode

In Dänemark scheint die HIV-Transmissionsrate unter schwulen Männern und Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) zu fallen, selbst wenn gleichzeitig (auch aufgrund der erfolgreichen HIV-Therapien) die Zahl der im Land lebenden HIV-Positiven steigt, und trotz ‚hohen Niveaus‘ an ‚unsafem‘ [gemeint ist wohl ‚Sex ohne Kondom‘, d.Verf.] Sex. Diese Daten stellte Susan Cowan vom ‚National Infections Institute‘ Dänmarks auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz in Wien vor. Sie betonte, die einzige Erklärung hierfür sei, dass diese (an sich für die Transmissionsrate ungünstigen) Faktoren überkompensiert würden durch den Rückgang der Infektiosität des einzelnen (erfolgreich antiretroviral behandelten) HIV-Positiven: die paradoxe Situation sei am wahrscheinlichsten dadurch erklärbar, dass HIV-Positive unter Therapie und mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze nicht oder nur sehr selten HIV übertragen.

aidsmap 21.07.2010: Indirect evidence that treatment is bringing down HIV transmission in Denmark

Obama oder Bush – wer macht(e) die bessere Aids-Politik in den USA?

Es soll eines der beliebtesten Give-aways der XVIII. Welt-Aids-Konferenz besonders bei us-amerikanischen Teilnehmern sein: das Motiv „Bush? Obama? who‘ s better on AIDS?“. Das Motiv wurde vergangene Woche als ganzseitige Anzeige in der im Washingtoner Politikbetrieb einflussreichen Zeitschrift ‚Politico‘ geschaltet und ‚ziert‘ derzeit Bus-Wartehäuser in Washington.  Hinter der Aktion steht der us-amerikanische Gesundheits-Dienstleister („medical care provider“) AHF Aids Healthcare Foundation. AHF betreut weltweit etwa 140.000 HIV-positive Patienten in 23 Staaten. Mit der Aktion versucht das Unternehmen, Druck auf die US-Politik auszuüben, sich mehr bei der Finanzierung im Kampf gegen Aids zu engagieren. AHF ist auch auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz in Wien u.a. mit einem Stand präsent.

Bush? Obama? who' s better on AIDS? (c) aidshealth.org
Bush? Obama? who' s better on AIDS? (c) aidshealth.org

Unter Druck sehen sich auch Dirk Niebel, Entwicklungs-Minister Deutschlands – für seine sehr zurückhaltende Haltung in Sachen weiterer deutscher Finanzbeiträge für den Globalen Fonds („Zaudern tötet“). Und sein österreichischer Minister-Kollege Gesundheitsminister Stöger, ausgebuht und ausgefiffen am Rand des Human Rights March für das mickrige finanzielle Engagement Österreichs (bisher eine einzige Million Euro für den Globalen Fonds, im Jahr 2002).

aidshealth.org 13.07.2010: “President Obama Fails to Lead on AIDS”
Zeit online 21.07.2010: Zaudern tötet – Harro Albrecht über Dirk Niebel, der die HIV-Prävention gefährdet
FAZ 21.07.2010: Die verärgerte Gastgeberin

Selbstbewußt positiv – poz and proud

Mit der Einführung hochwirksamer antiretroviraler Medikamente scheint für schwule Männer mit HIV eigentlich alles gelaufen zu sein – oder? Da war doch noch was? HIV wurde nahezu unsichtbar, doch das Stigma Aids bleib und bleibt. Vor diesem Hintergrund entstand im Jahr 2006 in den Niederlanden die Grupper ‚Poz and Proud‘. Das Ziel: HIV-positiven schwulen Männern mehr Selbstbewußtsein zu vermitteln – und ‚verlorenes Territorium zurück zu gewinnen‘, sexuelle Rechte einzufordern.

Poz and Proud: Bringing sexy back into Grassroots Advocacy for Hiv-positive Gay Men in the Netherlands – Claiming (sexual) rights, regaining lost territory (pdf)

„mit verletzten Flügeln“ … aber von HIV geheilt – der ‚Berlin Patient‘

Eine Welt-Aids-Konferenz ist gern auch Gelegenheit für erneute Publicity für eine nicht mehr so neue Story: die Heilung eines HIV-Positiven in Berlin (der sogenannte ‚Berlin Patient‘). Seit nunmehr drei Jahren ist bei dem Patienten kein HIV mehr nachweisbar – ohne Medikamente. Erstmals gab der betreffende ehemals HIV-positive Patient nun aus Anlass einer Nachuntersuchung in Berlin ein Interview, Grundlage für den Artikel der ‚Zeit‘ am 19.07.2010: ‚Einer wurde geheilt‘. (Leider, persönliche Anmerkung, ein Artikel mit sehr blumiger Sprache („Er wirkt auf seltsam gebrochene Weise jugendlich, wie ein flügger Vogel mit verletzten Flügeln“)). Das französische ‚Seronet‘ kommentiert den Fall „möglich aber praktisch nicht wiederholbar“.

Zeit 19.07.2010: Einer wurde geheilt
seronet 21.07.2010: premier guérison du VIH: c’est possible mais quasiment pas reproductible

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siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 21.07.2010
siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 20.07.2010
siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 19.07.2010
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Kurz notiert … Juli 2010

29. Juli 2010: ‚Berlin Patient‚: „Das Verfahren ist nicht allgemein auf andere HIV-Positive übertragbar. Dazu ist die Therapie zu gefährlich und nebenwirkungsreich. Aber in der Charité scheint die erste Heilung eines HIV-Patienten gelungen zu sein.“ So kommentiert die Deutsche Aids-Hilfe aktuelle Berichte zum ‚Berlin Patient‚.
Wie strategisch weiter umgehen mit der Kriminalisierung der HIV-Infektion? Roger Pebody berichtet auf aidsmap über verschiedene Ansätze: „Three tactics to stem the tide of criminal prosecutions

26. Juli 2010: Tibotec (Tochter von Johnson&Johnson) hat am 26.7.2010 die US-Zulassung des NNRTI Rilpivirine (TMC278) beantragt.

23. Juli 2010: Die Pharmakonzerne Merck (MSD), Tibotec und Gilead verhandeln mit UNITAID, der internationalen Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose, über einen Patent-Pool zu HIV-Medikamenten für sich entwickelnde Staaten.  ViiV, Joint Venture von Pfizer und GSK, scheint sich nicht beteiligen und eher alleine gezielt lizenzieren zu wollen (siehe 18.7.20109.

18. Juli 2010: Ist eine Heilung von HIV möglich? Medizin-Nobelpreisträgerin Francois Barré-Sinoussi ist skeptisch, hält das völlige Entfernen von HIV aus dem Körper eines Infizierten für „sehr schwer bis unmöglich„.
Auf den Einfluss rechter christlicher (US-)Kirchenkreise auch auf internationale Aids-Bekämpfung weisen Sean Cahill und Lyndel Urbano auf The Body hin: „The Christian Right: Wrong on AIDS
Der Pharmakonzern ViiV (eine Bündelung der Aids-Sparten von Pfizer und GlaxoSmithKline) kündigte an, sein gesamtes HIV/Aids-Portfolio (einschließlich Pipeline) Generika-Herstellern in der sog. Dritten Welt unentgeltlich verfügbar machen zu wollen. Die Medikamenten-Versorgung in den ärmsten Staaten der Welt solle so verbessert werden. Diese Initiative gelte für 69 Staaten.

17. Juli 2010: HIV breitet sich in Osteuropa und Zentralasien besonders bei Kindern, Jugendlichen und Frauen weiter aus. „HIV trifft vor allem Kinder am Rande der Gesellschaft“

16. Juli 2010: Aus Anlass der Wiener Welt-Aids-Konferenz bespricht „Spoiler Art“ HIV & Aids in Superhelden-Comics.

15. Juli 2010: Merck (MSD) stoppt die gesamte weitere Entwicklung des CCR5-Hemmers Vicriviroc. Grund seien enttäuschende Daten aus einer Phase-II-Studie, teilte der Hersteller mit.

13. Juli 2010: UNAIDS fordert eine radikale Therapie-Vereinfachung. Damit sollen die Nutzen für die Prävention optimiert werden.

9. Juli 2010: Die Weltbank hat David Wilson zum Leiter ihres globalen HIV/Aids-Programms benannt. Wilson stammt aus Zimbabwe und hat seit 2003 im Auftrag der Weltbank u.a. die Regierungen von Südafrika, Vietnam und China bei ihren Aids-Programmen beraten.

8. Juli 2010: US-Wissenschaftler finden Antikörper, die in der Lage sind, die meisten HIV-Stämme am Eindringen in Zellen zu hindern. Die Entdeckung dieser sehr breit neutralisierenden Antikörper weckt neue Hoffnungen auf die Möglichkeit, wirksame HIV-Impfstoffe entwickeln zu können.

Ein US-Bundesgericht hat entschieden, mit dem US-weiten Verbot von Homo-Ehen (Defense-of-Marriage-Act, DOMA) habe sich der Gesetzgeber zu sehr in Angelegenheiten der US-Bundesstaaten eingemischt, das Verbot sei verfassungswidrig.

7. Juli: Das Bundeskabinett hat die „Arzneimittel-Härtefall-Verordnung“ (pdf) verabschiedet. „Ziel der Verordnung ist es, den Zugang für Schwerstkranke zu neuen Arzneimittelbehandlungen, die sich noch in der Entwicklung befinden, durch ein unbürokratisches und rasches Verfahren zu verbessern.“

6. Juli 2010: Elf Monate alt war Muriel, ein HIV-infiziertes junges Mädchen, das kurz vor Weihnachten 2009 in der Grazer Kinderklinik im LKH lag. Es wurde mit einer Lungenentzündung eingeliefert, in lebensbedrohlichem Zustand. Beide Eltern waren Anhänger eines „Wunderheilers“. Die Mutter ist in Graz am 6. Juli 2010 zu Monaten bedingter Haft verurteilt worden, weil sie ihr Baby mit HIV angesteckt haben soll.

Zahnärzte seien „die am schlechtesten über HIV und Aids informierte Berufsgruppe im medizinischen Bereich“, kritisiert die Deutsche Aids-Stiftung.

4. Juli 2010: Das Landhaus von Jean Cocteau und Jean Marais in Milly-la-Forêt südlich von Paris ist seit Anfang Juli 2010 als Museum umgebaut der Öffentlichkeit zugänglich.

Während insbesondere in Großstädten die Massen zu CSDs strömen und munter feiern, gerät oft in Vergessenheit, dass auch anderes in Deutschland vorkommt: in Schwerin wird der CSD beschimpft und bedroht.

2. Juli 2010: Nadja Benaissa steigt bei der Pop-Band ‚No Angels‘ aus. Benaissa ist seit einigen Wochen krank geschrieben, Mitte August beginnt ihr Prozess. Laut Medienberichten musste sie inzwischen Privatinsolvenz anmelden.

Auszeichnung für Berliner Arzt – für „erste funktionale Heilung von HIV/Aids“ (akt.)

Der Berliner Mediziner Dr. Gero Hütter wird vom AIDS Policy Project in San Francisco und San Franciscos Supervisor Ross Mirkarimi im Rathaus von San Francisco ausgezeichnet – für „die erste funktionale Heilung von HIV/Aids“.

Der Hämatologe Gero Hütter hat bemerkenswertes geleistet – er hat erstmals erreicht, dass bei einem Menschen, der HIV-positiv war, seit drei Jahren kein HIV mehr nachweisbar ist: der „Berlin Patient„:

Ein heute 44jähriger Mann aus den USA, der in Berlin lebt, ist an Leukämie erkrankt und gleichzeitig HIV-infiziert. Mediziner an der Berliner Charité unter Leitung von Dr. Hütter begannen 2007 mit einer innovativen Behandlung. Statt dem Patienten “nur” eine ‘normale’ Stammzelltherapie zukommen zu lassen, benutzten sie Stammzellen eines Knochenmark-Spenders, bei dem aufgrund einer seltenen Mutation (ca. 3 – 5% der Bevölkerung) ein bestimmter Korezeptor (CCR5) fehlt – den jedoch HIV wiederum zur Infektion von Zellen benötigt. Resultat der komplizierten Behandlung: der Mann ist von Leukämie geheilt – und derzeit HIV-negativ.

Der Fall ging als „Berlin Patient“ vor eineinhalb Jahren groß durch die Medien – und wird heute von einigen als „functional cure“, als ‚funktionale Heilung‚ von HIV betrachtet.

Die Laudatoren kommentieren:

„Gero Hütter, MD, the Berlin physician who performed the historic stem cell transplant in 2007 that has to date functionally cured an American patient with HIV/AIDS, will be honored by San Francisco Supervisor Ross Mirkarimi and the AIDS Policy Project on the steps of San Francisco City Hall.
Dr. Hütter’s achievement, known colloquially as the “Berlin patient,” has sparked great interest in the scientific community. However, few people outside the scientific world have taken note of this case, which is likely the first successful cure of a person with AIDS. The patient has been completely HIV-free for three years; there is no fixed threshold for when a patient is considered officially cured, since it has never happened before. Grassroots AIDS treatment activists, including many people with AIDS, asked Supervisor Mirkarimi to make this proclamation thanking Dr. Hütter for his work.“

San Franciscos Supervisor Ross Mirkarimi (48) ist Mitbegründer der kalifornischen Partei Die Grünen, verließ diese aber im März 2010 und trat den Demokraten bei.

Das Aids Policy Project in San Francisco bezeichnet sich selbst als „öffentliche sichtbare Bewegung, um Forschung für eine Heilung von Aids zu fördern“: „Let’s start talking about the cure again“ – ‚Lasst uns anfangen, wieder über eine Heilung von HIV zu sprechen‘.
Hütters Experiment stelle einen „proof of concept“, einen Machbarkeits-Nachweis für eine Heilung dar, darin liege der besondere Fortschritt.

The AIDS Policy Project
The AIDS Policy Project

Update 05.06.2010:
Aids Treatment News berichtet „Video coverage of San Francisco awards to Dr. Hütter

weitere Informationen:
Aids Policy Project San Francisco: German doctor honoured for first fuinctional cure for HIV/Aids
Charité 12.11.2008: Patient besiegt HI-Virus dank Knochenmarkspende
Gero Hütter et al., NEJM 12.02.2009: Long-Term Control of HIV by CCR5 Delta32/Delta32 Stem-Cell Transplantation (abstract)
Jay A. Levy, NEJM 12.02.2009: Not an HIV Cure, but Encouraging New Directions (extract)

Bay Area Reporter 10.06.2010: German physician honored for AIDS work
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Berlin Patient – oder: ein schwieriger möglicher Weg einer Heilung? (akt.)

Der Fall des sog. ‚Berlin Patient‘ geht derzeit weltweit durch die Medien. Heilung von Aids – nun auf einmal doch, und in Berlin?

Ein heute 42jähriger Mann aus den USA, der in Berlin lebt, ist an Leukämie erkrankt und gleichzeitig HIV-infiziert. Mediziner an der Berliner Charité begannen vor zwei Jahren mit einer innovativen Behandlung. Statt dem Patienten „nur“ eine ’normale‘ Stammzelltherapie zukommen zu lassen, benutzten sie Stammzellen eines Knochenmark-Spenders, bei dem aufgrund einer seltenen Mutation (ca. 3 – 5% der Bevölkerung) ein bestimmter Korezeptor (CCR5) fehlt – den jedoch HIV wiederum zur Infektion von Zellen benötigt.

Resultat der komplizierten Behandlung: der Mann ist von Leukämie geheilt – und derzeit HIV-negativ.

Über Behandlung und Ergebnis berichtete der Leiter des Ärzteteams, der Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Transfusionsmedizin an der Berliner Charité Eckhard Thiel.

Der Fall ging bereits vor einiger Zeit als „berlin patient“ durch die US-Medien. Auslöser der jetzigen Berichterstattung war nach einem Poster auf der CROI ein Artikel im WSJ ‚A Doctor, A Mutation and a Potential Cure for AIDS‚ sowie ein Artikel in einer deutschen Boulevard-Zeitung, und Pressearbeit der Charité. Der Fall soll demnächst im New England Journal of Medicine publiziert werden.

Eine ähnliche Behandlungsstrategie (siehe auch Could bone marrow transplantation cure aids? (1999)) – allerdings ohne die CCR5-Mutation zu berücksichtigen – schlug 2007 in Frankreich fehl. Der Patient, der ebenfalls eine Knochenmark-Transplantation erhalten hatte, danach weiter HAART nahm, hatte zunächst eine nicht nachweisbare Viruslast – und schon wurde in Medien eine ‚Heilung‘ gefeiert. Als eine Unterbrechung der antiretroviralen Therapie erforderlich wurde, zeigte sich schnell (nach 16 Tagen) wieder HIV-Virämie. Nach seinem Tod (181 Tage nach der Knochenmark-Transplantation) zeigten detaillierte Untersuchungen, dass mit der Knochenmark-Transplantation nicht alle viralen Reservoirs im Körper ‚entleert‘ worden waren.

Bevor nun grenzenloses Jubeln oder zu frühe Freude oder gar Euphorie einsetzen, sei hierzu als vergleichsweise unaufgeregte Publikation der Bericht des Spiegel online / Red. Wissenschaft empfohlen: ‚AIDS-Kranker nach Stammzell-Therapie HIV-negativ‘ sowie ein Bericht der taz ‚AIDS doch nicht heilbar‘.

Nachtrag
12.02.2009 New England Journal of Medicine: Long-Term Control of HIV by CCR5 Delta32/Delta32 Stem-Cell Transplantation
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