Die Zahl der HIV-Infektionen ist 2006 moderat gestiegen; immer noch stellen Männer, die Sex mit Männern haben, den größten Anteil. Viel wird diskutiert über das Infektionsrisiko und Gründe für den Anstieg; das 120. Positiventreffen verwehrt sich gegen repressive Maßnahmen.
Nachdem Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt nun ein Präventionsgesetz plant, stellt sich auch die Frage, wie geht es weiter mit der HIV-Prävention?
Ist Prävention der richtige Weg?
Zunächst einmal: die bisherige HIV-Prävention in Deutschland scheint insgesamt äußerst erfolgreich. Im europäischen wie auch internationalen Vergleich hat Deutschland eine vergleichsweise sehr niedrige Rate an Neu-Infektionen. Die HIV-Prävalenz ist mit 0,6 pro 1.000 Einwohner im westeuropäischen Vergleich sehr niedrig – nur Schweden, Norwegen und Finnland liegen niedriger.
Und dass repressive Maßnahmen, wie immer wieder einmal gefordert, die Prävention behindern, hat erst jüngst das 120. Positiventreffen in seiner Resolution betont. Auch auf der 8. ‚Aids Impact‘-Konferenz wurde erst unlängst wieder diskutiert, welche kontraproduktiven Folgen strafrechtliche Strategien gegen HIV-Infizierte haben können (von Beeinträchtigung des Arzt-Patient-Verhältnisses und Beschädigung von Präventionsmaßnahmen bis zu Einschränkungen bei der Aids-Forschung). Und auch das RKI erwähnt immer wieder Hinweise, dass repressive Maßnahmen die Ausbreitung von HIV eher begünstigen.
Repression – also keine wirksame Alternative zu effizienter Prävention. Ganz im Gegenteil – die erfolgreiche Aids-Prävention ist ein Modell, von dem für andere Anwendungen viel gelernt werden könnte.
Wofür wird in der Prävention Geld ausgegeben?
Die Bundesregierung gibt viel Geld für Maßnahmen zur HIV-Prävention aus, und auch aus der Privatwirtschaft kommen inzwischen nicht unerhebliche Mittel.
Doch – werden all diese Mittel gut, effizient eingesetzt?
Zumindest kann man sich z.B. fragen, ob kondombekleidete Zitronen und ähnliches Obst und Gemüse wirklich noch zeitgemäße Formen der Prävention sind.
Und vor allem – sind sie eine effiziente Form? „Das Publikum wird allmählich immun“ schreibt selbst die Provinzpresse …
Sind die hohen Beträge, die hier ausgegeben werden, wirklich gut investiert? Wäre eine stärkere Fokussierung (auf Zielgruppen, inkl. promisk lebender Heteros) nicht zielführender?
Eine einfache Rechnung: allein für die Kosten für die zahlreichen Plakatwände, die Werbeagenturen etc – wie viele Kondome könnten dafür von Vor-Ort-Arbeitern wie ManCheck gratis dort ausgelegt werden, wo sie benötigt werden? Wie viele Neu-Infektionen könnten durch solche praktische Vor-Ort-Arbeit verhindert werden?
Und welche Wirkung entfalten die massenhaften kondomisierten Gemüse? Sicher, sie dienen (hoffentlich) der allgemeinen Aufmerksamkeit für HIV in der Allgemeinbevölkerung. Aber wie effizient ist das für die HIV-Prävention?
Ob allerdings französische Spinnen-Prävention oder bayrisches make-love-not-aids so viel besser sind …
Oder können aus der Herangehensweise, HIV (in Großstädten mancher industrialisierter Länder) nicht mehr als Epidemie, vielmehr als Endemie zu betrachten, neue Anregungen für die Weiterentwicklung der Prävention geben?
Abstinenz frustriert
Eine immer mal wieder von interessierter Seite gern diskutierte Präventions-Botschaft namens Abstinenz hat sich nun wirklich oft genug als unwirksam, wenn nicht gar kontraproduktiv erwiesen. Und wird leider neben US-Regierung und Kirchen immer noch gelegentlich auch von deutschen Organisationen gepredigt.
Bitte nicht noch mehr schädliche Folgen dieser schädlichen Botschaft …
Aber welche dann? Dazu mehr demnächst in Präventionsgedanken 2
Dass die BZGA geschütztes Obst plakatiert, liegt nun mal an der Aufgabenteilung: BZGA für Allgemeinbevölkerung, DAH für spezielle Gruppen deutschlandweit und Aids-Hilfen für die Gruppen vor Ort. Auch wenn ich als ehemaliger Mitarbeiter einer Aids-Hilfe durchaus Kritik an einzelnen Präventionsstrategien geäußert habe (1), machen die Aids-Hilfen vor Ort in der Regel sehr gute, spezifische Präventionsarbeit, hier in Düsseldorf beispielsweise auch mit Schulklassen und in der Partyszene für Jugendliche. Die Plakate und Spots der BZGA, so albern sie auch sind, erreichen aber den Rest der Leute, für die man keine spezifische Herangehensweise findet, und auch solche, die beispielsweise auf dem Land leben.
(1) Es ist sicher praktisch, wenn in der Szene Kondome kostenlos verteilt werden. Ich bezweifle aber, dass in der immerhin deutlich aufgeklärten Homo-Szene Unsafe Sex an der Verfügbarkeit von Kondomen liegt.
@ norbert:
ich frage mich manchmal, ob die aufgabenteilung zwischen bzga und dah so noch sinnvoll ist, oder anders gesagt, wie sinnvoll die vielen bzga- (&pkv-)mittel eingesetzt sind.
und – wenn ich berlin und köln vergleiche, dann beobachte ich, dass kostenlose und leichte kondomverfügbarkeit vor ort in der gelebten realität (zb in den saunen, bars) einen großen, m.e. infektionsrelevanten unterschied macht.
zweierlei:
ohne solidarität keine prävention.
sprich:solange hiv mit diskriminierung und repression einhergeht, wird es immer menschen geben, die ihren status nicht wissen wollen oder nicht kommunizieren.
der allein-glücklichmachende segen des kondoms ist wohl überholt:
prep
beschneidung
etc müssen einfliessen in die präventionsarbeit und angebote.
von kohärenter und konsequenter aufklärung und ent-mythisierung ganz zu schweigen!
roedfugl
@ roedfugl:
wichtiger hinweis, der zusammenhang von solidarität (gespiegelt: diskriminierung) und prävention
mit der prep hab ich ja so ein wenig meine schwierigkeiten … sollen schon die negativen vorsichtshalber mal einige (teure, nebenwirkungsreiche) pillen nehmen? ich weiß nicht …
lg
ich weiss, dass in amsterdam „prep“ an den parties bzw vorher geschmissen wird- und damit auch gedealt….da ist wohl ein zugang zum angebot angesagt- damit es auch wirklich prep ist und mann/frau vielleicht auch noch in genuss von beratung käme….
@ roedfugl:
ja, diese deals vor parties hört man ab und an … und mir wird ganz übel, was die leute sich antun …
lg ulli