sexuelle Gesundheit Berlin 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

Welche Entwicklungen zeichnen sich zum Thema sexuelle Gesundheit in Berlin ab? Welche Konsequenzen könnten erforderlich werden? Einige Ideen:

Die Zahl der Menschen, die insgesamt in Berlin mit HIV leben, wird auch in den kommenden Jahren weiter steigen.
Neben der Zahl an HIV-Neuinfektionen wird der Zuwachs sich schon daraus ergeben, dass Menschen mit HIV aufgrund verbesserter Therapien durchschnittlich länger leben. Zudem verlegen HIV-Infizierte aus anderen Regionen Deutschlands ihren Wohnsitz nach Berlin, da hier die Lebens- und oft auch Versorgungssituation für HIV-Infizierte als besser empfunden wird.

Zudem wird das durchschnittliche Alter der HIV-Positiven, die in Berlin leben, weiter ansteigen – schon aufgrund der durch bessere medikamentöse Therapie gesteigerten Lebenserwartung. Zudem infizieren sich zunehmend auch Menschen in höherem Lebensalter mit HIV.

Neben HIV treten für die Frage sexueller Gesundheit bei Männern, die Sex mit Männern haben, auch weitere sexuell übertragbare Infektionen wieder mehr in den Vordergrund – sowohl für HIV-positive als auch HIV-negative Männer. Gerade auch angesichts jüngster Stellungnahmen, die betonen es liege ‚keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs‚ vor, kommt Information und Testangeboten zu sexuell übertragbaren Erkrankungen eine starke Bedeutung zu.

Diese und weitere Veränderungen werden Auswirkungen auf das System der öffentlichen Gesundheit in Berlin haben, aber auch auf die jeweiligen Szenen (die z.B. auf eine zunehmende Zahl älterer Menschen teils kaum vorbereitet scheinen).

Eine rein auf HIV/Aids-Prävention ausgerichtete Präventions- und allg. Gesundheitspolitik in Berlin könnte den sich verändernden Rahmenbedingungen schon bald nicht mehr gerecht werden. Die Prävention sexuell übertragbarer Infektionen und generell das Thema reproduktive Gesundheit könnte größere Aufmerksamkeit erfordern. Zudem wird angesichts des höheren Lebensalters bei Menschen mit HIV auch die Frage anderer Erkrankungen (wie Krebs) zunehmend Bedeutung gewinnen.

Es müssen ausreichend niedrigschwellige, anonyme und kostenlose Untersuchungsmöglichkeiten (neben HIV gerade auch auf Syphilis) zur Verfügung stehen.
Auch das RKI kommt in der Auswertung der KABaSTI-Studie ((Quelle: Ergebnisse der KABaSTI-Studie, in Epidemiologisches Bulletin Nr. 23/2007)) zu dem Schluss, der öffentliche Gesundheitsdienst solle „vor allem in Großstädten seine Beratungs- und Testangebote für HIV und STI stärker auf besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen fokussieren und nach Möglichkeit versuchen, durch seine Angebote Zugangsbarrieren zu reduzieren – in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen besonders betroffener Bevölkerungsgruppen … Ein solches Angebot sollte möglichst kostenlos, anonym und mehrsprachig sein“. Derzeitige Einschränkungen im Öffentlichen Gesundheitsdienst und den Aids- und STI-Beratungsangeboten dürften hier eher kontraproduktiv wirken.

Konsequenzen kann aber auch jeder schwul lebende Mann, jeder Mann der Sex mit Männern hat, ziehen: ‚man‘ sollte überlegen, sich auf die wichtigsten sexuell übertragbaren Infektionen (besonders auch Syphilis) sowie auf Hepatitis C regelmäßig untersuchen zu lassen – sie sollten möglichst zur Routine-Untersuchung (’schwuler Gesundheits-Check‘) gehören. Wo möglich (Hepatitis B!) sollte eine Impfung erwogen werden.

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Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
Intro
Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

Karneval in Berlin

Ja, es gibt tatsächlich auch einen Karneval in Berlin. Und damit ist nicht der Karneval der Kulturen gemeint, sondern das, was der Rheinländer unter Karneval versteht. Natürlich auch in Berlin mit festen Strukturen (Ordnung muss sein, jawoll! auch im Karneval!), eigenem Festkomitee – und einen eigenen Karnevals-Umzug.

Jawohl, ein Karnevals-Umzug in Berlin, seit 2001. Dieses Jahr unter dem wahrlich kreativen Motto „Hier tanz der Bär“.
Da kommt dann statt der Funken-Garde – richtig, die ‚Preußen-Garde‘. Natürlich, wir sind in Berlin, muss auch Lokal-Kolorit sein, also kommt auch der ‚Zille-Express‘ (in diesem Jahr wird der 150. Geburtstag von Heinrich Zille begangen).
Karneval im Kaufhaus 1Karneval im Kaufhaus 2Kostüme allerdings gibt es in Berlin fast nur im Zug. Am Straßenrand stehen unkostümierte Menschen (obwohl sich die Geschäftswelt bereitwillig auch auf dieses Konsumfeld stürzt), viele von ihnen vermutlich eher amüsierte Touristen. Die meisten eher wenig bewegt – ein völlig anderes Bild als in Köln im Straßenkarneval. Feiern, das kann der Berliner immer noch nicht sehr gut – da gibt es gewaltige Defizite, die sich nicht nur im Karneval zeigen (wenn man nur an Straßenfest und CSD denkt).

Was allerdings schwule Karnevals-Partys angeht – während Markus für NRW „Karneval und kein Ende …“ melden kann, sieht’s damit in Berlin noch düster aus. Denn an der schwulen Szene geht der Berliner Karneval bisher weitgehend vorbei – von trubeligen Mengen und wilden Szenen wie auf der Kölner ‚Hohe Pforte‘ ist hier keine Spur. Eine lesbisch-schwule Karnevalstruppe allerdings hat sich doch schon gefunden. Dieses Jahr nimmt sie mit einem eigenen Wagen teil, der unter dem bewegenden Motto steht ‚Karneval ist alles, auch lesbisch und schwul!‘

Wie sieht er aus der Berliner Karneval? Bilder vom Karnevals-Zug am Sonntag, 3.2.2008:
Karneval Berlin 2008 01Karneval Berlin 2008 02Karneval Berlin 2008 03Karneval Berlin 2008 04Karneval Berlin 2008 05Karneval Berlin 2008 06Karneval Berlin 2008 07Karneval Berlin 2008 08

Der Berliner Karneval ist natürlich – ein Import aus dem Rheinland. Der Wirt der Kneipe ‚Ständige Vertretung‘ ist Initiator des Berliner Zuges. Er ist offensichtlich Optimist, was die närrische Zukunft in Berlin angeht – die Zugstrecke hat er bei den Berliner Behörden bereits bis 2049 angemeldet … Ach, ihr Narren …

Berlinale Kaufhaus-DekoAber eigentlich ignoriert Berlin den Karneval weitgehend – die ‚fünfte Jahreszeit‘ hört hier eher auf den Namen ‚Berlinale‘ …

Übrigens – in Berlin heißt es weder ‚Allaf‘ noch ‚Helau‘, nein, hier sagt man ‚Berlin Heijo‘. Ernst zu nehmen ist das nicht … ;-).

Die massive Präsenz von Unternehmen von Biermarken (Konzern-Kölsch …) bis Fähr-Gesellschaften verstärkt meinen Eindruck einer aufgesetzten, inszenierten Veranstaltung.
Sehr wichtig kann den Berlinern ‚ihr‘ (?) Karneval zudem nicht sein. Sonst (untrügerisches Zeichen) wäre Sonntags-Öffnung der Geschäfte …
Und überhaupt … der größte Karnevalsumzug Ostdeutschlands ist – nein, nicht in Berlin, in Cottbus …

sexuelle Gesundheit in Berlin 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln (akt.)

Berlin ist die gemessen an der Einwohnerzahl größte Stadt Deutschlands. Zudem hat Berlin schon immer besonders auch eine hohe Anziehungskraft für Bevölkerungsgruppen gehabt, die u.a. auch einer hohen Gefahr ausgesetzt sind, sich mit HIV zu infizieren (wie z.B. drogengebrauchende Menschen oder Schwule).

Vergleich HIV-Fälle MSM Berlin Hamburg KölnSchon aus diesen beiden Gründen ist es wenig überraschend, dass Berlin die Stadt mit der höchsten Zahl an HIV-positiven Einwohnern im Bundesvergleich ist.

Allein in Berlin leben etwa 10.400 der insgesamt ca. 59.000 deutschen HIV-Positiven – was heißt, dass ca. 18 % der Positiven Deutschlands in Berlin leben. Der Bevölkerungsanteil Berlins ( 3,4 Mio. Einwohner) an der gesamten BRD (82,3 Mio.) beträgt 4,1 %. Selbst wenn man einen ‚Großstadt-Faktor‘ in Ansatz bringt, ist der Anteil der Positiven, die in der Hauptstadt leben, als sehr hoch (wesentlich höher als nach Bevölkerungsanteil zu erwarten) zu bezeichnen. Dass Berlin Lebensqualität und Attraktivität gerade auch für Menschen mit HIV hat, findet sicherlich auch in diesen Zahlen Ausdruck.

Diese Zahlen zeigen zugleich, dass die absoluten Zahlen und ihre Entwicklung in den letzten Jahren nur bedingt aussagefähig für einen Städtevergleich sind. Aussagefähiger für Entwicklungen sind relative Zahlen, die z.B. Anhaltspunkte dafür geben, welche Bevölkerungsanteile sich jeweils mit HIV infiziert haben.

Genau dies leistet die Inzidenz. Die Inzidenz gibt an, bei wie vielen Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb eines Jahres in einer Stadt neu HIV (bzw. eine andere Infektionskrankheit) diagnostiziert wurde.
Vergleich HIV Inzidenz Berlin Hamburg KölnVergleicht man die gemeldeten HIV-Fälle bei MSM in der Form der Inzidenzen, sieht das Bild ganz anders aus: die Grafik (nebenstehend) verdeutlicht, dass die HIV-Inzidenz unter MSM in Berlin im Jahr 2005 einen Scheitelpunkt erreicht hat und seitdem dort verharrt bzw. leicht sinkt, 2007 jedoch wieder ansteigt. Die Inzidenz in Hamburg steigt in den vergangenen Jahren kontinuierlich an und hat 2006 beinahe Berliner Niveau erreicht. Die Inzidenz in Köln hingegen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich über dem Berliner Niveau und zudem von 2004 bis 2006 deutlich angestiegen.

Vergleich Hepatitis C Inzidenz Berlin Hamburg KölnBei den gemeldeten Hepatitis-C-Fällen bei Männern zeigt sich ein anderes Bild. Die Hepatitis-C-Inzidenz bei Männern ist in Hamburg auf sehr niedrigem Niveau annähernd konstant. Die Inzidenz für Berlin scheint 2004 einen Scheitelpunkt erreicht zu haben, sinkt seitdem leicht. Die Inzidenz für Köln hingegen pendelt stark und ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen (wegen des sehr hohen Wertes für Köln im Jahr 2001 Darstellung erst ab 2002). Daten ausschließlich für MSM sind leider nicht abrufbar.

Vergleich Syphilis MSM Berlin Hamburg KölnEin wiederum leicht anderes Bild bietet die Zahl der gemeldeten Syphilis-Fälle bei MSM. In Hamburg hat die Syphilis-Inzidenz bei MSM 2003 einen Scheitelpunkt erreicht und sinkt seitdem bis 2006 leicht, um 2007 erneut anzusteigen. Berlin verharrt seit 2003 auf annähernd gleich hohem Niveau mit deutlich sinkenden Werten für 2007. Die Syphilis-Inzidenz für MSM in Köln hingegen hat den Berliner Wert seit dem Jahr 2003 übertroffen und verharrt auf hohem Niveau, mit für 2007 ebenfalls sinkenden Werten.

Insgesamt zeichnen die Zahlen zu den Inzidenzen von HIV-Neudiagnosen bei MSM, gemeldeten Hepatitis-C-Fällen bei Männern und Syphilis-Fällen bei MSM ein vielfältiges Bild.
Eine Aussage lässt sich jedoch sicher treffen: wäre Berlin der ‚Sündenpfuhl‘, als der es gerne von interessierter Seite deklariert wird, wäre zu vermuten dass diese Zahlen anders aussehen. Um die sexuelle Gesundheit von MSM scheint es in Berlin zumindest im Vergleich mit Hamburg und Köln nicht so schlecht bestellt zu sein. Sicher ist vieles verbesserungsfähig – ‚Bad Bareback‘ jedoch muss offensichtlich woanders liegen …

Quelle aller Daten: Robert Koch-Institut: Datenabfrage SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 04.02.2008

Update 04.02.2008: Aktualisierung auf Stand der Datenabfrage 04.02.2008

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
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Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

sexuelle Gesundheit in Berlin 4 – Hepatitis C in Berlin (akt.)

Die Hepatitis C ist nach dem Infektionsschutz-Gesetz melde- und übermittlungspflichtig.
Einen aktuellen Überblick über den Stand der Hepatitis-C-Infektionen in Deutschland gibt das RKI in seinem Epidemiologischen Bulletin (letzte aktuelle Hepatitis-C- Zusammenstellung für 2006 als pdf hier).

Berlin hat im bundesweiten Vergleich die höchste Inzidenz an Hepatitis C (starker An­stieg gegenüber Median 2001-2005). Liegt der Bundesdurchschnitt bei unter 10 Erstdia­gnosen pro 100.000 Einwohnern (Saarland am niedrigsten mit 3,7), so weist Berlin eine In­zidenz von 26,5 auf ((Quelle: RKI, Epidemiologisches Bulletin Nr. 49/2007, als pdf hier)).
Bei dieser hohen Inzidenz an Hepatitis C könnten neben einer höheren Präsenz gefährdeter Bevölkerungsgruppen (z.B. iv-DrogengebraucherInnen) allerdings auch unterschiedliche Test- und Meldeverhalten eine Rolle spielen.

Hepatitis C in Berlin nach Altersgruppen absolutHepatitis C in Berlin nach Altersgruppen relativIm Jahr 2007 wurden in Berlin 745 Fälle von Hepatitis C gemeldet, davon 448 bei Männern.
Der Anteil der Männer an den für Berlin gemeldeten Fällen liegt seit Jahren annähernd stabil bei 60%.
Auf die beiden Altersgruppen 30 bis 39 Jahre und 40 bis 49 Jahre entfällt die größte Zahl der Fälle.

Geschlecht 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
m 58 83 309 569 573 542 448
w 32 64 232 410 421 357 297
gesamt 90 147 541 979 994 899 745

gemeldete Hepatitis-C-Fälle in Berlin 2001 bis 2007 nach Geschlecht

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
0 – 9 1 1 3 3 5 2 3
10 – 14 0 0 1 7 0 0 2
15 – 19 0 5 15 17 23 9 3
20 – 24 5 6 44 49 59 38 31
25 – 29 5 17 40 80 81 75 58
30 – 39 29 37 129 220 226 206 151
40 – 49 20 45 124 267 242 249 214
50 – 59 14 8 59 115 124 144 118
60 – 69 8 10 51 88 92 63 63
Ab 70 8 18 75 133 142 113 102
summe 90 147 541 979 994 899 745

Altersbereich gemeldeter Hepatitis-C-Fälle in Berlin 2001 bis 2007
Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 05.02.2008

Die vorliegenden Zahlen geben leider keinen Aufschluss über den Umfang der sexuellen Übertragung von Hepatitis C. Zudem liegen leider keine Berlin-bezogenen Daten zum Umfang der Ko-Infektion von Hepatitis C und HIV vor.

Exkurs Hepatitis B
Die Hepatitis B spielt im Infektionsgeschehen scheinbar nur eine untergeordnete Rolle: : 2007 wurden in Berlin 67 Fälle gemeldet (Wochen 1 bis 52; Datenstand 19.12.2007 ((Quelle: RKI / Epidemiologisches Bulletin Nr. 03/2008) ) im Vergleich zu 70 Fällen im Vergleichs-Vorjahres-Zeitraum. Eine Datenabfrage (RKI survstat) nennt am 05.02.2008 68 Fälle, davon 46 bei Männern, 22 bei Frauen.

Eine Auswertung der KABaSTI-Studie ergab, dass ca. 70% der nach 1980 geborenen Teilnehmer gegen Hepatitis B geimpft sind ((Quelle: Ergebnisse der KABaSTI-Studie, in Epidemiologisches Bulletin Nr. 23/2007; kompletter Abschlussbericht hier)). Dies würde allerdings immer noch bedeuten, dass 30% nicht gegen Hepatitis B geimpft sind – und unnötig eine Infektion mit Hepatitis B riskieren.

Aktualisierung 05.02.2008: Stand Datenabfrage 05.02.2008
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Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

sexuelle Gesundheit Berlin 3 – Syphilis in Berlin (akt.)

Immer wieder gehen Artikel durch die Homo-Gazetten – ‚Syphilis-Welle in …‘. Aber wie sieht die Realität in Zahlen für Berlin aus?

Für die Jahre von 2001 bis 2007 schwankt die Zahl der in Berlin gemeldeten Syphilis-Fälle zwischen gut 300 und annähernd 700 pro Jahr. Ein Höhepunkt in diesem Zeitraum war das Jahr 2004 mit 663 Fällen, seitdem sinken die zahlen wieder (2007 bisher 362 für Berlin gemeldete Fälle).

Syphilis in Berlin 2001 bis 2007, absolutSyphilis in Berlin 2001 bis 2007, relativBei der Verteilung der Fälle nach Risiken fällt ein vergleichsweise hoher Anteil an Männern die Sex mit Männern haben (MSM) auf. Inzwischen entfallen 80% aller Syphilis-Fälle auf diese Gruppe.
Für eine vergleichsweise große Gruppe (2007 immer noch 14,1%) liegen zudem keine Angaben zum Infektionsrisiko vor. Auch in dieser Gruppe dürften sich noch Fälle aus der Gruppe MSM ‚verbergen‘.

Wie bei HIV ist dabei folgendes zu beachten: es handelt sich um Melde-Zahlen, die keine direkten Aussagen über den Infektionszeitpunkt zulassen. Zudem beziehen sich sämtliche RKI-Daten auf den Wohn- bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort, nicht den Ort der Infektion (ein Kölner, der sich bei einem Wochenend-Besuch in Berlin mit Syphilis infiziert, sich aber an seinem Wohnort Köln behandeln lässt, würde als ‚Kölner Fall‘ registriert werden) sowie den Diagnosezeitraum basierend auf dem Diagnosemonat, nicht auf den Infektions-, Erkrankungs- oder Meldezeitraum.
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Risikogruppe 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
unbek. 138 185 153 150 100 92 57
hetero 22 26 32 54 20 36 24
MSM 158 262 429 457 445 443 323
MTCT 0 0 0 2 0 0 0
gesamt 318 473 614 663 565 571 404
Anteil relativ
unbek. 43,4% 39,1% 24,9% 22,6% 17,7% 16,1% 14,1%
hetero 6,9% 5,5% 5,2% 8,1% 3,5% 6,3% 5,9%
MSM 49,7% 55,4% 69,9% 68,9% 78,8% 77,6% 80,0%
MTCT 0,0% 0,0% 0,0% 0,3% 0,0% 0,0% 0,0%

Tab.: gemeldete Syphilis-Fälle Berlin nach Risikogruppen, 2001 bis 2007 ((Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 05.02.2008))

Ein Teil der gemeldeten Syphilis-Fälle sind dabei keine erstmaligen Infektionen, sondern Re-Infektionen (erneute Syphilis-Infektion nach vorheriger erfolgreich behandelter Syphilis).
Das RKI hat bereits bei der Beurteilung der Situation 2006 darauf hingewiesen, dass der Anteil der gemeldeten Syphilis-Fälle, der vom Arzt als Re-Infektion eingeordnet werde, in den Großstädten Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt bei 50% liege ((Syphilis in Deutschland im Jahr 2006 und Trends seit 2001, in: Epidemiologisches Bulletin 29/2007, als pdf online hier)). Das RKI vermutet, dass hinter der hohen Rate an Reinfektionen auch in steigendem Umfang unzureichend behandelte Syphilis-Fälle (gerade auch bei gleichzeitiger HIV-Infektion) verbergen könnten.

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Zahlen von 500, gar über 600 Syphilis-Fällen pro Jahr in Berlin mögen auf den ersten Blick enorm hoch erscheinen. Ein Blick in die jüngere Geschichte relativiert dies vielleicht ein wenig.

Syphilis Fälle Berlin 1971 - 2005Wie die nebenstehende Abbildung des RKI deutlich macht, waren Ende der 1970er Jahre weitaus höhere Syphilis-Fallzahlen in Berlin zu vermelden (bis zu annähernd 1.400 Fällen im Jahr 1978). Dies soll die aktuellen Fallzahlen nicht verharmlosen, wohl aber in ihrer Höhe einordnen helfen. (Grafik (c) RKI ((Quelle: Meldungen von Syphilis in Berlin 1971 bis 2005, www.rki.de)) ).

Annähernd 1.400 Fälle von Syphilis wurden in Berlin Ende der 1970er Jahre gemeldet (gesamt, knapp 1.000 bei Männern). Damals wurden Spitzenwerte der Inzidenz von Syphilis bei Männern in Berlin von über 110 Fälle pro 100.000 Einwohnern erreicht. Altersmäßiger Schwerpunkt war auch damals schon die Gruppe der 30- bis 40Jährigen.
Ein starker Rückgang der Syphilis-Fallzahlen folgte dann Ende der 1980er Jahre bis Ende der 1990er Jahre, vermutlich auch in Folge der Aids-Krise. Zu einem erneuten Anstieg der Fallzahlen kam es ab dem Jahr 2000 (vermutlich 1997/98 von Hamburg ausgehend ((Aktuelle Syphilis-Situation in Deutschland, 15. Mai 2003 RKI, online als pdf hier)) ).
Bei den Zahlen ist allerdings zu berücksichtigen, dass ab 2001 mit dem Infektionsschutzgesetz eine Labor-Meldepflicht für Syphilis eingeführt wurde ((gemeldet werden vom Labor Geburtsmonat und -jahr sowie die ersten drei Stellen der Postleitzahl des Patienten)).

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Nach einem Höhepunkt 2004 sinken in den letzten Jahren die Zahlen der Syphilis-Fälle in Berlin. Allerdings ist der Anteil der MSM inzwischen auf über 80% der Fälle gestiegen.
Ein nennenswerter Anteil der Syphilis-Meldungen bezieht sich auf Re-Infektionen – Fälle von erneuter Infektion mit Syphilis. Sie könnten gerade auch bei gleichzeitig bestehender HIV-Infektion auch Hinweis auf ggf. nicht ausreichend therapierte frühere Infektionen sein.

Aktualisierung 05.02.2008: Stand Datenabfrage 05.02.2008

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
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Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

sexuelle Gesundheit Berlin 2 – HIV-Neuinfektionen in Berlin

In Berlin fanden im Jahr 2007 ca. 460 HIV-Neuinfektionen statt (ca. 400 bei Männern, ca. 60 bei Frauen). Zu 88% fanden die HIV-Neuinfektionen bei Männern statt, die Sex mit Männern haben, zu 11% durch heterosexuelle Kontakte und zu 1% durch iv-Drogengebrauch. ((Quelle: „HIV/AIDS in Berlin – Eckdaten“, Epidemiologische Kurzinformation des Robert-Koch-Instituts, Stand Ende 2007, als pdf online hier))

Was führt zu dieser Zahl an Neu-Infektionen, besonders in der Gruppe der Männer die Sex mit Männern haben?

„Der Hauptgrund für steigende Infektionszahlen bei Schwulen liegt nach Einschät­zung Michael Bochows … darin, dass ein Zehntel der Schwulen häufig Risiken eingeht und zu­gleich immer mehr Schwule mit HIV leben.“ ((„Die neue Bochow-Studie: safer Sex besser als gedacht“ in: Siegessäule extra Welt-Aids-Tag 2007, S.5))

Wie groß ist diese Gruppe, die ‚häufig Risiken eingeht‘?
„Insbesondere der Anteil der für die Dynamik von sexuell übertragenen Infek­tionen beson­ders relevanten Teilnehmer mit sehr hohen Partnerzahlen ist in den letzten 9 Jahren rückläufig und lag zuletzt bei 7% (bezogen auf MSM ab 25 Jahren in Großstädten; bei Jüngeren … ist dieser Anteil noch deutlich niedri­ger“. ((Bochow et al.: Wie leben schwule Männer heute (2007), S.10))
Dies gilt scheinbar auch für Berlin: „7% der Befragten aus Berlin … geben an, im Jahr vor der Befragung mit mehr als 50 un­terschiedlichen Partnern Sex gehabt zu haben. Die durchschnittlich höchsten Partnerzahlen haben MSM zwischen 30 und 44 Jahren“. ((Bochow et al.: Wie leben schwule Männer heute (2007), S.5))

Neben dem Merkmal ‚hohe Partnerzahl‘ bemerkt Bochow noch ein weiteres:
„Ungeschützter Analverkehr ist – insbesondere bei HIV-positiven MSM – in ho­hem Maße mit diesem Konsummuster [häufiger oder regelmäßiger Konsum von Party­drogen] verbun­den.“ ((Bochow et al.: Wie leben schwule Männer heute (2007), S.10)) Diesen hohen Anteil kann eine RKI-Studie (s.u.) allerdings nicht bestätigen.

Doch es scheint auch Informations-Defizite zu geben: Die Chancen z.B., die eine erfolgreiche Therapie auch zur Reduzierung des Infekti­onsrisikos bietet, sind bisher nur wenig bekannt: „95% aller Befragten – und auch 95% aller HIV-positiven Teilnehmer – [geben an, der Aus­sage; d.Verf.] … dass das Virus unter antiretroviraler Therapie nicht mehr übertragen wer­den kann, nicht zuzustim­men.“ ((Bochow et al.: Wie leben schwule Männer heute (2007), S.7))

Interessante Ergebnisse, wie und warum sich Menschen in Berlin heute mit HIV infizieren, hat eine Pilotstudie des Robert-Koch-Instituts (RKI) geliefert.
Im Rahmen einer vom Bundesgesundheitsministerium finanzierten Pilotstudie hat das RKI Daten zu Wissen, Einstellungen und Verhalten von Menschen untersucht, bei denen eine frische HIV-Infektion festgestellt wurde. Die Pilotstudie wurde in Berlin durchgeführt (und wird aufgrund der Ergebnisse der Pilotstudie jetzt als reguläre Studie über drei Jahre (ab November 2007) bundesweit fortgesetzt).

Untersucht werden konnten 123 Personen und ihre Daten (= 26% der HIV-Neu-Diagnosen im Untersuchungszeitraum in Berlin). 90% von ihnen waren Männer die Sex mit Männern haben (MSM). 67% der MSM in der Studie gehörten zur Gruppe der 21- bis 29Jährigen. Über 50% hatten sich vor dem jetzigen positiven Testergebnis bereits früher auf HIV testen lassen.
Das Wissen zum aktuellen Stand der HIV-Epidemie sowie zu HAART (hochwirksame antiretrovirale Therapie) war bei den in der Studie untersuchten MSM gut.

Als vermutetes Infektionsereignis wurde von den MSM in der Studie zu 46% anonyme sexuelle Kontakte angegeben, 17% sexueller Kontakt mit dem festen Partner oder Bekannten (15%) sowie 7% bei einer neuen Beziehung.

Über 90% der teilnehmenden MSM gaben an, in den letzten 9 Monaten vor dem Test ungeschützten Sex gehabt zu haben (80% oral, 60% anal). 19% gaben dabei an, ungeschützten Sex mit einem Partner gehabt zu haben, von dem sie wussten, dass er HIV-positiv ist.

Der häufigste Grund, im konkreten Fall kein Kondom zu verwenden (von dem 90% angaben, es immer dabei zu haben), lag in der subjektiven Risiko-Einschätzung. Die am häufigsten genannten Gründe dabei: „ich glaubte, dass für mich kein Ansteckungsrisiko bestand“, „ich hoffte, es würde schon nichts passieren“, „ich ging davon aus, dass mein Partner nicht HIV-infiziert sein kann“ sowie „ich dachte nicht, dass bei dem, was wir machten, ein Übertragungsrisiko bestand“. Hingegen gaben nur 6% Alkohol und/oder Drogen als beteiligt an, 17% Probleme bei der Kondombenutzung (Erektionsprobleme) sowie ebenfalls 17%, die Entscheidung ob ein Kondom verwendet wird an den Partner delegiert zu haben.

Die untersuchten MSM hatten ein recht gutes Wissen über mögliche Infektionsrisiken. Allerdings wurden auch einige Fehl-Wahrnehmungen von Risiken deutlich: lediglich 60% meinten z.B. , eindringender Analverkehr (‚aktive‘ Rolle) ohne Kondom sei ein Risiko, und nur 55% meinten dies bei aufnehmendem Analverkehr (‚passive‘ Rolle) ohne Ejakulation.

Ein zusammenfassender Bericht über die Ergebnisse der Pilotstudie findet sich im Epidemiologischen Bulletin des RKI (Ausgabe 01/2008).

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In der RKI-Studie waren zu einem besonders hohen Anteil junge MSM der Altersgruppe von 21 bis 29 Jahren betroffen (wesentlich höher als in den gesamten Falldaten, siehe HIV/Aids in Berlin).
Zur Frage, ob Drogenkonsum bei ungeschütztem Analverkehr eine wesentliche Rolle spielt, liegen scheinbar widersprüchliche Einschätzungen vor.
Offensichtlich scheint allerdings zu sein, dass Informations-Defizite vorliegen und subjektive Risiko-Einschätzungen z.T. unzutreffend getroffen werden. Selbst bei allgemein gut informierten MSM gibt es Fehl-Einschätzungen von Risiken in konkreten Situationen (Analverkehr aufnehmend / eindringend). Zudem ist die Bedeutung einer wirksamen Therapie für die Infektiosität scheinbar nur unzureichend bekannt.
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Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
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Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

Homo-Mahnmal fertiggestellt

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen ist endlich fertiggestellt.

Lange drehte sich der Streit um die Frage „Küssende – aber welche?“ Dann geschah lange Zeit zumindest sichtbar – nichts. Und dann lange Zeit der Status „nun wird aber gebaut“ … und gebaut … und gebaut … und nun ist’s fertig.

Derzeit ist das Denkmal noch ‚verbrettert‘ (siehe Fotos). Die Einweihung ist für das Frühjahr geplant.
Homo-Mahnmal 01Homo-Mahnmal 02Homo-Mahnmal 03

sexuelle Gesundheit in Berlin 1: HIV / Aids in Berlin (akt.)

Ende des Jahres 2007 lebten ca. 10.400 Menschen mit HIV in Berlin, davon 9.500 Männer, 900 Frauen und 30 Kinder. Etwa 8.000 der 10.400 Berliner HIV-Positiven gehören zur Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), ca. 1.200 sind DrogengebraucherInnen, etwa 450 stammen aus sog. Hochprävalenz-Regionen und ca. 700 haben sich über heterosexuelle Kontakte infiziert. ((Quelle: „HIV/AIDS in Berlin – Eckdaten“, Epidemiologische Kurzinformation des Robert-Koch-Instituts, Stand Ende 2007))

Etwa 250 in Berlin lebende Menschen erkrankten 2007 neu an Aids, 210 davon Männer. Etwa 100 HIV-Infizierte verstarben 2007 in Berlin. ((Quelle: „HIV/AIDS in Berlin – Eckdaten“, Epidemiologische Kurzinformation des Robert-Koch-Instituts, Stand Ende 2007))

Die Gesamtzahl der HIV-Infizierten in Berlin seit Beginn der HIV-Epidemie beträgt ca. 14.700. Etwa 6.300 von ihnen sind seit Beginn der Epidemie an Aids erkrankt; etwa 4.300 an den Folgen von Aids verstorben. ((Quelle: „HIV/AIDS in Berlin – Eckdaten“, Epidemiologische Kurzinformation des Robert-Koch-Instituts, Stand Ende 2007))

gemeldete HIV-Fälle Berlin 2001 - 2007Die Gesamtzahl der gemeldeten HIV-Fälle in Berlin liegt nach einem Anstieg von 2001 bis 2004 seit einigen Jahren auf nahezu gleichbleibendem Niveau. Bei den Zahlen für 2007 (derzeitiger Datenstand 4.2.2008) ist zu berücksichtigen, dass noch Nachmeldungen erfolgen werden, die endgültigen Zahlen also etwas höher als hier dargestellt liegen könnten.

Wichtig bei allen Zahlen: dargestellt wird für den Diagnose-Zeitraum, nicht den Infektions-, Erkrankungs- oder Melde-Zeitraum.

Wie verteilen sich diese Gesamtzahlen der HIV-Infektionen in Berlin auf die einzelnen ‚Risikogruppen‘?

Risikogruppe 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
unbek. 38 35 59 46 39 46 40
Blut 0 0 0 0 0 0 0
hetero 14 25 21 33 35 42 28
iv Drogen 11 10 5 5 4 4 5
MSM 124 136 203 264 282 272 301
MTCT 1 2 0 3 3 0 0
Hochpräv. 12 17 22 18 26 26 15
gesamt 200 225 310 369 389 390 389

Tab.1 gemeldete HIV-Fälle Berlin nach Risikogruppen ((Quelle (auch für alle im weiteren verwendeten Zahlen): Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 04.02.2008))

gemeldete HIV-Fälle Berlin 2001 - 2007 nach Risikogruppen relativ Bei der Analyse der Anteile, die die einzelnen Infektionswege an der Gesamtzahl der für Berlin gemeldeten Fälle haben (siehe nebenstehende Grafik), fällt auf, dass der Anteil des Infektionsweg „Männer die Sex mit Männern haben“ (MSM; in der Grafik brauner Bereich der Säulen) im letzten Jahr anstieg. 2007 betrug der Anteil der MSM an den gesamten gemeldeten HIV-Fällen in Berlin 77% (2006: 70%; 2005: 72,5%, 2004: 71,5%).
Der Anteil der durch iv-Drogengebrauch übertragenen HIV-Infektionen hingegen ist seit Jahren auf einem niedrigen Niveau.

In welchem Alter infizieren sich Menschen mit HIV? Die RKI-Daten beantworten diese Frage nicht (sie bilden nicht Infektionen, sondern Meldungen von Diagnosen ab) – sie geben aber Aufschluss darüber, in welchem Lebensalter Menschen sind, deren HIV-Infektionen gemeldet werden.

gemeldete HIV-Fälle Berlin 2001-2007 nach Altersgruppen relativgemeldete HIV-Fälle MSM Berlin 2001-2007 nach Altersgruppen relativNoch 2001 stellte die Gruppe der 30-39jährigen (in beiden Grafiken Säulenbereich hellblau) den mit Abstand größten Anteil der gemeldeten HIV-Fälle (Grafik links: 53,5% bei allen Fällen ; Grafik rechts: 56,5% bei MSM).
Seitdem hat der Anteil der Altersgruppe 40 bis 49 Jahre deutlich zugelegt (2001: 15,5% alle, MSM 14,5%, 2007: 26,5% alle, MSM 24,6%), gesunken ist der Anteil der Altersgruppe 30-39 (2001: 53,5% alle, MSM 56,5%, 2007: 32,1% alle, MSM 34,9%). Die Altersgruppe 21-29 Jahre (in beiden Grafiken gelber und unterer grüner Bereich) stieg von 18,5% (alle) bzw. 20,1% (MSM) im Jahr 2001 auf 26,2% (alle) bzw. 26,6% (MSM) im Jahr 2007.

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Etwa 59.000 Menschen leben Ende 2007 in Deutschland mit HIV. Circa 10.400 von ihnen allein in Berlin – damit hat die Stadt einen Anteil von 17,6%. An der Gesamtbevölkerung der BRD von 2,35 Mio. hat Berlin mit 3,404 Mio. Einwohnern (beides Ende 2006) nur einen Anteil von 4,13%.
Das bedeutet, dass in Berlin über das Vierfache der aufgrund des Bevölkerungsanteils zu erwartenden Zahl an HIV-Positiven lebt.
Den größten Anteil der jährlich gemeldeten neuen HIV-Fälle stellen mit deutlich über 70% Männer die Sex mit Männern haben. Allein 30% der HIV-Fälle bei MSM werden bei Männern in der Altersgruppe der 40- bis 49Jährigen diagnostiziert. Gleichzeitig steigt der Anteil der Diagnosen in der Altersgruppe der 21- bis 29Jährigen.

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Aktualisierung 04.02.2008: Daten aktualisiert auf Abfrage-Stand 04.02.2008

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
Intro
Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

sexuelle Gesundheit in Berlin

Berlin ist die Stadt in Deutschland mit den meisten Menschen mit HIV-Infektion. Auch über Wellen von Syphilis- oder Hepatitis-C-Infektionen in Berlin wird hin und wieder berichtet. Andererseits ist Berlin bekannt für seine auch in sexueller Hinsicht breite und variantenreiche Bandbreite an Möglichkeiten – und auch Zielort diversen Fremdenverkehrs, der auch eben diese sexuellen Freiheizten sucht.

Wie sieht es aus mit der sexuellen Gesundheit in Berlin, insbesondere für Männer, die Sex mit Männern haben?
Ist Berlin wirklich „Bad Bareback“, wie einige schwule Touristen gerne kolportieren? Und wie sieht es mit den (gesundheitlichen) Konsequenzen aus?

Ab morgen unternehme ich in einer kleinen Reihe Versuche einer Annäherung an das Thema sexuelle Gesundheit schwuler Männer in Berlin. Dabei geht es zunächst darum, als Diskussionsgrundlage die Fakten soweit bekannt zusammenzustellen.

Wie viele Menschen haben sich in Berlin mit HIV infiziert? Wie viele sind an Aids erkrankt? Welche Gruppen sind am stärksten vertreten?
Teil 1: HIV / Aids in Berlin

Wie viele Menschen infizieren sich in Berlin jährlich neu mit HIV? Aus welchen Gruppen? Was könnten Gründe für steigende Infektionszahlen in einigen Gruppen sein?
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin

Wie hat sich die Zahl der Syphilis-Infektionen in Berlin in den letzten Jahren entwickelt? Und wie die der Fälle von Hepatitis C?
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin

Ist Berlin wirklich ‚der Sündenpfuhl der Republik? Wie steht Berlin beim Thema sexuelle Gesundheit da im Vergleich zu anderen Metropolen?
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln

Lassen sich aus den Zahlen und Analysen Anhaltspunkte finden, wie sich die zukünftige Situation entwickeln, welche Anforderungen potenziell
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
Intro
Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

Nebenbei, das Thema ’sexuelle Gesundheit‘ umfasst selbstverständlich mehr als die wenigen hier behandelten Themen (die z.B. ‚F‘ wie Filzläuse, Feigwarzen bis ‚T‘ wie Tripper umfassen). Allerdings ist gerade die ortsspezifische Datenlage hier wesentlich schwieriger, so dass ich mich im ersten Angang auf diese Themen beschränkt habe.


Umsatz und Kondome

Wirte der schwulen Szene sollten an der Gesundheit ihrer Gäste interessiert sein, denkt man.

An Orten, an denen kommerzielle Betreiber Sex- Kontakte ermöglichen, sollten unentgeltlich Kondome und Gleitgel zur Verfügung stehen, denkt man auch.

Genau dies versucht u.a. die Selbstverpflichtung Berliner Wirte, wie sie die Initiative safety4freeumzusetzen bemüht ist. Zum Inhalt dieser Selbstverpflichtung gehört u.a. an erster Stelle „Kondome, Gleitmittel und ggf. Latexhandschuhe in angemessener Menge kostenlos anzugeben“.

Allein – die Wirklichkeit sieht (nicht nur in Berlin) teilweise immer noch trübe aus.

Da wird der interessierte Kunde in einer Berliner Sauna bei der Frage, ob er denn ein Kondom haben könne, erstaunt angeschaut und dann auf einen Automaten verweisen.
In einem anderen Betrieb wird (immerhin) auf Nachfrage die Verfügbarkeit von Cruisingpacks verwiesen, die käuflich erworben werden könnten.
Andere Gaststätten mit dunklen Räumen antworten auf die Frage nach Kondomen hingegen immer noch mit „du bist hier in Berlin“ oder „die musste dir schon selbst mitbringen“.

Es gibt auch in Berlin (in zunehmender Zahl) vorbildliche Betriebe, die Kondome und Gleitgel gratis anbieten – aber es gibt auch noch eine Reihe von Gastronomen, die hier krassen Nachholbedarf haben.

Ganz anders in Frankreich: Selbst in der Provinz- Großstadt Bordeaux findet sich schon an der Eingangstür zur Sauna der Hinweis, man habe die Präventionsvereinbarung (bzw. deren französisches Pendant) unterzeichnet:

BordeauxPraevention01
Der aufmerksame Betrachter erkennt zudem, dass dies eine gewisse Tradition hat, der Betrieb immerhin schon seit 2003 „dabei“ ist. Im Umkleidebereich findet sich dann auch der Text der vom Betrieb unterzeichneten Vereinbarung:

BordeauxPraevention02 Und – nebenbei – die französische Präventions- Vereinbarung ist ein landesweites (nicht lokales) Unterfangen, das von einem breiten Bündnis von ACT UP über die Aids-Hilfe (Aides) bis zur Vereinigung schwul-lesbischer Unternehmen getragen wird. Die Wirte-Vereinigung sorgt zudem dafür, dass den beteiligten Gastronomen Kondome und Gleitgel zu attraktiven Großabnehmer-Konditionen zur Verfügung stehen.

Eine Form von Engagement, die auch hierzulande als Beispiel dienen könnte?

Innovationskraft

In ihrem ständigen Bemühen um Verbesserung der Servicequalität im Allgemeinen und der Fahrgastinformation im Besonderen ist der S-Bahn Berlin jüngst ein weiterer Schritt gelungen.

Ein völlig neuartiges Informationssystem konnte nach nur siebzehnjähriger Entwickungszeit im Pilotversuch getestet werden. Mit diesem System soll zukünftig in richtungsweisender Art eine aktuelle und verlässliche Information sichergestellt werden.

Die Verantwortlichen sehen im neuen System einen neuen Beweis der Innovationskraft des Transportbetriebs.

S-Bahn-Info