Stadt Land Fluss

Deutschland ist föderalistisch strukturiert, im Gegensatz zu anderen Staaten wie z.B. (immer noch, wenn auch nachlassend) Frankreich. Das hat einige Vorteile, auch für den schwulen Mann.

Der kann von CSD zu CSD durch die Republik reisen, oder von Starkbierfest über Karneval zu Oktoberfest. Ein schwul-lesbisches Stadt-Land-Fluss sozusagen.
Und die Szenen jeder Stadt können sich bzw. ihre Stadt irgendwie für ‚die größte‘ halten, ihren speziellen Lokalpatriotismus pflegen, der zu den kuriosesten Blüten führt.

Manche Blüte erweist sich allerdings bei genauerem Hinsehen an der einen oder anderen Stelle als reichlich welk, könnte eine Auffrischung vertragen.

Viele Kölner Schwule halten ihre Stadt ja für den Nabel (oder den ‚geilsten Arsch‘) der Welt, nicht für Provinz. Ein großer Teil der Berliner Homoszenen lächelt da sicher milde oder amüsiert und denkt sich, na Berlin ist der Nabel der (schwulen) Welt, klar doch. Und Hamburg mokiert sich wahrscheinlich wieder, malt Schreckgespenster an die Wand, es werde benachteiligt, zu unrecht natürlich. Den Süden des Landes haben wir bisher ganz übergangen, und den Osten, den mittleren Südwesten und und und …

Allerdings, in einer Kategorie kann Köln in meinen Augen ganz klar punkten, und muss Berlin sich mit einem der hinteren Plätze bescheiden:
Was das schwule Saunaleben angeht – ganz klar Köln 5 Punkte, Berlin hingegen weit abgeschlagen…

Köln kann gleich mit vier Saunen aufwarten, davon mindestens zwei, die auch international mithalten können, der Phoenix und dem Badehaus. Die Phoenix zudem mit beispielhafter Umsetzung von Safer-Sex befördernden Konzepten – Kondome überall (nicht nur an der Theke, sondern dort wo benötigt) gratis erhältlich, und selbstverständlich auch Gel. Dazu noch eine Sauna (Vulkan), die sich auf das eher reifere Publikum spezialisiert hat und auf ihre Weise auch einen ganz eigenen Charme haben soll.

Hamburg dann irgendwie im Mittelfeld, mit immerhin zwei Saunen, eine davon auch mit überregionalem Format – zwar vermisse ich (ach, die Jugend) irgendwie ja immer noch ‚CU‘ oder ‚Pool‘, aber auch der Drache hat ja einiges Feuer …

Berlin hingegen? Saunen, die ihre besten Jahre längst hinter sich haben, in die kaum investiert wird, oder mit muffigem Personal. Eine wagt einen Neubeginn, über den auch eher zwiespältiges zu hören ist. Keine kann von Größe, Ausstattung und Präventionsaktivitäten her mit dem Kölner Standard mithalten. Insgesamt – an einem Schlechtwetter-Wochenende kann man auffällig viele schwule Berliner in einer Sauna in Leipzig treffen. Das sagt eigentlich genug über die Qualität des Berliner Saunalebens …

In Sachen ‚geilster Arsch der Welt‘ also in dieser Kategorie neidlose fünf Punkte für Köln … und Berlin stellt sich in die Ecke und schämt sich …

Nebenbei, bei dieser schwulen Nabelschau -wer hat die größte wichtigste bedeutendste schönste Homoszene des Landes- fällt mir wieder einmal ein, wie sieht das eigentlich bei Lesben aus, und bei Transgenders? Gibt es da auch einen derart kuriosen Wettbewerb? Einen Lokalpatriotismus Ă  la ‚wir haben aber die geilste Lesbenszene‘???

Überhaupt, früher in meiner Kindheit gab’s diese klasse Sendung im Fernsehen (nein, nicht ‚Einer wird gewinnen‘ …), diesen von Camillo Felgen moderierten Städtewettbewerb namens ‚Spiel ohne Grenzen‘. Wäre es nicht an der Zeit, diese Show wiederzubeleben und die Homos der vermeintlichen Zentren dieses Landes auf einander los zu lassen? Über die Disziplinen wird man sich ja sicher einigen können … und als Namen schlage ich ‚Schwul ohne Grenzen‘ vor (und melde mal gleich Titelschutz an 😉 )

An einem Tag im Museum …

… kann man viele interessante Dinge entdecken …

… Erwartetes:

Riemenschneider (Riemenschneider)

Inspirierendes:
Herkules (Herkules kämpft mit einem Kentaur, nach Giambologna (1529-1608))

Herrschaftliches:

Alexander (Kopf Alexander des Großen, um 211-235 n.Chr.)

Geschätztes:

Kant (Immanuel Kant)

Beschädigtes:
Vesperbild (Köpfe von einem Vesperbild, Prag um 1400; Gruppe bis auf die beiden Köpfe 1945 zerstört)

Spielerisches:
Kugelspiel (Kugelspiel, Konstantinopel 5. Jhdt.)

… und Amüsantes:
sitzender Knabe (sitzender nackter Knabe, Nürnberg um 1520)

… alles zu Entdecken im Bode-Museum.

aktuelle Desinformation

Manchmal wird man in dieser Stadt ja top-aktuell informiert, so wie hier:

Stadtplan unaktuell

Da schaut einen munter noch der Lehrter Güterbahnhof vom Plan an, der Hauptbahnhof ist in weiter Ferne, und vor dem Brandenburger Tor befindet sich doch tatsächlich ein Hindenburg-Platz.

Stadtplan unaktuell 02
Zur Erinnerung: ‚Hindenburg-Platz‘ – so wurde dieser Platz von 2.8.1934 bis ca. 1990 in West-Berlin genannt, die DDR sprach da vom ‚Platz vor dem Brandenburger Tor‘. Seit dem 19.6.2000 befindet sich hier der ‚latz des 18. März‘ zur Würdigung der Märzrevolution 1848 sowie der ersten freien Wahlen in der DDR am 18.3.1990

Alles im Berlin (Tiergarten) des Jahres 2007 …

Werbeterror

Nu is aber genug.

Ja, Werbung an sich mag ja okay sein, manchmal sogar nützlich, informativ oder unterhaltsam. Aber das ist nun wirklich zu viel.

Werbeterror 01

Werbeterror 02Eine ganze Station vollgekleistert mit Apfel- Werbung. Alles zugewerbt, nicht nur Werbeflächen, nein auch Böden, Wände, Säulen.

Das ist purer Werbeterror. Weg damit.
Oder gleich die ganze Station umbenennen in ‚Grüner Apfel‘?

Und wie nennen wir dann das Lifestyle-Planen-Krankenhaus in Mitte?

Wir schaffen das auch alleine …

Das Bundesverfassungsgericht hat am 19.10.2006 entschieden:
Berlin hat keinen Anspruch auf Finanzhilfen des Bundes und muss sich mit eigener Kraft von den hohen Schulden befreien. Na denn … wir schaffen das auch alleine!

Trotz? Ironie? Letzte Verzweiflung? Oder pure Satire?
Die Initiative Interaktive Demokratie http://www.idemokratie.de/ hat die Online-Spendenkampagne „Wir schaffen das auch alleine“ in’s Leben gerufen.

BerlinSpenden Mit Unterstützung des Hauptstadt-Blogs ruft iDemokratie (die auch schon bezaubernde Projekte wie „Schöner leben ohne Nazis“ initiierte) dazu auf, einen Euro (oder einen beliebigen höheren Betrag) auf ein Sammelkonto zu überweisen. Dafür darf Spenderin und Spender sich auf der Internetseite der Aktion http://www.1-euro-fuer-berlin.de mit einem Foto verewigen …

Die Initiatoren kündigen an „die Spenden werden von iDemokratie bis Weihnachten gesammelt und dann dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zusammen mit Ihren Anregungen für den Verwendungszweck des Geldes übergeben“.

Zeigen wir gemeinsam, dass Berlin Willen und Kraft hat, zu überleben, mit (auch für weniger Wohlhabende bezahlbarer) bunter Kultur, mit (auch für Studenten bezahlbaren) Universitäten …

Und, iDemokratie betont, diese Aktion ist kein Fake …

Fahrradsperre nachgehakt

Berlin ist eine fahrradfreundliche Stadt … ach das hatten wir ja schon. Aber nun gibt es Neuigkeiten.

Ich hab ja in den Perlen schon über die ominöse Sperre mitten auf dem Fahrradweg geschrieben (Kreuzung An der Urania / Kurfürstenstraße, für den der’s erleben möchte).

Ich hab inzwischen beim Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg per Email nach der Sinnhaftigkeit und etwaigen Behebung dieser Sperre gefragt und nach wenigen Tagen gestern eine Antwort erhalten.

Zunächst glaube ich an karabettistisches Talent des BA-Mitarbeiters, lese ich doch „Den geschilderten Radweg gibt es eigentlich nicht mehr“. Ah ja, und worauf fahre ich da gerade? Ist aber ein Missverständnis [auch wenn die Idee kabarettistischer Talente in den Bezirksämtern eine apparte Vorstellung wäre…].

Ich erfahre weiter, der Radweg „ist nur optisch noch erkennbar, wurde aber schon vor einigen Jahren als Radweg polizeilich abgeordnet. Der Radfahrer hat demnach die Fahrbahn zu benutzen“. [auch hübsch, ich dachte Abgeordnete sitzen im Roten Rathaus, sind nicht polizeilich und liegen auch nicht als Radweg in der Gegend. Verwaltungssprache ist was Schönes.]

Aber – es gibt Grund zur Hoffnung: „Vom Senat für Stadtentwicklung wurde jedoch für das Jahr 2007 der komplette Umbau des Verkehrsknotens An der Urania / Kurfürstenstraße eingeplant. Damit wird für den Radfahrer diese Radwegführung auch baulich so angelegt, dass er aus Richtung Charlottenburg kommend automatisch auf die Fahrbahn geleitet wird.“

Na immerhin – dann klärt sich das mit der Sperre. Schade nur, dass nicht statt der Weiterleitung auf die Fahrbahn ein Radweg eingeplant ist … aber das ist sicher wieder ein anderes Thema.

[Nachtrag 17.10.2007: anlässlich der Blogumstellung, beim erneuten Lesen des Artikels, bleibt anzumerken, bisher hat sich an der Kreuzung in Sachen Radweg nichts getan …]

Bonbons statt ‚dfg‘

Statt einem Vortrag über Porno stehe ich heute vor einem Stapel Bonbons.Torres03 Eigentlich – ja eigentlich hatte ich heute zum Symposium „Post Porn Politics“ in der Volksbühne gehen wollen. Die Lecture „Poor guys do it better“ hören, untertitelt „Ethnic gay pornography and class“. Vielleicht auch noch Bruce LaBruce mit seiner Presentation (und sicher rhetorisch gemeinten Frage) „But is it art?“.
„Poor guys“ ist jedoch leider auf morgen verschoben, den Ersatz-Vortrag über „Penis-Ersatz“ muss ich mir wirklich nicht antun, erst recht nicht für 6,-€ Eintritt.

Spontan fahre ich stattdessen zum Hamburger Bahnhof (für die nicht-Berliner Leser: der ehemalige Bahnhof ist seit 10 Jahren Museum für Moderne Kunst). Die Felix Gonzalez-Torres Retrospektive hatte ich mir doch eh ansehen wollen,warum nicht jetzt.

Gleich am Eingang: ein riesiges Quadrat goldfarben eingepackter Bonbons. Einige Besucher stehen irritiert davor, andere belustigt. Ein kleiner Junge nervt seine Mutter offensichtlich damit, eines der Bonbons zu wollen. „Halt den Mund, das ist Kunst“, höre ich sie sagen.

Felix Gonzalez-Torres, US-amerikanischer Konzept-Künstler, starb 1996 an den Folgen von Aids. Die NGBK, die einige seiner Werke schon Ende der 80er Jahre erstmals in Deutschland zeigte (im Rahmen der Ausstellung „Vollbild Aids“), veranstaltet eine umfassende Retrospektive.

Torres02Eine Vielzahl Arbeiten aus Werk- Gruppen erwarten mich: „candy pills“ neben „stacks“, Stapel von Postern in unlimitierter Auflage. Puzzle-Bilder, Lichterketten, Fotografien und Schrift-Arbeiten auf den Museumswänden.
Häufig: das Nebeneinander des Banalen und des Intensiven, des Alltäglichen und des Außerordentlichen, des Privaten und des Öffentlichen. Blutwerte und Krieg in einem fernen Land. In erschreckender, irritierender Dichte, Aufeinanderfolge.

Die Auseinandersetzung mit Aids ist dabei immer wieder Thema seiner Arbeiten, sei es in den Bonbon-Bergen, Fotografien oder Wort-Arbeiten. Die Geschichte hinter den Kunstwerken wird nicht erzählt, es bleibt Aufgabe des Besuchers sie sich zu erschließen.

Vielen Besuchern allerdings scheint das kaum zu gelingen, habe ich das Gefühl. Sie schlendern durch die Ausstellung, klauben Plakate zusammen und naschen Bonbons (auch der kleine Junge kommt bald doch noch auf seine Kosten) – nutzen jedoch kaum die in einem abgetrennten Bereich (dem „Archiv“) bereitgestellten Hintergrund-Informationen.

Torres04 So erfahren sie wahrscheinlich nicht, was hinter den Lichterketten steckt (O-Ton: ‚Das ist aber hübsch, wollen wir das bei uns auch so machen im Treppenhaus?‘). Nichts über die Explosion von Information und gleichzeitige Implosion von Bedeutung. Oder dass eine 60-Watt-Birne genau die gleiche Wärmemenge abstrahlt wie ein menschlicher Körper. Dass einer der Bonbon-Berge („untitled“, (Ross), 1991) zu Ausstellungsbeginn gut 79 Kilogramm wog, was dem Gewicht seines verstorbenen Lovers Ross entspricht.

Was für ein bezaubernder, metaphysisch anmutender Gedanke. Ich nehme ein Bonbon, mit dem Lutschen wird Ross, wird ein Stück von Gonzalez-Torres‘ Kunstwerk Teil von mir. Das Kunstwerk wird so einerseits immer weniger im Verlauf der Ausstellung – doch auch wieder nicht. Den Anweisungen des Künstlers folgend (‚endloser Vorrat‘) ist spätestens mit jeder neuen Ausstellung ein neuer Bonbon-Berg vorhanden.
Verschwinden und Unmöglichkeit des Verschwindens gleichzeitig.
Was für ein Umgang mit Trauer Erinnern Verlust.

Nachspiel: steht ansonsten eher „Bitte nicht berühren“ auf den Schildern im Museum, gern auch mit Ausrufezeichen, finde ich hier einen anderen Hinweis:

Torres01

Küssende! Aber welche ?

Können und wollen Lesben sich in einem Mahnmal wiederfinden, in dem zwei sich küssende Männer dargestellt werden? Dies schien die zentrale Frage einer Diskussion über das geplante Denkmal für die in der NS-Zeit verfolgten und unterdrückten Lesben und Schwulen zu sein.

Berlin bekommt ein Homo-Denkmal. – Nein genau das nicht! Aber dazu später mehr.

Auf einem Grundstück im Tiergarten direkt gegenüber dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas soll erinnert werden an in der NS-Zeit verfolgte und unterdrückte Lesben und Schwule. Der Bundestag hat einen entsprechenden Beschluss zur Realisierung bereits gefasst. Der künstlerische Wettbewerb ist abgeschlossen, seit Januar 2006 stehen die Sieger fest: die beiden dänischen bzw. norwegischen Künstler Michael Elmgreen und Ingar Dragset. Beide leben und arbeiten in Berlin.
ElmgreenDragset

Auf einer erfreulich gut besuchten Diskussionsveranstaltung (auf Einladung des Lesben- und Schwulenverband LSVD) am 28. August 2006 wurde intensiv über das geplante Projekt www.gedenkort.de diskutiert. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob und wie auch Lesben in dem Denkmal präsent sind.
Im Vorfeld der Diskussion hatte die Zeitschrift Emma mit einer nicht unumstrittenen Unterschriftenaktion protestiert „Mal wieder die Frauen vergessen“ http://www.emma.de/homo_denkmal.html.

Die einer kurzen Runde von Eingangsstatements sich anschließende Diskussion entzündete sich (sehr zum Erstaunen der Künstler) nicht an der äußeren Gestaltung, sondern fast ausschließlich am Inhalt der beinhalteten Videoprojektion – küssen sich da zwei Männer, zwei Frauen oder zwei was?

Ein Kerngedanke der Kritik war, dass das Denkmal in seiner derzeitigen Konzeption ein weiterer Ausdruck der jahrelangen Nichtwahrnehmung lesbischer Frauen sei und einen Rückfall hinter schon Erreichtes darstelle. Zudem sei nicht berücksichtigt, dass Frauen in der NS-Zeit nicht in gleicher Weise verfolgt und unterdrückt wurden.
Elmgreen/Dragset betonten daraufhin, es sei nicht bedeutend, ob sich zwei Männer oder zwei Frauen küssten. Das Fenster sei ein Bild, eine intime Darstellung zweier sich küssender gleichgeschlechtlicher Personen. Wichtig sei diese Intimität, der Kuss, nicht die Küssenden. Es ginge nicht um Repräsentation (die zwei Küssenden können niemals alle, nicht einmal alle Schwulen repräsentieren), sondern darum, ein Bild von Intimität und Zärtlichkeit zu schaffen – deswegen auch der ununterbrochene „ewige Kuss“.

Warum in dem seit 1992 (!) laufenden Prozess der Denkmal-Planung die massive inhaltliche und formale (z.B. Besetzung der Jury) Kritik von Seiten einiger Lesben allerdings erst jetzt, in einer relativ späten Phase eingebracht wird, blieb unklar.

Letztlich stelle ich mir mittenmang etwas frustriert die Frage, wäre die letzte Provokation -auch für uns selbst-, die definitive Irritation des Betrachters nicht eigentlich ein sich küssendes Hetero-Paar?

Leider ließen im Verlauf der überwiegend konstruktiven Diskussion einige der TeilnehmerInnen etwas an Respekt für den künstlerischen Schöpfungsprozeß und die künstlerische Freiheit vermissen. Und die beiden anwesenden Künstler mussten sich ausgiebig in Geduld üben

Trotz einer nicht immer zielführend wirkenden Diskussionsleitung zeichnete sich gegen Ende eine gemeinsame Zielsetzung der Mehrzahl der Diskussions-TeilnehmerInnen ab. Das Denkmal solle durch ein künstlerisch gestaltetes Informationsmedium ergänzt werden, darauf einigten sich alle schnell. Zum Kernproblem formulierte die Kabarettistin Maren Kroymann bereits recht früh die mögliche Kompromiss-Linie: wichtig ist eine Irritation beim Betrachter zu erzeugen, sind da Männer, die sich küssen? Oder Frauen? Oder Transsexuelle? Transgender?
Und, es geht um Lesben und Schwule. Deswegen (siehe oben): Berlin bekommt kein Homosexuellen-Mahnmal, sondern ein Lesben- und Schwulen-Monument.

Ein Kompromiss, dank einiger sehr qualifizierter, kritisch-konstruktiver Statements, und vor allem auch dank der souveränen Dialogbereitschaft und Geduld von Elmgreen/Dragset.

Und nebenbei: auf dem Weg in den ‚Bierhimmel‘ gegenüber denke ich, wie schön wäre es, eines fernen Tages, aus solch einer Diskussionsrunde zu kommen, in der über eine künstlerische Form des Gedenkens an all unsere an Aids Verstorbenen diskutiert wurde. Zukunftsträume. Schäume?

Berlin wählt – Kandidaten-Watch

Berlin wählt – und kann im Vorfeld erstmals auch per Internet Politiker befragen.

Was bei der Bundestagswahl 2005 sowie den Landtags-Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt bereits ein großer Erfolg war, steht nun auch den Berlinern und Berlinerinnen im Vorfeld der Wahlen zum Abgeordnetenhaus (am 17. September 2006) zur Verfügung: auf ww.abgeordnetenwatch.de können sie Politikern Fragen stellen – die von diesen, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, auch rege beantwortet werden.

Laut Angabe der Organisatoren, u.a. des Vereins Mehr Demokratie unterstützt von der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin, wurden bei bisherigen Wahlen bis zu 86% der Fragen an die Politiker von diesen beantwortet. Allein zur Bundestagswahl wurde ww.abgeordnetenwatch.de über 2,6 Mio fach abgerufen. Eine der „antwortfaulsten“ Politikerinnen damals: Angela Merkel – sie beantwortetet keine einzige der von Bürgerinnen und Bürgern an sie gestellten Fragen.

Zur Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus sind nicht nur Fragen an die Spitzenkandidaten möglich, vielmehr können online Fragen an alle Kandidaten aller Wahlkreise gerichtet werden.

Also auf, Chance nutzen – und die Kandidaten, die dich, mich vertreten wollen, fragen, was ist mit dem Kinderspielplatz um die Ecke, was mit der versprochenen Verkehrsberuhigung, und warum wird das Aids-Beratungsprojekt für MigrantInnen nicht unterstützt? Direkte Demokratie, Einfluss nehmen – nie war es leichter als mit ww.abgeordnetenwatch.de … (die Site war übrigens in der Riege der letzten 30 Kandidaten für den Grimme online Award)

P.S.: die Fortsetzung von Kandidaten-Watch ist Abgeordneten-Watch – beobachten, wie die gewählten Abgeordneten sich verhalten, z.B. bei Abstimmungen, Fragen stellen, selbst ein Auge darauf haben, wer uns wie im Parlament vertritt. Leider bisher nur in Hamburg – hoffentlich auch bald für Berlin?

Kaczynski in Berlin

Donnerstag, 9. März 2006
Der polnische Staatspräsident Kaczynski ist in der Stadt, hält zum Abschluss seines Staatsbesuchs auf Einladung des Instituts für Europarecht der Humboldt-Universität (HU) eine Rede über das „Solidarische Europa“ im Audimax.

Genau jener Kaczynski, der sich schon als Bürgermeister von Warschau bei Schwulen und Lesben nicht nur in Polen einen zweifelhaften Ruf u.a. dadurch erworben hat, dass er Schwulen- und Lesbendemos verboten hat, oder Homosexualität auf alle mögliche Art und Weise verunglimpfte. Inzwischen hat er es zum Staatspräsidenten gebracht, irritiert selbst konservative deutsche Politiker durch zutiefst europaskeptische, manchmal europafeindliche Äußerungen.
Demo Kaczynski 01

Das Audimax, in dem Kaczynski sprechen soll, ist abgeriegelt, einzig eine Videoübertragung im Kinosaal ist offiziell zugänglich. Nach einer vom LSVD initiierten Demonstration vor dem Haupteingang der HU verschaffen sich einige schwule Aktivisten dennoch Eintritt in das Audimax, protestieren lautstark gegen die Verweigerung von Grundrechten für Schwule und Lesben in Polen. Hindern Kaczynski zunächst erfolgreich am Reden, ein Redakteur der ‚Siegessäule’ wirft ihm auf dem Podium vor, er „verhetze das polnische Volk, er schüre den Katholizismus“ (was auch immer er damit meinte).

Demo Kaczynski 02

Nach seiner Rede, aufgrund einer Frage aus dem Auditorium, kommt Kaczynski nicht umhin, sich doch noch zur Homosexualität zu äußern. Die Förderung der Homosexualität, meint er, führe doch in letzter Konsequenz dazu, dass die Menschheit aussterben müsse.