ACT UP Paris: Co-Präsident Stéphane Vambre zurück getreten (akt.)

Stéphane Vambre, Co-Präsident von ACT UP Paris, ist bereits am 16. September 2010 überraschend von seinem Amt zurück getreten, wie erst gestern bekannt wurde. „Unser Handeln ist von Wut aus Prinzip geprägt, nicht mehr von einer Wut der Kranken“, begründete Vambre seinen Schritt:

„Nos actions sont motivées par une colère de principe et non plus par une colère de malades.“

Seine Absicht sei nicht, einen ACT UP – internen Konflikt zu verursachen. Er habe sich lange Gedanken gemacht über seine Situation und die Funktionsweise von ACT UP Paris und seine Entscheidung reiflich überlegt.

Die Wut, die eigentlich die Aktionen von ACT UP treiben solle, richte sich derzeit eher nach innen. Statt des gemeinsamen Kampfes für die Rechte der Infizierten und Kranken stünden heute oft persönliche Ambitionen im Vordergrund. Demgegenüber sei es wichtig, diese Wut zukünftig wieder gegen die eigentlichen Gegner zu richten. Dazu forderte er eine demokratische Debatte.

Vambre kritisierte deutlich Art und Stil interner Prozesse. ACT UP sei entstanden als etwas wie die ‚Gewerkschaft der Kranken‘ – doch heute sei die Stimme HIV-Positiver oft kaum noch zu hören, werde gar verspottet. „Unser Handeln ist von Wut aus Prinzip geprägt, nicht mehr von einer Wut der Kranken.“

Der 37jährige Vambre, der öffentlich als „HIV-positiv und an Aids erkrankt“ auftritt und sich seit vier Jahren bei ACT UP engagierte, war seit März 2009 Co-Präsident von ACT UP Paris. Am 11. April 2010 erst war er in einer Wiederwahl als Co-Präsident bestätigt worden. Er war gleichzeitig (bezahlter) Verwaltungs-Leiter der Gruppe. Die Pariser ACT UP Gruppe ist die älteste und einer der wenigen in Europa noch existierenden ACT UP Gruppen.

ACT UP Paris kommentierte Vabres Schritt in einer ersten Stellungnahme, man verstehe nicht, weswegen es nicht zu einer einvernehmlichen gemeinsamen Lösung gekommen sei. Eine offizielle Reaktion soll in den kommenden Tagen folgen wurde am 12.10. bekannt. Dort benennt ACT UP Paris zahlreiche Handlungsfelder, denen man die Priorität einräumen müsse, „im Kontext einer katastrophalen Politik“, ohne weiter konkret auf den Rücktritt einzugehen.

weitere Informationen:
Stephane Vambre im Tetu-Interview 03.05.2010: Stéphane Vambre: «Même si on est malade, on peut se dépasser dans l’effort» (etwa: „Auch wenn man krank ist, kann man sich Mühe geben“)

Yagg 05.10.2010: Exclusif: Stéphane Vambre quitte ses fonctions de co-président d’Act Up-Paris
Yagg 06.10.2010: Démission de Stéphane Vambre, co-président d’Act Up-Paris: « Nos actions sont motivées par une colère de principe et non plus par une colère de malades »
Yagg 12.10.2010: Act Up-Paris réagit officiellement à la démission de Stéphane Vambre de ses fonctions de co-président
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Solidays – 3 Tage Festival gegen Aids

An diesem Wochenende finden in Paris die ‚Solidays‘ statt – ein dreitägiges Festival mit über 200 Künstlern, die sich gegen Aids und für Menschen mit HIV engagieren.

Paris Longchamps, 25. bis 27. Juni 2010 – drei Tage, 200 Künstler, über 80 Konzerte, über 200.000 erwartete Zuschauer. In Paris findet an diesem Wochenende ein Aids-Benefiz der besonderen Art statt, „für das Leben und für die Solidarität“.

Es soll wieder eine „erogene Zone der Solidarität“ werden, wie die Veranstalter das Konzert 2008 bezeichneten. 160.000 Zuschauer wohnten dem dreitägigen Spektakel damals bei.

Die ‚Solidays‘ wollen der finanziellen Krise zahlreicher Aids-Organisationen begegnen – in Frankreich reduzieren zahlreiche Kommunen und Departements ihre Unterstützung für Aids-Organisationen.

Solidays (Screenshot)
Solidays (Screenshot)

Die ‚Solidays‘ finden 2010 bereits zum zwölften Mal statt. Ins Leben gerufen wurden sie von der Organisation ‚Solidarité Sida‘ (Aids-Solidarität).

Seit ihrer Gründung konnten die ‚Solidays‘ bisher insgesamt 10,6 Millionen Euro erwirtschaften, die für HIV-Prävention sowie für die Unterstützung HIV-Positiver eingesetzt werden.

weitere Informationen:
solidays
Solidarité Sida
Tetu 24.06.2010: Solidays 2010: record d’affluence en vue pour le festival contre le sida
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Robert Badinter – oder die Würde der Menschen

„Es gibt kein ‚aber‘!“ – Mit diesen Worten steht Robert Badinter immer wieder ein für die Unbedingtheit des Verbots der Todesstrafe. 1981 hat Frankreich weitgehend ihm, damals Justizminister unter Mitterrand, die Abschaffung diskriminierender Gesetze gegen Homosexuelle zu verdanken.

Erst jüngst jährte sich in Deutschland ein beinahe schon vergessenes Jubiläum: am 11. Juni 1994 trat die Abschaffung des §175 in Kraft. Auch Frankreich hatte seine gegen Homosexuelle gerichteten Gesetze. Und einen Mann, der bei der Abschaffung dieser (und anderer) Gesetze eine besondere Rolle hatte: der weit über Frankreich hinaus für seinen Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe bekannt gewordene Robert Badinter.

Zur Würdigung von Robert Badinter heute ein Gastbeitrag aus Frankreich von Manfred:

Robert Badinter – oder die Würde der Menschen.

Es gibt Momente, Eindrücke, die sich ein für allemal ins Gedächtnis eingraben: die außerordentliche Ansprache des französischen Justizministers Robert Badinter am 17. September 1981 vor der Nationalversammlung in Paris, in der er für die Abschaffung der Todesstrafe plädierte, gehört zu ihnen. Dass diese Rede „außerordentlich“ war, basierte nicht nur auf der ein für allemal einmaligen Persönlichkeit des Redners, sondern auch an dem Thema und der Heftigkeit der Debatten, von der wir uns heute nur schwer ein Bild machen können. *)

Dass ich dieser Persönlichkeit vor wenigen Wochen bei einem Spaziergang im Luxemburggarten in einer Wegbiegung geradezu in die Arme lief, war Anstoß, sich anderer seiner Engagements zur Verteidigung der Würde des Menschen, gleich in welcher Form, zu erinnern:

Robert Badinter Juni 2010
Robert Badinter im Jardin du Luxembourg, Paris, Juni 2010

Vor drei Jahren wurde der 25. Jahresstag gefeiert, an dem die von Präsident Mitterrand versprochene und von Robert Badinter eingeleiteten Wahl zur Abschaffung des unter dem Vichy-Regime herausgegebenen Gesetzes von der Nationalversammlung stattfand, das homosexuelle Verbindungen unter 21 Jahren mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu drei Jahren und einer Geldstrafe von 6 bis 20.000 Franken bestrafte, während solche von Heterosexuellen nur unter 15 Jahren verboten waren.

Zwei Fakten nur, die den lebenslangen, er wurde 1928 geboren, nie nachlassenden Kampf eines Mannes -in anderem Zusammenhang würde man von einem „Gerechten – d’un juste“ sprechen- zur Erhaltung und zugunsten der Unantastbarkeit der Menschenwürde verdeutlichen.

In den darauf folgenden Jahren, in denen er u.a. auch von 1986 bis 1995 Präsident des Verfassungsrates war, und bis heute hat er nicht nachgelassen sich um Gesellschaftsfragen zu sorgen, aufmerksam zu verfolgen, welchen Lauf unsere Gesellschaft nimmt – oder welchen Entgleisungen sie ausgesetzt ist.

Er hat die von Frankreich offizielle Unterbreitung einer Erklärung vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die „Allgemeine Straffreiheit bei Homosexualität“ – „Pour une dépénalisation universelle de l’homosexualité » mitgetragen. Überhaupt: Fragen welche die „Sitten“ betreffen („les moeurs“ würde man in hier Frankreich sagen) finden bei ihm immer ein offenes Ohr.  So ist es nicht selten, ihn von Zeit zu Zeit in einem Fernsehinterview zu sehen, oder ihm in einer Gesprächsrunde im Radio zu begegnen, in der er vor Tagen von einem Journalisten als „le sage des sages“ –der Weise unter den Weisen- vorgestellt wurde. Bei Grundsatzfragen wie z.B. die Erhaltung der Menschenrechte, die Unantastbarkeit der Menschenwürde scheint für ihn keine Diskussion möglich zu sein. Und das ist gut so. In einem kürzlichen Fernsehgespräch über die Abschaffung der Todesstrafe wagte eine seiner Gesprächspartnerinnen ein: „Natürlich, sie haben Recht. Aber …“ Wie ein Peitschenhieb kam seine Unterbrechung: „Non, Madame, il n’y a pas de mais!“ – Nein, Madame, es gibt kein Aber !“ Ende der Diskussion.

Hier ein kurzer Auszug aus der Rede von Robert Badinter – und welch ein Redner! – am 20. Dezember 1981 anlässlich der Abstimmung über die Straffreiheit bei Homosexualität:

« Diese Versammlung kennt die Art von Gesellschaft, die immer von Willkür, von Eigenmächtigkeit, Intoleranz gekennzeichnet war. Der Fanatismus oder der Rassismus haben ständig Jagd auf die Homosexualität gemacht. Eine solche Diskriminierung, diese Unterdrückung sind unvereinbar mit den Prinzipien eines großen Landes der Freiheit wie das unsere. Es ist endlich an der Zeit sich bewusst zu werden, was Frankreich den Homosexuellen schuldet, wie allen anderen Bürgern in vielen Bereichen.

Monsieur – oserais-je un cher Monsieur? car vous êtes cher à mon coeur – Merci.

Manfred

*) Seine Bemühungen, sein regelrechter Kampf um die Abschaffung der Todesstrafe hat eigentlich schon 1972 (siehe: Wikipedia) begonnen.

** Unter seinen vielen Veröffentlichen befindet sich auch ein Buch über „Oscar Wilde – oder die Ungerechtigkeit“

Merci – vielen Dank an Manfred für diese Würdigung Robert Badinters‘ !

Frankreich: Delanoe führt die Sozialisten nicht

Die französische Sozialistischer Partei wird nicht von Bertrand Delanoë geführt. Nach turbulenten Diskussionen zog er seine Kandidatur zurück. Am Donnerstag entscheidet nun die Basis zwischen den verbliebenen drei Kandidaten.

Auf ihrem 75. Parteitag, der vom 14. bis 16.11.2008 in Reims stattfand, wollten sich die französischen Sozialisten am Donnerstag, 20. November auf einen neuen Parteivorsitz einigen. Und konnten doch keine Einigung finden – nun entscheidet die Basis am 20.11.2008.

Für Nachfolge für den nicht mehr kandidierenden Francois Hollande gab es zahlreiche Interessenten und Kandidaten, darunter Martine Aubry (Bürgermeisterin von Lille), Ségolène Royal, Benoît Hamon sowie ursprünglich Bertrand Delanoë (Bürgermeister von Paris). Sie alle wollten die Sozialisten in die nächsten Präsidentschaftswahlen gegen Nikolas Sarkozy im Jahr 2012 führen.

Und es gab Streit, reichlich Streit. Vor allem um sie, um Ségolène Royal. Royal, die 2007 zwar achtbare Wahlergebnisse erzielte, aber die Präsidentschaftswahl im Mai 2007 doch deutlich gegen Nikolas Sarkozy verlor, zog Widerspruch und Proteste nicht nur des Partei-Establishments auf sich – obwohl sie bei einer Probe-Abstimmung der Parteimitglieder klar vorne lag.

Nach streitreichen Debatten war letztlich am Wochenende nur eines klar – Delanoë kandidiert nicht mehr. Am Donnerstag muss die Basis entscheiden – 233.000 Parteimitglieder haben dann die Wahl zwischen Royal, Aubry und Hamon. Delanoë rief unterdessen doch zur Unterstützung von Aubry auf.

Bertrand Delanoë, Bürgermeister von Paris, stellt sich selbst als ‚linken Reformer‘ und Pro-Europäer vor. Erst im vergangenen März war Delanoë deutlich als Pariser Bürgermeister wiedergewählt worden.

Bertrand Delanoe (Foto: bertranddelanoe.net)
Bertrand Delanoe (Foto: bertranddelanoe.net)

Der 58jährige Delanoë ist als Politiker seit November 1998 offen schwul. Damals erwähnte er seine Homosexualität in einer französischen Fernsehshow auf ‚M6‘- und brach eines der unausgesprochenen Gesetze, nämlich dass das Privatleben eines Politikers privat bleiben solle. Freunde hätten ihm von einem Coming-Out abgeraten, erzählte er 2004 in seiner Autobiographie ‚La vie, passionnément‘, aber ihm sei wichtig gewesen, selbst mit einem kleinen Schritt dazu beizutragen, dass andere weniger Last der Heimlichtuerei zu tragen hätten.

Delanoë ist selbst nicht in der Schwulenbewegung aktiv. In der Zeit seiner Bürgermeisterschaft wurde die finanzielle Unterstützung für das Pariser Schwulen- und Lesbenzentrum sowie einige Schwulen- und Lesben- sowie Aids-Aktions-Gruppen der Stadt deutlich erhöht. Er verfasste das Vorwort zum von Louis-George Tin herausgegebenen ‚dictionnaire de l’homophobie‘.

Delanoë, der betont er verstehe sich als Sozialist und Liberaler, unterstützt Forderungen nach gleichen Rechten für Schwule und Lesben, einer Homo-Ehe sowie einem Adoptionsrecht für Homosexuelle.

2001 wurde Delanoë als erster Sozialist zum Bürgermeister von Paris gewählt.  Am 5. Oktober 2002 war er Ziel eines homophoben Angriffs – während einer Kulturveranstaltung (‚Nuit blanche‘), deren Ehrenvorsitz er hatte, wurde er durch einen Messerstich im Bauchraum verletzt und verbrachte zwei Wochen im Krankenhaus. Der Täter wurde von der Polizei verhaftet; er bekannte er hasse Schwule.

Im August 2008 hatte Delanoë in einem Gespräch mit Le Monde angekündigt, er wolle sich als Parteivorsitzender der Sozialisten zur Wahl stellen.

Nachtrag 25.11.2008: mit 102 Stimmen Vorsprung zur ‚Siegerin‘ erklärt: Martine Aubry

Ein schwuler Präsident?

Der nächste Präsident schwul?

Ein schwuler Präsident?
Während die SPD noch verschnarcht überlegt, ob man denn als ‚Volkspartei‘ einen eigenen Kandidaten, oder gar ganz mutig eine eigene Kandidatin zur Wahl des Bundespräsidenten aufstellen sollte, …
während in Deutschland einige schwule Bürgermeister ihres Amtes walten, i.d.R. ohne große homopolitisch besonders bemerkenswerte Taten …
während London sich fragt, was es denn mit dem da nach Livingston anfangen soll …
während Rom sich erstaunt die Augen reibt, dass ein Ex-Faschist (unterstützt von der Gleichberechtigungs-Ministerin) tatsächlich meint, was er sagt (und den für den 7. Juni geplanten CSD in Rom verbieten möchte) …

… wärenddessen heißt es in Frankreich:

Ein schwuler Präsident?

„2012 ein schwuler Präsident?“, fragt sich – nein, nicht ganz Frankreich, wohl aber das größte Schwulen- Magazin des Landes, ‚Tetu‘, in seiner aktuellen Ausgabe. Und kommt gleich mit einem Katalog an Eigenschaften und Maßnahmen, die ein schwuler Kandidat der nächsten ‚Presidentielles‘ berücksichtigen müsste.

Das Ganze ist natürlich nicht völlig ohne Hintergrund. Nachdem Ségolène Royal die letzte Präsidentschaftswahl in Frankreich im Vor- und Hauptwaschgang verbaselt hat, erfreut sich der offen schwul lebende Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë größter Beliebtheit … und wird neben Royal (mit der er derzeit im Rennen um den Parteivorsitz ist) zunehmend als kommender Kandidat der PS für die nächste Präsidentschaftswahl in Frankreich gehandelt.

Wohlgemerkt, ‚Zarkozy‘ ist erst jüngst gewählt worden. Und kann, so er denn will, noch für eine zweite Amtszeit kandidieren. Auch wenn er derzeit den traurigen Rekord geschafft hat, in kürzester Zeit zum unbeliebtesten Präsidenten zu werden – unterschätzen sollte man ihn nicht …