Homosexuelle zählen zu den ‚vergessenen und verdrängten Opfern des Nationalsozialismus‘. Oft ist nur wenig über ihre Geschichte bekannt. In Stuttgart versuchen nun engagierter Bürger und Angehörige, schwulen NS-Opfern wieder ein Gesicht, eine Geschichte zu geben.
Immer noch ist nicht viel bekannt über das Schicksal der meisten Männer, die von den Nazis als Homosexuelle verfolgt wurden. Nur in wenigen Ausnahmen gibt es detailliertere Zeitzeugen-Berichte, verfassten schwule Männer, die von den Nazis verfolgt und verhaftet wurden, später Bücher, Artikel oder andere Berichte.
Das Schicksal der meisten von den Nazis verfolgten, verhafteten und oftmals ermordeten Homosexuellen bleibt bisher im Dunkel. Homosexuelle – vergessene Opfer des Nationalsozialismus, die auch nach 1945 weiterhin zu Opfern gemacht wurden.
Nicht nur gab es vom Staat keine Unterstützung, gar Anerkennung, dem Staat, der ihnen lange Anerkennung als NS-Opfer, Rehabilitierung und Entschädigung verweigerte. Vielmehr schwiegen viele Betroffene auch nach 1945 aus Scham – oder auch aus Angst vor den Reaktionen ihre Umfelds, ihrer Verwandten, ihrer Nachbarn.
Erst langsam kommt Licht in das Dunkel der Geschichte vieler in der NS-Zeit verfolgter Homosexueller.
Oft ist dabei Anlass oder ‚Unterstützer‘ das im Mai 2008 eingeweihte Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, durch das auch Rudolf Brazda als vermutlich einer der letzten noch lebenden in der NS-Zeit verfolgten Homosexuellen sich zu Wort meldete.
Oder auch mutige und aufgeschlossene Nachfahren. Wie jetzt in der Stadt Eßlingen am Neckar.
„Friedrich Enchelmayer landete wegen „widernatürlicher Unzucht mit Männern“ im KZ – Großnichte sucht Detail“ titelt die „Eßlinger Zeitung“. Und berichtet von eben diesem Friedrich Enchelmayer, einem der zahlreichen bisher namen- und geschichtlosen homosexuellen Opfer der NS-Homosexuellenverfolgung.
Der 1908 geborene Enchelmayer erlebte, erlitt früh die verschiedene Stufen der NS-Homosexuellen-Verfolgung. „Von 29. Mai 1934 bis 19. April 1935 verbüßte er eine Strafe wegen ‚widernatürlicher Unzucht mit Männern‘, wie das Urteil im damaligen Chargon hieß. Danach begab er sich wegen seiner Homosexualität in ärztliche Behandlung und führte auch zwei Jahre eine Beziehung mit einer Frau, mit der er sich verlobte.“
Seine Großnichte Suse berichtet über sein weiteres Schicksal: „Am 8. Dezember 1937 wurde mein Großonkel erneut wegen eines Vergehens gegen Paragraf 175 zu zwei Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt. Er kam am 1. Juni 1940 ins KZ Dachau und wurde am 3. September 1940 als befristeter Vorbeugehäftling nach Sachsenhausen überstellt.“
Kurze Zeit später wurde er nach Neuengamme überstellt, wo er am 9. November 1940 im Alter von 32 Jahren starb – an ‚Herzversagen‘, wie die KZ-Akten lakonisch und vermutlich verfälschend vermerken.
Seine Großnichte versucht nun, noch mehr Licht in das bisherige Dunkel um das Schicksal ihres Großonkels zu bringen – und in das weiterer homosexueller NS-Opfer aus der Region Stuttgart. Sie engagiert sich im ‚Arbeitskreis Rosa Winkel‚, der „es sich zur Aufgabe gemacht [hat], diese Verbrechen des Faschismus in geeigneten Formen sichtbar zu machen“.
„Friedrich Enchelmayer landete wegen ‚widernatürlicher Unzucht mit Männern‘ im KZ – Großnichte sucht Detail“
Eßlinger Zeitung online vom 08.01.2009