Lymphgranuloma venereum – warum gehäuft bei HIV-Positiven?

Eine Untersuchung in Großbritannien widmet sich der Frage, warum die an sich seltene sexuell übertragbare Erkrankung LGV (Lymphgranulom venereum) u.a. besonders bei Menschen mit HIV auftritt.

Im ersten Quartal 2010 wurden in Großbritannien mehr als zweimal so viele Erkrankungen an LGV diagnostiziert wie im vergleichbaren Vorjahres-Zeitraum. Dies meldet das Online-Portal aidsmap. In den ersten drei Monaten des Jahres 2010 wurden dem Bericht zufolge 113 Fälle von LGV diagnostiziert, eine Zunahme auf 209%.

Die Forscher präsentierten auf einer Konferenz in Großbritannien auch erste vorläufige Daten zur Frage, welche Faktoren das Risiko erhöhen, an LGV zu erkranken. trotz der relativ niedrigen Zahl an Fällen zeigte eine multivariate Analyse der Daten, dass (verglichen mit symptomfreien Männern) zwei Faktoren unabhängig von einander signifikant mit einer Erkrankung an LGV assoziiert waren: Fisten sowie der Besuch von (schwulen Sex-) Saunen. In einer zweiten Analyse zeigte sich zudem ungeschützter insertiver Analverkehr als Risikofaktor.

Das gehäufte Auftreten von LGV bei HIV-positiven Männern führten die Forscher nicht auf biologische Faktoren zurück. Sie vermuteten vielmehr, die Tatsache an HIV infiziert zu sein könne eine Determinante sein für bestimmte Verhaltensweisen wie Serosorting oder Kontakte in bestimmten sexuellen Netzwerken, innerhalb derer LGV übertragen werde.

LGV (Lymphgranuloma venereum) ist eine eigentlich seltene sexuell übertragbare Erkrankung, die von einem spezifischen Stamm Chlamydien verursacht wird. LGV ist in Afrika, Asien und Südamerika verbreitet – und wird seit einigen Jahren zunehmend auch in den USA und Europa diagnostiziert.

Seit 2003 wird LGV auch in Deutschland vermehrt festgestellt bei Männern, die Sex mit Männern haben. Regionale Schwerpunkte in Deutschland waren bisher Hamburg und Berlin. Ob der Anstieg in Deutschland auf eine wirkliche Zunahme an Erkrankungen zurückzuführen ist oder auf eine vermehrte Aufmerksamkeit und Diagnostik auf LGV, ist bisher unklar. Auch in Deutschland ist der Anteil an LGV-Erkrankten, die gleichzeitig HIV-positiv sind, hoch.

Über LGV wie auch über andere sexuell übertragbare Krankheiten informiert eine kostenlos erhältliche Publikation der deutschen Aids-Hilfe: “sexuell übertragbare krankheiten”

weitere Informationen:
aidsmap 30.04.2010: Sharp increase in LGV cases in the UK; risk factors identified
RKI: Informationen zu Lymphogranuloma venereum (LGV)
hiv and more 2/2007: Lymphogranuloma venereum Häufigkeit nimmt zu
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positiv versichert – Alternative Großbritannien?

Lebensversicherungen sind für viele Menschen mit HIV immer noch nur unter Schwierigkeiten zu erhalten. Zwei Anbieter aus Großbritannien haben sich u.a. auf Lebensversicherungen für Menschen mit HIV spezialisiert. Eine Alternative?

HIV-Positive haben in Deutschland seit zwanzig Jahren große Probleme, Versicherungen abzuschließen. Zahlreiche Versicherer fragen in ihren Anträgen nach einem etwaigen HIV-Test sowie dessen Ergebnis. Dies betrifft nicht nur Lebensversicherungen, sondern z.B. auch Berufsunfähigkeits-Versicherungen, Unfallversicherungen oder private Krankenversicherungen. Zudem wird anhand von Risikofaktoren kalkuliert, ob etwa ein Antragsteller potenziell ein hohes Risiko eines ‘Schadenfalls’ hat – auch hinsichtlich HIV-Infektion und Aids. So wird HIV im Denken von Versicherungen zu einem Risikofaktor, der vielen schwulen (oder als solchen vermuteten) Männern Versicherungen erschwert. Für HIV-positiv Getestete wird das Abschließen so mancher Versicherung sehr schwierig, wenn nicht  nahezu unmöglich.

Der Auschluß HIV-Positiver aus Lebensversicherungen ist nicht mehr zeitgemäß, beklagen Menschen mit HIV wie auch Aidshilfen seit langem. Manche Versicherer bieten inzwischen auch in Deutschland Lebensversicherungen für HIV-Positive an – oft mit teils beträchtlichem ‚Risikozuschlag‘, abhängig vom individuellen Gesundheitszustand.

Neben Versicherern aus Deutschland besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, Angebote ausländischer Versicherer, besonders aus EU-Mitgliedsstaaten, in Anspruch zu nehmen. Immer wieder werden britische Versicherer als potentielle Alternative ins Gespräch gebracht.
Wie sieht die Möglichkeit HIV-Positiver, eine Lebensversicherung abzuschließen, in Großbritannien in der Praxis aus?

In einem Artikel für die April-Ausgabe von ‚hiv treatment update‘ hat die freiberufliche Finanz-Journalistin Emma Lunn die Situation in Großbritannien untersucht. Sie weist darauf hin, dass die meisten ‚Mainstream Versicherer‘ auch in Großbritannien HIV-positive Antragsteller weiterhin abweisen. Allerdings gebe es zwei speziell auf HIV-Positive zugeschnittene Lebensversicherungs-Policen.

Seit April 2009 biete die Gesellschaft ‚Prudential‘ die bereits bestehende ‚PruProtect‘ auch für HIV-Positive an, für eine Laufzeit bis zu zehn Jahren und Versicherungssummen bis 250.000 £. Bei dieser für HIV-Positive zwischen 25 und 50 Jahren angebotenen Police sei u.a. Bedingung, dass seit mindestens sechs Monaten eine antiretrovirale Therapie eingenommen werde CD4-Zellzahl gestiegen und Viruslast sehr niedrig sei. Positive, die sich durch iv-Drogenkonsum infiziert haben, sind von der Versicherung ausgeschlossen, ebenso HIV-Positive, die gleichzeitig mit Hepatitis B oder C infiziert sind.

Der Versicherer ‚Pulse‘ habe eine speziell für HIV-Positive konzipierte Versicherung im Angebot. Versichert sei nur der Tod aus natürlicher Ursache bis zu maximal 10.000 £, wobei Unfälle bis zu 200.000 £ versicherbar seien. Vorteil sei, dass diese Versicherung ohne Gutachten eines medizinischen Sachverständigen erhältlich sei. Experten würden jedoch kritisieren, dass es sich hierbei um wenig mehr als eine Unfall-Versicherung handele. Zudem sei die Prämie bis zu 30fach höher als die übliche Versicherungsprämie.

weitere Informationen:
Emma Lunn: ’securing your future‘
in: hiv treatment update, issue 195, April 2010
Artikel im HIV Treatment Update Archive derzeit noch  nicht online

Großbritannien: 24% für Kriminalisierung von schwulem Sex

24% der Briten wünschen sich, dass schwuler Sex wieder kriminalisiert wird. Dies ergab eine Umfrage der britischen Zeitung ‚The Observer‘.

Die britische Wochenzeitung ‚The Observer‚ führte ihre ‚Sex Poll 2008‘ durch und veröffentlichte unter dem Titel ‚Sex Uncovered‚ in einer Serie die Resultate. Beim Thema Homosexualität ergab die Umfrage teils bemerkenswerte Ergebnisse.

24 Prozent der Befragten gaben auf die Frage „Do you think that gay sex should be made illegal“ als Antwort an „Yes“. Ein Viertel der Befragten für die erneute Einführung der Strafbarkeit der Homosexualität, ein Ergebnis das selbst die Autoren des Observer-Berichts überraschte.
Bei der letzten Umfrage 2002 hatten 23% der Befragten diese Ansicht geäußert. Eine negative Einstellung zur Homosexualität war bei Männern häufiger anzutreffen als bei Frauen.

Ben Summerskill von der britischen Schwulengruppe Stonewall kommentierte „“We have always been crystal clear that homophobia does not go away, it goes to sleep“. Man müsse wachsam sein jenen gegenüber, die die Uhr in die 1950er Jahre zurückdrehen wollten.

Weitere Ergebnisse der Umfrage: während 55% der Befragten äußerten, homosexuellen Paaren sollte die heirat erlaubt werden, lehnte 56% die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare ab.

Bemerkenswertes Ergebnis: 81% der Befragten meinten, ihre Regierung solle mehr Geld ausgeben für Informationen über HIV und Aids sowie andere sexuell übertragbare Krankheiten..

Für die Umfrage wurden im September 2008 von ICM Research 1.044 Erwachsene über 16 Jahren befragt.

„Diskriminierung von schwulen und Lesben? – Gibt’s doch kaum noch“ – solche Sätze hört man immer wieder, besonders auch von Schwulen. Diese Umfrage-Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie grundlos diese Art ‚Diskriminierungs-Optimismus‘ ist.
Latente Homophobie, ein Problem, dessen Existenz immer unterschwellig, manchmal auch deutlicher bewusst ist. 24% allerdings ist eine Dimension, die erneut deutlich macht, dass größere Wachsamkeit als bisher gegenüber homophoben Tendenzen angesagt ist.

Schwules Museum in Großbritannien?

In Großbritannien soll es bald ein ‚Nationales Museum der Geschichte der Schwulen, Lesben, Transgender und Bisexuellen‘ geben. Dies kündigte die ‚Proud Heritage‘ – Stiftung an.

Bis 2011 solle dieses Museum etabliert sein, betonte die Proud Heritage – Stiftung. Das Museum solle Geschichte und Kultur von Lesben und Schwulen, Bisexuellen und Transgender in all ihrer Vielfalt aufzeigen.

Als ersten Schritt dieser „dreijährigen Reise“ wurde ein ‚online-Museum‘ eingerichtet. Es gehe mit diesem Internet-Museum nicht nur darum, eine Art physischer Anwesenheit zu schaffen. Vielmehr sei auch Ziel,  neue Wege des Sammelns lokaler und regionaler Geschichte zu nutzen. Auch eine eigene Unter-Seite zum Sammeln persönlicher Erfahrungen, Erinnerungen, Dokumente und Materialien wurde hierfür eingerichtet.

Presseberichten zufolge soll zu den Ausstellungsstücken des zukünftigen realen Museums auch die Tür der Gefängniszelle gehören, in der einst Oscar Wilde einsaß, zudem Dokumente, die die Homosexualität der beiden britischen Könige William III. und James I. belegen sollen.

Bisher gibt es erst wenige schwul-lesbische Museen weltweit. Das wohl größte und eines der ältesten ist das Berliner „Schwule Museum“ mit seiner umfassenden Dauerausstellung sowie der aktuellen Sonderausstellung ‚L-Projekt – Lesben in Berlin von den 1970ern bis heute‘.

Nachtrag 21.10.2008: auch Los Angeles bekommt sein schwules Museum: Gay museum to open in West Hollywood

GB: Strafrechts- Richtlinie für Ermittlungen bei HIV-Infektion

Der britische ‚crown prosecution service‘ (CPS; etwa die Staatsanwaltschaft) hat nach Entwürfen bereits im September 2006 (siehe ‚mit Justitia gegen Positive?‚) und nach 18monatigen Konsultationen nun seine neuen Richtlinien für die Strafverfolgung von HIV-Transmissionen bekannt gegeben.

Guidelines: Intentional or reckless sexual transmission of infection
und
Policy for prosecuting cases involving the intentional or reckless transmission of infection

[via pinknews]

Nachtrag20.03.2008: eine detaillierte Besprechung der neuen CPS-Guidelines bei TheGayDissenter: „Sex, Sexual Transmitted Infections und englische Staatsanwälte“

GI Jonny – volles Rohr gegen HIV

Mit einem ganz besonderen Angebot wendet sich die BBC an junge Menschen: die Action-Figur GI Jonny informiert unter dem Motto „inform and protect“ über HIV.

GI Jonny – eine Präventions-Figur im Stil der bei jungen Menschen beliebten Action-Figuren. Martialisch wirkende Charaktere, überzeichnet in ihren Eigenschaften und Körpern, aber alles safe.

GI Jonny bietet Informationen rundum HIV und Aids – von Ansteckungswegen, HIV-Test und Safer Sex über verbreitete Falschinformationen bis zu Drogen und Alkohol. Und entgegen dem Titel des Angebots auch nicht nur für den männlichen Teil der jugendlichen Welt – bald tritt auch ‚GI Phoebe‘ in Erscheinung …

In sechs ‚real stories‘ erzählen junge (HIV-infizierte und bisher nicht HIV-infizierte) Menschen in Audio-Files über ihre verschiedensten persönlichen Erfahrungen mit HIV und Aids.
Eine ‚Gallery‘ lädt dazu ein, sich interaktiv seinen individuellen GI entsprechend eigenen Vorstellungen und Vorlieben zusammen zu stellen. Dieser individuelle ‚Präventions-GI‘ kann herunter geladen und auf verschiedensten Anwendungen (bis zu Facebook) genutzt werden. Auf Events wird hingewiesen – die Kampage findet auch vor Ort statt, z.B. an Colleges und Universitäten.
Und – unter „sketch show / inform and protect“ gibt’s ein nettes Video mit den erstaunlichen Fähigkeiten, die sich zwischen GI Jonnys und Captain Barebacks Schenkeln verbergen. Die Proteste gegen ‚zu eindeutige‘ Szenen (von Puppen …) häufen sich bereits. Weitere Clips sollen in den nächsten Tagen folgen.

Die Kampagne wird in Großbritannien vom 1. Oktober 2007 bis zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember durchgeführt.

„GI Jonny“ ist ein bemerkenswertes Angebot einer quasi öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Anstalt. Ein Blick auf die verschiedenen Facetten des „GI Jonny“-Angebots der BBC gibt Hinweise darauf mit welch verschiedenen Ansprachen, Medien und Techniken Versuche unternommen werden können, junge Menschen mit Präventions-Botschaften zu erreicht.
Die hierzulande oft sichtbaren kondomisierten Gemüse wirken im Vergleich dazu hausbacken, altmodisch, werfen die Frage auf, ob dies noch eine adäquate, zeitgemäße Ansprache ist. Mutigerweise hat die BBC demgegenüber mit dem Ziel, junge Menschen zu erreichen, auch recht explizite Darstellungen gewählt. Die Reaktionen auf einen entsprechenden Clip z.B. der ARD wären wohl absehbar.
Bedauerlicherweise ist GI Jonny zugleich auch ein weiteres Beispiel für den bedenklichen Trend, dass militärische Symbole und Verhaltensweisen immer stärker in die Alltagskultur vordringen. Militarisierung für die Prävention, welch leider zweifelhafte Gratwanderung.