Versicherungen für HIV-positive Menschen in der Schweiz nach wie vor keine Selbstverständlichkeit

Versicherungen für HIV-positive Menschen in der Schweiz nach wie vor keine Selbstverständlichkeit

HIV-positive Menschen werden diskriminiert, besonders häufig bei Versicherungen am Arbeitsplatz. Das zeigt die aktuelle Diskriminierungsmeldung der Aids-Hilfe Schweiz. Die Abschaffung von unbegründeten Ausschlüssen aus Versicherungen könnte dies verhindern.

Drei von vier HIV-positive Menschen in der Schweiz gehen einer geregelten Arbeit nach. Dank der Behandlungserfolge ist HIV heute eine chronische Krankheit und HIV-positive Menschen leisten ihren Beitrag zur Wirtschaft. Und trotzdem werden sie diskriminiert.

Das zeigt die aktuelle Diskriminierungsmeldung der Aids-Hilfe Schweiz. Benachteiligungen von HIV-positiven Menschen am Arbeitsplatz und bei Versicherungen sind besonders häufig. Rund 46% der im ersten Halbjahr gemeldeten Fälle betreffen den Arbeitsplatz oder damit zusammenhängende Versicherungen – das sind nach wie vor zu viele.

Da ist der Fall von Reto M. (Name geändert). Mit der Absicht, den Betrieb seiner Eltern zu übernehmen, wollte er eine Einzeltaggeldversicherung als Absicherung abschliessen. Diese wurde ihm wegen HIV verweigert. Reto M. kam in Erklärungsnotstand, wussten doch seine Eltern nichts von seiner Infektion. Nicht nur seine berufliche Zukunft stand auf dem Spiel, er musste auch befürchten, dass seine HIV-Infektion bekannt wurde. Dank der Intervention der Aids-Hilfe Schweiz konnte eine Versicherung gefunden werden, die keinen generellen Ausschluss infolge HIV anbrachte. Doch Reto M. ist kein Einzelfall.

Die Abschaffung von unbegründeten Versicherungsausschlüssen könnte die Situation von HIV-positiven Menschen deutlich verbessern. „Wir erfahren immer wieder von HIV-positiven Menschen, dass sie aufgrund ihrer HIV-Infektion in ihrer Karriere behindert werden. Dafür besteht heute kein vernünftiger Grund. Gerade in der heutigen Wirtschaftskrise sind Benachteiligungen von HIV-positiven Arbeitnehmern schädlich und kontraproduktiv.“, sagt Harry Witzthum, Mitglied der Geschäftsleitung der Aids-Hilfe Schweiz.

Die Aids-Hilfe Schweiz ist die nationale Meldestelle für Diskriminierungen im HIV/Aids Bereich und meldet die ihr gemeldeten Fälle zweimal jährlich der Eidgenössischen Kommission für sexuelle Gesundheit. Sie interveniert bei Fällen von Diskriminierungen, berät HIV-positive Menschen in Rechtsfällen kostenlos und setzt sich dafür ein, dass politische, gesellschaftliche und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Diskriminierung verhindern.

Diskriminierungsfälle in der Schweiz

Im 2011 wurden der Aids-Hilfe Schweiz 84 Diskriminierungsfälle oder Datenschutzverletzungen im Bereich HIV/Aids gemeldet, das ist eine Zunahme von 40% gegenüber 2007, als die nationale Meldestelle eingerichtet wurde. 27 davon betrafen den Bereich der Erwerbstätigkeit, 19 Sozialversicherungen, 16 Privatversicherungen, weitere das Ausländerrecht (2), Einreise- und Aufenthalt (2), das Strafrecht (4) sowie diverse (2). 9 Fälle von Datenschutzverletzungen wurden gemeldet und 3 aus dem Gesundheitswesen.

80 – 100 Fälle werden der Aids-Hilfe Schweiz jedes Jahr gemeldet. Dies ist aber nur die Spitze des Eisberges. Eine Normalisierung im Umgang mit HIV-positiven Menschen ist noch in weiter Ferne.

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(Medienmitteilung der Aids-Hilfe Schweiz)

Kurz notiert … Juni 2011

21. Juni 2011: Ein HIV-positiver Pilot klagt vor dem Obersten Gerichtshof der USA wegen des Verlusts seiner Fluglizenz.

19. Juni 2011: HIV und Hepatitis – Aktivisten in Europa und den USA fordern einen schnelleren Zugang zu neuen Medikamenten gegen Hepatitis C.

15. Juni 2011: Fidschi hat eine Verordnung erlassen, die die Diskriminierung HIV-Positiver bei Versicherungen und Pensionskassen untersagt.

13. Juni 2011: Der Aids-Medikamenten-Hersteller Gilead hat eine Strafandrohung des US- Justiz-Ministeriums erhalten, das damit Informationen zu Herstellung, Qualität sowie Vertriebspraktiken mehrerer Medikamente des Konzerns (u.a.a auch Aids-Medikamente) erhalten will. Zu Gründen machte Gilead bisher keine Angaben.

07. Juni 2011: Studien an neuen Krebs-Medikamenten schließen Menschen mit HIV häufig aus, neue Krebs-Medikamente werden selten auf Wirkungen und Nebenwirkungen bei HIV-Positiven untersucht. Anders bei experimentellen Substanz gegen Nierenkrebs, die auch an HIV-Positiven untersucht wird.

06. Juni 2011: TheraTechnologies hat die Zulassung von Tesamorelin (vermarktet unter den Handelsnamen Egrifta(R)) in Europa beantragt. Tesamorelin wird eingesetzt bei Fettansammlungen infolge Lipodystrophie-Syndrom.

Die globalen Mittel für den Kampf gegen Aids müssten kurzfristig um ein Drittel erhöht werden, langfristig um 20% – dann könnten bis zum Jahr 2012 15 Millionen HIV-Infizierte weltweit antiretroviral behandelt werden. Dies betont UNAIDS-Generaldirektor Michel Sidibé.

01. Juni 2011:Der langfristige Anstieg der CD4-Zell-Zahl ist bei HIV-Positiven mit einem Lebensalter von über 50 Jahren niedriger, zeigt eine US-Studie.

„Das Kondom schützt nicht“, zu diesem Ergebnis kommt ein zweitägiger Kongress zu HIV/Aids im Vatikan – 30 Jahre nach der ersten wissenschaftlichen Publikation zu Aids.

Gil Scott-Heron, der ‚Godfather of Rap‘, stirbt am 27. Mai 2011. Er lebe seit vielen Jahren mit HIV, hatte er dem ‚New York‘ Magazin 2008 berichtet.

Aufregung bei Londoner HIV-Präventions-Projekten: das Budget für HIV-Prävention 2011/12 soll um 20% gekürzt werden.

Erwerbsunfähigkeits-Versicherung für HIV-Positive

Erstmals ist eine elementare Absicherung gegen Erwerbsunfähigkeit jetzt auch für HIV-Positive möglich.

Ein Verlust oder eine deutliche Beeinträchtigung der eigenen Arbeitskraft durch Unfall oder Krankheit stellt ein existentielles Risiko dar, das viele Menschen gerne absichern möchten. Doch Versicherungen gegen das Risiko einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sind für HIV-Positive (wie auch für Menschen mit manch anderer Erkrankung) bisher nicht möglich – ein positiver HIV-Test ist ein Ausschluss-Grund.

Nun jedoch gibt es eine Möglichkeit, auch mit positivem HIV-Status eine Erwerbsunfähigkeits-Versicherung abzuschließen. Dies berichten ‚Projekt Information‘ und Deutsche Aids-Hilfe.

Erstmals bietet ein Versicherer eine Erwerbsunfähigkeits-Versicherung an, die eine erleichterte Gesundheitsprüfung aufweist – und damit auch für HIV-Positive unter bestimmten Bedingungen zugänglich ist.

Die Voraussetzungen für den Abschluss sind u.a.:
– Es besteht noch keine Erwerbsunfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit
– Es ist bisher noch keine Versicherung wegen Erwerbsminderung / -unfähigkeit, Pflegebedürftigkeit oder Berufsunfähigkeit abgelehnt worden.

Zudem sollte beachtet werden, dass es sich um eine private Erwerbsunfähigkeits-Versicherung handelt, nicht um eine Berufunfähigkeits-Versicherung. Dies bedeutet, dass die Leistungspflicht erst eintritt, wenn man generell erwerbsunfähig ist (also nur noch weniger als 3 Stunden am Tag arbeiten kann), nicht aber wenn man „nur“ in seinem Beruf nicht mehr arbeiten kann.

Der private Versicherungsmakler Holger Grönig weist auf seiner Internetseite ‚HIV und Versicherungen‚ auf die Bedingungen des Tarifs hin:

„Es können bis zu 1250 € Rente im Monat abgesichert werden, die nach einer Karenzzeit von 5 Jahren greift. Sollte die EU auf Grund eines Unfalls eintreten, ist die Rente auch schon vorher fällig. Eine Voraussetzung zum Abschluss ist, dass noch keine Ablehnung seitens einer Berufsunfähigkeitsversicherung stattgefunden hat.“

In ‚Projekt Information‘ kommentiert der freie Versicheurngsmakler Micha Schrammke die neue Versicherungs-Möglichkeit

„Besonders für jüngere HIV-Positive eröffnet sich hier die Chance auf eine sonst bislang unzugängliche finanzielle Risikovorsorge.“

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weitere Informationen:
Elementare Absicherung gegen Erwerbsunfähigkeit jetzt auch mit HIV möglich. in: Projekt Information Januar / Februar 2011, Jg. 19 Nr. 1

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positiv versichert – Alternative Großbritannien?

Lebensversicherungen sind für viele Menschen mit HIV immer noch nur unter Schwierigkeiten zu erhalten. Zwei Anbieter aus Großbritannien haben sich u.a. auf Lebensversicherungen für Menschen mit HIV spezialisiert. Eine Alternative?

HIV-Positive haben in Deutschland seit zwanzig Jahren große Probleme, Versicherungen abzuschließen. Zahlreiche Versicherer fragen in ihren Anträgen nach einem etwaigen HIV-Test sowie dessen Ergebnis. Dies betrifft nicht nur Lebensversicherungen, sondern z.B. auch Berufsunfähigkeits-Versicherungen, Unfallversicherungen oder private Krankenversicherungen. Zudem wird anhand von Risikofaktoren kalkuliert, ob etwa ein Antragsteller potenziell ein hohes Risiko eines ‘Schadenfalls’ hat – auch hinsichtlich HIV-Infektion und Aids. So wird HIV im Denken von Versicherungen zu einem Risikofaktor, der vielen schwulen (oder als solchen vermuteten) Männern Versicherungen erschwert. Für HIV-positiv Getestete wird das Abschließen so mancher Versicherung sehr schwierig, wenn nicht  nahezu unmöglich.

Der Auschluß HIV-Positiver aus Lebensversicherungen ist nicht mehr zeitgemäß, beklagen Menschen mit HIV wie auch Aidshilfen seit langem. Manche Versicherer bieten inzwischen auch in Deutschland Lebensversicherungen für HIV-Positive an – oft mit teils beträchtlichem ‚Risikozuschlag‘, abhängig vom individuellen Gesundheitszustand.

Neben Versicherern aus Deutschland besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, Angebote ausländischer Versicherer, besonders aus EU-Mitgliedsstaaten, in Anspruch zu nehmen. Immer wieder werden britische Versicherer als potentielle Alternative ins Gespräch gebracht.
Wie sieht die Möglichkeit HIV-Positiver, eine Lebensversicherung abzuschließen, in Großbritannien in der Praxis aus?

In einem Artikel für die April-Ausgabe von ‚hiv treatment update‘ hat die freiberufliche Finanz-Journalistin Emma Lunn die Situation in Großbritannien untersucht. Sie weist darauf hin, dass die meisten ‚Mainstream Versicherer‘ auch in Großbritannien HIV-positive Antragsteller weiterhin abweisen. Allerdings gebe es zwei speziell auf HIV-Positive zugeschnittene Lebensversicherungs-Policen.

Seit April 2009 biete die Gesellschaft ‚Prudential‘ die bereits bestehende ‚PruProtect‘ auch für HIV-Positive an, für eine Laufzeit bis zu zehn Jahren und Versicherungssummen bis 250.000 £. Bei dieser für HIV-Positive zwischen 25 und 50 Jahren angebotenen Police sei u.a. Bedingung, dass seit mindestens sechs Monaten eine antiretrovirale Therapie eingenommen werde CD4-Zellzahl gestiegen und Viruslast sehr niedrig sei. Positive, die sich durch iv-Drogenkonsum infiziert haben, sind von der Versicherung ausgeschlossen, ebenso HIV-Positive, die gleichzeitig mit Hepatitis B oder C infiziert sind.

Der Versicherer ‚Pulse‘ habe eine speziell für HIV-Positive konzipierte Versicherung im Angebot. Versichert sei nur der Tod aus natürlicher Ursache bis zu maximal 10.000 £, wobei Unfälle bis zu 200.000 £ versicherbar seien. Vorteil sei, dass diese Versicherung ohne Gutachten eines medizinischen Sachverständigen erhältlich sei. Experten würden jedoch kritisieren, dass es sich hierbei um wenig mehr als eine Unfall-Versicherung handele. Zudem sei die Prämie bis zu 30fach höher als die übliche Versicherungsprämie.

weitere Informationen:
Emma Lunn: ’securing your future‘
in: hiv treatment update, issue 195, April 2010
Artikel im HIV Treatment Update Archive derzeit noch  nicht online

Lebensversicherungen für HIV-Infizierte

Lebensversicherungen sind immer noch ein schwieriges Thema für viele Menschen mit HIV. Viele empfinden sie als wichtig für ihre Vorsorge, manches Mal scheinen sie für die weitere berufliche Laufbahn unabdinglich. Bisher galt ‚mit HIV bekommt man keine Lebensversicherung‘. Doch nun hat sich die Situation verändert – wie Dr. Stefan Timmermanns berichtet, Referent für Menschen mit HIV/Aids der Deutschen Aids-Hilfe:

Seit Mitte 2008 besteht auch für Menschen mit HIV und Aids die Möglichkeit eine Lebensversicherung abzuschließen. Dabei wird das Risiko individuell kalkuliert. Das heißt, dass zunächst eine Risikoprüfung erfolgt, indem der HIV-positive Antragsteller einen Fragebogen beantworten muss und zusätzlich Arztberichte des behandelnden Hausarztes angefordert werden. In einem von der DAH gestellten Probeantrag wurde dem HIV-positiven Kunden ein Vertrag mit einem 30%-igen Risikozuschlag angeboten. Das entspricht in etwa der Höhe eines Risikozuschlages, der auch bei Diabetiker(inne)n gefordert wird. Man kann davon ausgehen, dass auf Grund des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes demnächst alle Versicherer die Versicherbarkeit eines HIV-Positiven Antragstellers überprüfen. Relevant für die Versicherbarkeit sind Viruslast, Helferzellen, mögliche zusätzliche Erkrankungen, das Alter, etc. Das Ergebnis einer solchen Prüfung kann je nach Versicherungsgesellschaft unterschiedlich ausfallen. Denkbar sind je nach Schwere und Komplikation des bisherigen Krankheitsverlaufs Beitragszuschläge, Einschränkungen in der Versicherungslaufzeit oder eben auch Ablehnungen.

Insofern ist zu raten, bei mehreren Unternehmen gleichzeitig Anträge zu stellen, um dann hinterher das beste Angebot auswählen zu können. Viele Aidshilfen haben in den letzten Monaten Mails von unterschiedlichen Anbietern (u. a. Versicherungsmaklern) bekommen. Über die Seriosität und Qualität ihrer Angebote kann die DAH keine Auskünfte erteilen. Vor Antragsstellung sollte beim Makler nachgefragt werden, mit welcher Versicherungsgesellschaft er bzgl. der Lebensversicherung zusammenarbeitet.

Bei aller Euphorie über die positive Entwicklung am Versicherungsmarkt in den letzten Monaten, sollten HIV-Positive trotzdem besonnen bleiben. Über allem steht nämlich der Bedarf der Klient(inn)en. Die meisten Menschen mit HIV/ Aids brauchen voraussichtlich keine Lebensversicherung. Um Altersvorsorge zu betreiben, sind eine Rentenversicherung oder ähnliche Modelle ausreichend oder sogar besser geeignet. Dabei gibt es keine Gesundheitsprüfung und auch HIV-Positive können problemlos eine solche Versicherung abschließen. Die Lebensversicherung ist durch Kapitalaufbau und gleichzeitige Absicherung im Todesfall gekennzeichnet. Die sogenannte Risiko-Lebensversicherung sichert nur den Todesfall ab. Dies ist für Menschen erforderlich, die zum einen ihre Familie im Falle ihres Ablebens absichern möchten oder die einen größeren Kredit bei einer Bank absichern müssen. Auch Menschen, die sich selbständig machen wollen, brauchen oft eine Risiko-Lebensversicherung.

Dr. Stefan Timmermanns
Referent für Menschen mit HIV/Aids

Nachtrag
Telegraph 29.04.2009: Insurer offers life cover to people with Aids virus
privatehealth.co.uk 01.05.2009: PruProtect launches life cover for people living with HIV
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Lebensversicherung: der Ausschluß HIV-Positiver ist nicht mehr zeitgemäß (akt.)

Menschen mit HIV sind in Deutschland von zahlreichen Versicherungen weitgehend ausgeschlossen. Potenziell zu einer HIV-Risikogruppe gehören zu können, erschwert einer großen Gruppe von Menschen den Abschluss von Versicherungen. Britische Versicherer zeigen, wie unzeitgemäß dieses in Deutschland noch übliche diskriminierende Verhalten zahlreicher Versicherer ist.

HIV-Positive haben in Deutschland seit zwanzig Jahren große Probleme, Versicherungen abzuschließen. Zahlreiche Versicherer fragen in ihren Anträgen nach einem etwaigen HIV-Test sowie dessen Ergebnis. Dies betrifft nicht nur Lebensversicherungen, sondern z.B. auch Berufsunfähigkeits-Versicherungen, Unfallversicherungen oder private Krankenversicherungen. Zudem wird anhand von Risikofaktoren kalkuliert,ob etwa ein Antragsteller potenziell ein hohes Risiko eines ‚Schadenfalls‘ hat – auch hinsichtlich HIV-Infektion und Aids. So wird HIV im Denken von Versicherungen zu einem Risikofaktor, der vielen schwulen (oder als solchen vermuteten) Männern Versicherungen erschwert.

Ein Problem, das weit mehr als ‚belanglos‘ ist. ‚Mit HIV schlechter versichert?‚ oder gar ‚kein Versicherungsschutz wegen HIV‚, vor diesem und ähnlichen Problemen stehen oftmals HIV-Positive – und Menschen, die aus welchen Gründen auch immer potenziell dafür gehalten werden.

Keine Lebensversicherung abschließen zu können – dies ist weit mehr als eine Frage persönlicher Lebensführung und eines Gefühls der Absicherung. So berichtet in dem jüngst von der Deutschen Aids-Hilfe vorgestellten Film ‚Jung Positiv‘ ein junger Mann, der im Kfz-Gewerbe gelernt hat, über gravierende Folgen seines Versicherungsproblems: “Meister machen – der Traum ist geplatzt. Wer gibt mir schon noch einen Kredit, als Positiver? Die verlangen ja eine Lebensversicherung als Sicherheit. Und die bekomm’ ich mit HIV doch nicht.”

Wie entstand diese Situation? Warum diese Versicherungsprobleme, und warum heute noch?

1988 – Am Jahresanfang entscheidet der Verband der Lebensversicherungsunternehmen e.V., für alle Anträge auf Lebensversicherung eine Frage nach einem vorliegenden positiven HIV-Antikörpertest zu empfehlen. Zudem wird für alle Lebensversicherungen über 250.000 DM Versicherungssumme empfohlen, in die dabei fälligen ärztlichen Untersuchung auch einen HIV-Antikörpertest einzubeziehen. Bei HIV-positiven Antragstellern sollte ein Vertragsabschluss abgelehnt werden.

Die Folgen dieses Entschlusses sind weitreichender als zunächst vermutet. Sie betreffen bald nicht nur HIV-positive Menschen direkt. Eine große Zahl Menschen, ob HIV-positiv oder nicht, berichtete bald über Probleme, Versicherungen nur mit Schwierigkeiten abschließen zu können – nicht nur Lebensversicherungen, auch z.B. Berufsunfähigkeits- oder private Krankenversicherungen, gar Unfallversicherungen und (im Leistungsfall) Reisekrankenversicherungen waren und sind betroffen.

Über das so genannte ‚Scoring‘ und andere Verfahren der Risikokalkulation versuchen Versicherer, potenzielle Risiken vor Vertragsabschluss zu erkennen, Antragsteller  mit hohen Risiken nicht als Kunden anzunehmen. Da könnte die Kombination „Mann, jung, nicht verheiratet“ schon verdächtig sein – potenziell schwul? Ist gar als Begünstigter zudem auch ein Mann angegeben, werden vielleicht gar ‚verdächtige‘ Vor-Erkrankungen wie Syphilis oder Hepatitis angegeben, ist es unter Umständen schnell vorbei mit dem angestrebten Versicherungsschutz. Und wenn gar ein HIV-Test gemacht wurde, selbst wenn der negativ ausgefallen ist, das sagt doch was – und da wollen Sie versichert werden?

Die Merkmale ’schwul‘ oder ‚potenziell HIV/Aids‘ sowie die dahinter liegenden Risiko-Algorithmen als Filter-Faktoren des Risiko-Scorings wurden selten nachweisbar publik – immer wieder wurde und wird jedoch vermutet, dass einige Versicherer weit über die konkrete Frage nach dem HIV-Status hinaus auf diese oder ähnliche Weisen versuchen,  schwule Männer als Kunden (als ‚Risiken‘) zu vermeiden.

Doch inzwischen haben sich die Lebensrealitäten HIV-Positiver verändert. Eine Vielzahl an Medikamenten ist zugelassen, und auch wenn die HIV-Infektion letztlich immer noch potenziell tödlich ist, nähert sie sich doch immer weiter einer chronischen Infektionskrankheit an. Die Lebenserwartung von HIV-Infizierten, Ende der 1980er Jahre oft nur mit wenigen Jahren bemessen, erreicht heute in westlichen Industriestaaten oftmals fast die statistisch ’normale‘ Lebenserwartung.

Die Situation des Lebens mit HIV hat sich verändert – doch bei der Frage, ob HIV-Positive eine Lebensversicherung abschließen können, herrschte lange Stillstand. Nun scheint sich langsam auch hier Veränderung abzuzeichnen.

So bemerkte Hans Jäger bei den ‚Münchner Aids-Tagen in Berlin‚ 2008, inzwischen biete die Allianz als erster deutscher Versicherer auch eine Lebensversicherung für HIV-Positive an. Die Allianz hat dies bisher m.W. nicht bestätigt.

Weiter sind Nachbar-Staaten: so bietet der Verband der britischen Versicherer Interessenten einen Ratgeber an unter dem Titel „HIV and life insurance – A consumer guide for gay men“ (pdf). Dort heißt es, schwule Männer seien in der Vergangenheit von Versicherern oftmals unfair behandelt worden. Insbesondere sollen zukünftig Menschen in Lebenspartnerschaften nicht anders als verheiratete Paare behandelt werden. Gezielt wird darauf hingewiesen, dass Fragen nach Homosexualität nicht länger akzeptabel seien, bestimmte Berufe nicht mehr als Indikator für höheres HIV-Risiko betrachtet würden, vielmehr eine fallweise Beurteilung erforderlich sei. Die Tatsache eines HIV-Test werde nicht per se als negatives Kriterium bewertet, und auch mit positivem HIV-Test gebe es spezielle Versicherer, die u.U. Lebensversicherungen anbieten würden.
Zudem hat der selbe Verband einen Ratgeber für Menschen herausgegeben, die in Ländern mit hoher HIV-Prävalent gelebt oder dorthin gereist sind (pdf) – ein Thema, das in Deutschland zwar auch Versicherungen erschwert, aber selten wahrgenommen wird.

Lebensversicherungen auch für Schwule, auch in Lebenspartnerschaften, auch ohne HIV-Test – was in Deutschland wohl immer noch ein großes Problem darstellen dürfte, ist in Großbritannien nicht nur möglich, sondern sogar mit hohen Versicherungssummen machbar. So bemerkt pinknews: „Two companies, Royal Liver and Bright Grey, were praised for their industry-beating limit of £1,000,000 of cover without HIV testing for gay men within a civil partnership.“

Der pauschale Versicherungs-Ausschluß für HIV-Positive und die resultierenden Risiko-Kalkulationen und Spekulationen einiger Versicherer scheinen nicht mehr zeitgemäß. Sie sind diskriminierend, beeinträchtigen weit mehr als hinnehmbar die individuelle Lebensplanung zahlreicher Menschen und stellen ganze Gruppen unter Generalverdacht. Es ist dringend an der Zeit, dass die Versicherungsbranche reagiert.

Nebenbei, befürchtete Stigmatisierung und Diskriminierung sind zwei der Faktoren, die Menschen daran hindern, einen HIV-Test zu machen, so von ihrem HIV-Status zu erfahren (und z.B. ggf. auch rechtzeitig behandelt werden zu können). Ein undifferenziertes Aussortieren, eine pauschalisierende ‚Risikokalkulation‘ über das Ausschliessen ganzer Kundengruppen können so auch dazu beitragen, dass HIV-Prävention unnötig erschwert und beeinträchtigt wird. Ganz abgesehen davon, dass sie das Bild, das die Gesellschaft sich von HIV-Positiven macht, auch nicht gerade positiv beeinflussen …

Nachtrag
25.11.2008: koww hat bei der Allianz nachgefragt – mit dem Ergebnis „kann ich Ihnen für der Fall HIV positiv keinen Versicherugsschutz anbieten.“ koww, danke der Nachfrage – nu werd ich mal bei Dr. Jäger nachhaken …
28.11.2008: Dr. Jäger teilt per Email zum Thema Lebensversicherung für HIV-Positive mit „Hier hat sich inzwischen Einiges getan. Eine – wie ich meine – vollständige Zusammenfassung wird Mitte Januar 2009 zur Verfügung stehen“. Sobald diese ‚Zusammenfassung‘ vorliegt, werde ich weiter berichten.

schneller als vorgestellt

Die 12. Münchner Aidstage (zu Gast in Berlin) wurden am Freitag, 14.3.2008 mit Reden von Bundes-Justizministerin Zypries, DAH-Geschäftsführer Pinzón und der ehemalige RKI-Präsident Kurth eröffnet.

Dr. Hans JägerIn seiner Begrüßung betonte Dr. Hans Jäger, Präsident der „12. Münchner Aids-Tage – zu Gast in Berlin“, die HIV-Prävention ändere sich derzeit „schneller, als wir es uns vorgestellt haben.“ Neben dem aktuellen Beschluss der EKAF, der im Verlauf des Kongresses häufig und kontrovers diskutiert wurde, erwähnte er auch den Bereich der gesellschaftlichen Situation von Menschen mit HIV und Aids. Auch hier spiegele sich der (nicht nur medizinische) Fortschritt, so biete die Allianz neuerdings eine Lebensversicherung für HIV-Positive an, ein deutliches Abbild drastisch gesteigerter Lebenserwartungen mit HIV („Versicherungsmathematiker sind Realisten …“).

Brigitte Zypries, Bundesministerin der JustizBundesjustizministerin Brigitte Zypries hielt die erste der drei Eröffnungsreden. Sie habe die Einladung gerne angenommen, da Aids ja -neben allen medizinischen und gesundheitspolitischen Fragen- auch eine „juristische, und das heißt vor allem auch eine gesellschaftspolitische Herausforderung“ sei.
Sie wies -angesichts auch der gerade stattfindenden Debatten um die Folgen des EKAF-Statements beinahe prophetisch- darauf hin, „erfolgreiche Aids-Bekämpfung hängt auch davon ab, dass hier in Berlin politisch die richtigen Weichen gestellt werden.“ Zypries forderte, Prävention „offen und offensiv“ anzugehen

Luis Carlos Escobar Pinzón, Bundesgeschäftsführer Deutsche AidshilfeDr. Luis Escobar Pinzón, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) wies auf die Veränderungen in den Paradigmen hin. Damit Prävention glaubwürdig und erfolgreich sein kann, müsse sie sich an aktuellen Forschungsergebnissen orientieren. Daher arbeite die DAH an „differenzierten Risikominimierungsstrategien“. Bei der neuen Kampagne „Ich weiss was ich tu“ werde das Internet eine zentrale Rolle spielen.
Er betonte, das Leben mit HIV werde sich auch in den kommenden Jahren entspannter werden. Deswegen müsse Aidshilfe den Mut haben, sich von einer nicht mehr sachgerechten Dramatisierung der HIV-Infektion zu verabschieden. Wesentlicher sei eine wirksame HIV-Prävention, die sich an der Wirklichkeit des Lebens mit HIV orientiere.

Dr. Reinhard Kurth, Präsident RKI a.D.Dr. Reinhard Kurth, bis November 2007 Leiter des Robert-Koch-Instituts (RKI), erinnerte an die heftigen Auseinandersetzungen um die Richtung der Aids-Politik, die er und das RKI an der Seite der damaligen Gesundheitsministerin Rita Süssmuth gegen die von Strauß und Gauweiler propagierte Linie geführt habe. Der damals verankerten Richtung der deutschen Aids-Politik sei es auch zu verdanken, dass in Deutschland heutzutage im Vergleich sehr niedrige Neu-Diagnosezahlen vorliegen, „um die uns die Nachbarländer beneiden“. Kurth zeigte sich „sehr vorsichtig in der Unterstützung der EKAF“ und ihres derzeit diskutierten Statements.

Kein Versicherungsschutz wegen HIV

Das Leben eines HIV-positiven Menschen ist riskant – wenn man Versicherungen glaubt, manchmal so riskant, dass HIV-Positive irgendwie scheinbar nicht versicherbar sind.

Eine Krankenrücktransportversicherung zum Beispiel meinte, bei HIV-Positiven bestehe generell die Gefahr einer Lungenentzündung. Sie verweigerte im Jahr 2005 einem Positiven einen Rücktransport aus den USA, nachdem dieser an hohem, Fieber und Reizhusten erkrankt war.

So nicht, meinte das Landgericht München I und sprach dem Versicherten ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro zu.

[via Handakte WebLAWg]

mehr dazu auch im Juraforum

mit HIV schlechter versichert?

Viele Menschen mit HIV können ganze Romane davon erzählen, wie schwierig es sein kann, mit HIV bestimmte Versicherungen zu bekommen.

Ganz erstaunliche Geschichten erzählt nun thegaydissenter über diskriminierende Versicherungen – da möchte eine Krankentagegeld-Versicherung scheinbar keine HIV-positiven Kunden, und selbst eine Unfall-Versicherung auch nicht. Lesenswertes Posting …

Nun wäre es spannend, die Reihe fortzusetzen – wer hat welche Erfahrung mit welchen Versicherungen gemacht? …