Dröppelminna

Dröppel – was ???

Die Dröppelminna ist nicht eine in irgend einer Hinsicht gehandikappte Frau. Und überhaupt keine Person. Obwohl, über die Persönlichkeit ihres Besitzers könnte sie bestimmt einiges sagen …

Die Dröppelminna, fachsprachlich Kranenkanne genannt, ist eine früher in Norddeutschland sowie im Bergischen Land weit verbreitete dicke Kaffeekanne, die oft auf drei Beinen steht, hier jedoch auf einem Sockel.

Dröppelminna
Und warum Dröppelminna? Ist die nicht ganz dicht?
Beinahe.
Früher, als sie in Mode kam, diese Minna, da kannte man noch nicht den Kaffeefilter. Man / frau gab das Kaffeemehl in die Minna, goss mit heissem Wasser auf. Und das Kaffeemehl setzte sich bald unten ab. Folge: aus dem -ebenfalls unten angebrachten- Hahn kam der Kaffee nicht mehr flott fließend, sondern er tröpfelte nur noch. Die Minna wurde zur Döppelminna …

Die ‚Dröppelminna‘ – ein Gebrauchsgegenstand, der längst dabei ist, in Vergessenheit zu geraten, in Gegenstand und Wort wohl wohl vom Aussterben bedroht. Und dort trifft sie sich mit ihrem Kollegen männlichen Geschlechts, dem ‚Henkelmann’…

An einem Tag im Museum …

… kann man viele interessante Dinge entdecken …

… Erwartetes:

Riemenschneider (Riemenschneider)

Inspirierendes:
Herkules (Herkules kämpft mit einem Kentaur, nach Giambologna (1529-1608))

Herrschaftliches:

Alexander (Kopf Alexander des Großen, um 211-235 n.Chr.)

Geschätztes:

Kant (Immanuel Kant)

Beschädigtes:
Vesperbild (Köpfe von einem Vesperbild, Prag um 1400; Gruppe bis auf die beiden Köpfe 1945 zerstört)

Spielerisches:
Kugelspiel (Kugelspiel, Konstantinopel 5. Jhdt.)

… und Amüsantes:
sitzender Knabe (sitzender nackter Knabe, Nürnberg um 1520)

… alles zu Entdecken im Bode-Museum.

Noch mehr Cruise-Sch…

Wie der Caliban (unter dem wunderbaren Titel „Schwule, Heten und andere Katastrophen“) mitteilt, ist wohl wieder einmal von Wundern (oder Katastrophen?) zu berichten: Tom Cruise ist zu Jesus mutiert.

Die Scientology-Sekte betrachte Tom Cruise als ihren neuen Jesus, melden mehrere englischsprachige Medien. Cruise sei vielfach für seine Ansichten angegriffen und kritisiert worden, in Zukunft werde er hierfür angebetet werden. Cruise ist seit den 1980ern Mitglied von Scientology.

Nun ist mir diese Sekte (nach persönlichen Erfahrungen im Bekanntenkreis schon vor 25 Jahren) mehr als suspekt. Was man/frau von Cruise als Jesus nun halten mag? Vielleicht hat des Künstlers Kind Suri das schon ausgedrückt … ‚Baby Poop‘, einfach sch…

Schade, einige der Cruise-Filme mochte ich echt gerne, zumindest unter dem Aspekt, gut unterhalten zu werden. Das hat sich nun definitiv erledigt …

Wortverlust

Über den Verlust von Worten klagen ja bereits einige Blogger, scheint ein Zeit-Phänomen zu sein 😉

Eins der verloren gehenden Worte ist wohl ‚Groschenroman‘. Den Groschen haben wir schon seit einigen Jahren nicht mehr, und die mit diesem Zusatz bezeichneten ‚Romane‘ hatte ich schon viele viele Jahre nicht mehr in den Händen. Obwohl, in meiner Jugend gab’s durchaus den ein oder anderen Groschenroman, den ich verschlungen habe. Nicht Courths-Mahler oder andere Herzensgeschichten. Aber Perry Rhodan. Der war durchaus eine Zeit lang Held meiner Lese- und Traum-Phantasien.
Und heute? Perry Rhodan gibt es immer noch (erstaunlich …), und die Roman-Kategorie, Format A5, die ihren Namen vom ehemaligen Verkaufspreis bezieht, auch – aber das Wort, das sie bezeichnet, der ‚Groschen-Romans‘, dieses Wort ist wohl dabei verloren zu gehen.

Ein anderes Wort hab‘ ich nicht verloren – allein, auch dieses Wort hat mit Sinnverlust zu kämpfen.
Der Glücks-Pfennig! Ja, ausgerechnet dieses kleine Kupfer-Ding. Oder sagen Sie etwa seit einiger Zeit ‚Glücks-Cent‘? Ich bring das nicht über’s Herz, oder besser: die Lippen. Das Glückssymbol, oft zu Silvester (am besten zusammen mit dem obligaten vierblättrigen Kleeblatt, das längst durch Blumenzuchtanlagen entwertete wurde), oder, in stiller Freude, als Überraschungsfund auf dem Gehsteig, bleibt für mich der ‚Glückspfennig‘ – Währungsumstellung hin oder her.

Bonbons statt ‚dfg‘

Statt einem Vortrag über Porno stehe ich heute vor einem Stapel Bonbons.Torres03 Eigentlich – ja eigentlich hatte ich heute zum Symposium „Post Porn Politics“ in der Volksbühne gehen wollen. Die Lecture „Poor guys do it better“ hören, untertitelt „Ethnic gay pornography and class“. Vielleicht auch noch Bruce LaBruce mit seiner Presentation (und sicher rhetorisch gemeinten Frage) „But is it art?“.
„Poor guys“ ist jedoch leider auf morgen verschoben, den Ersatz-Vortrag über „Penis-Ersatz“ muss ich mir wirklich nicht antun, erst recht nicht für 6,-€ Eintritt.

Spontan fahre ich stattdessen zum Hamburger Bahnhof (für die nicht-Berliner Leser: der ehemalige Bahnhof ist seit 10 Jahren Museum für Moderne Kunst). Die Felix Gonzalez-Torres Retrospektive hatte ich mir doch eh ansehen wollen,warum nicht jetzt.

Gleich am Eingang: ein riesiges Quadrat goldfarben eingepackter Bonbons. Einige Besucher stehen irritiert davor, andere belustigt. Ein kleiner Junge nervt seine Mutter offensichtlich damit, eines der Bonbons zu wollen. „Halt den Mund, das ist Kunst“, höre ich sie sagen.

Felix Gonzalez-Torres, US-amerikanischer Konzept-Künstler, starb 1996 an den Folgen von Aids. Die NGBK, die einige seiner Werke schon Ende der 80er Jahre erstmals in Deutschland zeigte (im Rahmen der Ausstellung „Vollbild Aids“), veranstaltet eine umfassende Retrospektive.

Torres02Eine Vielzahl Arbeiten aus Werk- Gruppen erwarten mich: „candy pills“ neben „stacks“, Stapel von Postern in unlimitierter Auflage. Puzzle-Bilder, Lichterketten, Fotografien und Schrift-Arbeiten auf den Museumswänden.
Häufig: das Nebeneinander des Banalen und des Intensiven, des Alltäglichen und des Außerordentlichen, des Privaten und des Öffentlichen. Blutwerte und Krieg in einem fernen Land. In erschreckender, irritierender Dichte, Aufeinanderfolge.

Die Auseinandersetzung mit Aids ist dabei immer wieder Thema seiner Arbeiten, sei es in den Bonbon-Bergen, Fotografien oder Wort-Arbeiten. Die Geschichte hinter den Kunstwerken wird nicht erzählt, es bleibt Aufgabe des Besuchers sie sich zu erschließen.

Vielen Besuchern allerdings scheint das kaum zu gelingen, habe ich das Gefühl. Sie schlendern durch die Ausstellung, klauben Plakate zusammen und naschen Bonbons (auch der kleine Junge kommt bald doch noch auf seine Kosten) – nutzen jedoch kaum die in einem abgetrennten Bereich (dem „Archiv“) bereitgestellten Hintergrund-Informationen.

Torres04 So erfahren sie wahrscheinlich nicht, was hinter den Lichterketten steckt (O-Ton: ‚Das ist aber hübsch, wollen wir das bei uns auch so machen im Treppenhaus?‘). Nichts über die Explosion von Information und gleichzeitige Implosion von Bedeutung. Oder dass eine 60-Watt-Birne genau die gleiche Wärmemenge abstrahlt wie ein menschlicher Körper. Dass einer der Bonbon-Berge („untitled“, (Ross), 1991) zu Ausstellungsbeginn gut 79 Kilogramm wog, was dem Gewicht seines verstorbenen Lovers Ross entspricht.

Was für ein bezaubernder, metaphysisch anmutender Gedanke. Ich nehme ein Bonbon, mit dem Lutschen wird Ross, wird ein Stück von Gonzalez-Torres‘ Kunstwerk Teil von mir. Das Kunstwerk wird so einerseits immer weniger im Verlauf der Ausstellung – doch auch wieder nicht. Den Anweisungen des Künstlers folgend (‚endloser Vorrat‘) ist spätestens mit jeder neuen Ausstellung ein neuer Bonbon-Berg vorhanden.
Verschwinden und Unmöglichkeit des Verschwindens gleichzeitig.
Was für ein Umgang mit Trauer Erinnern Verlust.

Nachspiel: steht ansonsten eher „Bitte nicht berühren“ auf den Schildern im Museum, gern auch mit Ausrufezeichen, finde ich hier einen anderen Hinweis:

Torres01

Monopoly der Bücher – im Namen des Herrn

Die Frankfurter Buchmesse, gerade zuende gegangen, lässt mich noch einmal über Bücher und den Buchmarkt nachdenken.

Eigentlich habe ich ja (statt einer Literatur-Mail ) lieber ein Buch in den Händen. Emails sind etwas Praktisches, aber nicht „das Lesevergnügen“. Und auch Hörbücher probiere ich ab und zu ganz gerne aus, merke aber immer wieder, was für ein Unterschied es ist zu lesen oder vorgelesen zu bekommen. Am liebsten nehme ich also doch ein ‚echtes‘ Buch zu Händen. Nur in Büchern kann ich mich, wenn ich sie mag, richtig ‚verkriechen‘, sie fühlen, ganz abtauchen.

Das Kaufen der Bücher wird allerdings immer mehr zur „Glaubenssache“, und zwar im wahrsten Sinn des Wortes, leider.
Wenn ich in Berlin durch die City West gehe, oder in einem der Shopping Center bin – Bücher kauft man irgendwie immer häufiger (wenn man genauer nach dem Eigentümer des Geschäfts schaut) bei den katholischen Bischöfen.

Die Konzentration im Buchhandel schreitet munter voran, und einer der muntersten Player dabei scheint ausgerechnet die katholische Kirche zu sein:

Am 17. August 2006 haben Hugendubel und Weltbild bekannt gegeben, gemeinsam die Buchhandelsholding DBH zu bilden.
Damit ist ein Imperium entstanden, das u.a. die Buchhandelsketten Hugendubel, Weltbild, Weltbild plus, Jokers, Wohlthat und einige kleinere Buchhändler umfasst. Der Verlagsgruppe Weltbild gehören zudem u.a. 50% an der Verlagsgruppe Droemer Knaur und 25% an buecher.de. Hugendubel ist zudem zu 49% Eigentümer des größten Schweizer Buchhändlers Orell Füssli.

Dieses Konglomerat ist inzwischen der größte Buch-“Händler“ in Deutschland. Und als würde das noch nicht reichen, hat Weltbild – die am aggressivsten wachsende Mediengruppe in Deutschland – inzwischen angekündigt, zukünftig auch in Supermärkten Bücher zu verkaufen. Ein erster Test-Shop in einem Discounter wurde bereits im Sommer eröffnet.

Gesellschafter von Weltbild sind 14 katholische deutsche Diözesen sowie die Soldaten-Seelsorge Berlin.
Thalia, die Nummer 2 der Buch-“Händler“ in Deutschland, ist eine 75%ige Tochter der Douglas Holding.

Und wenn Sie nun antworten, ’na, ich kauf meine Bücher ja bei 2001′, und dabei denken, die sind doch immer noch ein wenig alternativ – weit gefehlt. Ende September verkauften die bisherigen Eigentümer (Lutz Kroth, Wolfgang Müller & Walter Treumann) das Unternehmen an Michael und seinen Bruder Rainer Kölmel.
Kölmel? Ja, genau der Kölmel, der nach der Insolvenz (andere sagen Milliarden-Pleite) seiner Kinowelt-Gruppe wegen Untreue und Insolvenzverschleppung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde – und die Firma kurz darauf in Leipzig statt München wiederbelebte.

Bleibt bald nur noch die Auswahl zwischen wenigen riesigen Buchhandelsketten, von denen die größte die katholische Kirche ist? Ich glaube ich muss mal wieder zu der kleinen Buchhandlung bei mir um die Ecke gehen …

Literatur-Mail

Heute geht die Frankfurter Buchmesse zuende. Und – habe Sie sich auch wieder gefragt, wann Sie zuletzt ein Buch gelesen haben?

Ja, das wäre schön, mal wieder ganz in Ruhe ein schönes Buch lesen! Wenn man nur genug Zeit hätte … Schon mit dem geplanten Englisch-Kurs hat’s ja nicht geklappt, aus Zeitmangel. Wie soll da noch Zeit für Lesen sein?

Wie wär’s, beides zu kombinieren?
Und dann noch recht zeitsparend? Sie brauchen nur wenige Minuten täglich …

Geht nicht?
Na – vielleicht ja doch.

Das Internet-Angebot DailyLit bietet einen erstaunlichen Service: englischsprachige Literatur per Email, in kleinen Häppchen. Täglich eine E-Mail, mit einem „Lese-Happen“, der ca. 5 Minuten Zeit benötigt.

Dieser Service, der übrigens zudem noch kostenlos ist, hat eine erstaunliche Auswahl zu bieten (die zudem noch ständig erweitert wird). Da findet sich Dante Aligheri neben Jane Austen, die „Wuthering Heights“ neben „Don Quichote“. Der Politik-Interessierte erfreut sich vielleicht am „Kommunistischen Manifest“, Philosophie-Begeisterte am „Tao Te King“, und selbst Jahreszeitliches wie „A Christmas Carol“ von Charles Dickens gibt’s als E-Maiul-Häppchen-Literatur. Über 200 titel sind inzwischen verfügbar, eine Erweiterung geplant.

Der Service funktioniert sehr unkompliziert: auf dailylit.com suchen Sie sich mit der Suchfunktion einen Titel aus, geben an wann und wie häufig Sie Ihrer Literatur-Email bekommen wollen, nennen Ihre Email-Adresse und los geht’s – täglich kommt eine Mail, der Lesespaß auf Englisch kann beginnen.

Und ist das ganze legal? In den USA anscheinend ja, alle Bücher sind nach Angaben des Site-Betreibers im public domain. Na dann! Auf ans E-Mail-Lesen!

Happy Birthday, Freddie!

Am 6.11.2006 wäre Freddie Mercury 60 Jahre alt geworden …

Am 24. November 1991 ist Freddie Mercury in London gestorben. Er hatte nie ein Coming Out, hat sich nie öffentlich als schwul geoutet – obwohl, war das erforderlich? Ja!

Ich erinnere mich. Ende 1975, Bohemian Rhapsody. Ich war gerade 16, hatte noch keine Ahnung davon, dass das, was ich da so fühlte, irgendwie mit Schwulsein, mit diesem komischen Begriff zu tun haben könnte.
Einige Zeit später sah ich ein seltsames Etwas in der Glotze auf der Bühne. Das war Freddie Mercury, das war Queen? Irgendwie, naja die sahen ja alle seltsam aus damals, aber, sieht so ein Mann aus? Weiter allerdings hab ich nicht gedacht, ich fand einfach den Song geil, und Queen auch.
Schwule, offen schwule Vorbilder wären toll gewesen damals.,Das wurde mir aber erst später klar. Der einzige Schwule, den ich damals kannte, war ein von beinahe allen gemiedener älterer femininer Mann, über den höchstens mal abfällig getuschelt wurde. Die Jimmy Somervilles und Marc Almonds gab es damals in meiner Welt noch nicht. Schwule Vorbilder oder Idole kannte ich nicht, da war damals noch Fehlanzeige.

Freddie Mercury war auch nie offen positiv. Hat, obwohl er bereits 1987 erkrankte, erst sehr spät, am 23. November 1991, nach vielen Gerüchten die Öffentlichkeit dann doch noch davon unterrichtet, dass er Aids hat. Nur wenige Stunden später starb er dann an den Folgen einer Lungenentzündung.
Immerhin, er hat den Schritt noch kurz vor seinem Tod gemacht. Ein Signal gesetzt.

Nach Freddie Mercurys Tod wurde „Bohemian Rhapsody“ erneut als Singel veröffentlicht, alle Einnahmen gingen an eine Aids-Stiftung.

Bohemian Rhapsody hör‘ ich heute noch gerne – und wenn ich mir vorstelle, Freddie Mercury heute, Sondersendung zum Jubiläum, dann singt er live, mit 60 Jahren – soll ich da lachen? Oder weinen?

Andererseits, Mick Jagger steht heute immer noch auf der Bühne …

Happy Birthday, Freddie!

Baby Poop

In einer New Yorker Galerie wurde eine Bronze-Statue vorgestellt. Nichts besonderes. Das Kunstwerk ist in einem Glaskasten installiert. Na und? Es soll demnächst bei Ebay versteigert werden. Auch das, na ja, nichts besonderes. Ich lese weiter, wo ist denn die Story?

Die Bronzeskulptur stellt dar – einen Bronzeabguss des ersten Stuhlgangs von Suri. Suri, der am 18.4.2006 geborenen Tochter von Tom Cruise und Kathie Holms. Suris erster Stuhlgang …

Mein Besuch, dem ich die Geschichte prustend vorlese, kann sich vor Lachen kaum halten, bis ihm rausrutscht, „na, das ist ja echte Scientology-Scheiße!“

Und falls Sie denken, es ist doch nicht 1. April – hier ist der Link, sehen Sie selbst: Suri Cruise’s Baby Poop …

Der Künstler selbst kommentiert sein Werk „Ein Bronzeguss des ersten Stuhlgangs kann eine wertvolle Erinnerung für die Familie sein.“ Ah ja!
Und immerhin, der Erlös der Versteigerung soll für einen wohltätigen Zweck gestiftet werden…

Küssende! Aber welche ?

Können und wollen Lesben sich in einem Mahnmal wiederfinden, in dem zwei sich küssende Männer dargestellt werden? Dies schien die zentrale Frage einer Diskussion über das geplante Denkmal für die in der NS-Zeit verfolgten und unterdrückten Lesben und Schwulen zu sein.

Berlin bekommt ein Homo-Denkmal. – Nein genau das nicht! Aber dazu später mehr.

Auf einem Grundstück im Tiergarten direkt gegenüber dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas soll erinnert werden an in der NS-Zeit verfolgte und unterdrückte Lesben und Schwule. Der Bundestag hat einen entsprechenden Beschluss zur Realisierung bereits gefasst. Der künstlerische Wettbewerb ist abgeschlossen, seit Januar 2006 stehen die Sieger fest: die beiden dänischen bzw. norwegischen Künstler Michael Elmgreen und Ingar Dragset. Beide leben und arbeiten in Berlin.
ElmgreenDragset

Auf einer erfreulich gut besuchten Diskussionsveranstaltung (auf Einladung des Lesben- und Schwulenverband LSVD) am 28. August 2006 wurde intensiv über das geplante Projekt www.gedenkort.de diskutiert. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob und wie auch Lesben in dem Denkmal präsent sind.
Im Vorfeld der Diskussion hatte die Zeitschrift Emma mit einer nicht unumstrittenen Unterschriftenaktion protestiert „Mal wieder die Frauen vergessen“ http://www.emma.de/homo_denkmal.html.

Die einer kurzen Runde von Eingangsstatements sich anschließende Diskussion entzündete sich (sehr zum Erstaunen der Künstler) nicht an der äußeren Gestaltung, sondern fast ausschließlich am Inhalt der beinhalteten Videoprojektion – küssen sich da zwei Männer, zwei Frauen oder zwei was?

Ein Kerngedanke der Kritik war, dass das Denkmal in seiner derzeitigen Konzeption ein weiterer Ausdruck der jahrelangen Nichtwahrnehmung lesbischer Frauen sei und einen Rückfall hinter schon Erreichtes darstelle. Zudem sei nicht berücksichtigt, dass Frauen in der NS-Zeit nicht in gleicher Weise verfolgt und unterdrückt wurden.
Elmgreen/Dragset betonten daraufhin, es sei nicht bedeutend, ob sich zwei Männer oder zwei Frauen küssten. Das Fenster sei ein Bild, eine intime Darstellung zweier sich küssender gleichgeschlechtlicher Personen. Wichtig sei diese Intimität, der Kuss, nicht die Küssenden. Es ginge nicht um Repräsentation (die zwei Küssenden können niemals alle, nicht einmal alle Schwulen repräsentieren), sondern darum, ein Bild von Intimität und Zärtlichkeit zu schaffen – deswegen auch der ununterbrochene „ewige Kuss“.

Warum in dem seit 1992 (!) laufenden Prozess der Denkmal-Planung die massive inhaltliche und formale (z.B. Besetzung der Jury) Kritik von Seiten einiger Lesben allerdings erst jetzt, in einer relativ späten Phase eingebracht wird, blieb unklar.

Letztlich stelle ich mir mittenmang etwas frustriert die Frage, wäre die letzte Provokation -auch für uns selbst-, die definitive Irritation des Betrachters nicht eigentlich ein sich küssendes Hetero-Paar?

Leider ließen im Verlauf der überwiegend konstruktiven Diskussion einige der TeilnehmerInnen etwas an Respekt für den künstlerischen Schöpfungsprozeß und die künstlerische Freiheit vermissen. Und die beiden anwesenden Künstler mussten sich ausgiebig in Geduld üben

Trotz einer nicht immer zielführend wirkenden Diskussionsleitung zeichnete sich gegen Ende eine gemeinsame Zielsetzung der Mehrzahl der Diskussions-TeilnehmerInnen ab. Das Denkmal solle durch ein künstlerisch gestaltetes Informationsmedium ergänzt werden, darauf einigten sich alle schnell. Zum Kernproblem formulierte die Kabarettistin Maren Kroymann bereits recht früh die mögliche Kompromiss-Linie: wichtig ist eine Irritation beim Betrachter zu erzeugen, sind da Männer, die sich küssen? Oder Frauen? Oder Transsexuelle? Transgender?
Und, es geht um Lesben und Schwule. Deswegen (siehe oben): Berlin bekommt kein Homosexuellen-Mahnmal, sondern ein Lesben- und Schwulen-Monument.

Ein Kompromiss, dank einiger sehr qualifizierter, kritisch-konstruktiver Statements, und vor allem auch dank der souveränen Dialogbereitschaft und Geduld von Elmgreen/Dragset.

Und nebenbei: auf dem Weg in den ‚Bierhimmel‘ gegenüber denke ich, wie schön wäre es, eines fernen Tages, aus solch einer Diskussionsrunde zu kommen, in der über eine künstlerische Form des Gedenkens an all unsere an Aids Verstorbenen diskutiert wurde. Zukunftsträume. Schäume?

Das achte Feld

Ein riesiger ‚David‘ blickt vor dem Museum Ludwig über den Rhein. Eine pinkfarbene, neun Meter hohe Skulptur des Künstlers Hans-Peter Feldmann weist schon von weitem den Weg zur Ausstellung „Das achte Feld“.
achtes Feld

Innen drin: Lass einmal deine herkömmlichen Vorstellungen außer Acht, gehe auf die Reise. Experimentiere, probiere aus. Alles ist möglich, nur nicht „das Normale“. Dazu scheint die Ausstellung „Das achte Feld“ ihre Besucher aufzufordern.

Als erstes unter den „großen“ der deutschen Kunstmuseen wagt das Kölner Museum Ludwig eine umfassende Schau künstlerischer Auseinandersetzung mit Formen sexuellen Begehrens jenseits des Hetero-Mainstreams.

Der Titel der Ausstellung, das „achte Feld“, spielt dabei an auf das Schachspiel: rückt ein Bauer auf das achte Feld vor, kann er sich in jede andere Spielfigur verwandeln, auch in eine Dame – die stärkste Spielfigur im Schach. Dieser Wandel, der Bauer wird Dame, der Schwache wird zum Starken – die Ausstellungsmacher haben diesen „Geschlechterwechsel“ auf die Kunst übertragen und als Metapher verwendet für alle Möglichkeiten der Sexualität, die „außerhalb“ des heterosexuellen Mainstreams liegen, von Homo- bis Inter- und Transsexualität, Gender und Transgender, Queer und Travestie.

Die Ausstellung zeigt auf mehreren Etagen strukturiert in thematischen Feldern über 250 Werke von 80 Künstlern, darunter bekannte wie David Hockney oder Andy Warhol, aber auch für den ein oder anderen vielleicht erst zu entdeckende Künstler wie Piotr Nathan, Kaucylia Brooke oder Sunil Gupta.

Sehr intensiv haben mich selbst (wieder einmal) die Fotografien Nan Goldins berührt – besonders (auch: wieder) das Triptychon eines schwulen Paares, einer von beiden an Aids erkrankt; sowie eine Installation aus Klappen-Türen und Fotografien, die das Spannungsfeld zwischen dem Suchen nach schnellem Sex und der Sehnsucht nach Nähe thematisiert.
Einer meiner ersten Gedanken hinterher, nach Verlassen der Ausstellung: jetzt kommen Homosexualitäten schon ins (Kunst-) Museum. Ist das jetzt ein Fortschritt? Oder ein weiterer Hinweis auf die (selbst gewählte) Selbstauflösung des Schwulseins?

Das achte Feld – Leben und Begehren in der Kunst seit 1960
Museum Ludwig, Köln
noch bis 12. November 2006
weitere Informationen: Museum Ludwig

Zur Ausstellung ist ein Band mit Erzählungen erschienen („Feldforschung“, im Eintrittspreis der Ausstellung enthalten; erhältlich auch in der Edtion Suhrkamp): Thomas Meinecke berichtet anhand einzelner Exponate über historische Ereignisse, erzählt Geschichten und Geschichtchen von und zu Kunstwerken, Tief- und Vordergründiges, erweitert mit seiner ‚Feldforschung‘ diese Studie sexuellen Begehrens.