FDA: Boceprevir nicht mit Ritonavir-geboosteten HIV- Proteasehemmern kombinieren

Die US-Arzneimittelbehörde FDA Food and Drug Administration empfiehlt, den Hepatitis-C – Proteasehemmer Boceprevir (Handelsname Victrelis) nicht mir Ritonavir-verstärkten HIV-Proteasehemmern zu kombinieren. Hintergrund sind Wechselwirkungen, die zu gegenseitigen Wirkungsbeeinträchtigungen führen können:

„The U.S. Food and Drug Administration (FDA) is notifying the public that co-administration of Victrelis (boceprevir), a hepatitis C virus (HCV) protease inhibitor, along with certain ritonavir-boosted human immunodeficiency virus (HIV) protease inhibitors, is not recommended at this time because of the possibility of reducing the effectiveness of the medicines, permitting the amount of HCV or HIV virus in the blood (viral load) to increase. Ritonavir-boosted HIV protease inhibitors include ritonavir-boosted Reyataz (atazanavir), ritonavir-boosted Prezista (darunavir), and Kaletra (lopinavir/ritonavir).“

Hersteller Merck teilte mit, man plane eine größere Studie, in der die Wechselwirkungen von Boceprevir mit HIV-Medikamenten untersucht werden sollen.

FDA 26.04.2012: FDA Drug Safety Communication: Updated information on drug interactions between Victrelis (boceprevir) and certain boosted HIV protease inhibitor drugs
FDA 08.02.2012: FDA Drug Safety Communication: Important drug interactions between Victrelis (boceprevir) and ritonavir-boosted human immunodeficiency virus (HIV) protease inhibitor drugs

Kurz notiert … Januar 2012

26.Januar 2012: Der Rechtsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen verpflichtet die Landesregierung, das Zwangsouting HIV-positiver Gefangener zu beenden.

25. Januar 2012: Ein international häufig verwendeter (jedoch in Deutschland nicht zugelassener) HIV-Schnelltest (OraQuick) ist etwas ungenauer, wenn statt Blut für den Test Speichel verwendet wird. Bei Verwendung mit oralen Flüssigkeiten und zudem in Settings mit niedriger HIV-Prävalenz könne mehr als ein von zehn Test-Ergebnissen falsch-positiv ausfallen.

20. Januar 2012: Gibt es bald eine „rue Hervé Guibert“ in Paris? Ein entsprechender Vorschlag wird in der Pariser Stadtverordnetenversammlung diskutiert.  Der Schriftsteller Hervé Guibert („Der Freund der mir das Leben nicht gerettet hat“, u.a. über den Aids-Tod Michel Foucaults, im Roman ‚Muzil‘) starb 1991 an den Folgen von Aids.

15. Januar 2012: Ed Lee, Bürgermeister von San Francisco, plant zusätzlich Mittel in Höhe von 1,8 Millionen US-$ für Aids-Pflege und -Behandlugn bereit zu stellen – um Kürzungen der Bundesbehörden auszugleichen.

9. Januar 2012: In einer Richtlinie informieren Forscher über Wechselwirkungen zwischen antiretroviralen Medikamenten und Epilepsie-Medikamenten und den Umgang damit.

Elton John schreibt ein Buch über Aids.

5. Januar 2012: Die HIV- und Hepatitis- Infektionsambulanz des Klinikums Salzgitter wurde zum Jahreswechsel geschlossen. betroffen sind fast 400 Patient/innen.

1. Januar 2012: Anfang 2012 startet in Frankreich die erste PrEP-Studie (Prä-Expositions-Prophylaxe) ‚IPERGAY‘.

Nebenwirkungen von Hepatitis-C- Proteasehemmern

Neue Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C sind zugelassen: zwei HCV-Proteasehemmer. Doch mit den neuen Substanzen kommen auch neue Nebenwirkungen. Wie damit umgehen? Ein gerade veröffentlichter Artikel gibt Hinweise.

Die beiden Substanzen Telaprevir (Incivek® / Incivo®) und Boceprevir (Victrelis®), beide Hepatitis-C- Proteasehemmer, wurden erst vor kurzem zugelassen. Beide stellen weitere, dringend benötigte Therapie-Möglichkeiten dar – bringen aber auch neue Nebenwirkungs-Risiken mit sich.

Das Hinzufügen von Boceprevir oder Telaprevir zu einer Therapie aus Interferon und Ribavirin verbessert die Ansprechrate, den Therapie-Erfolg. Allerdings wurde bei beiden Substanzen in klinischen Studien auch eine Erhöhung des Risikos von Anämien („Blutarmut“, Verringerung der Hämoglobin-Konzentration im Blut) beobachtet, sowohl hinsichtlich Häufigkeit wie auch Intensität. Bei Telaprevir traten zudem häufiger Hautprobleme wie Ausschläge auf.

Beide Nebenwirkungen sind i.d.R. behandelbar und können gemanagt werden – und so dazu beitragen, die verbesserten Therapie-Möglichkeiten auch in der Praxis zu realisieren.

Ein Artikel von Dr. Christophe Hézode (Hôpital Henri Mondor, Paris) in der Fachzeitschrift ‚Liver International‘ fasst Informationen zu Nebenwirkungen von HCV-Proteasehemmern und deren Häufigkeit zusammen und gibt Hinweise zum Management von Hautproblemen. Zudem geht er auf Wechselwirkungen und den Umgang mit ihnen ein.

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weitere Informationen:
Hézode Chr.: Boceprevir and telaprevir for the treatment of chronic hepatitis C –  safety management in clinical practice. Liver International 32: 32-38, 2012 (abstract, dort Link auf Artikel als html und pdf)
aidsmap 20.01.2012: Common side-effects of hepatitis C protease inhibitors: clinical management advice published
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Kurz notiert … November 2010

29. November 2010: Die südlichen US-Bundesstaaten haben eine ausgeprägte HIV-Epidemie, jedoch ineffizienten Aids-Politik – sie verweigern sich anerkannten Präventions-Methoden, kritisiert Human Rights Watch.

25. November 2010: Der Pharmakonzern Gilead hat in den USA einen Antrag auf Zulassung einer Kombinations-Pille aus drei Wirkstoffen (Emtricitabine, Tenofovir und Rilpivirine) gestellt.

23. November 2010: Vatikan-Sprecher Federico Lombardi konkretisiert die Papst-Aussagen; das „gelockerte Kondom-Verbot“ gelte für weibliche, männliche und transsexuelle Prosituierte.

21. November 2010: In „begründeten Einzelfällen“ will der Papst die Verwendung von Kondomen auch nach katholischer Lehre ‚zulassen‚.

20. November 2010: Nach eine Besuch der Oppositions-Politikerin Suu Kyi schließt Birmas Militärjunta eine Aids-Klinik.

18. November 2010: Die Rock-Musikerin Patti Smith wird mit dem US – National Book Award ausgezeichnet für ihr Buch über den 1989 an den Folgen von Aids verstorbenen Photographen Robert Mapplethorpe.

16. November 2010: Eine iPhone-App der Universität Liverpool informiert über Wechselwirkungen von HIV-Medikamenten mit anderen Substanzen.

15. November 2010: Auf ihrem Jahresempfang 2010 nimmt die Deutsche Aids-Hilfe am 11. November Cori Obst und Bernd Aretz als Ehrenmitglieder auf.

9. November 2010: Das EKAF-Statement (keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs) scheint in der Schweiz Einfluss auf das Sex-Verhalten HIV-Positiver zu haben: Forscher berichten über einen vermutlichen Zusammenhang zwischen erfolgreicher HIV-Therapie (Viruslast unter der Nachweisgrenze) und kondomfreien Sex (im aidsmap-Artikel fälschlicherweise pauschal als „ungeschützter Sex“ bezeichnet).

8. November 2010: Bei Leberkrebs sind die Dreijahres-Überlebensraten bei HIV-Negativen und HIV-Positiven ähnlich, zeigt eine US-Studie.

Ein neuer experimenteller (auf Basis einer südamerikanischen pflanze entwickelter) Wirkstoff zur Behandlung von Durchfällen (‚Cofrelemer‘)soll sich in Studien als wirksam erwiesen haben, berichtet POZ.

7. November 2010: Das Oberhaupt der katholischen Kirche Belgiens, Bischof Léonard, bekam während eines Gottesdienstes von einem Unbekannten eine Torte ins Gesicht. er hatte u.a. Aids als „eine immanente Gerechtigkeit für den Missbrauch der Liebe“ bezeichnet.

6. November 2010: Forscher entschlüsselten, warum einige Menschen natürlich immun gegen eine Infektion mit HIV sind.

3. November 2010: „Jesus war HIV-positiv„, mit dieser Aussage in seinen Predigten will ein südafrikanischer Pastor darauf hinweisen, dass HIV-Positiver immer noch stigmatisiert werden.

Das oberste US-Gericht (Supreme Court) hat eine Klage der Stanford University gegen den Pharmakonzern Hoffmann-La Roche akzeptiert. Stanford will erneut gegen eine Vereinbarung mit dem Pharmakonzern aus dem Jahr 1989 vorgehen, insbes. um die Rechte an einem verfahren zur Bewertung von Aids-Medikamenten.

2. November 2010: Wie hängen Stigma und HIV-Test zusammen? Menschen, die stigmatisierende Vorstellungen von HIV haben, machen mit deutlich niedrigerer Wahrscheinlichkeit einen HIV-Test. Und Menschen, die einen HIV-Test gemacht haben, haben signifikant seltener negative Einstellungen zu und Vorstellungen von Menschen mit HIV. Dies stellte eine Studie in Südafrika fest.

Schweiz: Auf Basis der ersten neun Monate rechnet das Bundesamt für Gesundheit mit ca. 600 bis 640 HIV-Neudiagnosen 2010. 2010 sind bisher (bis 30.9.2010) 18 Menschen an den Folgen von Aids gestorben.

1. November 2010: Der auf politischen Druck gegangene Ex-IQWIG-Chef Prof. Peter Sawicki wechselt ab November 2010 an das Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) der Uni Köln. Sawickis (indirekter) Chef dort: Prof. Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD – und Institutsleiter seit 1998, seit 2005 aufgrund seiner Abgeordneten-Tätigkeit beurlaubt. Sawickis Nachfolger als Chef des IQWIG ist seit 1.9.2010 Prof. Jürgen Windeler.

Korruption bei Ärzten? Bei Umsatz Scheck – erstmals wurden vom Amtsgericht Ulm zwei Mediziner verurteilt, die von einem Pharma-Unternehmen Schecks erhielten – die Höhe jeweils abhängig von der Menge der verordneten Präparate des Herstellers.

Eine hohe Sterblichkeitsrate sowie eine niedrigere Erfolgsrate der Hepatitis-C-Therapie stellten französische Forscher bei mit HIV und Hepatitis-C-Virus ko-infizierten Patienten fest.

Einer der ‚führenden‘ ‚Aids-Leugner‚ Südafrikas, Dr. Anthony Mbewu, ist von seinem Posten als Direktor des ‚Global Forum for Health Research‘ zurückgetreten. Er war für diesen Posten trotz Kritik seitens vieler Aids-Aktivisten vor 10 Monaten ernannt worden.

Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten – neue Daten

Wechselwirkungen von HIV-Medikamenten, untereinander oder mit anderen Substanzen – was heute zum ärztlichen (und Patienten-) Alltag gehört und entsprechend berücksichtigt wird, war noch vor wenigen Jahren ein Exoten-Thema.

Spätestens mit dem Aufkommen der Proteasehemmer (einer damals neuen Klasse von anti-HIV-Wirkstoffen) wurde die HIV-Therapie Mitte der 1990er Jahre erfolgreicher, aber auch komplizierter. Neue, bisher kaum bekannte Komplikationen traten auf, aufgrund der erfolgreichen Medikamente. Deren Verstoffwechselung über bestimmte Enzymsysteme der Leber (z.B. CYP3A) führte dazu, dass die Wirkstoffspiegel (und damit oftmals auch die Wirkung) zahlreicher anderer Substanzen verändert wurde, sei es intensiviert oder abgeschwächt – und in den meisten Fällen  nicht erwünscht.
Was zunächst harmlos klingt, kann gravierende Folgen haben – ein Narkosemittel z.B., das zu lange wirkt oder zu intensiv dosiert wird, kann schnell zu gravierenden, wenn nicht lebensbedrohlichen Folgen führen.

In früheren Jahren gab die Deutsche Aids-Hilfe aus purer Notwendigkeit (nämlich dem Fehlen anderer Publikationen zu diesem Themenbereich) in mehreren Ausgaben eine Publikation zu Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten heraus:

Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten (DAH 1998)
Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten (DAH, hier: 2. Auflage 1998)

Inzwischen ist das Thema Wechselwirkungen zunehmend komplexer geworden, viele Interaktionen lassen sich nicht mehr zweidimensional auf Papier abbilden – zeitgemäßer mag da das Internet erscheinen: auf www.hiv-wechselwirkungen.de finden interessierte vielfältige Informationen, Erläuterungen und Detailangaben zu Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten. International ist u.a. HIV Drug Interactions von Interesse.

Und auf vielen Kongressen und Fachtagungen wird das Thema Wechselwikungen mehr oder weniger intensiv mit behandelt.
Zahlreiche aktuelle Abgaben zu neuen Wechselwirkungen, aber auch zur Häufigkeit von deren Auftreten finden sich in einer Präsentation, die jüngst auf dem ‚9th International Congress on Drug Therapy in HIV Infection‘ gehalten wurde: Dr. SH Khoo / Drug Interactions that really matter.

Die Geschichte des Umgangs mit HIV-Wechselwirkungen ist eines der vielen Beispiele, wie sehr Aidshilfe Pionier im Medizinsystem und Gesundheitsbetrieb war und weiter sein kann:
Kaum jemand beschäftigte sich zunächst mit dem Problem, dass plötzlich bei bestimmten Medikamenten-Kombinationen unerklärlich viele Nebenwirkungen auftraten. Geschweige denn, dass es für Ärzte zugängliche aggregierte Informationen gab, oder gar für Patienten verständliche Handreichungen.

Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten war eines der (nicht wenigen) Handlungsfelder, bei denen Positive und Aidshilfe zu den ersten gehörten, die erkannten – und reagierten:
Die Bedeutung der Frage der Wechselwirkungen wurde zuerst auch durch HIV-Positive und ihre Organisationen erkannt und problematisiert. Und mangels verfügbarer anderer Publikationen, die die wenigen verfügbaren Informationen nutzbar zusammenfassten, reagierte Aidshilfe als erste (und lange Zeit einzige) Organisation – im Sinne des Nutzens von HIV-Positiven, und auch zum Nutzen von Ärzten und Medizinsystem. Inzwischen ist das Thema längst im medizinischen Alltag angekommen, und auch auf Kongressen, in Fachinformationen und Datenbanken – auf ihre Pionier-Rolle kann Aidshilfe auch bei diesem ‚Exoten-Thema‘ stolz sein.