Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurz-Berichte 21.07.2010

In Wien findet vom 18. bis 23. Juli 2010 die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt. Im Folgenden Kurzberichte über einige wichtige Themen, die auf der Konferenz behandelt wurden. Diese Übersicht wird im Verlauf der Konferenz fortlaufend aktualisiert – Tag 3, 21. Juli 2010:

Huren schlagen US-Aids-Koordinator in die Flucht

Am Dienstag, 20. Juli nachmittags stürmte eine Gruppe Demonstrantinnen das Medien-Center der XVIII. Welt-Aids-Konferenz in Wien. Die Gruppe, die sich selbst „Star Whore III“ nannte, kritisierte US-Aids-Koordinator Eric Goosby. Mit roten Regenschirmen ‚bewaffnet‘ und mit Rufen wie “PEPFAR kills sex workers!” and “Face us, Goosby!” wandten sich die vom Global Network of Sex Work Projects organisierten Demonstrantinnen (nachdem sie die Sicherheitskräfte überrumpelt hatten) direkt an Goosby. Alle Gruppierungen, die aus dem von ihm koordinierten PrepFAR-Plan Geld erhalten, müssen explizit Prostitution ablehnen – ein Relikt aus der Zeit der konservativen Bush-Regierung, das Obama bisher nicht hat ändern lassen. Goosby ergriff durch einen Hinterausgang die Flucht. Die Demonstrantinnen erklärten, sie forderten eine Ent-Kriminalisierung der Prostitution sowie besseren Zugang zu HIV-Tests, Behandlung und Therapie.

Advocate 20.07.2010: Protesters Storm AIDS Conference
Global Network of Sex Work Projects 21.07.2010: Denial of Service: Sex Workers Confront Dr. Eric Goosby and Protest the Anti-Prostitution Pledge
no-racism.net 31.07.2010: Sexarbeiter_innen stürmen Internationale AIDS Konferenz in Wien

Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose mit Finanzierungs-Problemen – weil reiche Staaten weniger zahlen …

UNAIDS und der ‚Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria‘ beklagen eine nachlassende Unterstützung durch die Geberländer. Die General-Direktoren Michel Sidibé (UNAIDS) und Michel Kazatchkine (Globaler Fonds) betonten, die Finanzierungslücke sei groß. Erstmals seien im vergangene Jahr weniger Mittel als im Vorjahr bereit gestellt worden. Insbesondere die Staaten Europas seien zunehmend zurückhaltend – aus Europa seien 2008/09 über 600 Millionen US-$ weniger an Mitteln bereit gestellt worden als im Vorjahr. Statt zurückgehender Mittel mache die Situation jedoch vielmehr eine weitere Steigerung den finanziellen Einsatzes erforderlich. Das derzeitige Defizit gefährdet insbesondere das Ziel, möglichst vielen HIV-Positiven weltweit Zugang zu antiretroviraler Therapie zu ermöglichen.

aidsmap 20.07.2010: ‘Big gap’ in contributions to the Global Fund

Modernere Aids-Medikamente sind effizient – auch in Afrika

Der Zugang zu antiretroviraler Therapie in Subsahara-Afrika verbessert sich. Doch oftmals werden dort Medikamente eingesetzt, die in Industriestaaten schon längst nicht mehr zum Therapie-Standard gehören, besonders Therapien auf Basis von Stavudin (d4T, Handelsname Zerit®) – aus Kostengründen, denn Stavudin ist deutlich billiger als andere Aids-Medikamente.
Doch zwei Forscher-Teams kamen unabhängig von einander in Studien (in denen sie die Kosten pro gewonnenem ‚quality-adjusted life year‘ (QALY) verglichen) zu dem Schluss, dass der Einsatz ‚modernerer‘ und nebenwirkungsärmerer Aids-Medikamente auch in Staaten mit wenig Ressourcen effizient sein kann. Einer der Gründe: nebenwirkungsreiche Substanzen führen eher zu Therapie-Versagen und häufigerem umstellen auf kostspieligere Medikamente.

aidsmap 20.07.2010: Newer HIV drugs cost-effective for Africa

Positive über 50 haben mehr Probleme

HIV-Positive über 50 haben maßgebliche Nachteile verglichen mit der Allgemeinbevölkerung. Dies zeigte die Studie „50 plus“, die erste britische Studie über Altern und HIV. Ältere Positive haben eine schlechtere Gesundheit, sind finanziell schlechter gestellt und leiden unter Zukunftsängsten. Die Studie und ihre Ergebnisse wurden von ‚Terrence Higgins Trust‘ (THT) und ‚Age UK‘ am 21. Juli auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz vorgestellt. Für die Untersuchung wurden 410 HIV-Positive über 50 Jahren, die antiretrovirale Therapie erhalten, interviewt.

pinknews 20.07.2010: Older people with HIV ’substantially more disadvantaged than peers‘

GIPA 2.0

2008 wurde auf der XVII. Welt-Aids-Konferenz das „Mexico Manifest“ präsentiert. Daraus habe sich in den von HIV betroffenen Communities unter anderem der Bedarf an vorurteilsfreien Informationen ergeben, auch über Sexualität und sexuelle Gesundheit. Dies war auch eine der Grundlagen der ‚Denver Prinzipien‘ – die mit neuem Leben gefüllt werden müssen. Das EKAF-Statement und die daraus folgenden Diskussionen sei ein gutes Beispiel dafür, welche Bedeutung GIPA habe, die Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids in sie betreffenden Fragen auf allen Ebenen. Doch Regierungen und Organisationen reagieren mit Zurückhaltung – GIPA 2.0 wird erforderlich, mehr Stolz als Graswurzel-Bewegung. In einer Poster-Präsentation stellte die niederländische Gruppe ‚Poz and Proud‘  Überlegungen hierzu vor.

GIPA 2.0 Towards better understanding of the needs and comprehensive involvement of HIV-positive gay men (HPGM) in the 21st century: a Dutch example (pdf)

Hochkarätige UNAIDS-Kommission für HIV-Prävention

UNAIDS will nicht weniger als eine „HIV-Präventions – Revolution“. Zu diesem Zweck hat die UN-Organisation eine „Top-Level-Kommission“ ins Leben gerufen. Die Mitglieder sollen im Verlauf des kommenden Jahres ihre Kontakte und Erfahrungen einbringen, und sich für effektive und wirksame Präventionsprogramme einsetzen.
Mitglieder der Kommission sind Dr Michelle Bachelet (ehemaliger Präsident Chile), Jacques Chirac (ehemaliger Präsident Frankreich), Vuyiseka Dubula (Generalsekretärin der Treatment Action Campaign), Dr. Mohamed ElBaradei (Träger des Friedens-Nobel-Preises), Elena Franchuk (Ukrainische Geschäftsfrau und Gründerin der Elena Franchuk ANTIAIDS Foundation), Pau Gasol (Spanischer Basketball-Star), Nizan Guanaes (führender Kommunikations-Unternehmener Brasiliens, Chairman der ‚Grupo ABC de Comunicação‘), Chris Hughes (Generaldirektor Jumo International udn Mit-Gründer von Facebook), Magic Johnson (früherer Basketball-Star, offen HIV-positiv lebend), Irene Khan (Menschenrechts-Aktivistin und frühere Generalsekretärin Amnesty International, Robin Li (Unternehmer und Mit-Gründer der populärsten Suchmaschine in China, Baidu Inc.), Rita Süssmuth (frühere Bundestags-Präsidentin, Gesundheitsministerin), Festus Mogae (früherer Präsident Botswana), Jean Ping ( Chairman der African Union), Professor Peter Piot (früherer Executive Director UNAIDS und bald Direktor der London School of Hygiene and Tropical Medicine), Vladimir Vladimirovich Pozner (bekannter Russischer Journalist), Meechai Viravaidya (Thailändischer  Politiker und Aktivist).

UNAIDS 21.07.2010: Top world personalities join UNAIDS’ High Level Commission to bring about a prevention revolution

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siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 20.07.2010
siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 19.07.2010