Therapiefreiheit : Therapieumstellung, um Versorungs-Kosten zu senken ? Das wirft Fragen auf …

In Großbritannien wird die Zusammenstellung der antiretroviralen Therapie zukünftig auch von Kosten-Gesichtspunkten bestimmt (siehe ondamaris 29.08.2012: Einschränkung der Auswahl der ART-Medikamente – erste Untersuchung) Die vorgelegte Studie aus London zeigt ein Spannungsfeld in der Gesundheitsversorgung auf, in dem auch wir Positive uns mehr und mehr bewegen.

Auf der einen Seite sollen die Kosten von HIV-Therapien eine Akzeptanz durch die Versichertengemeinschaft behalten, und auf der anderen Seite soll gleichzeitig eine Auswahl von guten Therapien durch behandelnde Ärzte und Patienten erfolgen. Jede Anforderung für sich ist schon eine Herausforderung. Beide Ziele zusammen verfolgt, haben ein gewisses Konfliktpotential, welches einer Diskussion unter den Beteiligten bedarf.

Es ergeben sich für mich Fragestellungen aus diesem Versuch, die Kosten der Versorgung zu senken, die einer weitergehenden Diskussion bedürfen:

  • Wie wirkt sich eine solche Behandlungsvorgabe auf das Arzt – Patienten Verhältnis aus? Wird das Vertrauen in die für mich als Patienten „richtige“ Entscheidungen des Arztes gestört?

Im NHS sind die Ärzte Angestellte des NHS und damit viel leichter zu lenken als zum Beispiel ein niedergelassener Schwerpunktarzt in Deutschland. Dieses Faktum spricht für eine Belastung des Vertrauensverhältnisses. Es scheint auch so zu sein, das „aufgeklärte“ Patientengruppen wie weiße, homosexuelle Männer eher nicht einem Therapiewechsel unterzogen wurden.

Was ist mit den untersuchten 69 Fällen von „anderen“ (nicht von den Kosten getriebenen) Gründen? Waren das wirklich in allen Fällen medizinische Gründe, die für den Wechsel sprachen, oder hat man es sich einfach gemacht und einfach diese „medizinischen“ Gründe nur vorgeschoben, um eine Diskussion mit dem Patienten zu umgehen? Hier könnte nur eine zweite unabhängige Studie zu jedem Wechselfall etwas Licht ins Dunkel bringen.

  • Wenn mein Arzt mit mir offen und ehrlich die Kostenfrage anspricht und keinerlei wesentliche medizinische Gründe gegen einen Wechsel des PI zu ATV sprechen, würde ich da als verantwortungsbewusster Patient meine Zustimmung geben?

Je offener und transparenter Kostenfragen mit Patienten besprochen werden, desto besser können diese in die gesamte Therapieplanung mit eingehen (diese besteht ja nicht nur aus Kostenerwägungen). Voraussetzung für den Erfolg ist der aufgeklärte Patient (wie auch bei der rein medizinischen gemeinsamen Therapieplanung).

Hier wäre es hilfreich, wenn jeder Patient sich zusätzlich einen unabhängigen Rat von dritter Seite einholen könnte. (Der behandelnde Arzt ist ja als Angestellter des NHS nicht als gänzlich unabhängig anzusehen. – Ist der HIV-Behandler im deutschen Gesundheitssystem immer unabhängig?)

  • Ist es eine gute Idee, den Pharmafirmen durch große Abnahmemengen erhebliche Rabatte abzutrotzen?

Grundsätzlich verändert sich durch den zentralen Einkauf der Medikamente und die Erhöhung der bisherigen Menge eines bestimmten PIs die Verhandlungsposition zu Gunsten der Einkäufer (Versicherte; Steuerzahler). Der Beschaffungsprozess kann sogar in vielen Bereichen transparent geführt werden (aber nicht in allen).

Ein potentieller Kostenvorteil ist aber nur real umzusetzen, wenn man die Therapiefreiheit von Arzt und Patient einschränkt.

  • Soll man sich als HIV Positiver grundsätzlich solchen Modellen verweigern, da diese immer die Therapiefreiheit einschränken? Oder beteiligt man sich aktiv an der Entwicklung solcher Gedankenmodelle?

Eine aktive, fordernde und gestaltende Mitarbeit durch Positive (GIPA!) an solchen Überlegungen erlaubt frühzeitige, weiterreichende Einflussnahme. Diese Beteiligung kann auch zur vollständigen Ablehnung einer angedachten Kostensenkungsmöglichkeit durch die Positiven führen.

Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ 1994 – Zeitzeuge Guido Vael: das ungenügend eingehaltene Versprechen

Am 1.12.1994 verabschiedeten die die Staats- und Regierungs-Chefs von 42 Staaten eine Erklärung zu HIV / Aids. Für die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer das Dokument. Diese ‚Paris Declaration‘ (als Dokumentation deutschsprachiger Text hier:  „Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG„) gilt als das zentrale Grundlagen-Dokument auch zur Beteiligung von HIV-Positiven an sie betreffenden Entscheidungen (GIPA – greater involvement of people with HIV / Aids).

Guido Vael war bei der Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ dabei – als Mitglied der deutschen Delegation. Im Interview berichtet er, wie es dazu kam.

Guido Vael (Foto: privat)
Guido Vael (Foto: privat)

Guido Vael engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in Schwulen- und Aids-Bewegungen, war u.a. Mit-Organisator des ersten CSD in München 1980 und engagierte sich Ende der 1980er Jahre gegen den ‚Bayrischen Maßnahmen-Katalog‘. Von 1990 bis 1999 war Guido Vael Mitglied des Vorstands der Deutschen Aids-Hilfe. Der gebürtige Belgier ist seit 15 Jahren Leiter des Projekts Prävention im Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum SUB e.V. in München. Vael wurde für sein langjähriges Engagement u.a. mit der Medaille ‚München leuchtet!“ ausgezeichnet.

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Guido, wie kam es dazu, dass du bei der Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ dabei warst?

Der damalige Bundesgesundheitsminister Seehofer hat einige Leute, die im AIDS-Bereich tätig sind dazu eingeladen. Es waren Mitarbeiter/-innen aus staatlichen Beratungsstellen und NGOs. Wenn ich mich richtig erinnere ging auch eine Einladung an die DAH und ich bin dann als damaliges Mitglied des Vorstands mitgefahren. Meine Vorstandskollegen haben mir wohl den Vortritt gelassen weil ich auch in Bayern aktiv war und Herrn Seehofer bereits kannte von den Ministergesprächen und den Münchner AIDS-Tagen.

Wie kam es zur Entstehung der Erklärung, in welchem Umfeld entstand sie?

Die Erklärung wurde auf die sog. unteren Arbeitsebenen vorbereitet und auch fertig gestellt. Die Regierungsvertreter haben sich in Paris getroffen, „nur“ zum Unterzeichnen. Am Vormittag gab es eine Reihe von Ansprachen u.a vom UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, vom damaligen Leiter von UNAIDS und Regierungsvertretern der sog. Dritten Welt. Ich glaube mich auch an eine bewegende Rede einer HIV-positiven Frau aus Afrika erinnern zu können, die die Notwendigkeit einer globalen, konzertierten Aktion betonte. Die Delegationen saßen dabei wie in einer großen Hörsaal. Mittags gab es ein nobles Essen. Das gehört wohl bei solchen Veranstaltungen dazu. Nachmittags hat Seehofer die Delegation verlassen, um die feierliche Unterschrift zu leisten.

Ich habe einige gute und angenehme Gespräche mit Seehofer führen können, z.B. zum Gesundheitssystem in Deutschland, und ihn als problembewusster Fachmann geschätzt.

Und wie siehst du die Bedeutung der ‚Paris Declaration‘ heute? Welche Bedeutung hat sie, welche könnte sie haben?

Ich denke, dass die Erklärung ein wichtiger und notwendiger Schritt war. Gerade weil auch Diskriminierung und Ausgrenzung darin angesprochen wurde und das Recht auf medizinische Versorgung betont wurde.

Die Geschichte zeigt aber, dass gerade die westlichen Länder ihr Versprechen in meinen Augen ungenügend eingehalten habe. Es stünde auch die Bundesregierung gut an, sich auf die Erklärung zu besinnen. Es soll nicht bei einem Lippenbekenntnis bleiben. Es gibt in vielen Ländern immer noch die Diskriminierung und Ächtung/Ausgrenzung. In vielen Ländern wird HIV/AIDS zu wenig ernst genommen. Eine flächendeckende medizinische und soziale Versorgung ist auch 16 Jahren nach der Pariser Erklärung immer noch nicht erreicht worden.

Lieber Guido, vielen Dank für das Interview!

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Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG

Das Original: UNAIDS – The Paris Declaration: Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)

Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG

Erklärung von Paris
Pariser AIDS-Gipfel – 1. Dezember 1994

(nichtamtliche Übersetzung des Bundesgesundheits-Ministeriums)

Wir, die Regierungschefs der Vertreter der 42 Staaten, die sich am 01. Dezember 1994 in Paris versammelten:

I. In der Erwägung,

  • dass die AIDS-Pandemie aufgrund ihres Ausmaßes eine Gefahr für die Menschheit darstellt,
  • dass ihre Ausbreitung sämtliche Gesellschaften betrifft,
  • dass sie die soziale und wirtschaftlich Entwicklung erschwert, insesondere die der am meisten betroffenen Länder, sowie das Gefälle innerhalb und zwischen den Ländern vergrößert,
  • dass Armut und Benachteiligung begünstigende Faktoren für die Ausbreitung der Pandemie darstellen,
  • dass HIV/AIDS Familien und Gemeinschaften nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt,
  • dass die Pandemie alle Menschen ohne Unterschiede betrifft, dass jedoch Frauen, Kinder und Jugendliche in zunehmendem Maße infiziert werden,
  • dass sie nicht nur die Ursache für körperliches und seelisches Leid ist, sondern auch oft als Rechtfertigungsgrund für die schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte angeführt wird,

Und in der Erwägung,

  • dass Hemmnisse jeglicher Art – seien sie kultureller, rechtlicher,wirtschaftlicher oder politischer Natur – die Bemühungen um Aufklärung, Prävention, Versorgung sowie Unterstützung erschweren,
  • dass die HIV/AIDS-Präventions-Versorgungs und -Unterstützungsstrategien voneinander untrennbar sind und daher einen wesentlichen Bestandteil bei einem effektiven und umfassenden Vorgehen zur Eindämmung der Pandemie darstellen müssen,
  • dass neue örtliche, nationale und internationale Formen der Solidarität aufkommen, die insbesondere mit HIV/AIDS lebende Menschen sowie gemeindenahe Organisationen miteinbeziehen,

II. Erklären feierlich

  • unsere Pflicht als politische Verantwortliche, der HIV/AIDS-Bekämpfung Priorität einzuräumen,
  • unsere Pflicht, mitfühlend und solidarisch mit den HIV-infizierten oder
    ansteckungsgefährdeten Menschen sowohl in unseren Gesellschaften als auch auf internationaler Ebene zu handeln,
  • unsere Entschlossenheit sicherzustellen, dass alle mit HIV/AIDS lebenden Menschen ihre Grund-und Freiheitsrechte ohne Unterschied und unter allen Umständen in vollem und gleichem Umfang wahrnehmen können,
  • unsere Entschlossenheit, Armut, Stigmatisierung und Benachteiligung zu bekämpfen,
  • unsere Entschlossenheit, die gesamte Gesellschaft – den öffentlichen und den privaten Sektor, gemeindenahe Organisationen sowie mit HIV/AIDS lebende Menschen zu einer echten partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu mobilisieren,
  • unsere Wertschätzung und Unterstützung für die Maßnahmen und die Arbeit multilateraler, zwischenstaatlicher, nichtstaatlicher und gemeindenaher Organisationen sowie unsere Anerkennung ihrer wichtigen Funktion in der Bekämpfung der Pandemie,
  • unsere Überzeugung, dass nur ein energischeres und besser koordiniertes Vorgehen weltweit über einen längeren Zeitraum – wie z. B. die in Angriff zu nehmende Maßnahme im Rahmen des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS – die Pandemie stoppen kann,

III. Verpflichten uns in unseren nationalen Politiken,

  • die Rechte von Einzelpersonen, insbesondere der mit HIV/AIDS lebenden oder ansteckungsgefährdeten Menschen, durch rechtliche und soziale Rahmenbedingungen zu schützen und zu fördern,
  • nichtstaatliche und gemeindenahe Organisationen sowie  mit HIV/AIDS lebende Menschen in die Ausarbeitung Umsetzung öffentlicher Maßnahmen umfassend einzubeziehen,
  • einen einheitlichen, rechtlichen Schutz für mit HIV/AIDS lebende Menschen im Hinblick auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung, zum Reisen, zu Wohnraum und zur Sozialfürsorge sicherzustellen,
  • die folgenden wesentlichen Ansätze zur Prävention von HIV/AIDS zu intensivieren:
  1. Förderung von und Zugang zu verschiedenen kulturell annehmbaren Präventionsstrategien und- produkten, einschließlich Kondomen und der Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten,
  2. Förderung einer geeigneten schulischen und außerschulischen Präventionsaufklärung für Jugendliche, einschließlich der Sexualaufklärung und des Unterrichts zu Gleichstellungsfragen,
  3. Verbesserung der Stellung, der Bildung und der Lebensbedingungen von Frauen,
  4. spezifische Risikominderungsmaßnahmen für und in Absprache mit den am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie, z. B. jene, für die eine erhöhte Gefährdung durch sexuelle Übertragung besteht, und dem Bevöklerungsanteil mit Migrationshintergrund,
  5. die Sicherheit von Blut und Blutprodukten,
  6. Stärkung der Systeme der Basisgesundheitsversorgung als Grundlage für Prävention und Versorgung sowie Integration von HIV/AIDS-Maßnahmen
    in diese Systeme zur Sicherstellung eines gerechten Zugangs zu einer umfassenden Fürsorge,
  7. Bereitstellung notwendiger Ressourcen zur besseren Bekämpfung der Pandemie, einschließlich einer ausreichenden Unterstützung für mit HIV/AIDS lebenden Menschen sowie für nichtstaatliche und gemeindenahe Organisationen, die mit gefährdeten Bevölkerungsgruppen arbeiten.

IV. Sind entschlossen, die internationale Kooperation durch die folgenden Maßnahmen und Initiativen zu stärken:

Dies können wir erreichen durch unser Engagement und unsere Unterstützung hinsichtlich der Entwicklung des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS, das den geeigneten Rahmen zur Verstärkung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten bietet sowie als Orientierungshilfe und zur weltweiten Führung im Kampf gegen HIV/AIDS dient. Der Anwendungsbereich jeder einzelnen Initiative sollte genauer definiert und im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Programm und anderen geeigneten Programmen weiterentwickelt werden:

  • Zur Unterstützung einer stärkeren Einbeziehung der mit HIV/AIDS lebenden Menschen durch eine Initiative zur Stärkung der Kapazitäten und der Koordinierung von Netzwerken der mit HIV/AIDS lebenden Menschen und gemeindenaher Organisationen. Durch die Sicherstellung ihrer umfassenden Einbeziehung in unsere gemeinsame Reaktion auf die Pandemie auf allen nationalen, regionalen und internationalen Ebenen wird diese Initiative insbesondere die Schaffung hierfür unterstützender politischer, rechtlicher und sozialer Rahmenbedingungen befördern.
  • Zur Förderung der weltweiten Zusammenarbeit in der HIV/AIDS-Forschung durch die Unterstützung nationaler und internationaler Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zur Beschleunigung der Entwicklung von Präventions- und Behandlungstechnologien, einschließlich Impfstoffen und Mikrobiziden sowie zur Gewährleistung der notwendigen Maßnahmen, die deren Verfügbarkeit in den Entwicklungsländern sicherstellen sollen. Dieses gemeinsame Vorgehen sollte die flankierende Sozial-und Verhaltensforschung einschließen.
  • Zur Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit in der Blutsicherheit im Hinblick auf die Koordinierung technischer Angaben, das Entwerfen von Standards für eine gute Herstellungspraxis für sämtliche Blutprodukte sowie die Förderung der Einrichtung und Umsetzung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zur Sicherstellung der Blutsicherheit in allen Ländern.
  • Zur Förderung einer weltweiten Versorgungsinitiative zur Stärkung der nationalen Kompetenz der Länder, insbesondere derer, die am meisten benachteiligt sind, zur Sicherstellung des Zugangs zu einer umfassenden Versorgung und sozialen Einrichtung sowie Grundarzneimitteln und bestehenden Präventionsmethoden.
  • Zur Mobilisierung örtlicher, nationaler und internationaler Organisationen, zu deren gewöhnlichen Tätigkeiten auch die Hilfe für die von HIV/AIDS betroffenen oder ansteckungsgefährdeten Kinder und Jugendlichen, einschließlich Waisen, zählt, um eine weltweite Partnerschaf zur Reduzierung der Auswirkungen der HIV/AIDS Pandemie auf Kinder und Jugendliche auf der ganzen Welt zu fordern.
  • Zur Unterstützung von Initiativen zur Reduzierung der Anfälligkeit von Frauen für HIV/AIDS durch die Förderung nationaler und internationaler Bemühungen zur Stärkung der Rolle der Frau: durch Verbesserung ihrer Stellung und Beseitigung ungünstiger sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Faktoren; durch die Sicherstellung ihrer Beteiligung an sämtlichen, sie betreffenden Entscheidungs- und Umsetzungsprozesssen sowie durch die Schaffung neuer Verbindungen und die Stärkung der Netzwerke zur Förderung der Frauenrechte.
  • Zur Stärkung nationaler und internationaler Mechanismen im Hinblick auf Menschenrechte und ethische Fragen im Bereich HIV/AIDS, einschließlich der Inanspruchnahme eines Fachgremiums sowie nationaler und regionaler Netzwerke zur Gewährleistung der Führung, Überzeugungsarbeit und Orientierungshilfe, um sicherzustellen, dass die Nichtdiskriminierung, die Menschenrechte und die ethischen Grundsätze einen wesentlichen Bestandteil des Vorgehens zur Eindämmung der Pandemie darstellen.

Wir bitten alle Länder und die internationale Staatengemeinschaft eindringlich, die für die oben genannten Maßnahmen und Initiativen notwendigen Ressourcen bereitzustellen.

Wir fordern alle Länder, die Verantwortlichen des zukünftigen Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS sowie seine sechs Mitgliedsorganisationen und Programme auf, alle möglichen Schritte zur Umsetzung dieser Erklärung in Abstimmung mit multilateralen und bilateralen Hilfsprogrammen sowie zwischenstaatliche und nichtststaatlichen Organisationen zu unternehmen.

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(nichtamtliche Übersetzung des Bundesgesundheitsministeriums, via alivenkickin – danke!)

Pariser Erklärung vom 1.12.1994 auch als pdf: Pariser Erklärung 1994 Seite 1, Pariser Erklärung 1994 Seite 2, Pariser Erklärung 1994 Seite 3.

Das Original: UNAIDS – The Paris Declaration: Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)

Prinzipienlosigkeit? Desinteresse? Absicht? – Das Gesundheitsministerium will offensichtlich keine Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV im Nationalen Aids-Beirat

Der Nationale Aids-Beirat hat sich heute konstituiert. Viele Professoren (überwiegend Kliniker), zwei Sozialwissenschaftler/innen, zwei Mitarbeiterinnen von Aidshilfe – und keine Interessenvertreter von Menschen mit HIV (1), zeigt die Liste der Mitglieder des nationalen AIDS-Beirats. Statt mit wird wieder einmal nur über uns gesprochen – entgegen anders lautenden Aussagen.

Es gibt ein international anerkanntes Prinzip. Es nennt sich das „GIPA Prinzip“ – Greater Involvment of People with HIV and Aids: Menschen mit HIV und Aids sollten auf allen Ebenen bei sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden (“participation in decision-making processes that affect their lives”).

Dieses Prinzip einzuhalten ist Anliegen vieler international auf dem Aids-Gebiet arbeitenden Organisationen. Es einzuhalten gehört zu den Bedingungen, die internationale Organisationen wie der Globale Fonds ihren Zuwendungsempfängern vorschreiben. Der Global Fund schreibt als ‚minimum requirements‘ u.a. vor „The Global Fund requires all CCMs [Country Coordinating Mechanism, Instrument für Projektvorschläge] to show evidence of membership of people living with and/or affected by the diseases“ (Quelle).

Das GIPA-Prinzip wurde bereits am 1. Dezember 1994 beschlossen, auf dem ‚Paris Aids Summit‘. Es befindet sich in der auf diesem Gipfel beschlossenen und von den 42 dort hochkarätig vertretenen Staaten unterzeichneten ‚Paris Declaration‚. Unterzeichnet hat diese Paris Declaration für die Bundesrepublik Deutschland auch Horst Seehofer, CSU und damaliger Bundesminister für Gesundheit.

In dieser ‚Paris declaration‚ wird gesprochen von „ensuring their [people living with HIV/AIDS; d.Verf.] full involvement in our common response to the pandemic at all – national, regional and global – levels“, und unter III. ist zu lesen, die Unterzeichner verpflichten sich

„fully involve non-governmental and community-based organizations as well as people living with HIV/AIDS in the formulation and implementation of public policies“.

UNAIDS, das Gemeinsame Aids-Programm der Vereinten Nationen (deren Mitglied Deutschland ist), formuliert

„Das Prinzip GIPA (Greater Involvement of People Living with HIV/AIDS, stärkere Einbeziehung der Menschen, die mit dem HI-Virus / mit AIDS leben) wurde beim AIDS-Gipfel 1994 in Paris offiziell anerkannt, als 42 Länder sich dahingehend einigten, dass ein umfassendes Engagement auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zur Entwicklung von unterstützungsorientierten politischen, rechtlichen und sozialen Umfeldern führen wird.“ (Quelle pdf)

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer betonte nach der Verabschiedung des GIPA-Prinzips 1994 stolz in einer Presseerklärung

“Die Betroffenen selbst können oft die besten Entscheidungen treffen, die besten Anregungen geben, . . . weil sie tagtäglich persönlich erfahren, was es heißt, HIV-infiziert oder aidskrank zu sein. Die Stärkung dieser Strukturen und Initiativen . . . sollte deshalb integraler Bestandteil aller politischen Überlegungen und Programme sein.” (Quelle)

Horst Seehofer ist schon lange kein Bundesgesundheitsminister mehr. Sein Nachfolger, Philip Rösler (FDP) scheint zu hoffen, an frühere Zusagen der Bundesregierung werde sich schon niemand erinnern. Vielleicht interessiert ihn die Frage auch nicht. Oder ist ihm die Einbeziehung HIV-positiver Interessen schlichtweg egal?

Es geht gemäß dem GIPA-Prinzip darum, die Erfahrungen, Belange, Lebenssituationen HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat durch diese selbst einzubeziehen. Es geht nicht um die Frage, ob einzelne Mitglieder des Nationalen Aids-Beirats – ob offen oder nicht offen – mit HIV infiziert sind. Und es geht nicht um die Frage, ob sie etwa in Aidshilfen arbeiten – Aidshilfe und Positiven-Interessen-Selbstvertretung sind zweierlei, dies sollte auch im Bundesgesundheitsministerium bekannt sein.

Es geht um die (auch: die politisch gewollte) Einbeziehung von Vertretern HIV-Positiver und ihrer Lebensrealitäten in genau dieser Funktion: Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver.

Und genau dies scheint das Bundesgesundheitsministerium nicht zu wollen.

Oder wie sollen wir es sonst verstehen, dass Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids im Nationalen Aids-Beirat nicht beteiligt ist? Dass die Lebenswelten und Probleme von drogengebrauchenden Menschen mit HIV oder von HIV-positiven Migrantinnen, um nur zwei Beispiele zu nennen, außen vor bleiben? Dass  in Deutschland scheinbar nicht gewollt ist, was in Lesotho oder Burkina Faso sogar vorgeschrieben wird, um internationale Mittel zu bekommen?

Müssen Menschen mit HIV und Aids erst wieder vor der Tür des Bundesgesundheitsministers demonstrieren, Die-Ins oder andere medienwirksame Aktionen veranstalten, ihm laut ihre Meinung sagen, bevor sie Gehör finden?

WILL der Bundesgesundheitsminister dann wenn es – bei ihm, in ’seinem‘ Nationalen AIDS-Beirat – drauf an kommt keine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver? Oder interessiert es ihn schlichtweg nicht? Sind wir, unsere Meinung, unsere Interessen ihm letztlich doch egal? Sind all die netten Worte zum Welt-Aids-Tag oder bei anderen Anlässen wenn Kameras anwesend sind, nur ministerielles Blabla? Politiker-Geschwätz?

Es wäre schade. Und es würde überraschen. Denn Themen, bei denen Interessenlagen oder Ziele nahe bei einander liegen oder gar übereinstimmen, Politik und HIV-Positive an einem Strang ziehen, ein Austauschen und ggf. gemeinsames Agieren im Interesse aller Beteiligten wäre, die dürfte es durchaus geben …

Aber auch die Beteiligten des Nationalen Aids-Beirats selbst müssen sich fragen lassen, warum sie das Anliegen, Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat zu beteiligen, nicht unterstützen. Sie müssen sich fragen lassen, ob sie es vor der Öffentlichkeit, vor Aidshilfen und Kollegen, vor ihren Patientinnen und Patienten, aber vor allem auch vor sich selbst rechtfertigen können, an dieser bedeutenden Stelle der Formulierung deutscher Aids-Politik zwar über, aber kaum mit Menschen mit HIV zu sprechen und entscheiden?

Und Mitarbeiter/innen von Aidshilfe als Mitglieder des Nationalen AIDS-Beirats sowie die Deutsche Aids-Hilfe als Verband  müssen sich fragen lassen, ob sie sich instrumentalisieren lassen – um eine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver zu verhindern? Gerät Aidshilfe hier in Gefahr, eines ihrer hehrsten Prinzipien zu verraten?

„Mit uns, nicht nur über uns “ und „Wir sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung“ – das waren einst Grundgedanken der Aidsarbeit, realisiert oft auch in deutscher Aids-Politik. Die daraus, aus der Einbindung und Selbst-Vertretung von Menschen mit HIV und Aids, auch eine ihrer Stärken bezog und internationale Anerkennung fand. Inzwischen scheinen diese Grundgedanken der Interessen-Selbstvertretung kurz davor zu sein, zu Lippenbekenntnissen bei Pressekonferenzen und hübschen Welt-Aids-Tags-Empfängen zu verkommen. GIPA? Fehlanzeige!

Müssen wir wieder zornig werden? Oder ist es nur an der Zeit, dass der Minister die von der Bundesregierung unterzeichnete Erklärung ernst nimmt, sie in die Praxis umsetzt? Und endlich Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids beteiligt, auch am Nationalen Aids-Beirat?

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UNAIDS: The Paris Declaration – Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)

siehe auch:
alivenkickin 08.02.2011: Liebe weichgespülten HIV Positive, liebe weichgespülte Community

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(1) Anmerkung zu „kein Interessenvertreter von Menschen mit HIV“:
Ja, Rainer Jarchow ist Mitglied im Nationalen AIDS-Beirat. Laut Mitgliederliste benannt als „AIDS-Aktivist“. Rainer hat sich jahrelang auf vielen Ebene und an vielen Stellen verdienstvoll für den Kampf gegen Aids und für Menschen mit HIV und Aids eingesetzt. Rainer ist erfreulicherweise und verdientermaßen Ehrenmitglied der Deutschen Aids-Hilfe. Und sicher ein wichtiges Mitglied im ‚Nationalen AIDS-Beirat‘.
Aber – lieber Rainer, du bist als einziger nicht (mehr) in Aidshilfe Aktiver unter dem Titel ‚Selbsthilfe‘ in den Nationalen AIDS-Beirat benannt. Neben der Funktion als
„Fachbeirat Deutsche AIDS-Stiftung“ auch als „AIDS-Aktivist“. Bist du das? Heute noch? Ist das (die ganze) Positiven-Interessenselbstvertretung? Oder wie viel Gefahr von Instrumentalisierung liegt hierin?

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Aktualisierung 16. Mai 2011:
Der Nationale Aids-Beirat wird um bis zu zwei HIV-Positive ergänzt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.

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Berlin: HIV-Positive diskutieren mit Gesundheitssenatorin über Aids-Konzept

Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher diskutierte am 24. Januar 2011 in einer Veranstaltung für Menschen mit HIV und Aids das Rahmen-und Entwicklungskonzept HIV/Aids des Berliner Senats.

Berlins Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Katrin Lompscher, stellte Berliner Menschen mit HIV und Aids in einer zweistündigen Veranstaltung das Rahmen- sowie das Entwicklungskonzept HIV/Aids Berlin vor und diskutierte mit ihnen über Probleme und Wege der Umsetzung.
Anwesend waren auch die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion der SPD Thomas Isenberg sowie der Linken Wolfgang Albers und der stellvertretende Leiter der Abteilung I Gesundheit der Senatsverwaltung Heinrich Beuscher. Das Konzept wird am 7. Februar 2011 (12:00, öffentliche Sitzung) im Gesundheits-Ausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses behandelt.

Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher am 24.1.2011 bei der Diskussion des Aids-Konzepts mit Berliner Positiven
Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher am 24.1.2011 bei der Diskussion des Aids-Konzepts mit Berliner Positiven

Lompscher stellte in einem 30minütigen Vortrag das Rahmenkonzept sowie das Entwicklungskonzept vor – wie auf dem Berliner Positivenplenum im Februar 2011 angekündigt (siehe „Berlin: Senatorin Lompscher im Dialog über Erwartungen und Bedürfnisse Berliner Positiver „). Anschließend diskutierten Teilnehmer/innen und Senatorin 90 Minuten Problembereiche sowie Fragen der Umsetzung.

Rahmenkonzept und Entwicklungskonzept

Rahmenkonzept: „Um den veränderten Anforderungen an die Präventionsarbeit Rechnung zu tragen, hat die Senatsgesundheitsverwaltung das Rahmenkonzept zur Prävention von HIV/Aids, sexuell übertragbaren Infektionen und Hepatitisinfektionen in Berlin entwickelt. Das Konzept wurde in Abstimmung mit freien Trägern, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes erstellt.“

Das Rahmenkonzept benennt 8 übergeordnete Ziele:

  • Verankerung des Präventionswissens in den Zielgruppen
  • Stärkung der Handlungskompetenzen für die individuelle Gesunderhaltung sowie Förderung eines nachhaltigen Schutzverhaltens und dessen Implementierung im persönlichen Lebensstil
  • Stärkung der zielgruppenspezifischen Angebote durch verbindliche Kooperationen der Projekte im Handlungsfeld, mit angrenzenden Bereichen und mit den Institutionen in der Regelversorgung
  • Verbesserung der gesundheitsbezogenen Chancengleichheit
  • Verstärkung der Prävention in Betriebsstätten, in denen sexuelle Begegnungen stattfinden und/oder sexuelle Dienstleistungen angeboten werden
  • Förderung eines akzeptierenden und solidarischen Umgangs mit Menschen mit HIV/Aids und/oder Hepatitiden
  • Förderung der Gesundheit bei Menschen in Haft
  • Stärkung der Selbsthilfe und des ehrenamtlichen Engagements

Senatorin Lompscher betont, Grundlage des Rahmenkonzepts sei die bisherige erfolgreiche Arbeit. Das Rahmenkonzept selbst sei auch Resultat einer Evaluation der bestehenden Projekte. Zukünftig solle der Aktionsradius ausgeweitet werden – der Zusammenhang zwischen HIV-Prävention und Prävention sexuell übertragbarer Erkrankungen rücke zunehmend in den Vordergrund.

Zum Themenfeld HIV werde das Wissen um den eigenen HIV-Status zum Schwerpunkt, und damit HIV-Test und Test-Beratung inkl. der Stärkung der Verbindung mit bundesweiten Kampagnen (wie „ich weiss was ich tu“). Ziel seien für 2011 mindestens drei („besser 4“) hier aktive Projekte.
Das Rahmenkonzept wurde vom Berliner Senat am 19. Oktober 2010 beschlossen.

Entwicklungskonzept: Dieses von Prof. Rolf Rosenbrock (WZB Berlin) erstellte Konzept war von der Senatsgesundheitsverwaltung in Auftrag gegeben worden, um auf der Grundlage des vom Senat beschlossenen Rahmenkonzeptes zur HIV- und Aidsprävention in Berlin konkrete Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Präventionsarbeit abzuleiten.
Autor Prof. Rolf Rosenbrock zum Entwicklungskonzept:

„Mein Entwicklungskonzept empfiehlt der Senatsgesundheitsverwaltung, zusammen mit den 12 Projekten und den anderen beteiligten Senatsverwaltungen einen auf Dialog und Partizipation gegründeten Entwicklungsprozess zu starten, durch den Versorgungslücken gefüllt und die Herausforderungen der Zukunft angegangen werden sollen. Dieser Prozess wird bis zu zwei Jahre dauern. Verstärkte und innovative nicht-medizinische Primärprävention in Verbund mit den gewachsenen Möglichkeiten der medizinischen Primärprävention kann eine Dynamisierung der Epidemien verhindern.“ (Pressemitteilung der Senatsverwaltung vom 01.12.2010)

Das Entwicklungskonzept empfiehlt die Einrichtung projekt- und verwaltungsübergreifender Themengruppen für einen auf zwei Jahre angelegten partizipativen Prozess der Organisationsentwicklung:

  1. Sexual Health und Drogenprävention im Unterricht
  2. Primärprävention mit MSM
  3. Prävention mit MigrantInnen
  4. Prävention mit Frauen in der Prostitution
  5. Prävention mit Menschen, die intravenös Drogen gebrauchen
  6. Prävention im Gefängnis
  7. Tertiarprävention I: Beratung und Unterstützung für Menschen mit HIV
  8. Tertiärprävention II: Soziale Versorgung für Menschen mit HIV und Drogenproblemen

sowie zusätzlich vier Querschnittsgruppen (Ehrenamt, Qualitätssicherung, Internet, Finanzierung).

Nach Auslaufen des Integrierten Gesundheitsvertrags IGV werden die Berliner Aids-Projekte weiterhin wie bisher gefördert über das Integrierte Gesundheits-Programm IGP, dessen Steuerung nun direkt durch die Senatsverwaltung für Gesundheit erfolgt. Ziel des Entwicklungskonzepts ist es damit insbesondere auch aufzuzeigen, wie die benannten Ziele mit der gewachsenen Projekte-Landschaft erreicht werden können (Beispiel: beim Ziel ’safer settings‘ gehe es z.B. darum, wie die Wirte- / Präventions-Vereinbarung auch auf breiterer Basis umgesetzt und praktisch unterstützt werden kann). Lompscher wies darauf hin, dass hier Träger zukünftig auch andere Aufgaben bekommen könnten – und sie hierzu bereit sein müssten.

Diskussion

Beteiligung von Menschen mit HIV – GIPA

Berlin bekennt sich zum GIPA-Prinzip, dies begrüßten die Teilnehmer erneut – dieses Bekenntnis zur Einbeziehung von Menschen mit HIV und Aids müsse sich allerdings auch im konkreten Handeln von Politik und Verwaltung sowie im Rahmen- bzw. Entwicklungskonzept widerspiegeln. Menschen mit HIV seien einer der wesentlichen Akteure – und dürften hier nicht fehlen. Ihre aktive Einbeziehung müsse sich als Ziel auch im Konzept finden – das GIPA-Prinzip müsse explizit genannt werden, zum Beispiel in Form einer Selbstverpflichtung, bei allen Entscheidungen (nicht nur in Projekten, sondern auch den ‚übergeordneten‘ Entscheidungen) Menschen mit HIV einzubeziehen.

Basis des Konzepts

Mehrere Teilnehmer sehen einen Schwachpunkt des Konzeptes darin, dass dieses im wesentlichen von der Evaluation der bestehenden Projekte-Landschaft ausgeht – es fehle die Betrachtung der Frage, was denn zukünftig angestrebt werde, ebenso wie die Frage, welche Bedarfe sowie Erfahrungen mit der bestehenden Projekte-Landschaft Menschen mit HIV haben. Eine Analyse des Ist-Zustands einzig aus Sicht der bestehenden Projekte reicht nicht aus.
Senatorin Lompscher erwidert, es sei nicht anders machbar als vom Ist-Zustand auszugehen – es komme darauf an, die Projekte ‚mitzunehmen‘, die gestellten Ziele müssten mit den vorhandenen Projekten erreicht werden.

Einzel-Themen

Menschen mit HIV werden immer älter – die Frage sich verändernder Lebensperspektiven (angesichts steigender Lebenserwartung) sollte einbezogen werden.

Zunehmend mehr Menschen mit HIV sind im Erwerbsleben – ihre Lebensrealitäten und Anforderungen finden sich im Konzept bisher nicht ausreichend wieder, müsse deutlicher werden.

Das Thema ‚Sexarbeit‘ (Themengruppe 4) betrifft nicht nur Frauen, insbesondere wird auf das Fehlen jeglichen Hinweises auf Trans* hingewiesen. Sinnvoller sei z.B. ‚Menschen in Sexarbeit‘.

Der Zusammenhang zwischen HIV und Konsum von Rauschmitteln gerade auch bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben, müsse deutlicher einbezogen werden – eine wirkungsvolle HIV-Prävention bei MSM sei ohne dieses Thema wenig zielführend.

Hingewiesen wird auf die Bedeutung eines transparenten Beschwerde-Managements – auf Ebene der Träger / Projekte, aber auch übergreifend.

Zum Abschluss der Diskussion betont der stellvertretende Abteilungsleiter Gesundheit Herr Beuscher stellvertretend für die (die Umsetzung des Konzeptes steuernde) Verwaltung, ihm sei wichtig, sobald der Souverän (das Landesparlament) den Auftrag zur Verbesserung des bestehenden Systems erteilt, auch die Erfahrungen der Menschen mit HIV einzubeziehen.
Das Konzept solle kein Konzept für Träger sein, sondern eines für Menschen. Die Träger / Projekte seien elementarer Bestandteil als Erbringer der zur Erreichung der Ziele geforderten Leistungen, müssten sich neuen Situationen anpassen – im Mittelpunkt aber stünden die Menschen. Menschen mit HIV sollen zukünftig als Teil des Prozesses mit ihrer Expertise eingebunden werden.

Ergebnisse

Senatorin Lompscher drückte ihre Hoffnung aus, der Gesundheitsausschuss finde einen Weg, dem Wunsch nach Einbeziehung von Menschen mit HIV im Entwicklungskonzept und in der Aids-Politik des Landes Ausdruck zu verleihen.

Sie kündigte an, der Steuerungskreis (der das IGP in der Senatsverwaltung steuert) solle verbindlich um einen Vertreter der Menschen mit HIV erweitert werden.

Lompscher betonte, der Teilnehmerkreis der im Entwicklungskonzept benannten Themengruppen könne jeweils gern um Menschen mit HIV erweitert werden, wenn (a) Menschen mit HIV selbst Interessen formulieren und (b) glaubhaft machen, dass sie hier auch Beiträge leisten können.

Sie begrüßte die zahlreich eingebrachten Ideen und Hinwiese und forderte dazu auf, diese in die konkrete Arbeit der Themen- und Querschnittsgruppen einzubringen. Menschen mit HIV seien hier aufgefordert, sich aktiv in den Prozess einzubringen.

Sie betont, Ziel sei es weniger, das Entwicklungskonzept durch eine zweite und dritte Text-Fassung zu optimieren. Das Konzept solle einen Prozess anstoßen – diesen gelte es nun gemeinsam aktiv zu gestalten.

Die Teilnehmer schlagen eine Vertiefung der Diskussion in einer weiteren Veranstaltung vor, zumal in dieser Veranstaltung nicht alle Themenkomplexe zur Sprache kamen. Hier solle insbesondere die Möglichkeit zur Diskussion mit Prof. Rosenbrock als Autor des Entwicklungskonzeptes bestehen.

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Es ist zu begrüßen – gerade auch im Vergleich mit der Situation in anderen Kommunen und Bundesländern -, dass Berlins Gesundheitssenatorin sich zum zweiten Mal zum Dialog mit HIV-Positiven traf. Und so auch einen Schritt in Richtung Umsetzung des GIPA-Prinzips unternahm.

Allerdings kann dies nur ein erster Schritt gewesen sein, dem weitere folgen müssen.

GIPA sieht im Idealfall anders aus – aber mit dem Gespräch vom Februar 2010 über Erwartungen und Bedürfnisse und der Vorstellung des Konzepts nun ein Jahr später ist ein Anfang gemacht im Dialog zwischen HIV-Positiven und Berliner Politik.

Ein ernsthaftes Bemühen um GIPA, um Einbeziehung HIV-Positiver und Aids-Kranker bei den sie betreffenden Entscheidungen bedeutet nicht nur Information, sondern echten Dialog. Bedeutet rechtzeitige Einbindung, nicht Information erst wenn bereits Tatsachen geschaffen sind. Bedeutet echte Partizipation, bei der nicht nur Gespräche stattfinden, sondern deren Ergebnisse sich auch auf den Prozess und seine Resultate auswirken. Bedeutet verbindliche Beteiligung von Positiven-Vertreter/innen auf Projekte- und übergeordneter Ebene.

Ein erster Aufschlag in Richtung GIPA ist in der Berliner Aids-Politik gemacht. Für ein ernsthaftes Bemühen um Einbindung HIV-Positiver in die sie betreffenden Entscheidungen braucht es nun beiderseits, bei Senat und HIV-Positiven, weitere konstruktive Schritte.

Dringend erforderlich ist nun zudem ein politisches Signal. Die Beteiligung von Menschen mit HIV, zu der sich das Bundesland Berlin im September 2009 offiziell bekannt hat, muss sich auch im mit Rahmen- und Entwicklungskonzept angestoßenen Prozess (auf Arbeits- wie auch auf übergeordneter Ebene) wiederfinden – sei es durch eine entsprechende Änderung des Entwicklungskonzepts, sei es durch einen entsprechenden Beschluss des Gesundheitsausschusses.

Gelegenheit dazu ist – bei der Behandlung von Rahmen- und Entwicklungskonzept Aids in der Sitzung des Gesundheitsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses am 7. Februar 2011.

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weitere Informationen:
Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin: Rahmenkonzept zur Prävention von HIV/Aids, Hepatitis- und sexuell übertragbaren Infektionen sowie zur Versorgung von Menschen mit HIV/Aids und/oder chronischen Hepatitisinfektionen in Berlin (pdf)
Expertise von Prof.Dr. Rolf Rosenbrock, Wissenschaftszentrum Berlin im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin: Entwicklungskonzept für die Prävention von HIV/Aids, sexuell übertragbaren Infektionen und Hepatitiden in Berlin, Oktober 2010 (pdf)
Berliner Senat / Initiative sexuelle Vielfalt (beschlossen am 02.04.2009) (pdf)
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Nationaler Aids-Beirat – quo vadis?

Der seit 1986 bestehende ‚Nationale Aids-Beirat‘ ist aufgelöst – und ein neuer wird derzeit berufen. Werden auch Menschen mit HIV beteiligt? Wird über, oder auch mit uns geredet?

Der ‚Nationale Aids-Beirat‘ konstituierte sich im Dezember 1986 zu Zeiten von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth. Sein Ziel war es, die Bundesregierung in Fragen der nationalen Aids-Politik zu beraten. 23 (später bis 35) Experten verschiedener Disziplinen waren Mitglieder des Beirats, unter ihnen u.a. Prof. Martin Dannecker, Prof. Rolf Rosenbrock, Jan Leidel (Leiter Gesundheitsamt Köln), Prof. Reinhard Kurth und (seit 1998) Prof. Doris Schaeffer.

Martin Dannecker erläuterte im Januar 1987:

„Der Nationale Aids-Beirat ist eine Gruppe von Personen, die über Aids arbeitet und die Aufgabe hat, das Bundesgesundheitsministerium zu beraten und Vorschläge zu machen – auch zur Prävention. Es sind vor allem Mediziner in diesem Kreis, Virologen, Infektologen …“

Die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags erläutern

„Der Nationale AIDS-Beirat besteht aus unabhängigen Sachverständigen, welche das Bundesministerium für Gesundheit bei Fragen bezüglich der Bekämpfung der Immunschwächekrankheit AIDS beraten. Rechtsgrundlage des Nationalen AIDS-Beirats ist die Koalitionsvereinbarung zu Beginn der 11. Legislaturperiode sowie ein Organisationerlass. Berufen werden die 23 Mitglieder des Beirats durch das BMG. Mitglieder können Personen aus allen relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen sein, welche durch ihre berufliche Tätigkeit oder durch besondere Erfahrung qualifiziert erscheinen.“

Seit dem Jahr 2000 fanden nur drei (!) Sitzungen des ‚Nationalen Aids-Beirats‘ (NAB) statt, zuletzt im September 2006.

Der bisher bestehende ‚Nationale Aids-Beirat‘ wurde Ende Oktober 2010 von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler aufgelöst. Zur Begründung gab Rösler an, „neue Entwicklungen und Herausforderungen in der HIV/AIDS-Bekämpfung haben auch Auswirkungen auf die Aufgaben und Anforderungen an den Nationalen AIDS-Beirat“.

Der Bundes-Gesundheitsminister beruft derzeit bereits Mitglieder für einen neuen ‚Nationalen Aids-Beirat‘. Zu den Mitgliedern soll u.a. Prof. Dominik Groß (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, RWTH Aachen) gehören.

Ob Gesundheitsminister Rösler auch Menschen mit HIV als Positiven-Interessenvertreter und -Experten in den neuen Nationalen Aids-Beirat beruft, ist nicht bekannt.
Eine Einbindung HIV-Positiver entspräche dem GIPA-Prinzip, Menschen mit HIV in die sie betreffenden Entscheidungen mit einzubeziehen – ein Prinzip, das von der Bundesregierung bereits 1994 auf dem Pariser Aids-Gipfel unterzeichnet wurde.

Aktualisierung 06.01.2011, 15:30 / 17:30:
Nationaler Aids-Beirat: demnächst Neu-Konstituierung – Chance zu Neu-Start mit Aidshilfen- und Positiven-Interessenvertretung vertan

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weitere Informationen:
Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste / Dr. Birgit Schröder 15.09.2010: Beratungsgremien bei der Bundesregierung und im Bundestag (pdf)
Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung
Paris Aids Summit – Paris Declaration
HIV&more 04/2010: Nationaler Aids-Beirat aufgelöst (pdf)
Spiegel 12.01.1987: Aids: Sex-Verbot für Zehntausende?
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Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS-Hilfe und der Deutschen AIDS-Gesellschaft zur Beteiligung der deutschsprachigen Communities am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress

Anfang Mai hatte die DAH aufgerufen zur Diskussion über und Beteiligung an einer ‚Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS-Hilfe und der Deutschen AIDS-Gesellschaft zur Beteiligung der deutschsprachigen Communities am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress‘. Inzwischen haben Vorarbeiten, Beteiligungen aus den Communities und Diskussionen gefruchtet – auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz in Wien wurde die Erklärung unterzeichnet – sie ist im Folgenden als Dokumentation wiedergegeben:

Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS-Hilfe und der Deutschen AIDS-Gesellschaft zur Beteiligung der deutschsprachigen Communities am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress

Auf der Grundlage des 1994 formulierten Prinzips der stärkeren Einbeziehung von Menschen mit HIV/Aids (GIPA) und den daraus folgenden Prinzipien der AIDS-Kongresse von Genf (1998) und Essen (1999) sollen in dieser Erklärung Eckpunkte zur aktiven Beteiligung der deutschsprachigen Communities am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress festgelegt werden. Der Begriff „Communities“ wird im HIV/Aids-Bereich unterschiedlich definiert. Im Sinne dieser Erklärung umfasst der Begriff „Communities“:

1. Von HIV betroffene Communities
· Menschen, die mit HIV/Aids leben
· Menschen, z. B. schwule Männer, Drogengebraucher/innen, Migrant(inn)en, für die HIV epidemiologisch relevant ist
· Menschen, die in verschiedenen Formen der Selbstorganisation Selbsthilfe und Prävention leisten

2. Menschen, die sich professionell in Selbsthilfe und Prävention engagieren
· Menschen, die als Sozialwissenschaftler/innen mit ihrer Forschung und ihrem Engagement zur Grundlage für Selbsthilfe und Prävention beitragen
· Menschen, die in Aidshilfen und anderen Projekten haupt- oder ehrenamtlich Selbsthilfe fördern und mittragen und in Beratung und Prävention tätig sind.

Diese Gruppen tragen maßgeblich dazu bei, Konferenzgeschehen und -inhalte verstehbar und zugänglich zu machen. Sie bringen als Communities unterschiedliche Perspektiven in den Deutsch-Österreichischen Kongress ein und müssen deshalb in die Gestaltung aktiv einbezogen werden. Dabei kommt der Selbstvertretung von Menschen mit HIV/Aids ein besonderer Stellenwert zu.

Partizipation
Eine Beteiligung der Communities am Kongress geht über die reine Teilnahme von Menschen mit HIV/Aids am wissenschaftlichen Programm weit hinaus. Die Communities müssen aktiv die Möglichkeit haben, ihre Perspektiven bei der Auswahl und Gestaltung der Themenschwerpunkte von Anfang an einbringen zu können. Die Struktur eines Community Boards, das Menschen einbindet, die mit HIV/Aids leben, hat sich dabei in der Vergangenheit bewährt und soll ausgebaut werden. Das Board setzt sich aus jeweils zwei Vertreter(inne)n aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie einem/einer lokalen Vertreter/in zusammen. Um die Einbindung von Communities in Kongress-Geschehen und -Inhalte langfristig zu stärken, bemühen sich DAH und DAIG um Veranstaltungen zu Skills Building/ Kompetenzerwerb für Vertreter/innen der Communities innerhalb der Konferenz.

Professionalität
Die Teilnahme an einem Kongress soll mit einem weiteren Zugewinn an Professionalität für alle beteiligten Gruppen verbunden sein. Dies geschieht einerseits durch Angebote, die einen gewinnbringenden Dialog innerhalb der einzelnen Disziplinen fördern – z. B. sozialwissenschaftliche, präventionistische, pflegerische, psychosoziale. Dieser Dialog muss die unterschiedlichen Erfahrungs- und Wissenshorizonte der vertretenen Gruppen berücksichtigen. Anderseits geschieht dies durch Angebote, mit denen Kongress-Inhalte auch für die o. g. Communities zugänglich und verstehbar gemacht werden. Zusätzlich sollen interdisziplinäre „Brückenangebote“ fest im Programm verankert sein, da auch die Versorgung von Menschen mit HIV/Aids zunehmend interdisziplinär strukturiert ist.

Prävention und Sozialwissenschaft
Interdisziplinarität funktioniert, wenn sie auf den Bedürfnissen und Kompetenzen verschiedener Fachrichtungen aufgebaut und diese selbst bestimmen können, wie der interdisziplinäre Austausch beim Kongress gestaltet werden soll. Dabei ist die Einbeziehung der Communities unerlässlich für das Verständnis der medizinischen, psychosozialen und gesellschaftlichen Entwicklung auf dem Gebiet HIV/Aids. Primär- und Sekundärprävention, psychosoziale Beratung/Betreuung und die Unterstützung von Selbsthilfeaktivitäten sollen als zentrale Themen Berücksichtigung im Kongress finden. Neben quantitativen Untersuchungen sind hier aus Sicht der Aids- und Selbsthilfen vor allem qualitative Untersuchungen von großem Interesse. Diese können beispielsweise Aufschluss über das Verhalten von Menschen und die Auswirkungen von gesellschaftlichen Verhältnissen geben und stellen eine wichtige Grundlage für die Arbeit der Aids- und Selbsthilfen und weiterer zentraler Akteure des Versorgungssystems dar.

Praxisrelevanz
Kongresse, deren Programm ausschließlich „abstract driven“ zusammengestellt ist, sind für Menschen aus den Communities weniger interessant, da es nämlich nicht nur darum geht, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen, sondern darüber hinaus die Bedeutung dieser Ergebnisse interdisziplinär und in ihrer Praxisrelevanz und Umsetzbarkeit zu diskutieren. Dafür sind einerseits Zeit zur Diskussion und andererseits Workshops und nonabstract- driven Sessions notwendig. Denn die spannendsten wissenschaftlichen Ergebnisse bleiben ohne Wirkung, wenn sie perspektivisch von Praktikerinnen und Praktikern nicht umgesetzt werden können.

Beteiligung der Communities in der Kongressorganisation des Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses

1. Beteiligung der Communities an Organen/Gremien:
· Kongresspräsidium:
Zwei Sitze mit Stimmrecht für Vertreter/innen aus dem Community Board
Zwei Sitze mit Stimmrecht für Vertreter/innen aus den Dachorganisationen von Aidshilfen aus Deutschland und Österreich
· Scientific Board und Abstract Review:
Die Communities erhalten ein Drittel der Sitze im Scientific Board.
Ein Drittel der Abstract Reviewer werden durch die Communities gestellt.
· Chairs:
Alle Kongressveranstaltungen sollen mit einem Co-Chair aus den Communities besetzt werden.
· Community Scholarship Programm:
20 Scholarships (Registrierung, Reisekosten, Unterkunft) und 50 freie Kongressregistrierungen werden vom Kongress übernommen.

2. Kongressstruktur:
Kongresseröffnung: Bei bis zu vier Redner(inne)n wird ein/e Redner/in vom Community Board benannt. Bei mehr als vier Redner(inne)n sind dies entsprechend zwei Redner/innen.
Ein Drittel der Sessions werden „non abstract driven“ konzipiert.
Ein Drittel der „abstract driven“ Sessions werden interdisziplinär zusammengesetzt. Eine Session von 90-minütiger Dauer soll dabei nicht mehr als 3–4 Beiträge umfassen, um ausreichend Zeit für Diskussion zu bieten. 30 % der Session-Zeit stehen für Nachfrage und Diskussion zur Verfügung.

Wien, den 22. Juli 2010
Dr. Annette Haberl, Vorstand DAIG
Carsten Schatz, Vorstand Deutsche AIDS-Hilfe
Prof. Dr. Jürgen Rockstroh, Vorstand DAIG
Winfried Holz, Vorstand Deutsche AIDS-Hilfe
Michèle Meyer, Präsidentin LHIVE
Helmut Garcia Solarte-Konrad, Obmann Positiver Dialog

Only Rights Will Fix the Wrongs – Nur Rechte werden Missstände beheben Neue Maßstäbe in der Community-Beteiligung bei wissenschaftlichen Kongressen

Deutsche AIDS-Gesellschaft, Deutsche AIDS-Hilfe und Community-Vertretungen unterzeichnen Prinzipien zur Beteiligung am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress

Im Rahmen der XVIII. Internationalen Aids-Konferenz 2010 in Wien haben die Deutsche AIDS-Gesellschaft sowie die Deutsch AIDS-Hilfe e.V. (DAH), Positiver Dialog (Österreich) und LHIVE (Schweiz) einen verbindlichen Rahmen für den Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress vereinbart: Er soll die Einbindung von Menschen mit HIV/Aids nicht nur bei den Kongressen selbst, sondern bereits bei Auswahl und Gestaltung der Themenschwerpunkte langfristig stärken.

Damit erwarten wir eine Stärkung von Praxisrelevanz und Interdisziplinarität des Kongressgeschehens. Für die Beteiligung der Communities an den Kongressgremien und in der Kongressstruktur wurden verbindliche Festlegungen getroffen.
Die DAH und ihre Partnerinnen und Partner setzen damit einen wichtigen Meilenstein in der Weiterentwicklung des Prinzips der stärkeren Einbeziehung von Menschen mit HIV-Aids (GIPA) und entwickeln dadurch neue internationale Maßstäbe.

(Pressemitteilung der DAH)

siehe auch: Dokumentation: Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS-Hilfe und der Deutschen AIDS-Gesellschaft zur Beteiligung der deutschsprachigen Communities am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress

Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurz-Berichte 21.07.2010

In Wien findet vom 18. bis 23. Juli 2010 die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt. Im Folgenden Kurzberichte über einige wichtige Themen, die auf der Konferenz behandelt wurden. Diese Übersicht wird im Verlauf der Konferenz fortlaufend aktualisiert – Tag 3, 21. Juli 2010:

Huren schlagen US-Aids-Koordinator in die Flucht

Am Dienstag, 20. Juli nachmittags stürmte eine Gruppe Demonstrantinnen das Medien-Center der XVIII. Welt-Aids-Konferenz in Wien. Die Gruppe, die sich selbst „Star Whore III“ nannte, kritisierte US-Aids-Koordinator Eric Goosby. Mit roten Regenschirmen ‚bewaffnet‘ und mit Rufen wie “PEPFAR kills sex workers!” and “Face us, Goosby!” wandten sich die vom Global Network of Sex Work Projects organisierten Demonstrantinnen (nachdem sie die Sicherheitskräfte überrumpelt hatten) direkt an Goosby. Alle Gruppierungen, die aus dem von ihm koordinierten PrepFAR-Plan Geld erhalten, müssen explizit Prostitution ablehnen – ein Relikt aus der Zeit der konservativen Bush-Regierung, das Obama bisher nicht hat ändern lassen. Goosby ergriff durch einen Hinterausgang die Flucht. Die Demonstrantinnen erklärten, sie forderten eine Ent-Kriminalisierung der Prostitution sowie besseren Zugang zu HIV-Tests, Behandlung und Therapie.

Advocate 20.07.2010: Protesters Storm AIDS Conference
Global Network of Sex Work Projects 21.07.2010: Denial of Service: Sex Workers Confront Dr. Eric Goosby and Protest the Anti-Prostitution Pledge
no-racism.net 31.07.2010: Sexarbeiter_innen stürmen Internationale AIDS Konferenz in Wien

Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose mit Finanzierungs-Problemen – weil reiche Staaten weniger zahlen …

UNAIDS und der ‚Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria‘ beklagen eine nachlassende Unterstützung durch die Geberländer. Die General-Direktoren Michel Sidibé (UNAIDS) und Michel Kazatchkine (Globaler Fonds) betonten, die Finanzierungslücke sei groß. Erstmals seien im vergangene Jahr weniger Mittel als im Vorjahr bereit gestellt worden. Insbesondere die Staaten Europas seien zunehmend zurückhaltend – aus Europa seien 2008/09 über 600 Millionen US-$ weniger an Mitteln bereit gestellt worden als im Vorjahr. Statt zurückgehender Mittel mache die Situation jedoch vielmehr eine weitere Steigerung den finanziellen Einsatzes erforderlich. Das derzeitige Defizit gefährdet insbesondere das Ziel, möglichst vielen HIV-Positiven weltweit Zugang zu antiretroviraler Therapie zu ermöglichen.

aidsmap 20.07.2010: ‘Big gap’ in contributions to the Global Fund

Modernere Aids-Medikamente sind effizient – auch in Afrika

Der Zugang zu antiretroviraler Therapie in Subsahara-Afrika verbessert sich. Doch oftmals werden dort Medikamente eingesetzt, die in Industriestaaten schon längst nicht mehr zum Therapie-Standard gehören, besonders Therapien auf Basis von Stavudin (d4T, Handelsname Zerit®) – aus Kostengründen, denn Stavudin ist deutlich billiger als andere Aids-Medikamente.
Doch zwei Forscher-Teams kamen unabhängig von einander in Studien (in denen sie die Kosten pro gewonnenem ‚quality-adjusted life year‘ (QALY) verglichen) zu dem Schluss, dass der Einsatz ‚modernerer‘ und nebenwirkungsärmerer Aids-Medikamente auch in Staaten mit wenig Ressourcen effizient sein kann. Einer der Gründe: nebenwirkungsreiche Substanzen führen eher zu Therapie-Versagen und häufigerem umstellen auf kostspieligere Medikamente.

aidsmap 20.07.2010: Newer HIV drugs cost-effective for Africa

Positive über 50 haben mehr Probleme

HIV-Positive über 50 haben maßgebliche Nachteile verglichen mit der Allgemeinbevölkerung. Dies zeigte die Studie „50 plus“, die erste britische Studie über Altern und HIV. Ältere Positive haben eine schlechtere Gesundheit, sind finanziell schlechter gestellt und leiden unter Zukunftsängsten. Die Studie und ihre Ergebnisse wurden von ‚Terrence Higgins Trust‘ (THT) und ‚Age UK‘ am 21. Juli auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz vorgestellt. Für die Untersuchung wurden 410 HIV-Positive über 50 Jahren, die antiretrovirale Therapie erhalten, interviewt.

pinknews 20.07.2010: Older people with HIV ’substantially more disadvantaged than peers‘

GIPA 2.0

2008 wurde auf der XVII. Welt-Aids-Konferenz das „Mexico Manifest“ präsentiert. Daraus habe sich in den von HIV betroffenen Communities unter anderem der Bedarf an vorurteilsfreien Informationen ergeben, auch über Sexualität und sexuelle Gesundheit. Dies war auch eine der Grundlagen der ‚Denver Prinzipien‘ – die mit neuem Leben gefüllt werden müssen. Das EKAF-Statement und die daraus folgenden Diskussionen sei ein gutes Beispiel dafür, welche Bedeutung GIPA habe, die Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids in sie betreffenden Fragen auf allen Ebenen. Doch Regierungen und Organisationen reagieren mit Zurückhaltung – GIPA 2.0 wird erforderlich, mehr Stolz als Graswurzel-Bewegung. In einer Poster-Präsentation stellte die niederländische Gruppe ‚Poz and Proud‘  Überlegungen hierzu vor.

GIPA 2.0 Towards better understanding of the needs and comprehensive involvement of HIV-positive gay men (HPGM) in the 21st century: a Dutch example (pdf)

Hochkarätige UNAIDS-Kommission für HIV-Prävention

UNAIDS will nicht weniger als eine „HIV-Präventions – Revolution“. Zu diesem Zweck hat die UN-Organisation eine „Top-Level-Kommission“ ins Leben gerufen. Die Mitglieder sollen im Verlauf des kommenden Jahres ihre Kontakte und Erfahrungen einbringen, und sich für effektive und wirksame Präventionsprogramme einsetzen.
Mitglieder der Kommission sind Dr Michelle Bachelet (ehemaliger Präsident Chile), Jacques Chirac (ehemaliger Präsident Frankreich), Vuyiseka Dubula (Generalsekretärin der Treatment Action Campaign), Dr. Mohamed ElBaradei (Träger des Friedens-Nobel-Preises), Elena Franchuk (Ukrainische Geschäftsfrau und Gründerin der Elena Franchuk ANTIAIDS Foundation), Pau Gasol (Spanischer Basketball-Star), Nizan Guanaes (führender Kommunikations-Unternehmener Brasiliens, Chairman der ‚Grupo ABC de Comunicação‘), Chris Hughes (Generaldirektor Jumo International udn Mit-Gründer von Facebook), Magic Johnson (früherer Basketball-Star, offen HIV-positiv lebend), Irene Khan (Menschenrechts-Aktivistin und frühere Generalsekretärin Amnesty International, Robin Li (Unternehmer und Mit-Gründer der populärsten Suchmaschine in China, Baidu Inc.), Rita Süssmuth (frühere Bundestags-Präsidentin, Gesundheitsministerin), Festus Mogae (früherer Präsident Botswana), Jean Ping ( Chairman der African Union), Professor Peter Piot (früherer Executive Director UNAIDS und bald Direktor der London School of Hygiene and Tropical Medicine), Vladimir Vladimirovich Pozner (bekannter Russischer Journalist), Meechai Viravaidya (Thailändischer  Politiker und Aktivist).

UNAIDS 21.07.2010: Top world personalities join UNAIDS’ High Level Commission to bring about a prevention revolution

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siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 20.07.2010
siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 19.07.2010

Bewerbung für das Community-Board für den DÖAK 2011 vom 15. bis 18. Juni 2011 in Hannover

Vom 15. bis 18. Juni 2011 findet in Hannover der nächste Deutsch-Österreichische Aids-Kongress (DÖAK) statt. Vertreter/innen der Positiven-Selbsthilfe können wieder die Perspektiven und Erfahrungen von Menschen mit HIV in den Kongress einbringen – inzwischen wurde (nach öffentlicher Diskussion) von der Deutschen Aids-Hilfe DAH, der Schweizer Organisation für Menschen mit HIV LHIVE, sowie der österreichischen Positiven-Organisation Positiver Dialog und der Deutschen Aids-Gesellschaft DAIG eine „Erklärung zur Beteiligung der Communities an der Kongressorganisation“ formuliert, die während der kommenden Welt-Aids-Konferenz in Wien unterzeichnet wird.
Im Folgenden als Dokumentation die Ausschreibung für das Community-Board des DÖAK 2011.

Bewerbung für das Community-Board für den DÖAK 2011 vom 15. bis 18. Juni 2011 in Hannover

Ab sofort können sich interessierte Personen aus der Positiven-Selbsthilfe aus Deutschland, der Schweiz und Österreich für das Community- Board (CB) für die Vorbereitung des Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses 2011 bewerben.

Gesucht werden Menschen, die Interesse und Zeit haben, die Perspektiven von Menschen mit HIV und Aids durch die Mitarbeit im Community Board und den Vorbereitungsstrukturen des DÖAK in die Kongressplanung und Durchführung einzubringen.

Die Organisationen Deutsche AIDS-Hilfe, LHIVE und Positiver Dialog haben eine Erklärung zur Beteiligung der Communities an der Vorbereitung der zukünftigen Deutsch-Österreichischen (und bei Schweizer Beteiligung auch Schweizerischen) Aidskongresse mit der Deutschen AIDS-Gesellschaft abgeschlossen, die auf der internationalen AIDS-Konferenz in Wien unterzeichnet wird (Erklärung in der Anlage). Mit der Erklärung soll eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Kongressveranstaltern und dem Community-Board gesichert werden.

Die Kandidatinnen und Kandidaten für das CB werden über ein Ausschreibungsverfahren ermittelt. In der Bewerbung soll dargelegt werden, welche Erfahrungen im Bereich HIV/Aids der/die einzelne hat und mit welcher Perspektive und Motivation die Mitarbeit erfolgt.
Ein Gremium aus DAH-Vorstand, – Geschäftsführung und dem CB des SÖDAK 2009 wird über die Bewerbung entscheiden. Die Zielgruppe sollen Menschen aus der Selbsthilfe und den Communities aus dem HIV/Aidsbereich (z.B. Netzwerke) sein.

Das CB wird sich voraussichtlich vier Mal bis zum DÖAK treffen. Es setzt sich dafür ein, dass die auf der Konferenz verhandelten Themen auch auf ihre Relevanz für das Leben mit HIV/Aids hin diskutiert werden. Das CB steht für eine Umsetzung des Genfer Prinzips ein, das eine Einbeziehung von Menschen mit HIV/Aids und die Berücksichtigung ihrer Perspektiven auf das Thema HIV/Aids gewährleisten soll. Ferner gehören folgende Aufgaben zur Tätigkeit im CB:

– Erarbeitung eigener Workshopthemen für den Kongress
– Vertretung des CB im Kongresspräsidium (2 Personen)
– Mitarbeit im abstract review Gremium
– Mitarbeit im Scientific Board (eventuell für diesen Kongress identisch mit dem abstract review Gremium)
– Rede zur Eröffnung (1 Person)
– Ausschreibung und Auswahl der Teilnehmenden für das Scholarshipprogramm
– Besetzung von Co-Chairs für alle Sessions

Das Community-Board soll aus bis zu sieben Personen bestehen (jeweils zwei pro Land plus eine Person aus der lokalen Vorbereitungsgruppe, um die Verbindung zu schaffen). Die Mitarbeit ist ehrenamtlich, die Kosten der Treffen werden vom Kongress übernommen.

Für eine Bewerbung bitten wir Sie und Euch, uns ein ausgefülltes und unterschriebenes Formular (siehe unten) bis spätestens 15. August 2010 an die DAH, Wilhelmstraße 138, 10963 Berlin, zu schicken. Bei Rückfragen wendet euch bitte an Stefan Timmermanns, Tel. 030-69008750.

Herzliche Grüße

Stefan Timmermanns
Referent für Leben mit HIV

Silke Klumb
Geschäftsführerin

Bewerbungs-Formular (pdf): CB DÖAK Hannover Ausschreibung

Diskussions-Aufruf: Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS Hilfe und der Deutschen AIDS Gesellschaft zur Beteiligung der Community am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress

Die Deutsche AIDS-Hilfe DAH hat unter Beteiligung einiger weiterer Community-Vertreter/innen gemeinsam mit der DAIG Deutsche AIDS-Gesellschaft eine Erklärung zu den zukünftigen Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongressen (DÖAKs) entworfen und stellt den Entwurf zur Diskussion.

Dieser Entwurf ist hier dokumentiert – verbunden mit der von der DAH geäußerten Bitte um Kommentare und Diskussionen. Reaktionen, die binnen der nächsten vier Wochen (bis Ende Mai 2010) eingehen, fließen mit ein in die dann erfolgende Überarbeitung der Erklärung, bevor diese anschließend von DAIG und DAH unterzeichnet wird.

Hintergrund ist u.a. die Auseinandersetzung um die Community-Beteiligung 2009, in deren Verlauf sich das Community-Board sowie die Deutsche Aids-Hilfe von ihrer geplanten Beteiligung am Schweizerisch-Österreichisch-Deutschen Aids-Kongress 2009 in St. Gallen zurück gezogen hatte.

Ich bitte alle Leserinnen und Leser, diese Chance zur aktiven Beteiligung an der Zukunft der Community-Beteiligung an Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongressen zu nutzen und hier auf ondamaris mit Kommentaren, Meinungen und Hinweisen zur Entwicklung einer gemeinsamen Position beizutragen!

Ulli Würdemann, ondamaris

Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS Hilfe und der Deutschen AIDS Gesellschaft zur Beteiligung der Community am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress

Auf der Grundlage der Prinzipien der AIDS-Kongresse von Genf (1998) und Essen (1999) sollen in dieser Erklärung Eckpunkte zur aktiven Beteiligung der Community am Deutsch-Österreichischen AIDS Kongress festgelegt werden. Der Begriff „Community“ wird im HIV/AIDS- Bereich unterschiedlich definiert. Wir verstehen Community in einem weiteren Sinne, der folgende Gruppen umfasst:
• Menschen, die mit HIV/AIDS leben
• Menschen, die z. B. als schwule Männer, Drogengebraucher/innen, als Migrant(inn)en in Communities leben, in denen HIV epidemiologisch relevant ist
• Menschen, die in verschiedenen Formen der Selbstorganisation Selbsthilfe und Prävention leisten
• Menschen, die als Sozialwissenschaftler/innen aus den genannten Communities mit ihrer Forschung und ihrem Engagement zur Grundlage für Selbsthilfe und Prävention beitragen
• Menschen, die professionell in AIDS Hilfen und anderen Projekten haupt- oder ehrenamtlich Selbsthilfe fördern und mittragen und in Beratung und Prävention tätig sind

Diese Gruppen bringen als Community unterschiedliche Perspektiven in den Deutsch-Österreichischen Kongress ein und müssen deshalb in die Gestaltung aktiv einbezogen werden. Der Selbstvertretung von Menschen mit HIV/AIDS kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu.

Partizipation
Community Beteiligung am Kongress geht über die reine Teilnahme von Menschen mit HIV/AIDS am wissenschaftlichen Programm weit hinaus. Die Community muss aktiv die Möglichkeit haben, ihre Perspektiven bei der Auswahl und Gestaltung von Themenschwerpunkten von Anfang an einbringen zu können. Die Struktur eines Community-Boards hat sich dabei in der Vergangenheit bewährt und soll ausgebaut werden. Das Board setzt sich aus jeweils zwei Vertreter/innen der am Kongress beteiligten Länder sowie einem/einer lokalen Vertreter/in zusammen.

Professionalität
Die Teilnahme an einem Kongress soll mit einem Zugewinn an Professionalität für alle beteiligten Gruppen verbunden sein. Dies geschieht einerseits durch Angebote, die die
Professionalität der einzelnen Disziplinen – z. B. sozialwissenschaftliche, präventionistische, pflegerische, psychosoziale – fördern. Zusätzlich sollen interdisziplinäre „Brückenangebote“ fest im Programm verankert sein, da auch die Versorgung von Menschen mit HIV/AIDS zunehmend interdisziplinär strukturiert ist.

Prävention und Sozialwissenschaft
Interdisziplinarität funktioniert, wenn sie auf den Bedürfnisssen und Kompetenzen verschiedener Fachrichtungen aufgebaut und diese selbst bestimmen können, wie der interdisziplinäre Austausch beim Kongress gestaltet werden soll. Dabei ist die Einbeziehung der Community unerlässlich für das Verständnis der medizinischen, psychosozialen und gesellschaftlichen Entwicklung auf dem Gebiet HIV/AIDS.
Primär- und Sekundärprävention, psychosoziale Beratung/Betreuung und die Unterstützung von Selbsthilfeaktivitäten sollen als zentrale Themen Berücksichtigung im Kongress finden. Neben quantitativen Untersuchungen sind hier aus Sicht der AIDS- und Selbsthilfen vor allem qualitative Untersuchungen von großem Interesse. Diese können beispielsweise Aufschluss über das Verhalten von Menschen und die Auswirkungen von gesellschaftlichen Verhältnissen geben und stellen eine wichtige Grundlage für die kontinuierliche Arbeit an unserem Versorgungssystem dar.

Praxisrelevanz
Die spannendsten wissenschaftlichen Ergebnisse bleiben ohne Wirkung, wenn sie perspektivisch von Praktikerinnen und Praktikern nicht umgesetzt werden können. Aus diesem Grund sind Kongresse, deren Programm ausschließlich „abstract driven“ zusammengestellt ist, für Menschen mit HIV/AIDS weniger interessant. Ihnen geht es nämlich nicht nur darum, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen, sondern darüber hinaus, die Bedeutung dieser Ergebnisse interdisziplinär und praxisnah zu diskutieren.

Beschlüsse für die Community Beteiligung am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress
1. Beteiligung der Community an Organen/Gremien:
• Kongresspräsidium:
Zwei Sitze mit Stimmrecht für Vertreter/innen aus dem Community Board
Zwei Sitze mit Stimmrecht für Vertreter/innen aus den Dachorganisationen von AIDS-Hilfen aus Deutschland und Österreich
• Scientific Board und Abstract Review:
Die Community erhält ein Drittel der Sitze im Scientific Board.
Ein Drittel der Abstract Reviewer werden von der Community gestellt.
• Chairs:
Alle Kongressveranstaltungen sollen mit einem Co-Chair aus der Community besetzt werden.
Community Scholarship Programm:
20 Scholarships (Registrierung, Reisekosten, Unterkunft) und 50 freie Kongressregistrierungen werden vom Kongress übernommen.

2. Kongressstruktur:
Kongresseröffnung: Bei bis zu vier Rednern wird ein/e Redner/in von der Community benannt. Bei mehr als vier Rednern sind dies entsprechend zwei Redner/innen
Ein Drittel der Sessions werden „non abstract driven“ konzepiert.
Ein Drittel der „abstract driven“ Sessions werden interdisziplinär zusammengesetzt. Eine Session von 90-minütiger Dauer soll dabei nicht mehr als 3-4 Beiträge umfassen, um ausreichend Zeit für Diskussion zu bieten.

Anmerkung 18.06.2010: Kommentierungs-Phase beendet.

Berlin: Senatorin Lompscher im Dialog über Erwartungen und Bedürfnisse Berliner Positiver

Berlins Gesundheits-Senatorin Katrin Lompscher diskutierte am 8. Februar 2010 mit dem Berliner Positiven-Plenum, welche Erwartungen und Bedürfnissen HIV-Positiven an den Berliner Senat haben.

Mit über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war das Berliner Positiven-Plenum am 8. Februar 2010 (wie schon die Plena in den letzten Monaten) bemerkenswert gut besucht. Die Deutsche Aids-Hilfe hatte auf Nachfrage der Positivensprecher freundlicherweise einen Raum zur Verfügung gestellt.

Nach einer Begrüßung durch Stefan Timmermanns (HIV-Referent der Deutschen Aidshilfe) übermitteln die Positivensprecher/innen die Grüße der Geschäftsführerin der Berliner Aids-Hilfe Ute Hiller, die leider aus persönlichen Gründen verhindert sei; der Vorstand der Berliner Aids-Hilfe wünsche dem Positiven-Plenum ein konstruktives Gespräch mit der Senatorin. Albert Eckert, ehemaliges MdA, übernimmt auf Vorschlag der Positivensprecher/innen die Moderation des Abends.

20100208PoPle01

1. Beteiligung von Menschen mit HIV/AIDS an Entscheidungen im Bereich der AIDS-Arbeit in Berlin
Auf dem Kongress ‚HIV im Dialog‘ im September 2009 hatte Senatorin Lompscher sich eindeutig zum GIPA-Prinzip bekannt und angekündigt, Berlin werde zukünftig verstärkt Menschen mit HIV an den sie betreffenden Entscheidungen des Berliner Senats beteiligen. Das GIPA-Prinzip war 1994 auf dem Pariser Aids-Gipfel beschlossen worden.

Eine Beteiligung von HIV-Positiven an den sie betreffenden Entscheidungen ist sowohl auf der Ebene der freien Träger der Aids-Arbeit in Berlin als auch strukturell (Ebene Integrierter Gesundheitsvertrag IGV) anzustreben.
Bisher ist eine Beteiligung von Positiven nur bei einem Träger realisiert, der Berliner Aids-Hilfe mit ihrem Positiven-Plenum, einer in der Satzung verankerten (und bundesweit einzigartigen) Struktur. Es stellt sich die Frage, warum andere Träger dies nicht aufweisen. Kann es sinnvoll sein, nun bei allen Trägern ähnliche Strukturen einzufordern und zu etablieren, oder braucht es einen Träger HIV-positiver Interessenvertretung? Und wo kann dieser auf Landesebene verankert werden? Diese Frage wurde lebhaft diskutiert.
Verwiesen wurde als Beispiel auf das Modell, das der US-Bundesstaat Indiana realisiert hat und das eine Struktur vorsieht, mit der die Legitimation und Benennung von Positiven-Vertretern auf institutioneller Ebene möglich ist.
Als Ziele wurden mehrfach angemahnt die alltäglichen Probleme von Menschen mit HIV und Aids in den Mittelpunkt zu stellen und eine größere Transparenz, z.B. auch bei der Verwendung der Mittel (Spenden) zu schaffen.

Als konkreter Schritt wurde vorgeschlagen, dass der Senat zu einem Treffen Berliner Menschen mit HIV und Aids einladen solle als Startschuss für einen Berliner GIPA-Prozeß. Senatorin Lompscher kündigte an, diesen Schritt („da spricht nichts dagegen“) zu prüfen und möglichst zeitlich absehbar umzusetzen.

Senatorin Katrin Lompscher und Moderator Albert Eckert
Senatorin Katrin Lompscher und Moderator Albert Eckert

2. Wo sind Positive im Rahmen der strukturellen Prävention?
Berlin benötigt ein praxisorientiertes Konzept zur strukturellen Prävention, in dem die Beteiligung und die Rolle von Menschen mit HIV/AIDS in der Prävention geklärt werden.

Frau Lompscher betont, der Senat erwarte, dass die freien Träger das Konzept der strukturellen Prävention und die Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids in ihren Konzepten berücksichtigen. Es sei denkbar, dies im kommenden IGV auch als Vertragspflicht festzuschreiben.

3. Notwendigkeit einer repräsentativen Bedarfserhebung
Seit mehr als zwei Jahrzehnten werden die Angebote im Aids-Bereich in Berlin unabhängig von einer konkreten Ermittlung von Bedarf und Bedürfnissen der Menschen mit HIV/AIDS entwickelt und gefördert. Auskünfte der bisherigen NutzerInnen bestehender Angebote sind weder repräsentativ noch ausreichend.
Mit einer Bedarfserhebung solle auch den Bedarfen derjenigen Positiven Rechnung getragen werden, die die bestehenden Angebote nicht nutzen, und festgestellt werden, welchen Bedarfen die bestehenden Angebotsstrukturen nicht Rechnung tragen.

Von Teilnehmern wird der Vorschlag geäußert, ein Beschwerde-Management verpflichtend einzuführen und dies anonymisiert zusammenzuführen und auszuwerten. Erfahrungen in der Praxis zeigten, dass dies bereits nach kurzer Zeit recht gut Aufschluss darüber gebe, welche realen Probleme bestünden.

Senatorin Lompscher betont, sie stehe einer Bedarfsermittlung prinzipiell aufgeschlossen gegenüber. Sie sehe jedoch Konkretisierungsbedarf, was genau in welchen Zahlen erhoben werden solle.
In einem Beschwerde-Management sehe sie einen guten Ansatz auch unter Aspekten des Verbraucherschutzes.
Sie wies darauf hin, dass der Staat dezidiert keinen Präventionsauftrag habe, ein entsprechender Gesetzentwurf (‚Präventionsgesetz‚) sei gescheitert. Prävention sei einzig Auftrag der Krankenkassen, so das auch ein Gespräch mit der AG der Berliner Krankenkassen sinnvoll sein könne.

4. Akzeptanzförderung zur Vorbeugung von Diskriminierung bzw. Furcht davor
Die Gesellschaft benötigt wirksame und nachhaltige Aufklärung über das Leben mit HIV bzw. AIDS, damit Positive ohne Diskriminierung und Angst leben können – in der Familie, der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz und in der Freizeit.

Frau Lompscher weist auf die Akzeptanz-Kampagne des Berliner Senats hin und betont, dass das Thema Akzeptanz ganz oben auf der politischen Agenda stehe.
Aus Teilnehmerkreisen wird darauf hingewiesen, dass gerade auch seriöse Aufklärung zu Toleranz an Schulen wichtig sei, besonders auch an Schulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Zudem dürfe Akzeptanzförderung auch in Knästen nicht vergessen werden.

5. Angebote zur Arbeitsfähigkeit: „HIV + Beschäftigung“ bzw. „HIV + Rente“
Zunehmend mehr Menschen leben dank neuer Therapien länger und besser als zuvor. Viele von ihnen benötigen Entscheidungshilfen und praktische Unterstützung für ihren individuellen Weg zwischen beruflichen Anforderungen, ggf. eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder nötigen Alternativen zur Erwerbstätigkeit.
Zwar gibt es bereits Projekte, die auf diesem Themenfeld tätig sind. Ihnen fehlen aber (u.a. nach Auslaufen von Modellprojekten oder EU-Förderung) finanzielle Mittel.
Teilnehmer wiesen darauf hin, dass dies auch Aufgabe der Träger der Sozialversicherung, insbesondere der Rentenversicherung (berufliche Rehabilitation) sei; hier komme dem Staat eine moderierende Rolle zu. Positive sollten sich mehr mit anderen Chroniker-Gruppen koordinieren, um hier gemeinsam vorzugehen.

Frau Lompscher verweist darauf, dass dieses Thema in den Zuständigkeitsbereich der Senatorin für Arbeit und Soziales falle. Sozialversicherungsrecht sei zudem Bundesrecht, hier könne das Land Berlin nur über den Bundesrat initiativ werden. Sie bot ihre Unterstützung für Gespräche mit den zuständigen Trägern der Sozialversicherung an.

6. Datenschutz und Vertraulichkeit
Im Integrierten Gesundheitsvertrag (IGV) ist eine Leistungsdokumentation vorgesehen. Eine (Re-)Identifizierbarkeit durch persönliche Daten im Rahmen dieser Leistungsdokumentation ist auszuschließen.
Diese Einhaltung des Datenschutzes auch im IGV zu gewährleisten sei selbstverständlich, betonte Lompscher.

Teilnehmer beklagen, dass in Job-Centern häufig Verstöße gegen den Datenschutz erfolgten (Mitarbeiter geben Daten weiter); hier scheine eine entsprechende Dienstaufsicht nicht entsprechend stattzufinden.
Ein Teilnehmer berichtet über ein besonderes Datenschutz-Problem bei der Unterstützung der Schwimmgruppe durch die Deutsche Aids-Stiftung, das allgemeine Empörung hervorruft.

7. Akteneinsichtsrechte
Besondere Belastungen für Positive wie auch andere chronisch Kranke sind durch geeignete organisatorische Lösungen zu vermeiden. Akteneinsichtsrechte nach dem IFG (Informations-Freiheits-Gesetz) dürfen nicht – z. B. in Folge von Verträgen Berlins über Angebote durch Dritte – umgangen werden.
Senatorin Lompscher sagt zu, dass sichergestellt wird, dass Träger sich dem Akteneinsichtsrecht / IFG nicht durch Umgehungen / Vergaben an Dritte entziehen.

8. Verbesserung der aktuellen Mehrbedarfsregelung zur Sozialhilfe oder  Regelsatzerhöhung
Menschen mit chronischen Erkrankungen benötigen eine bedarfsgerechte materielle Absicherung. Der Gefahr ihrer Marginalisierung ist dadurch vorzubeugen.
Zahlreiche Teilnehmer beklagen, dass zunächst pauschal abgelehnt würde und viele Job-Center den Eindruck einer Zermürbungs-Strategie vermittelten („es geht immer wieder in’s Leere“). Falls Leistungen wie Ernährungs-Mehrbedarf anerkannt werden, würde dies von Bezirk zu Bezirk äußerst unterschiedlich und intransparent gehandhabt. Zudem drohten weitere Probleme bei der Frage einer Erstattung der Krankenkassen-Zusatzbeiträge.

Senatorin Lompscher betont, dass die Regelsätze Hartz IV Bundesrecht und nicht direkt von Berlin beeinflussbar seien und verweist auf das für den nächsten Tag anstehende Karlsruher Urteil (siehe „Hartz IV-Regelsätze verfassungswidrig – Bundesverfassungs-Gericht ordnet Neuregelung an„). Berlin sei einzig für Empfehlungen an Job-Center zuständig, und auch dies seien eben nur Empfehlungen.
Zur Frage der unterschiedlichen Umsetzung von Empfehlungen in den Bezirken wird diskutiert, alle zuständigen Stadträte an einen Tisch zu holen., um anstehende Fragen zu diskutieren, ggf. in Zusammenarbeit mit anderen Chroniker-Gruppen. Zudem wird die Frage eines Beschwerde-Managements bei Sozialämtern aufgeworfen.

9. medizinische Versorgung für Positive ohne Krankenversicherung
Jedes Jahr erkrankt eine unbekannte Anzahl von HIV-Positiven ohne Versicherungsschutz, für die es weder geregelte Versorgungsangebote noch z. B. einen anonymen Krankenschein gibt.

Senatorin Lompscher betont, dass dauerhafte Lösungen für die medizinische Versorgung von Menschen ohne legalen Aufenthalts-Status ein schwieriges Problem darstellen, dem sich die Senatsverwaltung bewusst sei. Man arbeite in Zusammenarbeit mit öffentlichen und freien Trägern an Lösungsansätzen. Erschwerend komme hinzu, dass bisher kein tragfähiges und unumstrittenes Konzept für einen anonymen Krankenschein vorliege.
Aus Teilnehmerkreisen wird ergänzend darauf hingewiesen, dass Asylbewerber trotz sofortiger Information über HIV-Infektion und medizinischen Status (Aids) oftmals Monate warten müssen, bis sie Zugang zu medizinischer Behandlung haben; dieser Zustand sei untragbar.

10. Wohnangebot für Menschen mit HIV (insbes. im Alter)
Mehrere Teilnehmer/innen weisen darauf hin, dass die Frage des Wohnens, insbesondere im Alter, für viele Menschen mit HIV ein großes Problem darstelle. Die wenigen von existierenden Projekten angebotenen Wohnmöglichkeiten entsprächen nicht immer den Vorstellungen von altrs- und sozialgerechtem Leben. Für Menschen mit Migrationshintergrund stellt die Frage des Wohnens im Alter ein besonderes Problem dar, da hier auch keine Herkunfts-Familie zur etwaigen Versorgung zur Verfügung steht.
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Im Anschluss an die Diskussionen wird vereinbart, ein Protokoll zu erstellen, das Senatorin Lompscher zur Verfügung gestellt wird. Sie sagt zu, die besprochenen offenen Fragen in der Senatsverwaltung zu klären. Nach 3 bis 4 Wochen solle dann ein Gespräch mit den Positivensprecher/innen folgen, um die offenen Punkte durchzusprechen und weiter zu verfolgende Handlungsansätze zu vereinbaren.

Wer wollte, konnte am 8. Februar eine kleine Lehrstunde in repräsentativer Demokratie, Basisnähe und Bürgergesellschaft erleben:
Senatorin Lompscher hörte aufmerksam zu, ging konkret auf die diskutierten Themen und die gestellten Fragen und Anregungen ein, und vermied weitestgehend Worthülsen und Polit-Blasen. Die Positivensprecher/innen hatten mit Unterstützung der Vorbereitungsgruppe eine gut strukturierte Veranstaltung vorbereitet, die durch Moderator Albert Eckert zielführend geleitet wurde. Positive aus unterschiedlichen Gruppen (z.B. schwule Männer, Frauen, Migrantinnen und Migranten) beteiligten sich großenteils lebhaft und aktiv an den Diskussionen und brachten ihre Erfahrungen und Belange ein.
Eine Veranstaltung, wie sie der Positiven-Selbsthilfe öfter zu wünschen ist.

Störmanöver aus Kreisen einer örtlichen Aids-Organisation wirkten angesichts dieser betroffenennahen Veranstaltung befremdlich, konnten den Erfolg erfreulicherweise jedoch nicht beeinträchtigen.

Für Amusement allerdings sorgte ein kurz zuvor bekannt gewordener offener Brief eines Volker Allochthon [Beim Namen dürfte es sich um ein Pseudonym handeln; allochthon, griech., ‚an anderer Stelle entstanden‘, fremd, auswärtig], der ausführlich begründet den Rücktritt des derzeitigen Vorstands der Berliner Aids-Hilfe forderte.

Nachtrag: Auf dem nächsten Positiven-Plenum am 8. März 2010 um 19:00 Uhr ist Thema „25 Jahre HIV-positiv – immer normaler, immer zufriedener?  – Selbsthilfe und Interessenvertretung damals, heute – und künftig?“ (Ort: Berliner Aidshilfe, Meinekestr. 12)

weitere Informationen:
UNAIDS: Greater involvement of people living with or affected by HIV/AIDS
berlin.de 11.09.2009: Kurz notiert (Lompscher sagt verstärkte Beteiligung von Menschen mit HIV zu)
Abgeordnetenhaus Berlin: Zwischenbericht „Anstieg der HIV-Neuinfektionen und sexuell übertragbaren Krankheiten stoppen – gezielt in Prävention investieren!“, Drucksache 16/2786, 16.11.2009
Indiana (USA): Indiana Statewide HIV Consumer Advisory Board
Volker Allochthon 08.02.2010: Inge Banczyk, Uli Meurer und Rainer Schilling sollten als Vorstand der Berliner Aids-Hilfe zurücktreten
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Berlin bekennt sich zu GIPA-Prinzip

Das Land Berlin wird zukünftig bei der Planung und Bewertung von Aktivitäten im Aids-Bereich verstärkt Menschen mit HIV beteiligen. Berlin ist damit die erste Großstadt Europas, die das GIPA-Prinzip anerkennt und Schritte zu seiner Umsetzung unternehmen will.

Am 11. und 12. September fand in Berlin die Konferenz „HIV im Dialog“ statt. Am 11. September kündigte Katrin Lompscher, Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Berlin, an, das Land Berlin werde zukünftig das GIPA-Prinzip befolgen:

„Dabei hat sie betont, dass das Land Berlin bei der zukünftigen Schwerpunktsetzung, Planung, Umsetzung und Bewertung von Aktivitäten im Aids-Bereich verstärkt Menschen mit HIV beteiligen wird. Damit anerkennt und unterstützt Berlin das GIPA-Prinzip (Greater Involvement of People living with HIV/Aids), das 1994 auf dem Pariser Aids-Gipfel beschlossen wurde.“

Karin Lompscher
Senatorin Karin Lompscher, hier bei HIV im Dialog 2008

Die Grundidee des GIPA-Prinzips geht zurück auf die Erklärung von Denver (Denver Principles) aus dem Jahr 1983. Damals forderten Menschen  mit HIV in den USA HIV-Positive auf, ihre eigenen Interessenvertreter zu wählen, selbst für ihre Belange einzustehen.

Auf dem Aids-Gipfel in Paris am 1. Dezember 1994 wurde das GIPA-Prinzip konkretisiert. Die 42 teilnehmenden Staaten beschlossen, die notwendigen Schritte zu unternehmen, Menschen mit HIV in die sie betreffenden Entscheidungen einzubeziehen: „participation in decision-making processes that affect their lives“. Diese Deklaration wurde auch von der Bundesregierung (Bundesminister für Gesundheit) unterzeichnet.

Bundesgesundheitsminister Seehofer verkündete damals stolz in Paris:

„Die Betroffenen selbst können oft die besten Entscheidungen treffen, die besten Anregungen geben, . . . weil sie tagtäglich persönlich erfahren, was es heißt, HIV-infiziert oder aidskrank zu sein. Die Stärkung dieser Strukturen und Initiativen . . . sollte deshalb integraler Bestandteil aller politischen Überlegungen und Programme sein.“ (Quelle)

Menschen mit HIV als integraler Bestandteil – schöne Gipfel-Worte. Und die Konsequenzen, die Umsetzung?
In Deutschland wurden nie konkrete Schritte unternommen, die GIPA-Erklärung des Pariser Aids-Gipfels in die Tat umzusetzen. Zwar teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage 1996 mit, Solidarität mit Menschen mit HIV und Aids sei wesentlicher Bestandteil nationaler Maßnahmen der Aids-Bekämpfung. Wie Menschen mit HIV an diesen beteiligt werden (sollen), dazu äußerte sich die Bundesregierung nicht; stattdessen wurde auf die Beteiligung der Deutschen Aids-Hilfe verwiesen. Konkrete Schritte, dieses Prinzip umzusetzen, unterbleiben ebenfalls.

Seitdem ist wenig unternommen worden in Deutschland, um Menschen mit HIV an den sie betreffenden Entscheidungen direkt zu beteiligen. Das GIPA-Prinzip, die Idee, Menschen mit HIV direkt an den sie betreffenden Entscheidungen in allen Phasen zu beteiligen, blieb eine leere Worthülse.

Bis 2009. Bereits bei der Veranstaltung „149 Abgeordnete – 5 Parteien – 1 Virus“ am 9. Juni 2009 im Berliner Abgeordnetenhaus hatten Positive eine Beteiligung an Diskussionen der Berliner Aids-Politik gefordert.

Berlin hat nun mit der Verpflichtung, die Senatorin Lompscher nun ma 11.9.2009 ausgesprochen hat, einen ersten Schritt unternommen, wirksame Wege zu finden, Menschen mit HIV in Berlin direkt und aktiv aktiv einzubinden.

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Die Ankündigung von Senatorin Lompscher, Berlin werde sich ab sofort dem GIPA – Prinzp verpflichtet fühlen, ist ein wichtiger Schritt.

Ob diese Ankündigung Lippenbekenntnis, Wahlkampf-Theater, Worthülse wird – oder ein bedeutender Schritt dabei, Menschen mit HIV an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen, liegt nun auch an uns!

Fordern wir die Umsetzung dieser Ankündigung in politisches Handeln ein! Äußern wir unsere Forderungen und Bedürfnisse, haken wir nach, wo und wie sie in Entscheidungsprozesse eingebracht werden. Und – fragen wir nach, nicht nur in Berlin, sondern überall in unseren Städten, unseren Organisationen (ja, auch in Aids-Hilfen): wie werden eigentlich hier die Interessen von Menschen mit HIV in den Entscheidungen berücksichtigt?

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weitere Informationen:
Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz: kurz notiert – 11. September 2009 (html)
ACT UP New York: The Denver Principles (1983)
UNAIDS Policy Brief ‚The Greater Involvement of People Living with HIV (GIPA)‘ (pdf)
Asia Pacific Network of People with HIV & Aids: GIPA position paper january 2004 (pdf)
Bundesminister für Gesundheit Horst Seehofer: Rede auf dem Aids-Gipfel in Paris 1994, abgedruckt in Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 114 vom 09.12.1994
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS „Umsetzung der Deklaration des Pariser AIDS Gipfels“ Drucksache 13/5755 (pdf)
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Deutsche AIDS-Hilfe zieht Beteiligung am SÖDAK zurück

Deutsche AIDS-Hilfe zieht Beteiligung am SÖDAK zurück

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) wird sich in diesem Jahr nicht am Deutsch-Österreichischen-Schweizer Aids-Kongress (SÖDAK) in Sankt Gallen/Schweiz beteiligen und stellt die Mitarbeit am Kongress mit sofortiger Wirkung ein.

Dazu erklärt Carsten Schatz, Bundesvorstand der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.: „Unserer Entscheidung ist ein gründlicher Abwägungsprozess vorangegangen: Die DAH sieht die Grundlagen der diesjährigen Konferenzausrichtung, wie sie seit 1998 erfolgreich im sog. Genfer Prinzip auf internationaler und mit dem Essener Prinzip (1999) auf nationaler Ebene eingeführt wurden, als nicht gegeben an. Die DAH bedauert insbesondere, dass die Einbindung von Menschen mit HIV/Aids nicht im notwendigen Maße stattgefunden hat. Nicht über, sondern mit den Menschen mit HIV/Aids und deren Communities als die Experten in eigener Sache zu sprechen, halten wir für ein unverzichtbares Qualitätskriterium für eine zukunftsfähige Präventionsarbeit.“

Die DAH befürwortet den solidarisch geschlossenen Rücktritt des SÖDAK 2009 Community Board (CB) von der Mitarbeit am SÖDAK und schließt sich dieser Konsequenz an. Mit dem Rückzug verbindet der Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe zugleich die Forderung, dass bei zukünftigen Kongressen wieder an die bewährte Zusammenarbeit nach dem Genfer Prinzip angeknüpft und eine Teilnahme der Menschen mit HIV/Aids aktiv – zum Beispiel durch eine höhere Investitionsbereitschaft für Stipendien – ermöglicht wird.

Die DAH wird die zukünftige Kongressorganisation gerne dabei unterstützen, ein Konzept zu entwickeln, das den Rahmenbedingungen, Bedürfnissen und Erwartungen aller Beteiligten Rechnung trägt.

Informationen zum Genfer Prinzip

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe vom 28.04.2009)