Enttäuschung beim Aktionsbündnis gegen AIDS zum Abschluss des UN-Millenniumgipfels in New York – Soziologe Joachim Rüppel kritisiert Aussagen der Kanzlerin beim UN-Armutsgipfel

Heftige Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Würzburger Soziologe Joachim Rüppel vom Missionsärztlichen Institut Würzburg geübt. Merkels Rede beim Armutsgipfel der Vereinten Nationen in New York sei eine herbe Enttäuschung für alle, die auf eine weitsichtige und solidarische Weltpolitik der Regierung gehofft hätten, sagte Rüppel nach dem Treffen, das am Mittwoch zu Ende ging. Er war im Auftrag des „Aktionsbündnis gegen AIDS“ als Beobachter des Gipfels in New York.

Stattdessen zeige sich die fatale Tendenz, anderen die Verantwortung aufzubürden und sie von oben herab zu belehren, kritisiert Rüppel weiter. Außer der vagen Andeutung, den Globalen Fonds weiter zu unterstützen und damit die „entwicklungspolitische Geisterfahrt“ von Minister Niebel zu korrigieren, ließen sich keine positiven Ansätze im Sinne einer Entwicklungspartnerschaft erkennen. „Aus der Sicht derer, die täglich ums Überleben kämpfen müssen, dürften Merkels Einlassungen wie eine Bestätigung für die Arroganz der Mächtigen erscheinen.“

Die Kanzlerin hatte vor den Vereinten Nationen erklärt, dass nicht alle Ziele bis 2015 erreicht werden könnten. Deutschland wolle aber weiterhin ein verlässlicher Partner sein. Im Vorfeld der UN-Konferenz war Deutschland wegen mangelnder Zusagen zur Auffüllung des Fonds in die Kritik geraten. Im Oktober steht die Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds für die Jahre 2011, 2012 und 2013 an. Niebel plant die Mittel ab 2012 zu streichen. Alternativ dazu möchte er das bilaterale Engagement verstärken.

(Pressemitteilung Aktionsbündnis gegen Aids)

Offener Brief von Bundes­ent­wick­lungs­minister Dirk Niebel an den Sänger der irischen Gruppe U2, Bono

Wie geht es weiter mit der Unterstützung der Bundesregierung für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malarias und Tuberkulose? Plant die Bundesregierung einen Rückzug? Erst jüngst hatte die DAH gewarnt, ein Rückzug der Bundesregierung hätte fatale Folgen.

Auch Pop-Sänger Bono kritisierte die unklare Haltung der Bundesregierung. Im Folgenden als Dokumentation der offene Brief, mit dem sich Bundesminister Niebel an Bono wandte:

Offener Brief von Bundes­ent­wick­lungs­minister Dirk Niebel an den Sänger der irischen Gruppe U2, Bono

Lieber Bono,

mit einigem Erstaunen habe ich Ihr Interview mit der Frankfurter Rundschau gelesen. Sie kritisieren dort, Deutschland halte seine Zusagen an den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose (GFATM) nicht ein.

Das ist falsch. Die Verpflichtungen gegenüber dem GFATM wurden sogar deutlich übererfüllt. Bei der letzten Auffüllungsverhandlung zum GFATM, die 2007 in Berlin stattfand, sagte die Bundesregierung 600 Millionen Euro für den Zeitraum 2008 bis 2010 zu. Diese, wie auch alle anderen entwicklungspolitischen Rechtsverpflichtungen, hat die Bundesregierung selbst­ver­ständlich eingehalten. Regelmäßig sind darüber hinaus weitere Haushaltsmittel, vor allem Schuldenumwandlungen, dem Global Fund zugute gekommen, wie gerade vor wenigen Tagen 19 Millionen Euro in der Elfenbeinküste.

Im Oktober dieses Jahres wird eine Wiederauffüllungskonferenz für den GFATM stattfinden, an der sich auch die Bundesregierung beteiligen wird. Wenn ich im Vorgriff auf diese Konferenz im Haushaltsansatz für 2011 200 Millionen Euro für die Arbeit des GFATM veranschlagt habe, so zeigt dies meine Wertschätzung für den Fonds und meinen festen Willen zu einer weiteren Zusammenarbeit. Seien Sie herzlich versichert, dass ich den von mir eingebrachten Haushaltsansatz in gewohnter Angriffslust auch im Deutschen Bundestag vertreten werde. Es ist für mich ein sehr befremdliches Vorgehen, dass Sie öffentlich und ohne ein Gespräch zu suchen, von mir rechtsverbindliche Zusagen für Steuermittel einfordern, bevor die dazu angesetzte Geberkonferenz überhaupt begonnen hat. Nicht Sie, sondern unsere Steuerzahler sind es, die die geforderten Mittel aufbringen müssen.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass auch über den Globalen Fonds hinaus die Arbeit im Gesundheitsbereich ein wichtiger Schwerpunkt der deutschen Entwicklungspolitik ist, gerade auch in unserer bilateralen Zusammenarbeit. Das wird so bleiben, und dazu gehört auch der Kampf gegen HIV und Aids. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung verpflichtet mich, den Anteil der bilateralen Zusammenarbeit zu erhöhen. Deshalb habe ich den Verantwortlichen im GFATM-Sekretariat eine Beistellung bilateraler Mittel angeboten, sollte ein Boardbeschluss dieses Vorgehen ermöglichen. Leider hat der Global Fund einen solchen Boardbeschluss bislang nicht herbeigeführt. Der Ball liegt jetzt beim Global Fund.

Umso mehr bedauere ich, dass Sie bislang keine Zeit für einen Besuch im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefunden haben. Ich lade Sie herzlich zu einem Besuch ein, so dass wir dieses und andere wichtige Themen im persönlichen Gespräch vertiefen können. Selbst ohne dass Sie meine Handynummer haben, kann mich mein Büro weltweit jederzeit erreichen. So können wir Missverständnisse wie dieses in Zukunft leicht ausschließen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir bei unserem Treffen auch erläutern könnten, warum bislang ein großer Teil der Gelder des Fonds nicht nach Afrika, sondern nach China fließt. Wie die Zeitschrift „Foreign Policy“ festgestellt hat, hätten mit dem China zugesagten Geld in Afrika 67 Millionen Malariaschutznetze angeschafft, 4,5 Millionen Tuberkulose­therapien oder zwei Millionen antiretrovirale Therapien für Aidspatienten durchgeführt werden können. Vielleicht hätten so einige der von Ihnen beschriebenen Fälle verhindert werden können?

Mit freundlichen Grüßen und auf bald,

Dirk Niebel

(Quelle BMZ)

Deutsche AIDS-Hilfe: Rückzug der Bundesrepublik aus dem Globalen Fonds hätte fatale Auswirkungen

Die Bundesregierung will sich ab 2012 zumindest teilweise aus dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zurückziehen.
Das geht aus der Antwort des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf eine schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Karin Roth (SPD) hervor.
In dem Papier, das der Deutschen AIDS-Hilfe vorliegt, erklärt Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz, es werde „angestrebt, ab 2012 das Engagement zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten vermehrt auf bilateraler Ebene umzusetzen.“ Der Globale Fonds stelle beim Engagement gegen diese Krankheiten nur „ein mögliches Instrument“ dar.
Dieser Rückzug aus dem Globalen Fonds ist der falsche Weg und würde die weltweiten Maßnahmen gegen HIV/Aids und andere schwere Infektionskrankheiten zurückwerfen. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert die Bundesregierung auf, die Mittel für den Globalen Fonds aufzustocken, statt sie zu reduzieren oder sich sogar auszuklinken.
Dazu erklärt Carsten Schatz, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Ein Rückzug des drittgrößten Geberlandes wäre ein fatales Signal. Andere Länder würden möglicherweise diesem Beispiel folgen, so dass der Globale Fonds schweren Schaden nehmen könnte.“
Der Globale Fonds ist nach Auffassung der Deutschen AIDS-Hilfe das beste zurzeit verfügbare Instrument gegen die HIV/Aids-Epidemie weltweit. Er bringt Geld und Fachwissen zusammen, koordiniert die internationale Hilfe und behält dabei die Gesamtsituation im Blick. Bilaterale Maßnahmen sind in der Regel weniger effektiv und schwerer nachvollziehbar. Für einzelne Regierungen ist es zudem immer schwierig, den Hilfsbedarf richtig einzuschätzen und nachhaltig wirkungsvolle Maßnahmen auf den Weg zu bringen.
„Im weltweiten Engagement gegen HIV/Aids und andere Infektionskrankheiten ist gut abgestimmte internationale Kooperation gefragt, nicht Einzelaktionen von Regierungen, die immer auch eigene Interessen verfolgen“, so DAH-Vorstand Carsten Schatz.

(Pressemitteilung der DAH)

Kurz notiert … September 2010

29. September 2010: Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria lässt seinen neuen Verwaltungssitz in Genf bauen, für 92 Mio. sFr. Die Fertigstellung ist für 2015 geplant.

Langwierige und kostspielige Bürokratie behindert in China eine adäquate medizinische Versorgung und Betreuung HIV-Positiver, so US-Forscher David Ho.

28. September 2010: Mit dem ‚Positive Justice Projectwendet sich erstmals ein landesweites Projekt in den USA gegen HIV-Positive kriminalisierende Gesetze. Das Projekt wurde gegründet vom ‚Center for HIV Law and Policy‚.

Francoise Barré-Sinoussi, Medizin-Nobelpreis-Trägerin und Mit-Entdeckerin des HIV, fordert in ‚Le Monde‘ für Frankreich Druckräume für Drogengebraucher: „Il est urgent d’ouvrir des centres d’injection supervisée de drogues“

27. September 2010: Mit dem Pharmahersteller Gilead hat erstmals ein Medikamenten-Hersteller im Aids-Bereich für noch Patent-geschützte Medikamente (hier: Atripla®, Truvada®) einen Rabattvertrag abgeschlossen, mit der AOK Berlin (gültig seit Juli 2010).

Robert Mugabe, diktatorischer Staatschef von Simbabwe, beabsichtigt die Einführung von HIV-Zwangstests im Land.

26. September 2010: Zukünftig soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Kostenübernahme für ein neues Medikament nur noch ablehnen können, wenn er dessen Unzweckmäßigkeit beweisen kann. Eine entsprechende als pharmafreundlich betrachtete Änderung plant die Bundesregierung.

20. September 2010: Das Mikrobizid ‚Pro2000‘, ein vaginal anzuwendendes Gel, hat in einer Studie keine Wirkung gezeigt.

18. September 2010: In Russland wurden Aids-Aktivisten verhaftet. Sie hatten gegen Versorgungsprobleme bei Aids-Medikamenten protestiert. Die Versorgungsprobleme haben bereits zu Therapie-Unterbrechungen geführt.

In einem Film über den an den Folgen von Aids verstorbenen Sänger der Gruppe ‚Queen‘  Freddy Mercury soll Sascha Baron Cohen (bekannt u.a. aus ‚Borat‘) die Hauptrolle übernehmen.

16. September 2010: HIV-positive Patienten hatten einen ähnlichen Verlauf wie HIV-Negative bei Infektionen mit H1N1 („Schweinegrippe„), berichten spanische Forscher.

US-Forscher berichten, dass inzwischen über ein Drittel der Fälle von Kaposi Sarkom bei HIV-Positiven mit mehr als 250 CD4-Zellen auftreten.

Die HIV-Prävention bei schwulen Männern in Frankreich benötigt neue Ansätze – die Neu-Diagnosezahlen sind hoch. Wissenschaftler des französischen Public Health Instituts behaupten, die HIV-Infektion sei bei schwulen Männern in Frankreich „außer Kontrolle“.

14. September 2010: Das Durchfallmittel Loperamid ist unter bestimmten Voraussetzungen wieder verordnungsfähig.

10. September 2010: Apotheken dürfen ihren Kunden in geringem Umfang Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. I ZR 193/07, 72/08 u.a.). Über die Frage, ob die deutscher Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente auch für im Ausland sitzende Internetapotheken gilt, wird der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe später befinden.

9. September: Die Bundesregierung plant offenbar, sich aus dem Global Fonds zur Bekämpfung von Aids. Tuberkulose und Malaria zurückzuziehen. Zahlreiche Organisationen protestieren.

8. September 2010:  Der US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) erwirbt die Biotech-Firma Zymo Genetics für 885 Mio. US-Dollar. BMS will damit u.a. sein Portfolio an Substanzen gegen Hepatitis C stärken.

7. September: Bei der Entlassung des IQWIG-Chefs Peter Sawicki spielte auch das Bundeskanzleramt eine Rolle, berichtet SpON.

6. September 2010: Ein Drittel aller HIV-Positiven haben posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Darauf weisen britische Forscher hin.
Im Epidemiologischen Bulletin 35/2010 des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden Ergebnisse zur Erarbeitung von Standards in der Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) durch die Arbeitsgemeinschaft „Sexuelle Gesundheit“ vorgestellt.

4. September 2010: Dürfen Kliniken HIV-Patienten ambulant behandeln? Nein, sagt das Sozialgericht Hannover – und setzt damit einen Streit fort, der seit langem zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken entbrannt ist.

2. September 2010: „Wenn einer verantwortlich ist, dann bin ich das.“ Der Staatspräsident Kubas Fidel Castro bedauert die Hetze gegen Schwule in Kuba und übernimmt die Verantwortung. Zu einer etwaigen Entschädigung äußert er sich nicht.