Nachrichtensender Al Jazeera kündigt HIV-positivem Journalisten – Internationaler Gewerkschaftsbund protestiert (akt.)

Der Fernsehsender Al Jazeera aus Katar hat einem südafrikanischen Journalisten gekündigt – vermutlich aufgrund seiner HIV-Infektion. Er musste inzwischen das Land verlassen. Menschenrechtsgruppen und Aids-Aktivisten planen für diese Woche Protestaktionen.

Doha, Katar, Nachrichtensender Al Jazeera: Der südafrikanische Journalist MR ist seit Oktober 2010 einer der fünf ‚Senior Herausgeber‘ des arabischen Nachrichtensenders. Einen Monat später musste er zu einem Arbeitstreffen nach Doha reisen. Er musste eine der für eine Arbeitserlaubnis erforderlichen und üblichen medizinischen Untersuchungen vornehmen lassen. Dabei wurde festgestellt, dass er mit HIV infiziert ist. Er wurde von Al Jazeera entlassen, inhaftiert und aufgefordert, sofort das Land zu verlassen. Über die Art der medizinsichen untersuchungen war der Journalist zuvor nicht informiert worden. Erst nach seiner Rückkehr nach Südafrika stellte er fest, dass er wegen seiner HIV-Infektion gekündigt wurde. Dies berichten Medien.

Menschenrechtsgruppen sowie Aids-Aktivisten fordern Al Jazeera seitdem auf, den Journalisten wieder einzustellen. Sie planen für diese Woche Proteste in Südafrika. Der südafrikanische Gewerkschaftsbund Fedusa unterstützt die Proteste.
Der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC / IGB) aus Genf unterstützt die Proteste ebenfalls. Er hat in einem Brief an den Emir von Katar ebenfalls die Wiedereinstellung des Journalisten gefordert. Eine Antwort steht bisher aus.

Al Jazeera befindet sich in Staatsbesitz. Katar hat die Konvention über Diskriminierungen (Discrimination Employment and Occupation Convention) der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Genf unterzeichnet. Diese Konvention nennt HIV allerdings nicht explizit.

Al Jazeera (übers. ‚Die Insel‘ oder ‚Die arabische Halbinsel‘) ist ein 1996 gegründeter arabischer Nachrichtensender mit Sitz in Doha, Katar. Die englischsprachige Ausgabe ‚Al Jazeera English‘ erreicht laut ‚wikipedia‘ ungefähr 190 Millionen Menschen.

Katar ist einer der Staaten weltweit, die Menschen mit HIV eine Einreise verweigern. Alle Ausländer, die sich länger als einen Monat in Katar aufhalten wollen, müssen eine medizinsiche Untersuchung im Land vornehmen lassen, zu der auch ein HIV-Test gehört. Bei HIV-positivem Testergebnis wird die Einreise verweigert.

.

Aktualisierung
18.02.2012, 16:15: An den Protesten vor dem Büro von Al Jazeera in Johannesburg beteiligten sich Presseberichten zufolge etwa 100 Personen, darunter Vertreter von zwie der beduetendsten südafrikanischen Gewerkschaften, COSATU und FEDUSA, sowie der Treatment Action Campaign TAC. Sie forderten, dass die Kündigung des Journalisten aufgehoben und er weiterbeschäftigt wird. Solange Katar weiterhin Menschen mit HIV diskriminiere, solle dem Journalisten von Al Jazeera ermöglicht werden, seinen beruf von Südafrika aus auszuüben.
Der Leiter des Johannesburger Büros von Al Jazeera nahm die Protestnote entgegen. Er halte den Protest jedoch für fehl am Platz. Sein Sender habe nichts zu tun mit den Gesetzen des Staates Katar. Man habe erst von dem Journalisten selbst durch seinen Anruf aus Südafrika erfahren, dass er deportiert worden war. Man sehe sich häufiger mit ähnlcihen problemen konfrontiert, könne aber die Einreisebestimmungen von Katar nicht beeinflussen. Er werde die Protestnote aber an seine Vorgesetzten in Katar weiterreichen.

.

weitere Informationen:
allafrica.com 09.02.2012: South Africa: Seeking Justice for HIV-Positive Journalist
haaretz.vom 01.12.2011: Rights group to sue Qatar, Al Jazeera for deporting HIV positive journalist
The Telegraph 02.12.2011: Journalist tested for HIV without knowledge as he moved to Qatar
ITUC Blog 14.02.2012: FEDUSA to picket against HIV/AIDS discrimination
hivtravel.org: Qatar
allafrica 16.02.2012: South Africa: Al Jazeera Faces Protest Over HIV-Positive Journalist
IRIN Plus News 20.02.2012: Outrage over HIV-positive journalist’s dismissal and deportation
.

gefälschte Aids-Medikamente: Hausdurchsuchungen in Hamburg und auf Sylt

Das Bundeskriminalamt hat am 9. November 2011 Wohungen und Geschäftsräume in Hamburg und auf Sylt durchsucht. Hintergrund: Handel mit gefälschten Aids-Medikamenten.

Zum Hintergrund der Hausdurchsuchungen teilte das Bundeskriminalamt BKA in einer Pressemitteilung mit:

„Dem 68-jährigen Beschuldigten wird vorgeworfen, in den Jahren 2008 und 2009 packungsgefälschte HIV-Arzneimittel aus Südafrika über die Schweiz und Belgien nach Deutschland eingeführt und hier an Pharmagroßhändler weiterverkauft zu haben. Nach derzeitigem Ermittlungsstand wurden die ursprünglich nicht für den deutschen Markt hergestellten Originalarzneimittel neu verpackt und zum höheren europäischen Marktpreis verkauft. Einem Einkaufspreis von 3 Millionen Euro stand dadurch ein Verkaufspreis von 6 Millionen Euro gegenüber.“

Zeitgleich führte die südafrikanische Polizei im Rahmen einer konzertierten Ermittlung Durchsduchungen in Kapstadt und Johannisburg durch, hierbei wurde ein Pharmahändler festgenommen.

Bereits im Februar 2011 war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg wegen des Verdachts des Betrugs mit Aids-Mwedikamenten in Millionenhöhe ermittelt. Mehrerne Pharma-Großhändlern werde vorgeworfen, für Afrika bestimmte verbilligte bzw. ‘subventionierte’ Aids-Medikamente in großem Umfang umverpackt, illegal nach Deutschland gebracht und hier mit extrem hohen Gewinnen verkauft zu haben

.

weitere Informationen:
BKA 10.11.2011: Erfolgreicher Schlag im Kampf gegen den internationalen Handel mit gefälschten Medikamenten
.

Special Teddy Award für Aids-Aktivist Pieter-Dirk Uys

Der südafrikanische Satiriker und Aids-Aktivist Pieter-Dirk Uys wird während der 61. Berlinale 2011 mit dem Special Teddy Award ausgezeichnet.

Vom 10. bis 20. Februar 2011 finden in Berlin die 61. Internationalen Filmfestspiele statt. zum 25. Mal wird dort der queere Filmpreis Teddy verliehen. Der SPECIAL TEDDY geht 2011 an den südafrikanischen Entertainer und HIV/AIDS Aktivist Pieter-Dirk Uys für sein außergewöhnliches Engagement bei der AIDS-Aufklärung in südafrikanischen Schulen und sein Bühnen Alter Ego Evita Bezuidenhout, der „berühmtesten weißen Frau Afrikas“, wie sie von Nelson Mandela genannt wurde.

Pieter Dirk Uys nach der Show 'Foreign Aids' in Berlin 2006 (Foto: wikimedia / optimale)
Pieter-Dirk Uys nach der Show 'Foreign Aids' in Berlin 2006 (Foto: wikimedia / optimale)

Der 1945 in Kapstadt geborene Satiriker Pieter-Dirk Uys schuf mit ‚Evita Bezuidenhout‘ (auch ‚Tannie Evita‘) ein von Dame Edna Everage inspiriertes Alter Ego. Evita Bezuidenhout, Botschafterin des imaginären Homelands Bapetikosweti, kritisierte zu Zeiten der Apartheid mit Humor und Stand-up-Comedy die südafrikanische Rassenpolitik. Seit vielen Jahren engagieren Uys und Bezuidenhout sich in HIV-Prävention und Aids-Aktivismus.

Schirmherr des 25. TEDDY AWARD ist der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit. Der deutsch-französische TV Sender ARTE überträgt die Aufzeichnung der Gala des TEDDY AWARD, bereits zum 6. Mal in Folge, europaweit am 20. Februar 2011.

weitere Informationen:
Internetseiten von Pieter-Dirk Uys und Evita Bezuidenhout.

Wikileaks: US-Depeschen zu HIV und Aids – von Banalem bis Korruption (akt.)

Zehn der bisher von Wikileaks veröffentlichten Depeschen des Diplomatischen Dienstes der USA beschäftigen sich mit HIV und Aids. Thematisiert werden Scheitern in der Aids-Politik, Korruption bei Aids-Organisationen oder Carla Brunis Bemühungen um einen Aids-Event.

Zwischen Banalitäten und deutlicher Kritik an der Aids-Politik mancher Regierungen bewegt sich die Bedeutung derjenigen Depeschen, die Wikileaks bisher publizierte und die sich mit HIV/Aids beschäftigen (Dank an John S. James / ATN für das mühsame Aufstöbern!).  Eine südafrikanische Ministerin gibt zu, Südafrika habe in der Vergangenheit Fehler in seiner Aids-Politik gemacht. Gibt es Korruption bei UNAIDS? Uganda hat Probleme mit seiner Aids-Politik. Und der chinesische Vize-Präsident kennt einen Dokumentarfilm einer Exil-Chinesin über chinesische Aids-Waisen.

Alle Depeschen wurden eingesehen über einen Schweizer Spiegel der Wikilekas-Site.

10LUANDA84
2010: Vermerk über mögliche Kooperationen der USA und Chinas, u.a. bei HIV/Aids-Programmen.

09PRETORIA2245
2009: Detaillierter Bericht über ein Erstgespräch des US-Botschafters mit der südafrikanischen Ministerin für Internationale Beziehungen und Kooperation Maite Nkoana-Mashabane, die u.a. Fehler bei der HIV-Aids-Politik Südafrikas in der Vergangenheit zugebe.
Präsident Zuma werde zum Welt-Aids-Tag ein bedeutendes Statement abgeben, zukünftig wolle das Land eine führende Rolle im Kampf gegen Aids einnehmen. Die Ministerin betont ihr großes Interesse, in größerem Umfang Generika einsetzen zu können, um Kosten zu sparen.
Der US-Botschafter äußert den US-Wunsch zu Kooperation beim Tthema Gewalt gegen Frauen, das u.a. Bezüge zum Bereich HIV/Aids habe. Die Ministerin teilt die Bewertung der Bedeutung des Themas.

09KAMPALA1197
2009: Bericht u.a. über die HIV/Aids-Situation in Uganda – das Land drohe seine einst führende Rolle im Kampf gegen Aids zu verlieren. Viele ugandische erfolge gegen Aids seien seien in Wirklichkeit Erfolge des us-amerikanischen Prepfar-Programmes. Prepfar wachse allerdings sehr schnell und schaffe Abhängigkeiten. Uganda müsse seine Aids-Politik neu justieren.

09LONDON2005
2009: Die US-Botschaft in London berichtet, die Gattin des französischen Staatspräsidenten Sarkozy, Carla Bruni, plane bei der UN-Vollversammlung einen Event zu HIV/Aids. Der britische Premierminister Brown plane zum gleichen Anlass eine Veranstaltung zu Mutter-Kind-Gesundheit, Großbritannien bemühe sich diese konfliktträchitge Situation zu entschärfen.

09STATE80163
2009: Sehr ausführliche Depesche zu zahlreichen Themen / Volltext der ‚National HUMINT Collection Directive‘ (NHCD) der Vereinten Nationen. Dabei als Themen erwähnt u.a. Zugang zu antiretroviraler Therapie sowie Korruption bei internationalen Gesundheits-Organisationen, u.a. bei UNAIDS und dem Globalen Fond zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, sowie Management-Stil und Einfluss wichtiger Personen im Gesundheitsbereich, u.a. des Direktors von UNAIDS.

09STATE37561
2009: Depesche ebenfalls über HUMINT (s.o.), als Themen erwähnt u.a. Regierungspolitiken zu HIV / Aids sowie Medikamenten-Resistenzen.

09STATE37566
2009: Depesche ebenfalls über HUMINT (s.o.), als Themen erwähnt u.a. Auswirkungen von HIV/Aids auf Militär, Regierungen und wirtschaftliche Situation in Burkina Faso, Kapverdische Inseln, Tschad, Gambia, Mali, Mauritanien, Niger und Senegal.

08STATE116392
2008: Depesche ebenfalls über HUMINT (s.o.), als Themen erwähnt u.a. Situation der HIV-Infektion in Palästina.

07BEIJING1840
2007: Bericht über Gespräche des US-Botschafters mit Xi Jinping (inzwischen seit 2008 Vizepräsidenten der Volksrepublik China, seit Oktober 2010 zusätzlich stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Militärkommission). Erwähnt wird kurz ein Dokumentarfilm einer Exil-Chinesin über Aids-Waisen, der gerade einen Oscar als bester Kurz-Dokumentarfilm gewonnen habe [Anmerkung: gemeint sein dürfte der Film „The Blood of Yingzhou District“ von Ruby Yang und Thomas Lonnon].

01PRETORIA1173
(von ATN genannt, trotz Suchen nicht identifizierbar)
2001: Dünnhäutig sei er, Südafrikas Präsident Tabo Mbeki, berichtet der südafrikanische US-Botschafter. Ein erneuter Hinweis, dass Mbekis Urteilsvermögen in Frage zu stellen sie, sei sein Verhalten zu Aids. Sein Zögern, zu akzeptieren dass HIV Aids auslöse, sei international und in Südafrika erstaunt zur Kenntnis genommen worden. Sein früherer Sprecher Parks Mankahlana sei an einer Krankheit gestorben, von der viele annähme es sei Aids gewesen, auch wenn Mbeki dies niemals zugeben würde. Im Gegenteil, er halte weiterhin z.B., seiner Gesundheitsministerin die Treue, die im gesamten Kabinett große Menegne eines Buches eines Aids-Leugners verteilt habe.
Selbst als auch in Südafrika in Wissenschaft und öffentlicher Meinung zunehmend die Verbindung zwischen HIV und Aids anerkannt wurde, habe Mbeki statt einer klaren Äußerung einfach betont, er ziehe sich aus der Debatte zurück. Es gehe der Opposition nur darum, dass sie meckern könne, in Südafrika geschehe unter seiner Regierung Schlechtes.
Der Botschafter versuche, einen Draht zu Mbeki zu etablieren und auf ihn einzuwirken, dass er seine Ton in Sachen Aids mäßige.

[Hinweis auf die Cables via Aids Treatment News]

Kurz notiert … Dezember 2010

22. Dezember 2010: Eine in Kenia geborene 28-jährige Frau wurde in Finnland zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Frau, die als ‚Erotik-Tänzerin‘ arbeitete, wurde vorgeworfen, zwischen 2005 und 2010 kondomlosen Sex mit 16 Männern gehabt zu haben, ohne ihren HIV-Status mitzuteilen.

Die US-Medikamentenbehörde FDA hat für die USA eine 200mg-Tablette von Etravirine (Handelsname Intellence®) zugelassen.

Die US-Medikamentenbehörde FDA hat erstmals einen Impfstoff auch zur Prävention von Anal-Karzinomen zugelassen (zur Anwendung bei Männern und Frauen im Alter von 9 bis 26 Jahren).

21. Dezember 2010: Der Pharmakonzern BMS erwirbt vom japanischen Unternehmen Oncolys BioPharma die Lizenz für den NRTI Festinavir. Die Substanz ist ein Derivat von d4T (Stavudin, Handelsname Zerit®). Festinavir soll Phase-I-Studien-Daten zufolge auch wirksam sein bei Resistenzen gegen Abacavir und Tenofovir. Für die weiteren Entwicklungsrechte zahlt BMS bis zu 286 Millionen US-$.

20. Dezember 2010: In den Vorgängen um die Verhaftung von Wikilekas-Gründer Julian Assange rückt immer mehr die Frage von Kondom-Benutzung und HIV-Test in den Vordergrund.

Ein Angeklagter vor dem Strafgericht Lüttich drohte dem Vorsitzenden, er werde den Richter mit HIV infizieren. Bevor er den Richter erreichte, überwältigten ihn Sicherheitsbeamte.

17. Dezember 2010: Auf den Zusammenhang zwischen der Verhaftung von Wikileaks-Gründer Julian Assange und den sehr repressiven HIV-Gesetzen in Schweden weist Edwin J. Bernard in seinem Artikel auf ‚Criminal HIV Transmission‘ hin.

In San Francisco hat am 10. Dezember 2010 das GLBT History Museum eröffnet. Betrieben wird es von der GLBT Historical Society.

16. Dezember 2010: Die USA und Südafrika haben eine auf fünf Jahren angelegte Partnerschaft zur Bekämpfung von Aids vereinbart.

15. Dezember 2010: Ein HIV-infizierter Amerikaner, der mit mehreren Frauen Sex ohne Kondom gehabt haben soll, wurde vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt. Damit wurde das Urteil erster Instanz des Amtsgerichts Neumarkt bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

14. Dezember 2010: Richard Holbrooke stirbt im Alter von 69 Jahren. Der US-Star-Diplomat war neben vielen anderen Aktivitäten auch gegen Aids engagiert, war z.B. maßgeblich am Zustandekommen der Sitzung (wie der daraus folgenden Resolution) des Welt-Sicherheitsrates zu Aids im Jahr 2000 beteiligt.

HIV-Positive mit erhöhten Triglyzerid-Werten haben auch ein erhöhtes Risiko für Neuropathien, so eine (online auf AIDS publizierte) Studie.

9. Dezember 2010: In Südafrika startet 2011 ein „real life“ – test der ‚test-and-treat‚-Strategie (möglichst viele Menschen auf HIV testen, als HIV-positiv diagnostizierte Menschen direkt antiretroviral behandeln). Die Studie wird von der französischen ANRS durchgeführt.

8. Dezember 2010: In London solle ein Aids-Memorial errichtet werden, dass an diejenigen erinnert, die an den Folgen von HIV-Infektion und Aids verstorben sind, fordert eine neue Kampagne.

6. Dezember 2010: Tabu, Scham & Co. – eine im Auftrag der DAH erstellte Studie untersucht, warum viele HIV-Infektionen spät erkannt werden.

„Großer Erfolg“ – die DAH berichtet über erste Ergebnisse der EMIS-Befragung.

4. Dezember 2010: Die European Medicines Agency (EMA) weitet die Zugangsmöglichkeiten der Öffentlichkeit zu Unterlagen über Medikamente aus.

3. Dezember 2010: Die US-Medikamentenbehörde FDA erteilt einem „1-Minute – HIV-Schnelltest für die USA die Zulassung.

Schweiz: R. Staub, im Bundesamt für Gesundheit zuständig für Prävention und Promotion im BAG, benennt den gewünschten „kulturellen Wandel“ in der HIV-Prävention: Menschen mit neuer HIV-Diagnose sollen sich per SMS bekennen und Sexpartner zu informieren.

In New York wurden am Rand eines Benefiz-Events mehrere Aids-Aktivisten verhaftet. Sie hatten gegen die Aids-Politik von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg protestiert.

2. Dezember 2010: Die Polizei in Russland hat am Welt-Aids-Tag zehn HIV-Positive festgenommen, die gegen die Politik des Gesundheitsministeriums protestiert hatten.

Das Pharmaunternehmen Vertex hat in den USA einen Zulassungsantrag für den Hepatitis-C – Proteasehemmer Telaprevir gestellt.

1. Dezember 2010:Auch Menschen ohne einen legalen Aufenthaltsstatus haben Anspruch auf Behandlung, darauf weist die Bundesärztekammer hin („Patientinnen und Patienten ohne legalen
Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis“, pdf)

Der Pharmakonzern MSD hat nach Empfehlung des Sicherheits-Komitees eine Phase-III-Studie zur einmal täglichen Anwendung von Raltegravir (Isentress®) vorzeitig abgebrochen. Insbesondere bei HIV-Infizierten mit hoher Viruslast sei die virologische Antwort weniger gut gewesen als bei der zweimal täglichen Dosierung.

Pünktlich zum Welt-Aids-Tag startet auf Kuba eine neue Kampagne für Sexual-Aufklärung und Aids-Prävention.

In China wird ein Erstklässler wegen seiner HIV-Infektion nach Protesten anderer Eltern der Schule verwiesen.

Südafrika: Vorenthalten wirksamer Therapie verursachte 330.000 Aids-Tote

Lange Zeit wurden in Südafrika hochwirksame Aids-Medikamente verteufelt und zahlreichen Positiven vorenthalten. Eine Politik, die mindestens 330.000 Südafrikaner mit dem Leben bezahlten, so eine Publikation von Harvard-Forschern.

Der Preis ist hoch, den eine verfehlte Aids-Politik fordert. Am Beispiel der südafrikanischen Aids-Politik der Jahre 2000 bis 2005 haben Forscher  die Ausmaße der tragischen Konsequenzen der Aids-Leugner zu quantifizieren versucht: 330.000 Tote.

Die im Dezember 2009 verstorbene ehemalige Gesundheitsministerin Tshabalala Msimang war während ihrer Amtszeit als Gesundheitsministerin (1999 – 2008) höchst umstritten. In ihrer Zeit fiel Südafrika im Kampf gegen Aids weit zurück. Wegen ihrer seltsamen Aussagen zu HIV und Aids wurde Manto Tshabalala-Msmimang auch “Dr. Rote Beete” genannt – sie hatte jahrelang von antiretroviraler Therapie gegen HIV abgeraten und stattdessen jahrelang Zitronensaft, Olivenöl, Knoblauch und Rote Beete empfohlen.

Wirksame Medikamente gegen HIV hielt sie für ‘Teufelszeug des Westens’. Die Folge: hunderttausende Positive in Südafrika erhielten keinen oder nur sehr schwer Zugang zu wirksamer antiretroviraler Therapie. Und HIV-positiven Schwangeren wurde auf Weisung der Regierung die Möglichkeit der Medikamenten-Einnahme zur Verhinderung der Mutter-Kind-Übertragung (teils trotz unentgeltlich zur Verfügung gestellter Medikamente) vorenthalten. Erst Gerichtsklagen konnten eine Veränderung dieser Haltung erzwingen.

Für Hunderttausende Aids-Tote in Südafrika trage sie die Verantwortung, warfen ihr Kritiker nicht nur von TAC vor. Manto Tshabalala-Msmimang stand dabei für eine Reihe von Aids-Leugnern, die die südafrikanische Aids-Politik jahrelang prägten – mit Wissen, jahrelanger Billigung und Unterstützung des damaligen (1999 – 2008) Staatspräsidenten Thabo Mbeki. Mbeki selbst hatte 2000 eine Kommission eingesetzt zur Klärung der Frage, ob HIV überhaupt die Ursache von Aids sei – und in diese Kommission den wohl bekanntesten Aids-Leugner Peter Duisberg berufen.

der ehemalige südafrikanische Staatspräsident Thabo Mbeki 2003 (Foto: wikipedia)
der ehemalige südafrikanische Staatspräsident Thabo Mbeki 2003 (Foto: wikipedia)

Diese Politik der Aids-Leugner forderte einen hohen Tribut: zwischen 2000 und 2005 starben 330.000 Südafrikanerinnen und Südafrikaner vorzeitig an den Folgen von Aids, und ca. 30.000 Kinder wurden mit HIV infiziert (bereits 2008 waren zwei Untersuchungen zu ähnlichen Zahlen gekommen, s.u.).  Diese Zahlen publizierten Pride Chigwedere und M. Essex von der Harvard School of Public Health in der Fachzeitschrift „AIDS and Behaviour“ (online-Vorab-Veröffentlichung, s.u.):

„Factoring in the efficacy of ARVs, we concluded that from 2000 to 2005 at least 330,000 South Africans died prematurely and 35,000 babies were infected with HIV as a result of Mbeki’s policies.“

Die Autoren analysieren in ihrem Bericht (der eine Reaktion auf Kritiken von Aids-Leugnern an ihrem ersten Bericht darstellt) ausführlich die Thesen der Aids-Leugner, gehen dezidiert auf die Frage ein, ob HIV Aids verursache, analysieren intensiv ob antiretrovirale Medikamente zur Behandlung der HIV-Infektion sowie zur Verhinderung der Mutter-Kind-Übertragung sinnvoll und wirksam sind, und betrachten erst darauf basierend die Bevölkerungs-Entwicklung sowie die Zahl der Aids-Toten. Sie kommen letztlich zu dem Resümee

„When AIDS denialism enters public health practice, the consequences are tragic“,

fragen aber auch nach der Verantwortlichkeit – ist solche Politik kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Wer trägt die Verantwortung? Wer wird zur Rechenschaft gezogen?

Danke an Udo für den Hinweis!

weitere Informationen:
Pride Chigwedere, M. Essex: „AIDS Denialism and Public Health Practice“, online-Vorab-Veröffentlichung in … am 08.01.2010 (pdf), auch online bei natap
Science Daily 19.01.2010: More Proof That Withholding HIV Treatments Led to Thousands of Deaths in South Africa
Chigwedere P, Seage GR 3rd, Gruskin S, Lee TH, Essex M.: Estimating the Lost Benefits of Antiretroviral Drug Use in South Africa. J Acquir Immune Defic Syndr. 2008 Oct 16 (abstract)
Nicoli Nattrass: AIDS and the Scientific Governance of Medicine in Post-Apartheid South Africa. African Affairs 2008 107(427):157-176 (abstract)
.

Südafrika: Ex-Gesundheitsministerin gestorben

Manto Tshabalala-Msimang, die ehemalige Gesundheitsministerin Südafrikas, ist tot.

Tshabalala-Msimang starb Presseberichten zufolge am 16.12. an den Spätfolgen einer Lebertransplantation.

Tshabalala-Msimang war als Gesundheitsministerin höchst umstritten. In ihrer Zeit fiel Südafrika im Kampf gegen Aids weit zurück. Wirksame Medikamente gegen HIV hielt sie für ‚Teufelszeug des Westens‘. Für Hunderttausende Aids-Tote in Südafrika trage sie die Verantwortung, warfen ihr Kritiker nicht nur von TAC vor.

Wegen ihrer seltsamen Aussagen zu HIV und Aids wurde Tshabalala-Msmimang auch „Dr. Rote Beete“ genannt – sie hatte jahrelang von antiretroviraler Therapie gegen HIV abgeraten und stattdessen jahrelang Zitronensaft, Olivenöl, Knoblauch und Rote Beete empfohlen.

Im November 2008 war Barbara Hogan als neue Gesundheitsministerin und Nachfolgerin von Tshabalala-Msmimang ernannt worden. Sie leitete unverzüglich eine neue Aids-Politik des Landes ein.

Professor Francois Venter, Präsident der südafrikanischen HIV-Ärzte-Vereinigung, sagte der Familie solle die Möglichkeit zu stiller Trauer gegeben werden, öffentliche Trauerbezuegungen sollten sich jedoch angesichts der unzähligen Toten auf ein Minimum beschränken:

„The family should be allowed to grieve in privacy. Equally, political leaders should keep eulogizing to a bare minimum, to respect the large number of people who died unnecessarily of HIV or who suffered at the hands of a decimated health system.“

weitere Informationen:
Mail & Guardian 16.12.2009: Manto Tshabalala-Msimang dies
allafrica.com 16.12.2009: Manto Tshabalala-Msimang is Dead
SAPA16.12.2009: Manto’s death: All the reaction
HIV, Aids and HOPE 17.12.2008: Manto and her legacy …
.

Stefan Hippler: Fortsetzung der Aids-Arbeit in Südafrika gesichert

Der deutsche Pfarrer Stefan Hippler kann seine Aids-Arbeit in Kapstadt fortsetzen. Das Trierer Bistum verlängerte seinen Vertrag um fünf Jahre.

Seit zwölf Jahren arbeitet Stefan Hippler, katholischer Pfarrer, in Südafrika. Er engagiert sich besonders im Kampf gegen Aids – in einem Staat, der von der HIV-Epidemie in besonders gravierendem Umfang betroffen ist.
Hippler wurde u.a. bekannt durch sein Buch ‚Gott, Aids, Afrika‘ (zusammen mit Bartholomäus Grill) sowie seine Kritik an der Ablehnung von Kondomen durch die katholische Kirche selbst bei der Aids-Bekämpfung.

„Neben der praktischen Arbeit im HIV- und AIDS-Bereich befasste sich Hippler auch mit den theologischen Konsequenzen der Pandemie … AIDS gilt ihm als ein Zeichen der Zeit, das die hundertjährige moraltheologische Tradition in Frage stellt und dazu auffordert, diese Tradition mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Neuzeit zu versöhnen. Fragen des Verständnisses und Funktionalität von Sexualität, die Frage der Homosexualität, aber auch der Gleichberechtigung von Mann und Frau müssen seiner Meinung nach neu bewertet werden.“ (wikipedia)

Der Papst solle endlich Kondome zulassen, insbesondere auch diese Forderung brachte Hippler viel Ärger ein. So untersagte ihm die Deutsche Bischofskonferenz Ende 2008, sein Buch und seine Aids-Arbeit in Südafrika in einer deutschen TV-Talkshow vorzustellen.

Stefan Hippler bei der Deutschen Aids-Stiftung (Foto: Hope Cape Town)
Stefan Hippler bei der Deutschen Aids-Stiftung (Foto: Hope Cape Town)

Der mit mehreren Preisen geehrte Hippler gründete u.a. auch die Hilfsorganisation HOPE Cape Town, ein Aids-Hilfs-Projekt.

Das Trierer Bistum verlängerte nun Hipplers Vertrag um weitere fünf Jahre. Allerdings muss Hippler seine Tätigkeit bei einer lokalen Gemeinde aufgeben.

Noch Mitte des Jahres hatte die für Auslandseinsätze zuständige Deutsche Bischofskonferenz kundgetan, Hipplers Auslandseinsatz nicht zu verlängern. Trier ist das ‚Heimat-Bistum‘ Hipllers; dort hatte Stephan Ackermann als Nachfolger von Reinhard Marx und jüngster deutscher Diözesan-Bischof erst vor kurzem seine Arbeit aufgenommen.

weitere Informationen:
volksfreund.de 31.08.2009: Ein Bischof zeigt Kante
capetown online 02.09.2009: Stefan Hippler bleibt in Kapstadt
beliefnet news 04.09.2009: German Priest Allowed to Continue Condoms Work in Africa
.

Kostenfaktor Aids – Reagieren ist nicht mehr genug

Aids als Kostenfaktor – was zunächst zynisch klingt, ist gesellschaftliche Realität in vielen Staaten Afrikas. Unternehmen sind gezwungen, sich mit HIV und Aids auseinanderzusetzen.

Aids als Kostenfaktor – was zunächst zynisch klingt, ist gesellschaftliche Realität in vielen Staaten Afrikas. Unternehmen sind gezwungen, sich mit HIV und Aids auseinanderzusetzen. Und Aids ist ein ‚Markt‘ geworden.

HIV und Aids werden immer mehr auch zu einem Faktor, der für Unternehmen relevant wird. Weniger in Deutschland, sehr viel mehr im Afrika südlich der Sahara. Besonders in Südafrika, das in besonderer weise von HIV betroffen ist.

Das Wirtschaftsmagazin ‚Capital‘ bringt es in einem aktuellen Artikel auf den Punkt:

„Wer in Südafrika produzieren will, muss mit einem rechnen: Aids.“

Und so sehr Aids ein Kostenfaktor für Unternehmen geworden ist, die HIV-Epidemnie hat auch ein zweites ökonomisches Gesicht:

„In Südafrika ist Aids auch ein großes Geschäft.“

Lesenswert:

Capital: Südafrika: Kostenfaktor Aids

Fig Trees – Doku Oper über Aids-Aktivisten auf Berlinale (akt.)

Zackie Achmat und die Treatment Action Campaign – um Therapieaktivismus in Südafrika und Kanada geht es in einem ungewöhnlichen Film auf der Berlinale.

„Fig Trees“ behandelt die Arbeit der kanadischen und südafrikanischen Aids-Aktivisten Tim McCaskell und Zackie Achmat – in Form einer ‚Doku-Oper.

Das Blog e-politik berichtet:

„Die Grundidee des Films ist es, dass Gertrude Stein in der Gegenwart auftaucht und eine Dokumentar – Oper über die Bürgerrechtler im Kampf gegen HIV entwirft: Sie setzt einzelne Wörter, Sätze und Gedanken aus den Reden neu zusammen und komponiert daraus schrille Arien. Vor allem aber bedient sich diese Oper bei bekannten Pop – Songs der vergangenen Dekaden von Michael Jackson bis Bruce Springsteen, die auf sehr komische Weise adaptiert werden.“

Was eine ‚Doku-Oper‘ ist? Das Berliner Stadtmagazin zitty beschreibt den „radikalen Ansatz“ folgendermaßen:

„Archivaufnahmen, Interviews und Pressekonferenzen wurden mit Arien unterlegt. In einer Parallelhandlung recherchiert Gertrude Stein für ein Libretto über Tim und Zackie, die 100 besten Aids-Songs werden vorgestellt, Buchstabenspiele durchgeführt und schwule Komponisten von A bis Z aufgelistet.“

e-politik.de: Fig trees: Außergewöhnliche Dokumentar – Oper über AIDS – Aktivisten
berlinale.de: fig trees
siegesaeule.de: fig trees
zitty.de: angeschaut: kurz und kritisch

Nachtrag
14.02.2009: „Zum besten Dokumentarfilm der Berlinale 2009 erkor die internationale Jury den experimentellen Filmessay «Fig Trees».“
queer.de 28.04.2009: Schwul-lesbischer Filmpreis für John Greyson und seine Aids-Oper
.

Arbeiten mit HIV – alles andere als unkomplizierte Normalität

Mit HIV zu arbeiten – für viele HIV-infizierte Realität und Problem zugleich. In Südafrika engagieren sich internationale Konzerne für HIV-Prävention und für ihre HIV-positiven Mitarbeiter.

In seiner Eröffnungs-Rede der Positiven Begegnungen 2009 bezeichnete DAH-Vorstand Tino Henn die Daimler AG als “ Arbeitgeber, der mit gutem Beispiel vorangeht“ – und konnte sich beim ‚Leiter Politische Aussagen und Public Policy‘ des Konzerns für eine Spende in Höhe von 5.000€ bedanken.

Daimler? Ein Autokonzern? Was hat der mit Aids zu tun? Und dann noch als ‚Vorreiter‘?
Diese Frage mag sich nicht nur mancher Teilnehmer der ‚Positiven Begegnungen 2009‘ gestellt haben. Schließlich – gerade HIV-Positive verbinden mit dem Thema HIV, Arbeit und Arbeitgeber oftmals eher Ängste und Befürchtungen.

Doch für viele Arbeitgeber ist HIV längst ein Thema in ihrer Personal- und Unternehmens-Politik. In den Staaten, in denen HIV und Aids die Funktionsfähigkeit der Unternehmen bedrohen. In Afrika zum Beispiel.

UNAIDS beschreibt das ‚Aids-Desaster‘ folgendermaßen: Jede Stunde gibt es in Afrika 400 neue HIV-Infektionen und 285 Aids-Tote. Jede Stunde verlieren 340 Kinder ihre Eltern, verlieren 100 Kinder ihren Lehrer, ihre Lehrerin.

Der weitaus größte Teil der weltweit etwa 33 Millionen HIV-Infizierten Menschen lebt in Afrika südlich der Sahara. Der mit am stärksten von HIV betroffene Staat ist Südafrika. 5,6 Millionen Südafrikaner und Südafrikanerinnen sind mit HIV infiziert, die meisten von ihnen im erwerbsfähigen Alter. Nur jeder siebte Südafrikaner hat eine Krankenversicherung. Nur jeder Dritte der HIV-Positiven, die antiretrovirale Medikamente benötigen, erhält diese auch.

Für die Arbeitgeber in Südafrika ist Aids längst zu einem Problem geworden. Zu einem großen Problem, das die Arbeitsfähigkeit der Unternehme zu gefährden droht, wenn sie nicht aktiv werden.
„Wenn wir nichts unternommen hätten, wären Hunderte unserer Mitarbeiter gestorben“, zitiert die FAZ eine Sprecherin des Diamanten-Konzerns DeBeers. Und lässt einen Sprecher von Mercedes-Benz Südafrika ergänzen „Wenn wir nichts gemacht hätten, hätten wir uns Kranken-, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherungen nicht mehr leisten können.“

In Südafrika geht Daimler tatsächlich mit gutem Beispiel voran. Als erstes internationales Unternehmen begann es 1999, Mitarbeiter mit antiretroviralen Medikamenten zu versorgen – inzwischen gibt der Konzern in Südafrika für HIV- und Aids-Behandlung jährlich 9,4 Mio. Rand (etwa 700.000€) aus.

Auch andere Konzerne engagieren sich. Ähnlich wie Daimler haben auch Volkswagen und BMW eigene HIV-Präventionsprogramme, verteilen an Beschäftigte unentgeltlich Kondome, bieten gratis HIV-Tests an, ebenso psychologische Beratung und Betreuung für HIV-positive Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Die Unternehmen machen dies nicht nur aus Menschenfreundlichkeit und Altruismus. Täten sie nichts – drastisch wären die Folgen. Die Fehlzeiten und krankheitsbedingte Ausfälle würden deutlich steigen, die Produktivität sinken, zahlreiche Kosten (wie für unternehmenseigene Versicherungen) steigen. Und – Arbeitnehmer sind gleichzeitig auch Kunden, Konsumenten.

Eine von Mercedes-Benz in Auftrag gegebene Studie, so die FAZ, habe ergeben, dass die Gesamtkosten von HIV und Aids -würde das Unternehmen nichts gegen HIV unternehmen- bald das Drei- bis Fünffache der gesamten Lohnkosten ausmachen würden.

Sich gegen HIV und Aids zu engagieren rechnet sich also für die Unternehmen. Engagement – schon im eigenen Interesse.

Dass sich internationale Konzerne im Kampf gegen HIV engagieren, ist begrüßenswert – umso mehr in einem Land wir Südafrika, in dem die Regierung lange Zeit eher durch Ignoranz, Fehlentscheidungen auffiel und die Interessen der eigene (auch der HIV-positiven) Bevölkerung aus den Augen verlor.
Der HIV-positive Arbeitnehmer in Deutschland mag sich manches Mal wünschen, ein solchermaßen engagiertes Verhalten von Unternehmen, ein Eintreten gegen HIV und für eigene HIV-infizierte Mitarbeiter wäre auch hierzulande häufiger Realität. Positiv arbeiten – leider immer noch weit entfernt davon unkomplizierte Normalität zu sein.

weitere Informationen:
Global Business Coaliton on HIV/Aids, Tuberculosis and Malaria
Daimler AG Interaktiver Nachhaltigkeitsbericht 2008: Unsere Aktivitäten gegen HIV / Aids in den verschiedenen Ländern
Volkswagen AG Nachhaltigkeitsbericht (pdf) (siehe u.a. Aids Care)
BMW Group Aktivitäten gegen HIV und Aids
.

Südafrika: TAC-Aktivistin als nationale AIDS-Beraterin

Wandel in Südafrika: eine Aktivistin der Treatment Action Campaign wird Aids-Beraterin von Gesundheitsministerin Hogan.

Die neue südafrikanische Gesundheitsministerin Barara Hogan hat eine bekannte Aktivistin der Aids-Aktionsgruppe TAC (Treatment Action Campaign) als Aids-Beraterin ernannt, Fatima Hassan. Aus Sicht südafrikanischer Aktivisten erfüllen sich nun Hoffnungen mit der neuen Gesundheitsministerin werde es einen Wandel in der Aids-Politik des Landes geben.

Fatima Hassan, früher auch aktiv beim AIDS Law Project, das TAC bei zahlreichen Gerichtsverfahren unterstützt hat.

Der Vertrag mit dem Aids-Berater der früheren Gesundheitsministerin Tshabalala Msimang, Prof. Ronald Green-Thompson, wurde nicht fortgesetzt.

Südafrika: Hoffnung mit neuer Gesundheitsministerin

Nach der Ernennung von Barbara Hogan als neuer Gesundheitsministerin Südafrikas zeichnet sich eine grundlegende Besserung der Aids-Politik des Landes ab.

Barbara Hogan ist Nachfolgerin der umstrittenen Manto Tshabalala-Msimang. Diese hat auch den Spitznamen „Mrs. Beetroot“ – und hatte sich in ihrer neunjährigen Amtszeit vor allem durch Untätigkeit und wirre Äußerungen über HIV und Aids hervor getan (sowie durch Sprüche wie Rote Beete oder Vitamin C würden gegen Aids helfen). Tshabalala-Msimang wurde als Gesundheitsministerin ersetzt, als Präsident Kgalema Motlanthe nach dem Rücktritt von Tabo Mbeki ein neues Kabinett bildete.

Barbara Hogan, Gesundheitsministerin Südafrikas (Foto: gov.za)
Barbara Hogan, Gesundheitsministerin Südafrikas (Foto: gov.za)

Ganz anders nun Barbara Hogan. Sie werde als Gesundheitsministerin HIV und Aids sowie eine ausreichende Versorgung der südafrikanischen Bevölkerung mit Aids-Medikamenten zu einer Haupt-Priorität ihrer Amtszeit machen, kündigte sie schon bald nach Amtsübernahme an.

In einer Rede Mitte Oktober betonte Gesundheitsministerin Barbara Hogan, ANC-Mitglied seit 1976, sie erkenne den kausalen Zusammenhang zwischen HIV und Aids an. Sie betonte die Schwere und Ernsthaftigkeit der Aids-Krise in Südafrika und begrüßte ein jüngstes Urteil des Cape High Court gegen Aids-Leugner. Aids müsse mit antiretroviralen Medikamenten behandelt werden, nicht mit Rote Beete und Ähnlichem.

Auf einem internationalen Kongress in Kapstadt fand sie noch deutlichere Worte: „Die Politik unserer Regierung in den vergangenen zehn Jahre hat versagt“, weckte vor allem auch Hoffnungen: „Wir können die Kehrtwende in unserem Gesundheitssystem in den kommenden fünf Jahren schaffen.“

Aids-Aktivisten im Land begrüßten die Ernennung Hogans erfreut. Zackie Achmat, Mit-Gründer und früherer Vorsitzender der Treatment Action Campaign (TAC) betonte, Hogan sei eine der wenigen ANC-Abgeordneten gewesen, die sich immer gegen Aids-Leugner ausgesprochen habe. Mbeki hingegen habe „Blut an seinen Händen“.

Südafrika ist der am stärksten von HIV betroffene Staat der Welt. Schätzungen gehen von 5,7 Millionen HIV-infizierten Menschen im Land aus. Jährlich infizieren sich ca. 500.000 Menschen neu mit HIV. Fast 1.000 HIV-Positive sterben in Südafrika täglich an den Folgen Aids-bedingter Erkrankungen.

Erst jüngst wurde eine Studie publiziert, der zufolge die Weigerung der südafrikanischen Regierung, ihrer Bevölkerung antiretrovirale Therapien breit verfügbar zu machen, allein zwischen 2002 und 2005 etwa 330.000 Menschenleben gekostet habe.

Präsident Kgalema Motlanthe ist vermutlich nur eine Übergangslösung für einige Monate – bis der umstrittene Jacob Zuma, neuer ANC-Vorsitzender, sich zur Wahl als Staatspräsident stellt. Ist auch seine Gesundheitsministerin Hogan nur eine Übergangslösung – oder eine neue Hoffnung?
Zeitenwende für Südafrika, auch in der Aids-Politik? Oder nicht? Wie weit wird die kommende Wahl auch die Gesundheitspolitik des Landes verändern, und in welche Richtung?
Staaten wie Botswana zeigen, dass auch in Afrika wirksame Aidspolitik möglich ist. Der Preis für Festus Mogae – Ansporn auch für die südafrikanische Politik?
Immerhin, es gibt Zeichen, positive Zeichen. Mit Barbara Hogan als engagierter Gesundheitsministerin, und mit dem offen HIV-positiven Edwin Cameron, der gerade für einen Sitz in Südafrikas Verfassungsgericht kandidiert.
Südafrika braucht -egal unter welchem Staatspräsidenten- nach neun verlorenen Jahren (was den Kampf gehen Aids angeht) dringend eine neue, eine wirksame Aids-Politik – im Sinn der nahezu 6 Millionen HIV-Infizierten im Land, und im Sinn der gesamten Bevölkerung.

Duschen statt Rote Beete? – Zeitenwechsel in Südafrika (akt.)

Statt von jemandem, der sich nie klar von Aids-Dissidenten distanzierte und dessen aidspolitische Bilanz fragwürdig bleibt, der Aids wohl letztlich immer für eine Erfindung des weißen Mannes und seiner Pharma-Industrie hielt, der sich eine Gesundheitsministerin leistete die HIV mit Zitronensaft und Rote Beete bekämpfen wollte, wird Südafrika nun bald wohl von jemandem regiert, der zu glauben scheint vor HIV könne man sich mit Duschen schützen …

Auf Thabo Mbeki, der heute seinen Rücktritt bekannt gab, folgt bald wohl Jacob Zuma.
Ein seltsamer Zeitenwechsel in Südafrika
Und dies in einem der weltweiten Brennpunkte der HIV-Epidemie …

Nebenbei, schon im Dezember 2007 monierte TAC, die Treatment Action Campaign, eine „wholesale deterioration in the quality of health amongst people in South Africa“ und forderte, wer immer auch neuer ANC-Chef (und später Staatspräsident) werde, möge „urgently create a new leadership in the Ministry and Department of Healt“.
Oder wird wahr, wie es burnttongue auch unter Verweis auf die Homophobie Zumas kassandrahaft formuliert, ‚Jacob Zuma bringt Unglück und Verderben“?

Nebenbei, der duschende Zuma wäre in ‚guter Gesellschaft‘ … Gambias Diktator Yahya Jammeh behauptet sogar, er persönlich könne Aids heilen.

Nachtrag 23.9.2008: In Folge des Rücktritts Mbekis traten 11 Minister zurück – nicht jedoch die viel kritisierte Gesundheitsministerin Tshabalala Msimang (im Land auch ‚Dr. Rote Beete‘ genannt). Sie teilte mit sie sei ein ‚loyales ANC-Mitglied‘ und habe keinerlei Rücktrittsabsichten.
Nachtrag 25.9.2008: Doch eine neue Gesundheitsministerin – TAC gratuliert Barbara Hogan und bemerkt „She has been one of the few Members of Parliament to speak out against AIDS denialism and to offer support to the TAC, even during the worst period of AIDS denialism by former President Thabo Mbeki and former Health Minister Manto Tshabalala-Msimang.“

Aktualisierung:
SpON 06.05.2009: Parlament wählt Zuma zum neuen Präsidenten
.

Aids-Politik: kein Zeitenwechsel für Südafrika? (akt.)

Die Regierungspartei Südafrikas wählt einen neuen Parteivorsitzenden. Die Wahl gilt als Vorzeichen für die Wahl zum Staatspräsidenten 2009. Doch ein dringend benötigter Richtungswechsel in der Aids-Politik des Landes scheint nicht in Sicht.

Südafrika steht in dieser Woche eine bedeutende Weichenstellung bevor. Der African National Congress (ANC), der Südafrika seit dem Ende der Apartheit 1994 regiert, wählt einen neuen Partei-Präsidenten. Und da der bisherige Präsident Tabo Mbeki nach zwei Amtszeiten nicht mehr erneut als Staatspräsident kandidieren darf, wird der zukünftige ANC-Parteichef fast automatisch auch Kandidat für die Wahlen des Staatspräsidenten 2009.

Die Wahl des neuen Parteichefs auf dem am heutigen Sonntag beginnenden 52. Parteitag des ANC ist damit aber nicht nur eine bedeutende Weichenstellung für die zukünftige Entwicklung des Landes, sondern auch für die zukünftige Richtung der Aids-Politik.

Südafrika ist eines der am stärksten von Aids betroffene Länder der Welt. 5,5 Millionen Südafrikaner und Südafrikanerinnen sind HIV-infiziert; bei Jugendlichen liegt die Infektionsrate bei 16%, jede dritte Schwangere ist HIV-positiv.

In Sachen Homo-Politik ist Südafrika einen interessanten Weg gegangen. 2006 war Südafrika der erste afrikanische Staat, der die Homo-Ehe legalisierte. Aktivisten weisen mit einem an den Parteitag gerichteten Manifest auf weiterhin bestehende Diskriminierungen hin und fordern ‚Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit für alle‘.

Die Aids-Politik Südafrikas hingegen hat in den vergangenen Jahren nicht mit großen Erfolgen glänzen können.
Dabei gab es vor 1987 kaum HIV-Infektionen im Land, noch 1993 war die Neuinfektions-Rate relativ niedrig. Doch die Aids-Politik Südafrikas ist weitgehend von Ignoranz geprägt. Staatspräsident Tab Mbeki leugnet gerne ab und an einmal den Zusammenhang zwischen HIV und Aids – nie ganz direkt, er fordert hingegen oftmals „eine unvoreingenommene Prüfung der Ursachen von Aids“. Eine Politik, die dazu führte, dass den HIV-Infizierten des Landes lange Zeit wirksame Medikamente kaum zur Verfügung standen.
Seine Gesundheitsministerin Tshabalala-Msimang kann sich sogar von ihm unkritisiert erlauben öffentlich kund zu tun, gegen HIV helfen Rote Beete und Zitronensaft.

Die Ära Mbeki geht nun ihrem Ende entgegen – doch wie wird es weiter gehen?
Einer der aussichtsreichsten Politiker für den Parteivorsitz des ANC neben Mbeki und damit auch aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat für 2009 ist Jacob Zuma.

Zuma genießt in der südafrikanischen Bevölkerung hohes Ansehen. Er geht als Favorit in das Rennen um den Parteivorsitz des ANC, obwohl immer wieder Anschuldigungen gegen ihn wegen einer angeblichen Beteiligung an Betrügereien bei Rüstungsgeschäften erhoben werden.

Im Juni 2005 wurde Zuma, ein Verfechter der Todesstrafe, von Mbeki in Folge o.g. Bestechungsaffäre als Vizepräsident gefeuert; kurz darauf stand er in einem Vergewaltigungs-Prozeß vor Gericht. Er wurde freigesprochen – allerdings wurden dabei pikante Geschichten publik. Er habe ohne Kondom mit einer HIV-infizierten Frau geschlafen, obwohl er von ihrer HIV-Infektion wusste, bekannte Zuma damals. Schließlich, er sei ein gesunder Mann, da habe er das Infektionsrisiko für gering erachtet. Er habe danach einfach lange geduscht, um sich von dem Virus reinzuwaschen.

Zuma gilt heute als der schärfste Konkurrent und innerparteiliche Gegner Mbekis und mögliche kommende starke Mann des ANC. Der Parteitag in dieser Woche wird entscheiden, welche Rolle er zukünftig in der südafrikanischen Politik spielt. Mit auf dem Spiel steht unausgesprochen auch der Fortgang der Aids-Politik des Landes.

Das erst relativ späte Auftreten von HIV in Südafrika hätte wirksame Präventions-Strategien ermöglicht. Die heutige Situation ist Resultat politischen Handelns – oder eben Fehl- oder Nicht-Handelns.
Es bleibt zu hoffen, dass der zukünftige ANC-Vorsitzende (nb, von einer Frau als Vorsitzende ist nicht die Rede …) und der spätere neue Staatspräsident auch bei HIV und Aids die Weichen neu stellen.
Ob Macho Zuma in der Aids-Politik allerdings die dringend erforderliche Wende bringen würde, steht zu bezweifeln. Es gibt Gründe zu befürchten, auch unter Zuma könnte die Aids-Politik der Ignoranz fortgesetzt werden.
‚Duschen gegen Aids‘ allein zumindest ist nicht richtungsweisend …

Nachtrag 18.12.: der ANC hat am Abend des 18.12. Jacob Zuma zum neuen Parteivorsitzenden gewählt
Nachtrag 12.9.2008: ein südafrikanisches Gericht hat ein Verfahren wegen Korruptionsverdacht gegen Zuma eingestellt. Der Weg zur Präsidentschaft ist damit für ihn frei.

Patienten, Patente und Profite

Am medizinischen Fortschritt der Aids-Forschung haben Positive in den Entwicklungsländern nur wenig teilhaben können. Eines der Haupt-Probleme ist der Patentschutz der Medikamente, der einen Zugang zu -bezahlbaren- Medikamenten in den nicht-Industrie-Staaten massiv erschwert, wenn nicht oft beinahe unmöglich macht. Welche Wege aus der Misere führen könnten, damit beschäftigte sich ein Symposium, das Medico am 10. Mai 2007 in Berlin veranstaltete.

Nur 28% aller HIV-Infizierten weltweit, die einer antiretroviralen Behandlung bedürfen, erhalten tatsächlich Aids-Medikamente – 72% werden obwohl erforderlich nicht behandelt. Diese erschreckend schlechte Versorgung mit Aids-Medikamenten veranschaulichte jüngst erneut ein WHO-Report.

In diesem „kalten Krieg gegen Arme“, wie die taz formulierte, stellen die -durch Patente, Monopol-Preise und fehlenden Wettbewerb verursachten – hohen Medikamenten-Kosten und deren Patentschutz eines der größten Probleme dar.

„Ohne Patente lohnt sich keine kostenaufwändige Forschung für neue Medikamente“, sagen die einen. „Mit teuren Patenten wird die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten unmöglich gemacht“, meinen die anderen.

Die einen – die Pharmaindustrie, besonders die forschenden Pharmaunternehmen, und einige ihre Interessen vertretenden Verbände, Politiker, Regierungen. Die anderen – Patientenorganisationen, Aktivisten, Regierungsvertreter der Länder, die wir oft leichtfertig ‚Entwicklungsländer‘ nennen.
Beinahe unversöhnlich scheinen beide Seiten sich oft gegenüber zu stehen, wie erst jüngst wieder im Konflikt um Aids-Medikamente in Brasilien und Thailand.

Gibt es Wege, berechtigten Interessen beider Seiten gerecht zu werden? Oder müssen zukünftig bei der Erforschung von Medikamenten gegen lebensbedrohliche Erkrankungen ganz neue Wege gegangen werden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich internationale Experten auf der Tagung „Patienten, Patente und Profite“.

Medico02
Um die kostspieligen Original-Präparate der Pharma- Konzerne zu vermeiden, liegt für viele Staaten die Rettung in Generika (Nachahmer-Präparaten). Da derzeit noch alle Aids-Medikamente unter Patentschutz sind, bedeutet dies in den meisten Fällen einen Bruch bestehender Patente.

Womit sich die Frage stellt, ob Staaten wie derzeit Brasilien (beim Aids-Medikament Efavirenz) Patentrechte brechen dürfen. Die klare Antwort: ja, sie dürfen, wenn auch nur unter bestimmten Umständen.
Die Regelungen der Welt-Handels-Organisation WTO legen fest, dass ein Ignorieren von Patenten im Notfall zulässig ist. Nach der DOHA-Erklärung von 2001 und den TRIPS-Vereinbarungen von 1994 kann ein Land Zwangslizenzen (compulsory licence) für Produktion oder Import generischer Versionen von Medikamenten erteilen, insbesondere wenn ein gesundheitlicher Notstand vorliegt. Sowohl im Fall von Thailand (Lopinavir) als auch Brasilien (Efavirenz) hat die WHO dies auch ausdrücklich bestätigt.
Verschiedene Zugangsweisen zur Versorgung mit lebensnotwendigen Medikamenten wurden aus Südafrika, Brasilien und Thailand berichtet:

Südafrika
Jonathan Berger (Aids Law Project der Treatment Action Campaign), der erfreulicherweise wie oft auch hier mit einem Short „HIV positive“ sprach, rief noch einmal eindrücklich in Erinnerung, dass es in Südafrika erst mit massivem Druck seitens der Zivilgesellschaft gelang, die eigene Regierung zum Handeln zu bewegen.
Erst in jüngster Zeit wird begonnen, die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Aids-Medikamenten zu verbessern. Dabei stehen jedoch immer wieder auch regulatorische Hemmnisse im Weg – Tenofovir z.B., in den USA bereits seit Jahren als Aids-Medikament verfügbar, wurde in Südafrika erst vor zwei Wochen zugelassen.

Brasilien
Einen anderen Weg ist seit vielen Jahren Brasilien gegangen. Das Land wird international für erfolgreiche Präventionsbemühungen wie auch hohe Behandlungs- Standards gelobt.
Eloan Pinheiro (frühere Direktorin der staatlichen Pharma-Produktion) berichtete, dass das Land eine eigene staatliche Generika-Produktion aufgebaut hat, die sich als wesentliches Werkzeuge erwies, die Monopole der Pharmakonzerne aufzubrechen. Die jährlichen Kosten für die Behandlung eines HIV-Positiven konnten von über 10.000 US-$ auf 300$ gesenkt werden. Inzwischen werden beinahe 200.000 Positive im Land antiretroviral behandelt. Erreicht hat das Land dies auch dadurch, dass mit der Möglichkeit eigener Generika-Produktion die Pharmakonzerne von massiven Preissenkungen ‚überzeugt‘ werden konnten.

Dass auch diese Politik endlich ist, zeigt die jüngste Entwicklung. Die Ausgaben, die die brasilianische Regierung für importierte Aids-Medikamente hat, steigen gravierend an, die Bereitschaft der Pharmaindustrie zu deutlichen Preis-Zugeständnissen ist nachlassend. Das Druckmittel einer eigenen Produktionsmöglichkeit begann stumpf zu werden. Am 4. Mai schließlich erteilte die brasilianische Regierung die erste ‚compulsory licence‘, die die Herstellung und den Import generischer Versionen erlaubt.

Hintergrund der brasilianischen Politik, so Pinheiro, sei die feste Überzeugung, dass eine für jeden verfügbare wirksame Aids-Therapie (möglichst unentgeltlich von der Regierung) ein unabdingbares Menschenrecht sei.
Pinheiro zog den Schluss, dass Strukturen zur Produktion eigener Medikamente in den weniger entwickelten Staaten erforderlich sind. Sie schlug vor, Pilotanlagen für alle Aids-Medikamente zu entwickeln, und dieses Knowhow dann unentgeltlich allen relevanten Staaten zur Verfügung zu stellen.

Thailand
Thailand hat seit Ende 2006 bereits drei ‚compulsory licences‘ erteilt, ist hier einen Schritt weiter als Brasilien – sah sich aber insbesondere nach dem jüngsten Schritt auch massiven Protesten und Interventionen nicht nur der betroffenen Pharmakonzerne, sondern auch der Politik (bes. US-Regierung) ausgesetzt.
Suwit Wibulpolprasert (Chefberater Gesundheits- Ökonomie im thailändischen Ministerium für öffentliche Gesundheit) berichtete, dass etwa 100.000 Thais eine first-line-Therapie erhalten. Über 10.000 Thais würden eine second-line-Therapie benötigen, jedoch nur 15% erhielten sie. Trotz massiver Ausweitung des Gesundheits-Budgets (von 278 Mio. Baht 2002 auf 3.473 Mio. Baht 2007) könne keine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Aids-Medikamenten erreicht werden – das Haupt-Problem seien die absurd hohen Medikamenten-Kosten.
Trotz enorm langer Verhandlungen mit dem Pharma- Konzernen seien keine akzeptablen Preise angeboten worden. Aus diesem Grund sei man dazu übergegangen, ab Ende 2006 ‚compulsory licences‘ zu erteilen. Seitdem befinde man sich im offenen Konflikt mit der Pharma- Industrie.

Suwit wies nochmals darauf hin, dass es gelingen müsse, neben dem Markt ‚hohe Gewinnmarge bei niedrigem Umsatz‘ (der insbesondere für Industriestaaten tauge) auch einen Markt ’niedrige Marge bei hohem Umsatz‘ zu etablieren. Zwangslizenzen seien nicht der einzige Weg, das Problem zu lösen. Letztlich kam auch er zu dem Schluss, dass keiner der Pharmakonzerne, mit denen verhandelt wurde, an einer Lizenz-Lösung für den lokalen Markt interessiert war. Um so wichtiger sei nun insbesondere auch für sein Land internationale Unterstützung, um dem Druck von Pharmakonzernen und Politikern standhalten zu können.

Patente auf Medikamente, monopolartige Preise – dies ist nicht die einzige Möglichkeit, Substanzen zu entwickeln, und vielleicht auch nicht die beste. Darüber mehr morgen in Teil 2 des Berichts über die Konferenz „Patienten, Patente und Profite“.