Thailand: Stigma, Drogen und Sex erhöhen HIV-Risiko für Transgender

Bei Transgender in Thailand sind die HIV-Neuinfektionsraten  am Steigen, vermuten Experten. Genau Zahlen lägen zwar nicht vor, aber lokale Daten aus der Provionz Chonburi zeigten, dass dort 11% der Transgender mit HIV infiziert sind – bei Transgender im Alter von 29 und mehr Jahren läge der Anstieg sogar bei 20% . Zu den Gründen zählen Experten insbesondere das Fehlen zielgruppenspezifischer Angebote sowie Prostitution und Drogengebrauch.

In der Provinz Chonburi liegt mit Pataya eines der Zentren der Sex-Industrie Thailands. Über 3.000 Transgender leben Medienberichten zufolge in der Touristen-Saison in der Stadt.

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CDCNPIN 23.08.2012: Sex, Drugs, Stigma Put Thai Transsexuals at HIV Risk

Lüneburg: 9 Jahre Haft, keine Sicherungsverwahrung für HIV-positiven Sextouristen

Ein 65jähriger HIV-positiver Mann aus Celle wurde vom Landgericht Lüneburg zu neun Jahren Haft verurteilt. Die von der Staatsanwaltschaft auch beantragte anschließende Sicherungsverwahrung wurde nicht angeordnet. Der Mann hatte gestanden, in Thailand in über 400 Fällen Sex ohne Kondom mit Kindern und Jugendlichen gehabt zu haben.

Der heterosexuelle Mann musste sich seit 6. Dezember 2010 in Lüneburg vor dem Landgericht verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, in Thailand mindestens 403 Mädchen sexuell missbraucht haben. Die Anklage lautete auf “sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in 403 Fällen“, sowie aufgrund der HIV-Infektion des Angeklagten auf „versuchter Vergiftung”.

Am 3. März 2011 folgten die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie das Urteil. Neun Jahre Haft, lautete – wie von der Staatsanwaltschaft beantragt – das Urteil.  Die von der Staatsanwaltschaft ebenfalls beantragte anschließende Sicherungsverwahrung wurde hingegen nicht angeordnet.

Ein als Gutachter ein geschalteter Psychiater hatte dem Angeklagten „einen Hang zu weiteren ähnlichen Taten“ attestiert

Der Mann dokumentierte sein Handeln schriftlich und mit zahlreichen (über 140) Videos. Er gestand die Vorwürfe (allerdings, wie die SZ bemerkte, „ohne Reue“), nachdem die Staatsanwaltschaft für den Fall des Geständnisses eine Höchststrafe von neun Jahren Haft zugesagt hatte. Hierdurch konnte vermieden werden, dass zahlreiche der thailändischen Frauen nach Lüneburg zur Aussage vor Gericht anreisen mussten. Zudem konnte das ursprünglich auf zwei Jahre angesetzte Verfahren dadurch deutlich verkürzt werden.

Eine der potentiellen Zeuginnen, ein zur Tatzeit 15jähriges Mädchen, hatte sich im Dezember 2010 in Pattaya von einem Hochhaus gestürzt. Sie hatte (unabhängig vom Lüneburger Verfahren) auch in Frankreich gegen einen Sextouristen vor Gericht aussagen sollen.

weitere Informationen:
ndr.de 18.02.2011: Schnelles Urteil im Sex-Touristen-Prozess
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Celle: 65jähriger HIV-Positiver wegen Missbrauch vor Gericht (akt.)

Ein 65jähriger HIV-positiver Mann aus dem niedersächsischen Celle muss sich seit dem 6. Dezember 2010 in Lüneburg vor Gericht verantworten. Ihm wird Missbrauch in 403 Fällen vorgeworfen.

Ein 65jähriger heterosexueller Mann aus Celle soll in Thailand mindestens 403 Mädchen sexuell missbraucht haben. Seit dem 6. Dezember 2010 steht er in Lüneburg vor dem Landgericht, wegen des Vorwurfs des „sexueller Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in 403 Fällen“.

Der Mann – bis vor sechs Jahren Mitglied der plattdeutschen Musikgruppe ‚Godewind‘ – weiß Presseberichten zufolge seit mehreren (die Angaben schwanken zwischen vier und über zehn) Jahren von seiner HIV-Infektion, hat dies aber den Sexpartnerinnen verschwiegen. Dennoch habe er mit ihnen gegen Geld oralen und vaginalen Sex ohne Verwendung von Kondomen gehabt.

Zwischen Mai 2005 und November 2009 soll er bei zahlreichen Aufenthalten im thailändischen Pattaya regelmäßig Sex-Kontakte zu jungen Mädchen gesucht haben. In über 70 Fällen waren die Mädchen dabei jünger als 14 Jahren, so die Staatsanwaltschaft. Anfang Dezember 2009 wurde der Mann in Deutschland festgenommen, aufgrund eines Hinweises der thailändischen Behörden.

Der Mann dokumentierte sein Handeln schriftlich und mit zahlreichen (über 140) Videos. Auch dadurch konnte die Staatsanwaltschaft einen Großteil der Betroffenen ermitteln. Das Verfahren ist -schon wegen der umfangreichen Beweisaufnahme –  zunächst auf zwei Jahre angesetzt.
Die Staatsanwaltschaft teilte bei Prozessbeginn mit, gegen mehrere Täter im gesamten Bundesgebiet werde derzeit ermittelt.

Ein erster Prozess gegen den Mann war Mitte Oktober 2010 geplatzt. Einen Vorschlag der Staatsanwaltschaft, bei umfassendem Geständnis zu neun Jahren Haft mit anschließender Unterbringung in der Psychiatrie verurteilt zu werden, lehnte der Mann ab. Da der Mann zu den Vorwürfen schweigt, müssen nun Mädchen aus Thailand, mit denen er Sex hatte, als Zeuginnen in Lüneburg vor Gericht aussagen. Einige Vernehmungen fanden im Rahmen von Rechtshilfe bereits in Thailand statt.

Ob Sexpartnerinnen des Mannes mit HIV infiziert wurden (bzw. ob sie überhaupt die Möglichkeit zu HIV-Tests hatten), geht aus den Medienberichten nicht hervor. Die Anklage der Staatsanwaltschaft bezieht sich auf sexuellen Missbrauch, einzelne Presseberichte sprechen auch von einem Vorwurf wegen „versuchter Vergiftung“ aufgrund des HIV-Status des Angeklagten. Ebenso ist nicht bekannt, ob der Mann antiretroviral behandelt wird (was eine Infektiosität deutlich gesenkt hätte).

weitere Informationen:
Landgericht Lüneburg: Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs in Thailand
haz 25.05.2010: 65-Jähriger aus Celle nach Kindesmissbrauch festgenommen
haz 6.12.2010: HIV-Infizierter soll Kinder in 403 Fällen missbraucht haben
Welt: HIV-Infizierter soll Kinder missbraucht haben
SpON 6.12.2010: HIV-Infizierter soll Kinder missbraucht haben
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Patienten, Patente und Profite

Am medizinischen Fortschritt der Aids-Forschung haben Positive in den Entwicklungsländern nur wenig teilhaben können. Eines der Haupt-Probleme ist der Patentschutz der Medikamente, der einen Zugang zu -bezahlbaren- Medikamenten in den nicht-Industrie-Staaten massiv erschwert, wenn nicht oft beinahe unmöglich macht. Welche Wege aus der Misere führen könnten, damit beschäftigte sich ein Symposium, das Medico am 10. Mai 2007 in Berlin veranstaltete.

Nur 28% aller HIV-Infizierten weltweit, die einer antiretroviralen Behandlung bedürfen, erhalten tatsächlich Aids-Medikamente – 72% werden obwohl erforderlich nicht behandelt. Diese erschreckend schlechte Versorgung mit Aids-Medikamenten veranschaulichte jüngst erneut ein WHO-Report.

In diesem „kalten Krieg gegen Arme“, wie die taz formulierte, stellen die -durch Patente, Monopol-Preise und fehlenden Wettbewerb verursachten – hohen Medikamenten-Kosten und deren Patentschutz eines der größten Probleme dar.

„Ohne Patente lohnt sich keine kostenaufwändige Forschung für neue Medikamente“, sagen die einen. „Mit teuren Patenten wird die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten unmöglich gemacht“, meinen die anderen.

Die einen – die Pharmaindustrie, besonders die forschenden Pharmaunternehmen, und einige ihre Interessen vertretenden Verbände, Politiker, Regierungen. Die anderen – Patientenorganisationen, Aktivisten, Regierungsvertreter der Länder, die wir oft leichtfertig ‚Entwicklungsländer‘ nennen.
Beinahe unversöhnlich scheinen beide Seiten sich oft gegenüber zu stehen, wie erst jüngst wieder im Konflikt um Aids-Medikamente in Brasilien und Thailand.

Gibt es Wege, berechtigten Interessen beider Seiten gerecht zu werden? Oder müssen zukünftig bei der Erforschung von Medikamenten gegen lebensbedrohliche Erkrankungen ganz neue Wege gegangen werden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich internationale Experten auf der Tagung „Patienten, Patente und Profite“.

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Um die kostspieligen Original-Präparate der Pharma- Konzerne zu vermeiden, liegt für viele Staaten die Rettung in Generika (Nachahmer-Präparaten). Da derzeit noch alle Aids-Medikamente unter Patentschutz sind, bedeutet dies in den meisten Fällen einen Bruch bestehender Patente.

Womit sich die Frage stellt, ob Staaten wie derzeit Brasilien (beim Aids-Medikament Efavirenz) Patentrechte brechen dürfen. Die klare Antwort: ja, sie dürfen, wenn auch nur unter bestimmten Umständen.
Die Regelungen der Welt-Handels-Organisation WTO legen fest, dass ein Ignorieren von Patenten im Notfall zulässig ist. Nach der DOHA-Erklärung von 2001 und den TRIPS-Vereinbarungen von 1994 kann ein Land Zwangslizenzen (compulsory licence) für Produktion oder Import generischer Versionen von Medikamenten erteilen, insbesondere wenn ein gesundheitlicher Notstand vorliegt. Sowohl im Fall von Thailand (Lopinavir) als auch Brasilien (Efavirenz) hat die WHO dies auch ausdrücklich bestätigt.
Verschiedene Zugangsweisen zur Versorgung mit lebensnotwendigen Medikamenten wurden aus Südafrika, Brasilien und Thailand berichtet:

Südafrika
Jonathan Berger (Aids Law Project der Treatment Action Campaign), der erfreulicherweise wie oft auch hier mit einem Short „HIV positive“ sprach, rief noch einmal eindrücklich in Erinnerung, dass es in Südafrika erst mit massivem Druck seitens der Zivilgesellschaft gelang, die eigene Regierung zum Handeln zu bewegen.
Erst in jüngster Zeit wird begonnen, die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Aids-Medikamenten zu verbessern. Dabei stehen jedoch immer wieder auch regulatorische Hemmnisse im Weg – Tenofovir z.B., in den USA bereits seit Jahren als Aids-Medikament verfügbar, wurde in Südafrika erst vor zwei Wochen zugelassen.

Brasilien
Einen anderen Weg ist seit vielen Jahren Brasilien gegangen. Das Land wird international für erfolgreiche Präventionsbemühungen wie auch hohe Behandlungs- Standards gelobt.
Eloan Pinheiro (frühere Direktorin der staatlichen Pharma-Produktion) berichtete, dass das Land eine eigene staatliche Generika-Produktion aufgebaut hat, die sich als wesentliches Werkzeuge erwies, die Monopole der Pharmakonzerne aufzubrechen. Die jährlichen Kosten für die Behandlung eines HIV-Positiven konnten von über 10.000 US-$ auf 300$ gesenkt werden. Inzwischen werden beinahe 200.000 Positive im Land antiretroviral behandelt. Erreicht hat das Land dies auch dadurch, dass mit der Möglichkeit eigener Generika-Produktion die Pharmakonzerne von massiven Preissenkungen ‚überzeugt‘ werden konnten.

Dass auch diese Politik endlich ist, zeigt die jüngste Entwicklung. Die Ausgaben, die die brasilianische Regierung für importierte Aids-Medikamente hat, steigen gravierend an, die Bereitschaft der Pharmaindustrie zu deutlichen Preis-Zugeständnissen ist nachlassend. Das Druckmittel einer eigenen Produktionsmöglichkeit begann stumpf zu werden. Am 4. Mai schließlich erteilte die brasilianische Regierung die erste ‚compulsory licence‘, die die Herstellung und den Import generischer Versionen erlaubt.

Hintergrund der brasilianischen Politik, so Pinheiro, sei die feste Überzeugung, dass eine für jeden verfügbare wirksame Aids-Therapie (möglichst unentgeltlich von der Regierung) ein unabdingbares Menschenrecht sei.
Pinheiro zog den Schluss, dass Strukturen zur Produktion eigener Medikamente in den weniger entwickelten Staaten erforderlich sind. Sie schlug vor, Pilotanlagen für alle Aids-Medikamente zu entwickeln, und dieses Knowhow dann unentgeltlich allen relevanten Staaten zur Verfügung zu stellen.

Thailand
Thailand hat seit Ende 2006 bereits drei ‚compulsory licences‘ erteilt, ist hier einen Schritt weiter als Brasilien – sah sich aber insbesondere nach dem jüngsten Schritt auch massiven Protesten und Interventionen nicht nur der betroffenen Pharmakonzerne, sondern auch der Politik (bes. US-Regierung) ausgesetzt.
Suwit Wibulpolprasert (Chefberater Gesundheits- Ökonomie im thailändischen Ministerium für öffentliche Gesundheit) berichtete, dass etwa 100.000 Thais eine first-line-Therapie erhalten. Über 10.000 Thais würden eine second-line-Therapie benötigen, jedoch nur 15% erhielten sie. Trotz massiver Ausweitung des Gesundheits-Budgets (von 278 Mio. Baht 2002 auf 3.473 Mio. Baht 2007) könne keine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Aids-Medikamenten erreicht werden – das Haupt-Problem seien die absurd hohen Medikamenten-Kosten.
Trotz enorm langer Verhandlungen mit dem Pharma- Konzernen seien keine akzeptablen Preise angeboten worden. Aus diesem Grund sei man dazu übergegangen, ab Ende 2006 ‚compulsory licences‘ zu erteilen. Seitdem befinde man sich im offenen Konflikt mit der Pharma- Industrie.

Suwit wies nochmals darauf hin, dass es gelingen müsse, neben dem Markt ‚hohe Gewinnmarge bei niedrigem Umsatz‘ (der insbesondere für Industriestaaten tauge) auch einen Markt ’niedrige Marge bei hohem Umsatz‘ zu etablieren. Zwangslizenzen seien nicht der einzige Weg, das Problem zu lösen. Letztlich kam auch er zu dem Schluss, dass keiner der Pharmakonzerne, mit denen verhandelt wurde, an einer Lizenz-Lösung für den lokalen Markt interessiert war. Um so wichtiger sei nun insbesondere auch für sein Land internationale Unterstützung, um dem Druck von Pharmakonzernen und Politikern standhalten zu können.

Patente auf Medikamente, monopolartige Preise – dies ist nicht die einzige Möglichkeit, Substanzen zu entwickeln, und vielleicht auch nicht die beste. Darüber mehr morgen in Teil 2 des Berichts über die Konferenz „Patienten, Patente und Profite“.

Thailand: niedrigerer Medikamenten-Preis doch möglich

Thailands Positive dürfen damit rechnen, ein wichtiges Medikament zukünftig zu einem bezahlbaren Preis zu erhalten. Der Pharmakonzern Abbott vollzog eine Wende in seinem bisherigen Verhalten und kündigte deutliche Preisreduzierungen an.

Erst Ende März war der Konflikt um die Versorgung thailändischer Positiver mit Kaletra eskaliert. Die thailändische Regierung hatte eine Lizenz für den Import einer generischen Version erteilt, da der vom Pharmakonzern Abbott angebotene Preis für eine Monatsdosis angesichts der Zahl der Patienten und der Leistungsfähigkeit des Landes als weitaus zu hoch erschien. Als Reaktion darauf hatte der Pharmamulti angekündigt, zukünftig neu entwickelte Medikamente nicht mehr auf den Markt zu bringen.

Nun vollzieht der Pharmakonzern eine beachtenswerte Wende:
Abbott bot der thailändischen Regierung an, den Preis für die Monatsdosis Kaletra von 5.938 Baht (etwa 181$) auf umgerechnet 107$ zu reduzieren. Damit würde der Preis einer Monatsdosis sogar unter dem der generischen (aus Indien importierten) Version liegen (ca. 120$).

Presseberichten zufolge soll das Angebot von Abbott ohne weitere Auflagen (wie etwa den etwaigen Widerruf der Importlizenz) sein. Ursprünglich hätte der Preis für die Monatsdosis Kaletra bei 347$ (!) gelegen.

Analysten erscheint die Wendung im Verhalten des Pharmamultis als Versuch, den Bruch der Patentrechte durch die thailändische Regierung zu vermeiden. Zudem könnte der Konzern befürchtet haben, weitere Staaten wie Brasilien würden Thailands Beispiel folgen.

Die Ankündigung Abbotts, künftig keine neuen Medikamente mehr nach Thailand zu liefern, hatte weltweite Proteste hervorgerufen. Selbst die Welt- Gesundheits-Organisation WHO hatte das Recht Thailands zu Generika-Lizenzen betont. Das thailändische Netzwerk der Menschen mit HIV und Aids hatte zum Boykott des Konzerns aufgerufen.

Parallel zur Preisreduzierung für Thailand kündigte Abbott zudem an, für 40 Staaten mittleren Einkommens- Niveaus (von Indien über Weißrussland bis Jamaica) den Preis der Jahresdosis Kaletra auf 1.000$ zu senken. Diesem Schritt waren Diskussionen mit der WHO voraus gegangen.

„Und sie bewegt sich doch …“
Schienen die Schritte der thailändischen Regierung auch noch so verzweifelt, von einigen Kritikern geradezu als halsstarrig bezeichnet – sie haben sich ausgezahlt. Der Konzern hat sich bewegt und mit der Reduzierung des Preises auf 107$ einen beachtenswerten Schritt vollzogen.
Gewinner sind die Positiven Thailands, denen nun nicht nur eine wirksame, sondern auch hitzestabile Version eines Medikaments zur Verfügung steht. Die Einhaltung der Patentrechte scheint den Pharmakonzernen äußerst wichtig zu sein – so wichtig, dass bedeutende Zugeständnisse möglich sind.
Zudem wird wieder deutlich, dass mutiges und beherztes Eintreten für die eigenen Interessen (wie in Brasilien oder jetzt Thailand) sowie internationale Öffentlichkeit und Proteste durchaus eine Wirkung auf die Pharmamultis entfalten können.

Über notwendige Medikamente, Profite und Proteste

Aids-Aktivisten und Patienten protestieren vor den Büros eines Pharma-Multis. Aus Europa und den USA kennt man dieses Bild seit ACT UP.
Doch dieser Konflikt mit dem Pharma-Multi Abbott findet im thailändischen Bangkok statt. Demonstranten blockierten den dortigen Unternehmenssitz. Und das thailändische Netzwerk der Menschen mit HIV und Aids ruft zusammen mit zahlreichen weiteren Organisationen zum Boykott des Konzerns auf.

Immer wieder geraten die Patentrechte in die Kritik, da sie die Medikamenten-Versorgung der Bevölkerung in zahlreichen armen Staaten erschweren oder unmöglich machen. Dies gilt auch für Thailand.

Die thailändische Regierung hatte nach vorangehenden Ankündigungen am 29. Januar eine so genannte ‚Compulsory Licence‘ erteilt, damit eine generische Version des Abbott-Medikaments Kaletra® im Land hergestellt oder (aus Indien) importiert werden kann.

In Thailand sind ca. 500.000 der 65 Millionen Einwohner mit HIV infiziert, etwa 200.000 benötigen eine antiretrovirale Therapie. Vor Einführung generischer Medikamente kostete eine Standard-HIV-Therapie in Thailand 33.300 Baht pro Monat (924$). Nur 3.000 Menschen erhielten damals eine Therapie. Mit generischen Medikamenten konnten die Kosten drastisch reduziert werden. Entsprechend konnte die Zahl der thailändischen Positiven, die eine Kombi-Therapie erhalten, auf inzwischen 100.000 (!) gesteigert werden (20.000 davon erhalten Kaletra®). Doch weitere mindestens 100.000 Positive im Land warten darauf, wirksame und bezahlbare Aids-Medikamente erhalten zu können.

Um die Versorgung mit bezahlbaren Medikamenten zu verbessern, hatte die thailändische Regierung nun die umstrittene Lizenz erteilt.

Diese würde einen Bruch des Abbott-Patents für dieses Medikament bedeuten – andererseits lassen die Regeln des Welthandels genau diese Lizenzen zu: nach der DOHA-Erklärung von 2001 und den TRIPS-Vereinbarungen von 1994 kann ein Land diese Lizenzen vergeben, insbesondere wenn ein gesundheitlicher Notstand vorliegt. Selbst US-Regierungsvertreter gestehen deswegen ein, dass Thailands Verhalten rechtlich zulässig ist. Allerdings hätte Thailand besser vor der Lizenzerteilung mit dem Pharmakonzern verhandeln sollen, betonten sie.

Abbott hate Mitte Februar eine Reduzierung des Preises von 347$ pro Monat auf 167$ angeboten. Die Import-Version aus Indien würde ungefähr 120$ monatlich kosten. In Afrika stellt Abbott das Medikament für 500$ pro Patient und Jahr zur Verfügung, will diesen Preis jedoch nicht für Thailand bieten.

Der Lizenz-Entschluss der (erst vor einigen Monaten an die Macht geputschten) thailändischen Regierung wurde von den (in Thailand traditionell politisch starken) Militärs unterstützt. Ende letzten Jahres hatte Thailands Regierung bereits eine Compulsory Licence für Efavirenz (vermarktet als Sustiva® und Stocrin®) erteilt.

Abbott bezeichnete das Verhalten der thailändischen Regierung als reine Willkür und Preisdrückerei und reagierte deutlich: der Pharma-Multi kündigte am 14. März an, zukünftig seine neu entwickelten Medikamenten in Thailand nicht mehr auf den Markt zu bringen. Dies ist das erste Mal, dass ein Pharmakonzern Medikamente bewusst vorenthält und dies öffentlich kundtut. Nicht in Thailand auf den Markt bringen will Abbott u.a. eine neue (für Thailand nicht unwichtig: hitzestabile) Version von Kaletra® sowie ein Antibiotikum, ein Schmerzmittel sowie ein Medikament gegen Bluthochdruck.

Ein Vertreter von ‚Ärzte ohne Grenzen‘ bezeichnete das Verhalten des Multis Abbott als ‚unmoralisch‘. Die Organisation betonte, man sei frustriert über die Entwicklung.

US-Vertreter betonen inzwischen unverhohlen, Thailand drohe Investitionen von US-Unternehmen zu verlieren.

Thailand zeigt sich bisher unbeeindruckt von Abbotts Verhalten. Man werde weitere Compulsory Licences prüfen, u.a. um die Bürger des Landes auch mit bedeutenden Krebs- und Herzmedikamenten versorgen zu können, so der Gesundheitsminister des Landes.

Der Pharmakonzern Abbott erhielt unterdessen Unterstützung u.a. vom deutschen Multi Bayer. Er halte die Entwicklung für gefährlich und unterstütze Abbott vollkommen, betonte der Chef von Bayer Healthcare, Arthur Higgins.

Pharmakonzerne begründen ihre harte Haltung in Sachen Patentschutz gerne mit den hohen Forschungs- und Entwicklungskosten, die mit neuen Medikamenten verbunden sind. Kritiker betonen hingegen, die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten gegen lebensbedrohende Erkrankungen (wie Aids) dürfe nicht wegen der Profite der Pharma-Multis gefährdet werden.

Land des Lächelns

Nach dem Militärputsch in Thailand am 19. September entwickelt sich die politische Lage in Thailand derzeit nicht zum Vorteil, leider.

Zwar ist der Putsch ruhig, ohne Blutvergießen verlaufen, ja von weiten Teilen der Bevölkerung (wie auch schwule thailändische Blogger berichten) begrüßt worden.
Inzwischen aber ist eine Militärregierung an der Macht, die sich in bester Orwell’scher Neusprech-Tradition ‚Rat für die Reform der Demokratie‘ nennt – und als erstes die Gewaltenteilung abgeschafft, Legislative, Exekutive und Judikative an sich gezogen hat. Dazu ein Versammlungsverbot erlassen hat (auch wenn Versammlungen gegen den Militärputsch demonstrierender Studenten wohl in Bangkok bisher toleriert wurden).

Ein neuer ‚ziviler‘ Regierungschef solle am Mittwoch bestimmt werden, hieß es am Wochenende. Wie zivil aber kann eine Regierung sein, die von Militärs eingesetzt ist, die jeglicher demokratischer Legitimation entbehrt?

Der Befehl der Militärs, Thailand solle ein ‚Land des Lächelns‘ bleiben, die Soldaten sollten, besonders wenn sie um Fotos gebeten werden, lächeln, wird da nicht reichen…

Thailand ist eines der (wenigen) Länder Asiens mit einer gewissen demokratischen Tradition. Bleibt zu hoffen, dass Bevölkerung, König und Militär den Weg zurück zu dieser Tradition finden …

Putsch in Thailand

In Thailand hat heute das Militär gegen den Premierminister geputscht.

Ein Staatsstreich, ein Staatsstreich jedoch zur Lösung einer Staatskrise, die Premierminister Thaksin selbst ausgelöst hat (auch wenn er demokratisch gewählt wurde.)

Dem abgesetzten Premierminister Thaksin werden Korruption und Wahlbetrug vorgeworfen.
Thaksin, auch genannt der Berlusconi Asiens, ist ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, der zunehmend politisches und geschäftliches Gebahren nicht unterscheiden konnte, zum eigenen Vorteil handelte. Zuletzt hat er noch die eigentlich für den 15. Oktober geplante Wahl verschoben (eine Wahl im Frühjahr hatte das thailändische Verfassungsgericht für nicht verfassungsgemäß erklärt).

Man wolle die Macht nur zeitweise übernehmen und baldmöglichst wieder dem Volk geben, so ein Militärsprecher.

Ich erinnere mich, damals, vor vielen Jahren, wir kamen gerade in Bangkok an. Etwas wagemutig schien es uns schon, nach Bangkok zu reisen – Studentenunruhen liefen noch bis einen Tag vor Abreise aus Deutschland, Forderungen nach mehr Demokratie, das Militär intervenierte, Schüssen fielen. Noch bei Spaziergängen durch die Stadt sehen wir Barrikaden der Studenten, Spuren von Auseinandersetzungen.
Damals schritt König Bhumibol ein (übrigens, auch wenn das nichts zur Sache tut, ihn aber für mich noch sympathischer macht, ein Saxophon-Spieler). Rief das Militär zurück, verhandelte zugleich mit Studentenführern eine friedlich Lösung des Konflikts.

Auch heute, so die Fernsehbilder, bewegen sich viele Soldaten in Bangkok mit gelben Armbinden. Gelb als Farbe des Königshauses. Eines der der zahlreichen Hinweise, dass der Putsch vermutlich mit Unterstützung des Königs Bhumibol stattfindet? Dass bald wieder demokratische Verhältnisse hergestellt werden? Ein Hoffnungszeichen für ein Land am Rand einer Staatskrise?