Rolands Washington-Tagebuch, Tag 3: Aids 2012: die grosse Demo – Bring it back, Robin Hood!

Morgens ein ausführliches Gespräch mit J. (Nurse in Administration, ca. 57+ Jahre, verpartnert). Er erzählt anschaulich von den Anfängen von AIDS, als er als junger Pfleger mit den Versicherungen Deals machen mußte, damit sie Kosten der Behandlung der ersten AIDS Kranken übernehmen. Diese Kosten waren oft nicht versichert und keiner wollte für die Pflege und die kleinen Dinge aufkommen. Eigentlich wolle auch keiner diese Pflege leisten. Den einen war es zu gefährlich, für die anderen war es zu wenig Geld, was bei der langwierigen Arbeit übrig blieb.

Man mußte Ärzte finden, die eine Behandlung damals praktisch ohne geeignete Medikamente durchführen konnten, und es war ein Problem, überhaupt Diagnosen richtig gestellt zu bekommen. Der HIV-Test wurde von vielen Ärzten überhaupt nicht in Erwägung gezogen, die Folge war noch schlechtere Versorgung der Patienten als ohnehin schon.

Wir vergleichen dann noch das Versicherungssystem in Deutschland und den USA. Dabei erfahre ich dann auch, dass man in den USA am besten dasteht, wenn man Ex-Militär ist. Die Veteran Insurance war früher einmal die schlechteste Form der Versicherung – wenige Leistungen bei hohen Versicherungsprämien und nur wenigen Ärzten, die überhaupt für die Leistungen in Frage kamen. Dann kam ein ehrgeiziger, patriotischer Mann vor einigen Jahren und baute die Versicherung zu der am besten leistenden Versicherung in den USA um.

Das Event des Tages ist die Demonstration!

HIV is not a crime! Criminalizing it is!
HIV is not a crime! Criminalizing it is!

Es wurde im Amerikanischen Stil demonstriert. Sprechchöre, Einpeitscher, Ausstattungsdepartment, Emotionen und ein kleines Ordnerdurcheinander gehören dazu und schaffen eine unvergeßliche Atmosphäre für den vom deutschen CSD-Getümmel gelangweilten Teilnehmer.

Politik ist wesentlich auf der Demo. Viele verschieden Gruppen beteiligen sich.

For an Aids-free world: In $ we trust!
For an Aids-free world: In $ we trust!

Aus New York ist man mit Bussen seit 5 Uhr morgens angereist – und sieht trotzdem gut aus.

ACT UP & Occupy: Tax Wall Street - End Aids
ACT UP & Occupy: Tax Wall Street - End Aids

Es ging in mehreren Teildemos durch die Innenstadt. Vor entsprechenden Institutionen machten die einzelnen Gruppen ihrem Unmut Luft. So machte sich die Gruppe, welche für eine Robin Hood Tax (Tobin Tax, Tobin-Steuer, in Deutschland etwas langweilig Finanztransaktionssteuer genannt) einsetzt, vor der Bank of Amerika breit.

 Bank of America
Bank of America

Manchmal versteh ich die Politik nicht – da fordert das Volk schon Steuererhöhungen, und dann ist es den Damen und Herren auch nicht recht – normalerweise demonstrieren Bürger gegen Steuerhöhungen (meist zu Recht).

Geendet hat die Demo im Vorgarten vom Präsidentenpalast … ER hat aber trotz klingeln an der Tür nicht geöffnet.

Gerüchteweise haben sich noch Demonstranten sorgfältig an den Gartenzaun vom Weißen Haus gekettet und wurden dann sorgfältig festgenommen. Hat ER wirklich Angst vor Männern mit grünem Hütchen?

Kosten werden zu Investitionen

Im den Wirtschaftsveranstaltungen wird jetzt viel, gern und unwidersprochen von einem „Investment“ gesprochen. Die Maßnahmen für/gegen HIV und AIDS waren/sind/werden ein „lohnendes Investment“. Statt Kostenverursacher und Wohltätigkeit nun also Erträge. Damit bin ich als Positiver ab heute ein Investitionsgut der HIV-Branche und muß entsprechende Gewinne abwerfen, damit sich das Investment lohnt. (SO hat das heute aber keiner gesagt …. das ist dann nur meine zugespitzte Schlußfolgerung).

Was passiert mit mir / meiner Medikamentenversorgung, wenn ich mich nicht mehr rechne?

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In ‘Rolands Washington-Tagebuch’ sind bisher erschienen:
ondamaris 18.07.2012: XIX. International Aids Conference 2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -5: Flug und Einreise
ondamaris 18.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -4: Einladung bei Barack Obama
ondamaris 20.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -3: Obama spricht nicht
ondamaris 21.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -2: Kriminalisierung der HIV-Infektion … und … der Präsident … rauscht vorbei
ondamaris 22.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag -1: Aids 2012 – Indigenious Youth is the Present … weil sie schon angefangen haben die Welt zu verändern
ondamaris 23.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag 1: Aids 2012 – Es geht los … mit Demo und Minister
ondamaris 24.07.2012: Rolands Washington-Tagebuch, Tag 2: Aids 2012 – Geld, Geld, Geld
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6 Gedanken zu „Rolands Washington-Tagebuch, Tag 3: Aids 2012: die grosse Demo – Bring it back, Robin Hood!“

  1. Vor allen Dingen was passiert mit uns – jetzt mal stellvertretendfür alle und im Sinn der neuesten Erkenntnisse die auf einem der Expertpanels thematisiert wurden,

    2012 AIDS meeting: Early treatment is key, experts say

    Treat HIV now, don’t delay: That’s the new advice from the International Antiviral Society-USA, in a shift from earlier recommendations that called for waiting until a patient’s immune system showed serious damage.

    Studies show that treating HIV-positive patients with antiretroviral drugs early in the course of the infection lengthens life and lowers the risk of tuberculosis and other bacterial infections, the panel noted in a JAMA paper, which was published to coincide with the start of the International AIDS Conference in Washington.

    The medications can also reduce transmission of the virus to sexual partners by 96%, the panel noted. Treatment, in other words, can double as prevention.

    Adults infected with HIV should be offered treatment even if their immune systems are still relatively intact, the panel added.

    The recommendations are intended for wealthy countries where antiretroviral treatments are readily available; the U.S. Department of Health and Human Services released similar guidelines in March that advise treatment for all people with HIV. Quelle http://www.latimes.com/health/boostershots/la-heb-2012-aids-meeting-early-treatment-is-key-experts-say-20120724,0,2572002.story

    Natürlich ist Papier geduldig und auf solchen Veranstaltungen wird viel mit dem Säbel gerasselt. Dennoch diese Erkenntnis und die Zulassung von Truvada für „Schlüsselgruppen“ sind aus kaufmännischer Sicht auf lange Sicht betrachtet Erfolgversprechend da so die Kosten für Gesundheitsausgaben verringert werden. (Natürlich kann sich das ändern da man hier bei uns noch wenig über den Langzeigeffekt von HIV + ALTER + MEDIS weiß) Auch für die Pharmaindustrie ist dies ein interessanter Aspekt weil dies zu ungeahnten Umsätzen führt, wenn die Politik dies unter dem Aspekt der „Public Health“ umzusetzen versucht. Allerdings erst mal in den „wealthy countries“.

    Dazu kommt eine Sichtweise das man – das Gesundheitswesen – nicht zahlt wenn man sich nicht a) testen läßt, b) entgegen dem Rat des Arztes „früh“ mit einer Behandlung anfängt und c) als Angehöriger einer „Schlüsselgruppe“ keine PreP nimmt und es sich später herausstellt das man sich infiziert hat. Wer nicht in der Lage ist Verantwortung für sich zu übernehmen darf nicht mit der Solidargemeinschaft rechnen. Aber vielleicht ist das auch nur ein Horrorscenario von mir . . aber es bleibt ein mulmiges Gefühl zurück

    Ein anderes Scenario – und das halte ich ehrlich gesagt für wahrscheinlicher besonders angesichts der Krise – ist das der Staat radikal die Mittel kürzt. Griechenland hat es ja vorgemacht. Ich fürchte das Spanien nachziehen könnte (Italien wackelt auch) und als Folge des finanziellen Engagements der EU = Deutschland letztendlich auch bei uns Mittel im sozialen und gesundheitsbereich radikal gekürzt werden.

    Was passiert mit mir / meiner Medikamentenversorgung, wenn ich mich nicht mehr rechne?

    Wenn du nicht reich bist wird unsere Lebenszeit wesentlich kürzer sein . . .

  2. Schöner Bericht Roland – Ulli. Danke für den Finger am Puls der Zeit in Washington DC 🙂

    Damit bin ich als Positiver ab heute ein Investitionsgut der HIV-Branche und muß entsprechende Gewinne abwerfen, damit sich das Investment lohnt.

    Nachtrag

    Test and Treat early damit man auch mit HIV besonders wenn man jung ist noch lange arbeiten kann . . .So is das nun mal . . .

    Das war aber schon immer so . . . „manus manum lavat“ Eine Hand wäscht die Andere

  3. Was mich erstaunt bzw wundert ist das das Thema der der Verhandlungen zu neuen FTA – Free Trade Agreements – Freihandelsabkommen – auf der IAC KEIN Thema ist. Bzw es wundert mich natürlich nicht sind doch die USA und die Pharmalobby <- sie ist ja die treibende Kraft, daran interessiert ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu schützen i.e die Preise für Medikamente hoch zu halten. Die Generika Herstellung in Indine ist den USA/Pharmaindustrie da natürlich ein Dorn im Auge. Insofern ist es natürlich zwingend das dies auf der IAC nicht angeschnitten wird.

    Von Seiten der Teilnehmer – der Betroffenen den um sie – uns geht es ja ist da leider wenig zu hören.

    Gestern stellten wir den 17-jährigen Mqondisi aus Simbabwe vor, der HIV-positiv ist und sich auf die Reise in die USA zur Welt-Aids Konferenz gemacht hat, um anderen Betroffenen Mut zu machen.

    https://www.facebook.com/#!/pages/%C3%84rzte-ohne-Grenzen-Medikamentenkampagne/154429893683

    Wenn ich mir dieses Bild, den Blick des jungen Afrikaner anschau dann wird mir ganz flau im Magen. Es ist sein Leben das von den Auswirkungen, den Ergebnissen der Freihandelsverhandlungen entscheidend betroffen sein sein wird. Jeder von uns hat nur dieses eine Leben. Und dieses eine Leben möchte jeder in Würde leben könne, diesem einen Leben muß man mit Respekt begegnen . .

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