Schmunzeln, Quengeln, Hilferufe

Unsere Geschichte – Geschichten vom alten und vom neuen Aids, Geschichten vom Leben mit HIV.

Heute: Nikolaus Michael (Teil 3): Schmunzeln, Quengeln, Hilferufe

Johannes – mein inzwischen liebgewonnener Freund mit den schwarzen Locken wurde von Monat zu Monat immer schwächer und hinfälliger. Wenn wir beide alleine waren, erzählte er mir von seinen Depressionen und ließ sich nicht von seiner Meinung abbringen, dass wir alle in Kürze sterben müssten. Da ich immer der Ansicht bin, dass es so etwas wie Wunder gibt, widersprach ich ihm jedes Mal und versuchte ihm Mut zu machen so gut es ging. Er schlief oft bei mir oder ich bei ihm – wir hielten uns aneinander fest wie Ertrinkende – er konnte nicht mehr alleine leben – irgendwie verstand ich das auch bei seinen Ängsten. Er lebte noch 3 Jahre und verbrachte die letzten Monate seines Lebens auf dem Hausboot einer Freundin im Lauenburger Raum, so dass wir uns nur noch selten sehen konnten. Aber er liebte die Natur so sehr und war ihr dort nahe – und – er musste sich nicht täglich mit dem fortwährenden Sterben um uns herum auseinandersetzen – er konnte es einfach nicht mehr – hatte keine Kraft mehr.

Beerdigungen waren zu dieser Zeit en Vogue – fast wöchentlich – manchmal täglich ging ich zu einer Trauerfeier, die in meinem Freundeskreis anfielen. Da es meistens junge Menschen betraf, die wussten, dass sie nicht mehr lange zu leben hatten und entsprechend vorgeplant hatten, handelte es sich immer um kleine oder größere Inszenierungen – manche außergewöhnlich und eher an Feste, denn an Trauerfeiern erinnernd. Meistens wurde – im Gegensatz zu den Beerdigungen von Großeltern und Verwandten, die ich erlebt hatte – die Lieblingsmusik der betroffenen Freunde in der Trauerhalle aufgelegt – manche baten darum, dass wir alle in weißer Kleidung mit einer weißen Rose zur Feier kamen……

Einer unserer Freunde, der auch beim Caféprojekt kurz mitgemacht hatte, er nannte sich Napoleon, besorgte sich noch zu Lebzeiten seinen Sarg, den er in seiner Wohnung aufbahrte – er kokettierte allerdings sehr oft – mir fast zu oft – mit seinem in Kürze zu erwartenden Ableben – lebte aber glücklicherweise noch weitere zehn Jahre. Irgendwie verstand ich ihn – und dann wieder auch nicht. Aber jeder hat das Recht, seine eigene Trauer seiner eigenen Art gemäß zu leben – und er war halt so.

Heinz war der Älteste in unserer Gruppe aus der Nachodstraße in Schöneberg – er musste damals bereits Ende 40 gewesen sein – sah jedoch durch seine weißen Haare schon etwas älter und reifer aus. Er war ein freundlicher Mann – Typ väterlicher Freund, der unablässig seinen kranken Zustand beklagte und es verstand, uns alle gleichzeitig auf Trab zu halten. Er hatte bereits beim bekannt werden seiner Infektion durch eine Serie von Vorerkrankungen bei den Behörden alles beantragt, was damals nur möglich war. Er war durch ein Notrufsystem ständig mit dem Deutschen Roten Kreuz verbunden und hatte als erster einen komplett funktionierenden Hauspflegedienst im Einsatz, der täglich seine Wohnung versorgte und auch für seine Pflege zuständig war. Den Schwerbehindertenausweis hatte er auch bereits seit Jahren erhalten, sowie die Übernahme von Telefon und Fernsehgebühren. Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln samt Begleitperson waren auch genehmigt – seine Wohnung hatte er mit Behörden- und Krankenkassenhilfe längst rollstuhlgerecht umbauen lassen. Da er jedoch gerne quengelte, hielt es kein Hauspflegedienst lange bei ihm aus – die neuen Pfleger und Pflegerinnen gaben sich fast täglich wechselnd die Klinke in die Hand. Interimsmäßig waren wir es bereits gewöhnt, bei ihm einspringen zu müssen – hatte er mal alle Pflege am Tage gehabt und ihm fiel dennoch meist etwas ein – musste sein Fernseher herhalten uns hinzubitten, denn da fiel die Programmierung immer bei Stromausfall aus – er konnte dann keine Programme mehr speichern. Wenn er nicht fernsehen konnte, hielt er uns per Telefonkommandos in Atem und so fuhr einer von uns meist schnell mal hin und stellte ihm seine Programme wieder so ein, dass er schauen konnte. Mehr als einer von uns hatte den heimlichen Verdacht, dass er bei Langeweile auch mal an der Sicherung drehte – weil er wusste, dass er dann wieder einen Grund hatte, uns schnell wieder herbeizurufen. Wir registrierten das jedoch mit einem Schmunzeln, denn trotz seiner ständigen Quengeleien hatten wir ihn recht gern gehabt.

Unvergessen sind seine Hilferufe – er wäre gerade heute sterbenskrank und bräuchte sofortige Hilfe. Eines Tages – so ein Hilferuf hatte mich mal wieder tagsüber im Büro erreicht und ich konnte gerade nicht sofort weg – von meinem Arbeitsplatz aus benötigte ich 15 Minuten – er hatte mir gerade mit ersterbender Stimme erklärt, dass es nun bald soweit sei und er sich überhaupt nicht mehr bewegen könne. Eine halbe Stunde später musste ich dienstlich außer Haus und sah Heinz am U-Bahnhof Spichernstraße im Ausgehanzug mit flottem Hut auf dem Kopf beschwingten Schrittes auf den U-Bahnhofeingang zusteuern. Ich glaubte erst mal an eine Fata Morgana – bis seine vorher am Telefon fast erloschene Stimme nun wieder erstaunlich kräftig wissen ließ, dass es ihm erstaunlicherweise danach wieder einigermaßen gegangen wäre und er nun zu einer Verabredung gehen könne. Nach diesem Vorfall hatte ich Mühe, bei neuerlichen Hilferufen ernst zu bleiben – bin aber dennoch meistens geeilt, da es ja auch mal tatsächlich nötig sein konnte. Heinz lebte noch 4 Jahre und ich habe, als er tatsächlich auf dem Sterbebett lag, die Lage zum ersten Mal falsch eingeschätzt. Da er in den Jahren zuvor so oft sein zu erwartendes Ableben erstaunlich real telefonisch beschrieben hatte, übersah ich dann die Zeichen, dass er nun wirklich schwächer wurde und war total bestürzt, als er dann tatsächlich endgültig eingeschlafen war. Ich werde ihn ganz sicher nie vergessen und habe ihm natürlich gerne die kleinen Mogeleien verziehen. Er hatte übrigens schon Jahre vor seinem Tode ein Grab auf dem Friedhof Westend gekauft und saß des öfteren dort auf einer Bank und trauerte über seine Lage und das konnte ich dann tatsächlich auch gut verstehen. Er ist der einzige aus meiner Gruppe, der eine Videoaufzeichnung für seine Familie hinterlassen hatte – ich habe sie damals für ihn realisiert und bis heute noch aufgehoben, da es doch ein sehr lebendige Erinnerung an ihn ist – wenn ich auch die Aufzeichnung zu diesem Zeitpunkt doch als verfrüht empfand – er lebte danach glücklicherweise noch einige Jahre.

Reinhard lernte ich im Café Positiv kennen – ein schlanker, blonder, gut aussehender junger Mann, der – wie ich – ebenfalls einen Bobtail besaß. Allerdings war sein Rüde im Gegensatz zu meiner Hündin ein Riese – er wog um die 80 Kilo hatte aber glücklicherweise das liebenswerte Gemüt eines Kleinkindes – ein seltsamer Kontrast. Über die Hunde fanden wir dann auch immer häufiger Gelegenheit, uns zu treffen, so dass wir auch gelegentlich mal mit den Hunden auf Reisen gingen. Reinhard hatte eine schwermütige Art – ich denke, dass das nicht ausschließlich mit seiner Infektion zu tun hatte. Sein Hauptproblem war – wie bei vielen von uns – dass er nur schlecht zuhause alleine sein konnte. Unsere Treffen waren auch oft durch unsere Arbeit als Betreiber des Café Positiv bedingt – im Laufe der Zeit jedoch wurde daraus eine nette Freundschaft, die sich auch weiter vertiefte, als ich für meinen Teil das Betreiberkollektiv verlassen hatte, weil mir die Begleitung von sterbenden Freunden doch zu diesem Zeitpunkt wichtiger schien. Er war von Beruf Krankenpfleger und hatte sich in den letzten Jahren mit einem Job als Altenpfleger bei einer Pflegestation noch etwas zu seiner Rente hinzuverdient. Manchmal nahm er mich auf seiner Tour mit und ich bewunderte seine liebevolle und fachlich ausgezeichnete Art, mit seinen Patienten umzugehen. Später haben wir uns oft bei der Betreuung von Freunden abgewechselt, wenn diese bettlägerig wurden oder ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Nach ungefähr 5 Jahren unserer gemeinsamen Arbeit wurde Reinhard zusehends depressiver, wobei ein Grund war, dass sein Hund an Nierenkrebs erkrankte und er leider auch mit bester tierärztlicher Hilfe nicht zu retten war. Wir waren damals oft zusammen in der Charité, wo es eine ausgezeichnete Veterinärmedizinische Ambulanz gab. Hinzu kamen Probleme mit einer unerwiderten Liebesbeziehung, was ihm zusätzlich sehr zu schaffen machte. Er mietete dann für ein Jahr mit einem Bekannten zusammen eine Wohnung in Valencia/Spanien – wo er aber dann leider nur zweimal für kurze Zeit war – er fand nirgendwo so richtig Ruhe. Jedenfalls – ich war im März 1996 gerade nach Spanien gezogen, als mich die Nachricht erreichte, dass Reinhard sich umgebracht hatte. Kurz zuvor bekam ich von Reinhard einen Brief, wo er mir schrieb, dass er einen Selbstmordversuch mit Tabletten unternommen habe, er aber noch rechtzeitig gefunden wurde.

Später erfuhr ich dann, dass der Arzt im Krankenhaus, wo er nach dem Suizidversuch eingeliefert worden war nach wenigen Tagen mit seiner Entlassung einverstanden war und er lediglich das Versprechen abgeben musste, es nicht noch einmal zu versuchen. Reinhard fuhr direkt vom Urbankrankenhaus in Kreuzberg mit der U-Bahn Linie 6 nach Hause – wo er sich dann am U-Bahnhof Flughafen Tempelhof vor eine einfahrende U-Bahn stürzte. Seinen letzten Brief habe ich bis heute aufgehoben und bis heute habe ich noch das Gefühl versagt zu haben – auch wenn wir vor meiner Abreise nach Spanien einige Gespräche hatten, wo ich ihm gesagt hatte, wie sehr ich mich freuen würde, wenn er baldmöglichst mit nach Spanien kommen könne – Platz genug wäre für ihn da gewesen. Es sollte nicht sein.

Copyright dieses Textes: Nikolaus Michael
Vielen Dank an Niko für sein Einverständnis, diesen Text hier wiederzugeben!

Nikos Geschichte(n):
1. Die ‚Totenbank‘
2. Stress im Krankenhaus
3. Schmunzeln, Quengeln, Hilferufe
4. Drei Engel

Stress im Krankenhaus

Unsere Geschichte – Geschichten vom alten und vom neuen Aids, Geschichten vom Leben mit HIV.

Heute: Nikolaus Michael (Teil 2): Stress im Krankenhaus

Peter, der an diesem Abend den Satz mit „Komm setz Dich zu uns auf die Totenbank“ ausgesprochen hatte – ein sehr liebenswerter, gebildeter und kulturinteressierter Mensch – ehemaliger Beamter beim Innensenat, konnte ich noch bis zum März 1987 oft in unserer Gruppe treffen und mit fortschreitender Immunschwäche dann auch zuhause besuchen. Seine 80-jährige, in Hannover lebende Mutter kam so oft es eben ging nach Berlin in seine Wohnung in der Friedrichstraße. Sie strahlte eine so lebensbejahende ruhige Gelassenheit aus, dass man sich in ihrer Nähe sofort gut fühlte. Ich gönnte es Peter sehr, dass er seine geliebte Mama bis zuletzt in seiner Nähe haben durfte – sie war es auch, die seine Hand bis zum letzten Augenblick streichelte und festhielt. Ich war damals sehr traurig und niedergeschlagen, als ich dann in meinem Wagen nachts nach seinem Ableben vom Krankenhaus nach Hause fuhr – wissend, dass diese liebe ältere Dame nun alleine im Leben zurückblieb. Peter hatte es nun überstanden – seine Mutter musste nun mit ihrem Alleinsein zurechtkommen – so dachte ich damals sicher nicht ganz zu unrecht. Peter war ein großes Vorbild für mich, klaglos seine schwere Krankheit zu ertragen – immer gelassen und mit einem sanften Lächeln. Ich werde ihn sicherlich nie vergessen.

Aber erst einmal hatten wir in unserer Gruppe zusammen noch eine halbwegs schöne Zeit zusammen – so makaber sich das auch anhören mag. Wenn wir uns an unseren Gruppenabenden trafen, tranken wir zusammen Tee – irgendjemand hatte meistens Kuchen oder Kekse organisiert und wir redeten dann über alle anfallenden Themen – nicht ausschließlich über Krankheit, Sterben und Tod, obwohl diese Themen fast zwangsläufig großen Raum einnahmen. Fast wöchentlich starb jemand aus unserem Kreis, der trotz allem immer größer zu werden schien. Oft waren wir inzwischen an die 20 Personen, die sich nach wie vor zweimal die Woche abends zum Gedankenaustausch trafen – einzig und alleine privat organisiert – weitergeleitet durch die völlig überlastete Aidshilfe. Meine Zeit war erfüllt und ausgefüllt durch die tägliche Arbeit im Büro – Telefonate dazwischen, die sich um Pflegedienste, Aidshilfe, Hilfsanträge bei den Behörden drehten – sowie nach der Bürozeit Besuche in diversen Krankenhäusern, sowie bei Schwerkranken zu Hause. Trotz allem war das eine Zeit, die durch gefühlte Solidarität durchaus nicht unglücklich war – ich fühlte mich Eins mit den vielen neu gewonnenen Freunden. Absurd war, dass mein eigentlicher Freundeskreis glücklicherweise kaum betroffen zu sein schien – was sich bis heute so fortsetzt. Aber das sei hier nur am Rande erwähnt. Wichtig war jedoch, dass fast alle Freunde, ebenso wie meine Geschwister, von Anfang an liebevoll und unerschrocken mit mir umgingen und mir dadurch Kraft und Mut vermittelten. Hierzu gehören auch meine frühzeitig eingeweihten Kollegen vom Theater der Freien Volksbühne, insbesondere Hans Neuenfels, der damalige Intendant, sowie seine Frau, Elisabeth Trissenaar, die um die Ecke meiner damaligen Wohnung in der Pestalozzistraße wohnten und mich bei jedem Treffen liebevoll nach meinem Befinden fragten. Ebenso super verhielt sich der damalige Verwaltungsdirektor, Dr. Werner Obermeit, der mir immer das Gefühl vermittelte, weiter dazuzugehören und auch noch nach meinem Ausscheiden vom Theater weiter zu mir hielt. Ich erinnere mich, dass er – später am Schiller – Theater arbeitend, morgens, wenn ich mit Max, dem Bobtail, die Schlüterstraße entlang ging, mit quietschenden Reifen anhielt, um mir einen guten Morgen zu wünschen – ein ungewöhnlich liebenswerter Mensch. Leider ist er auch inzwischen nicht mehr am Leben.

Eines Abends fand eine Informationsveranstaltung eines Professors vom damaligen Virchow-Klinikum, Herrn Prof. Dr. Pohle bei der BerlinerAids-Hilfe statt, zu der wir in Scharen gekommen waren. Wir hatten damals bereits einige Freunde im Virchow-Krankenhaus die dort stationär lagen und um die wir uns kümmerten. Damals gab es eine neue HIV-Station auf dem Virchow – Gelände, Station „S“ – das „S“ stand für Seuche – gemäß der damaligen Ideologie, die in vielen Köpfen herrschte – ausgrenzen, absondern (ausmerzen??).

Aber die Vorstufe von Station „S“ war der Zustand, dass schwerkranke HIV-Patienten mit anderen Kranken zusammen in den Zimmern gemischt gelegt wurden – in der damaligen aufgeheizten Panikstimmung stellte sich das als Zumutung für die betroffenen Aids-Kranken heraus. Wir erlebten beispielsweise, dass todgeweihte und sterbende Patienten von Mitpatienten und ihren Besuchern regelrecht angemacht wurden. Nun mussten sie auch noch zu ihren körperlichen Leiden psychischen Stress in ihrer ohnehin nicht gerade passablen Lebenssituation aushalten. Sie mussten sich dafür rechtfertigen, dass sie ansteckend waren und wurden auch oft gefragt, wieso sie sich überhaupt hatten anstecken können. Ich drücke das hier bewusst neutral aus, obwohl es damals oft sehr unsachliche Auseinandersetzungen gab.

Damals wurde in fast allen Berliner Krankenhäusern die Besuchsregelung sehr locker gehandhabt – glücklicherweise, denn der Kontakt nach draußen war damals wie heute für die Betroffenen sehr wichtig und aufbauend. Im Virchow war das anders – ich erinnere mich daran, dass Punkt Besuchszeitanfang eine Glastür aufgeschlossen wurde – und Punkt Besuchende man von murrenden Pflegekräften schleunigst wieder hinausgeschoben wurde.

Das war unabhängig vom Zustand der Betroffenen – oft lagen sie alleine und im Sterben und es war nicht möglich, bei ihnen zu bleiben oder gar für die Partner, bei ihnen im Zimmer übernachten zu dürfen.

Die Negativerlebnisse im Virchow häuften sich derart, dass wir anfingen, in unseren sogenannten „Positivengruppen“ vor dem Virchow zu warnen. Wer es noch selbst in der Hand hatte, ließ sich damals ins Auguste-Viktoria-Krankenhaus einliefern – das damals bereits mit seiner Station 30 vorbildlich war. Das Personal dort war gleich von Anfang an unter Professor Arastéh speziell auf die Bedürfnisse von HIV-Kranken ausgewählt und ausgebildet worden, so das auch die psychosoziale Betreuung neben der pflegerischen vorbildlich war.

Jedenfalls war ich extra zu dieser Informationsveranstaltung gegangen, mit der Absicht, den damaligen Leiter der Infektionsabteilung – zuständig auch für die Benennung und Einrichtung von Station „S“ – auf die Zustände in seiner Station anzusprechen.

Die Veranstaltung selbst verlief ruhig und problemlos – der Professor hielt seinen Vortrag sachlich und sicher auch fachlich einwandfrei. Er war damals eine Koryphäe auf dem Gebiet der klinischen Aids-Forschung.

Nachdem der Vortrag zu Ende war, ging ich aufs Podium und sprach den Professor auf die vorgenannten Zustände an und war einigermaßen sprachlos. Dieser so fachlich ausgezeichnet bewanderte Arzt wurde offensichtlich total überrascht, so dass er mir schon fast wieder leid tat. Nach einem Moment betretenen Schweigens über meine Dreistigkeit, ihn wegen solcher profanen Dinge anzusprechen, wiegelte er erst einmal ab und war auch sicher nicht erfreut, da ich offen aussprach, dass wir – die Betroffenen, offensichtlich unsere Mitfreunde vor dem Klinikum Virchow warnten. Um es kurz zu sagen – die Station „S“ behielt zwar in den nächsten Jahren ihren Namen, aber die Besuchszeiten wurden kurz darauf und in Zukunft großzügiger gehandhabt. Aber dennoch zogen es auch zukünftig immer mehr Betroffene vor, sich im AVK behandeln zu lassen – den schlechten Ruf hatte sich das Virchow – leider – über Jahre weiter bewahrt.

Reinhold gehörte auch zu unserer Gruppe – leider war es uns nur noch kurz beschieden, ihn bei uns haben zu dürfen. Er war – trotz fortgeschrittenen Stadiums der Infektion immer noch ein gut aussehender, stattlicher Mann Ende 30 – immer ein spitzbübisches Grinsen im Gesicht. Wie er mit seiner Krankheit umgegangen ist, fand ich fast unglaublich. Nie hörte ihn jemand jammern oder klagen – er fand in allen und allem etwas nettes. Seine Kommentare waren meist komisch heiter. Alle mochten ihn ausgesprochen gerne. Zunehmend fiel im das Laufen schwer, so dass er fast alle Wege, die er zu erledigen hatte, mit seinem Wagen fuhr. Er wohnte am Südstern in Kreuzberg. Eines Tages erzählte er so nebenbei, dass er sich heute mal wieder was nettes gegönnt habe – er konnte sich inzwischen kaum noch aufrichten – sein Gang war zähflüssig langsam und schleppend geworden, als wenn er eine große Last zu tragen habe – das hatte er natürlich auch….. Jedenfalls liebte er es in guten Tagen, in der Schlemmerabteilung des KaDeWe sich etwas zu gönnen und so war er wohl an diesem Tage – im Liegesitz, da er nicht mehr richtig aufrecht sitzen konnte zum KaDeWe gefahren – und hatte sich – irgendwie vom Parkhaus ins Kaufhaus rübergeschleppt, wo er es sich bei Austern und Champagner hatte gut gehen lassen. Er erzählte das immer noch freudig erregt, dass er es sich kräftemäßig immer noch leistete, sozusagen bereits auf dem Sterbebett ins KaDeWe zum Schlemmen zu fahren – ich fand das einfach Klasse. Er gehört mit zu den Vorbildern, wie man auch mit schwerster Krankheit umgehen kann.

Copyright dieses Textes: Nikolaus Michael
Vielen Dank an Niko für sein Einverständnis, diesen Text hier wiederzugeben!

Nikos Geschichte(n):
1. Die ‚Totenbank‘
2. Stress im Krankenhaus
3. Schmunzeln, Quengeln, Hilferufe
4. Drei Engel

Die ‚Totenbank‘

Unsere Geschichte – Geschichten vom alten und vom neuen Aids, Geschichten vom Leben mit HIV.

Heute: Nikolaus Michael (Teil 1): Die ‚Totenbank‘

Diese Zeilen schrieb ich auf, weil ich befürchte, sonst zu vergessen – für meine Geschwister, für meine Freunde und ebenfalls für alle weiteren ungenannten, die in den letzten Jahren uneingeschränkt zu mir standen und zu mir hielten – denen ich allen danken möchte für Ihre Freundschaft und Solidarität

Jürgen wohnte in Schöneberg in der Feurigstrasse in einem dunklen Hinterhaus. Das Treppenhaus war so niedrig, dass ich nur mit eingezogenem Kopf die Treppen hinaufgehen konnte. Nach meinem Klingeln öffnete Jürgen, ein schlaksiger junger Mann. Ich hatte von der Deutschen Aidshilfe, bei der ich mich im September 1986 informiert hatte, die Telefonnummer von ihm erhalten. Er führte mich durch einen langen Korridor ins Wohnzimmer, wo sich an der hinteren Stirnseite eine mit schwarzem Leder bezogene Holzbank befand, auf der bereits 3 Männer Platz genommen hatten. Noch vor der eigentlichen Begrüßung rief einer der Männer, der letztendlich nur aus Haut und Knochen bestand: „Setz Dich man zu uns hier auf die Totenbank“. Sein Gesichtsausdruck war gutmütig – freundlich und ich spürte sofort Sympathie und Entsetzen gleichermaßen, denn zwei der beiden Männer bestanden nur noch aus Haut und Knochen, wobei sie lebhafte Augen hatten und im Laufe des Abends konnte ich feststellen, dass sie sich auch eifrig am Gespräch beteiligten.

Der dritte, ein gut aussehender Mann um die 30, mit schwarz gewellten Haaren, zog mich neben sich und murmelte so etwas wie: „musst Du nicht so ernst nehmen“. Ich war erleichtert und gerührt, ob der freundlichen Aufnahme und hörte erst mal den Gesprächen der anderen zu, die sich nun wieder ihrem vorherigen Thema zuwandten. Es waren ungefähr 15 Männer im Raum – einer dünner als der andere – alle so im Alter zwischen Anfang 20 und Ende 40.

Ich erfuhr, dass sie sich ein bis zweimal die Woche in wechselnden Privatwohnungen trafen und das alles beherrschende Thema war eigentlich „die Angst vor Tod und Sterben“ und die allgegenwärtige Hilflosigkeit. Mir wurde schlagartig klar, dass ich von nun an Mitverantwortung trug – und mich nicht mehr einfach so davon stehlen konnte und diese Männer allein ihrem Schicksal überlassen. In diesem Moment wurde ich zum Freund dieser Jungs und mir war bewusst, dass ich weiter an ihrer Seite bleiben würde. Was ich an diesem Abend noch nicht wusste, war, dass das zehn Jahre dauern würde, so lange, wie es dauerte, bis halbwegs zum Weiterleben helfende Medikamente gefunden waren – aber es waren noch lange nicht die Medikamente, die das HIV-Virus total abtöten konnten. Die gibt es leider bis zum heutigen Tage nicht. Noch nicht. Zehn Jahre später beendete ich meine selbst gewählte Aufgabe als Begleiter von Freunden beim Sterben, da ich 1996 nach Spanien zog.

Im Laufe der nächsten Stunden lernte ich in einem Chrashkurs die Grundbegriffe der opportunistischen Infektionen, d.h. komplementäre Krankheiten zu HIV/AIDS wie beispielsweise „Toxoplasmose“, “Pneumocystis carinii Pneumonie“(PCP) – eine HIV-typische Form der Lungenentzündung, „Cytomegalievirus“, „Kaposi Sarkom“ – eine speziell bei AIDS-Kranken vorkommende Hautkrebsart, aber auch anrührende Gespräche mit Menschen, die sich gerade mit Krankenkassen, Rentenanstalten und Versorgungsämtern herumschlagen mussten. Fast alle waren offensichtlich völlig allein gelassen von ebenfalls hilflosen Freunden und Verwandten, die anscheinend nach Bekanntwerden der HIV-Infektion – bzw. Ausbruch von AIDS den Kontakt zu ihren Leuten abgebrochen hatten.

An diesem Abend lernte ich auch den bereits erwähnten schwarzhaarigen Mann mit den gewellten Haaren etwas näher kennen – Johannes war sein Name – und wir verabredeten uns für den nächsten Tag, denn es schien, dass auch Johannes, obwohl optisch gesund aussehend, große gesundheitliche und seelische Probleme hatte und anscheinend froh war, mit jemandem reden zu können.. Er wirkte depressiv und traurig – hatte selbst bereits einige opportunistische Infektionen durchgemacht und litt derzeit akut an Pilzen in Rachen, Speiseröhre und Darm.

Seine Situation war die, dass sein Freund Klaus gerade schwerst an AIDS erkrankt im Klinikum lag – todgeweiht und er mit seinen eigenen Ängsten alleine war. Er besuchte Klaus täglich im Krankenhaus, wohin er mich mitnahm und ich dort einen sehr liebenswerten Menschen kennenlernen durfte, zu dem ich mich auch sofort hingezogen fühlte. Im Laufe der nächsten Wochen begleitete ich Johannes fast täglich zum Klinikum Westend – zwischendurch auch zur Wohnung von Klaus in Spandau – dann in die Malplaquetstrasse im Wedding, wohin Klaus noch kurz vor seinem Tode hingezogen war. Klaus starb im Januar 1987 im Krankenhaus – Johannes lebte noch 2 Jahre und ich werde später noch mal von ihm berichten.

Zurück zur „Totenbank“ – auf der ich meine ersten positiven Freunde kennenlernen durfte – die tatsächlich alle innerhalb von wenigen Monaten ihr Leben durch Aids verlieren mussten. Günter, ein blonder großer Mann, der immer noch trotz Gewichtsverlust eine unglaublich lebensbejahende Ausstrahlung hatte, war mein erster neuer Freund, den ich beim Sterben bis zum letzten Augenblick begleiten durfte. Ich wähle hier bewusst den Freundesbegriff, obwohl ich die betroffenen Männer aus den Positivengruppen ja noch nicht allzu lange kannte.

Vielleicht kann ich es so erklären: durch die Nähe, die entstand, wenn man sich um Menschen kümmert, die ohne Hilfe nicht mehr klar kamen, fühlte ich auch schnell mehr als nur Bekanntschaft. Ansonsten bin ich mit dem inzwischen allgemein so inflationär verwendeten Begriff der „Freundschaft“ schon etwas zurückhaltender. Die meisten innerhalb unserer neuen Schicksalsgemeinschaft waren alleine – ohne Freunde und Familie, in diesen ersten Jahren der Aids-Epidemie. Günters Leiden verschlimmerte sich – kurz nach unserem Kennenlernen. Ich hatte mich mit ihm angefreundet und besuchte ihn täglich, da er zu schwach war, um zuhause alleine zurechtzukommen. Selbst einkaufen ging gar nicht mehr und ich organisierte über die Krankenkasse einen Rollstuhl, damit er so oft wie es nur ging, auch mal an die frische Luft kam. Damals arbeitete ich noch den ganzen Tag als Personalleiter am Theater und schaute so gut es ging vor und nach der Arbeit, sowie in der Mittagspause nach Günter, der in der Steinmetzstrasse in Schöneberg wohnte. Ein Pflegedienst übernahm das pflegerisch Notwendige – damals noch ein Novum für viele durch HIV-Betroffene. Die Situation war politisch aufgeheizt, da viele Menschen durch panikmachende Berichte im Spiegel und anderen Medien verunsichert waren. Es war die Zeit, in der Peter Gauweiler und Co sich in Bayern für die Einrichtung von Internierungslagern für HIV-Infizierte aussprachen und sich die mutige Rita Süssmuth als Gesundheitsministerin glücklicherweise dagegen durchsetzen konnte. Aber es soll hier auch nicht unerwähnt bleiben, dass es auch einige Fürsprecher für Gelassenheit im Umgang mit HIV-Infizierten wie Lea Rosh gab, die damals in der NDR-Talkshow öffentlich aus dem Wasserglas eines Infizierten trank und somit ein Beispiel für Unerschrockenheit und Zivilcourage gab. Eine Zeit, in der Georgette Dee, Inge Meysel und viele weitere Prominente für die hilflosen Aids-Kranken und Infizierten ihre Stimme erhoben und einen menschlichen, angstfreien Umgang für sie einforderten.

Nochmal zu Günter – eines Tages fand ich ihn in seiner Wohnung neben der Dusche liegend vor – völlig apathisch – Hände und Füsse zuckten unkoordiniert – er konnte sich nur noch schwer verständlich machen – der herbeigerufene Arzt ließ ihn sofort ins Auguste – Viktoria – Krankenhaus abtransportieren. Es stellte sich heraus, dass er an Toxoplasmose erkrankt war – einer Infektion, die auch völlig gesunde Menschen als Keim in sich tragen können, aber nicht zwingend daran erkranken, sofern ihr Immunsystem in Ordnung ist. Übertragbar beispielsweise durch Katzen und auch Blumenerde. Günters einzige Ansprache war seine geliebte Katze – sein Trost die Blumen in seiner Wohnung. Es folgte ein Kampf mit dem Pflegedienst und dem behandelnden Arzt, die ihm seine Lieblinge wegnehmen wollten – seinem Leben zuliebe. Ein Leben, das in der Realität kaum noch Leben zu nennen war – Günter war nach diesem letzten Krankenhausaufenthalt nur noch ein Schatten seiner selbst – ein Windhauch bereits konnte ihn umstoßen. Ich durfte mich nur noch kurze Zeit um ihn sorgen – dann schlief er mit seiner Hand in der meinen im AVK ein.

Damals lernte ich, dass anscheinend fast alle Sterbenden ausschließlich morgens zwischen 3 und 5 Uhr ihr physisches Dasein verlassen – und es dennoch nicht so einfach vorhersehbar war. Ich erfuhr, dass es oft noch Tage dauerte, auch wenn es oft abends den Anschein hatte, dass der letzte Lebenshauch gerade in dieser Nacht den Körper des Leidenden verlassen wollte. Und ich machte die Erfahrung, dass ich geradezu für den Sterbenden herbeiwünschte, es möge doch ein baldiges Ende haben – gerade wenn er sich besonders mit dem Atmen quälen musste. Es war ein Hin – und Hergerissensein zwischen dem selbstsüchtigen „Bleib noch etwas hier bitte“ – und dem „Ich kann Dich in Frieden gehen lassen“.

Von Dr. Elisabeth Kübler – Ross aus bzw. aus ihren Büchern habe ich sehr viel Rat und Hilfe erfahren, mich in solchen Augenblicken total zurückzunehmen – trotzdem absolut präsent zu sein. Ich habe gelernt, meine traurigen Gefühle über den kommenden Verlust des dahinscheidenden Menschen in ein Gefühl des „Freiseins“ und des „Loslassenkönnens“ umzuwandeln, so dass ich glaubte, nach dem letzten Atemzug des Freundes so etwas wie eine tiefe innere Zufriedenheit zu spüren, die mir mehr an Kraft zurückgab, als ich in den letzten Wochen während der Begleitung selbst habe weitergeben dürfen. Es ist sicher schwer verständlich – aber es ist so.

Copyright dieses Textes: Nikolaus Michael
Vielen Dank an Niko für sein Einverständnis, diesen Text hier wiederzugeben!

Nikos Geschichte(n):
1. Die ‚Totenbank‘
2. Stress im Krankenhaus
3. Schmunzeln, Quengeln, Hilferufe
4. Drei Engel


Geschichten und Geschichte – Vergessen macht sich breit …

„Keine Atempause – Geschichte wird gemacht – es geht voran“, sangen ‚Fehlfarben‘ (auf ‚Monarchie und Alltag‚) im Jahr 1980. Ein Jahr später werden erste Fälle einer Erkrankung festgestellt, die später als Aids bezeichnet wird.

„Keine Atempause – Geschichte wird gemacht.“
Und wie weiter?
„Spacelabs falln auf Inseln, Vergessen macht sich breit, es geht voran.“

Zwar fielen bisher meines Wissens keine Spacelabs auf Inseln. Aber Vergessen macht sich tatsächlich breit, allenthalben. Es geht voran, scheinbar, indem wir über unsere eigene Geschichte hinweg gehen, vergessen. Vergessen unserer Aids-Geschichten. Vergessen unserer Geschichte.

Inzwischen sprechen wir munter von „altes Aids“ im Unterschied zu „neues Aids“ – doch was das hieß, „altes Aids“, das gerät abseits einiger immer wieder gern präsentierter Klischees und Mythen zunehmend in Vergessenheit.

Warum?
Wie gehen wir mit unserer eigenen Geschichte um?
Wann wird Erlebtes zu Geschichte?
Sind diese, unsere  Geschichten überhaupt erzählbar?
Ist diese Geschichte überhaupt vermittelbar?

Sind diese Fragen bedeutend?

Wer wenn nicht wir soll diese Geschichte(n) erzählen? schreiben?
Und wer aufarbeiten?

Wer, wenn nicht wir?

Wenn wir nicht unsere eigenen Geschichten aufschreiben, unsere eigene Geschichte schreiben, werden andere es irgendwann tun. Auf ihre Weise. Werden dabei ihre eigenen Bilder (die nicht unsere sind) transportieren, auch ihre pejorativen Bilder.

Doch – es ist unsere Geschichte!
Erzählen wir sie aus unseren Blickwinkeln!

Denn sonst …

Hegel konstatiert in seinen ‚Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte‘, dass Geschichte immer zweimal stattfinde. Und sein Schüler Karl Marx verfeinert im ‚Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte‘, Geschichte wiederhole sich “ das eine Mal als große Tragödie, das andere Mal als lumpige Farce“.

Dann lasst uns vorher unsere Geschichte(n) erzählen, all die Tragödien, all die schönen, schmerzvollen, erfolgreichen, vorzeitig abgebrochenen … Geschichten …

Den  Anfang im „unsere Geschichte(n) erzählen“ macht ein positiver Mann aus Berlin, Nikolaus Michael, der in den nächsten Wochen hier in vier Texten einen Teil seiner Geschichte(n) erzählt …

1. Die ‚Totenbank‘
2. Stress im Krankenhaus
3. Schmunzeln, Quengeln, Hilferufe
4. Drei Engel

Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele Leser dies zum Anlass nehmen, selbst ihre HIV-positiven Geschichte(n) zu erzählen – und bei Interesse auch andere lesen lassen. Ich biete dafür auf ondamaris gerne Zeit und Raum [und bei genügend Interesse auch gerne eine eigene Rubrik „unsere Geschichte(n)} – wer mag, sende mir eine Mail mit seinen Texten, ich melde mich baldmöglich …

Gauweiler oder Süßmuth? „Es hätte auch ganz anders kommen können …“ – die Entscheidung über die deutsche Aids-Politik (Video)

„Am Anfang war das nicht entschieden!“ Es hätte auch so kommen können, dass Peter Gauweiler die Linie der deutschen Aids-Politik bestimmt, betont Ute Canaris (BzgA-Cheffin bis 1985).

Heute, im Nachhinein betrachtet, mit dem Blickwinkel einer im wesentlichen erfolgreichen Aids-Politik der letzten 20Jahre, erscheint es beinahe selbstverständlich, dass von HIV hauptsächlich betroffene Gruppen in Information und Prävention einbezogen werden, dass der Staat nicht auf Repression und Verfolgung setzt, sondern auf Information und Aufklärung.

Doch es hätte auch ganz anders kommen könne, wie Dr. Ute Canaris, bis 1985 Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), während des Seminars „25 Jahre Deutsche Aids-Hilfe“ am 13.12.2008 im Waldschlößchen berichtet.

Über die Auseinandersetzung zwischen new public health und der ‚Gauweiler-Linie‘ erzählt Canaris:

„Viele Menschen hatten damals Angst, und sie hatten zu Recht Angst. Am Anfang war das nicht entschieden. Es stand eine Zeit lang spitz auf Knopf.“

[flashvideo file=“wp-content/uploads/Videos/Canaris2008121301.flv“ /]

(Video, 1:01 Min, ca. 4,5 MB, leider schlechter Ton)

Prof. Rolf Rosenbrock ergänzt, wie hilfreich und notwendig es war, gerade die homophoben Positionen (sei es nun Peter Gauweiler oder Norbert Geis) nicht nur (schwer angreifbar) implizit, sondern endlich auch explizit geäußert, im politischen Entscheidungsprozeß verwendbar zu haben, um ein breites Bündnis zu errreichen:

[flashvideo file=“wp-content/uploads/Videos/Rosenbrock20081121301.flv“ /]

( Video, 1:33 Min, ca. 5,8 MB, leider schlechter Ton)

Rolf Rosenbrock: wie es zur strukturellen Prävention kam (Video)

Während des Seminars „25 Jahre Deutsche Aids-Hilfe“ im Waldschlößchen berichtete Prof. Dr. Rolf Rosenbrock am 13.12.2008 aus den Anfängen der deutschen Aids-Politik, über die Auseinandersetzungen zwischen ‚old‘ und ‚new public health‚, über Debatten und Konzepte zwischen struktureller Prävention, Aids-Enquete-Kommission und Peter Gauweiler.

Rosenbrocks Buch „Aids kann schneller besiegt werden“ vom November 1986 prägte die HIV-Aids-Prävention in Deutschland, es zeichnete die Grundlinien dessen, was kurz darauf offizielle Aids-Politik in der BRD wurde.

Wie kam es dazu, dass sich statt der ‚old public health‘, statt Gauweiler und Co., statt Zwangsmaßnahmen und staatlicher Gängelung ein neues Konzept durchsetzen konnte? Welche Rolle hatte dabei Peter Gauweiler, und welche Rosenbrocks wegweisende Publikation?

[flashvideo file=“wp-content/uploads/Videos/Rosenbrock2008121302.flv“ /]

Prof. Dr. Rolf Rosenbrock im Gespräch mit Prof. Dr. Martin Dannecker. (Video 9:42 Min, ca. 35,7 MB)

Ute Canaris: wie es zur Entstehung des Dachverbands DAH kam (Video)

Mitte der 1980er Jahre. In Zeiten zunehmender Aids-Hysterie werden die Grundlagen deutscher Aids-Politik entwickelt – und die Deutsche Aids-Hilfe als Dachverband gegründet. Wie kam es dazu? Ute Canaris erinnert sich.

1984 / 1985 – die Aids-Krise verschärft sich, die öffentliche Aufmerksamkeit ebenfalls. Wie darauf reagieren? Welche Richtung soll die deutsche Aids-Politik nehmen? Diese und viele weitere Fragen bewegten damals nicht nur viele schwule Männer, sondern auch die Handelnden in der deutschen Gesundheitspolitik.

Während des Seminars „25 Jahre Deutsche Aids-Hilfe“ im Waldschlößchen berichtete Dr. Ute Canaris am 13.12.2008 aus dieser Zeit, aus den Gründungszeiten der Deutschen Aids-Hilfe – und über die Umstände des Zustandekommens einer Einbeziehung von Hautpbetroffenengruppen in staatliche Gesundheitspolitik.

Welches Bild von AIDS hatten die damals politisch Beteiligten, welche Berührungsängste? Wie kam es dazu, das die Politik bereit war, Schwule als Hauptbetroffene direkt in die Aids-Prävention einzubinden? Was hat der Staat von der Deutschen Aids-Hilfe erwartet?

Gründungs-Mythen aus den Zeiten des Entstehens der deutschen Aids-Politik, über Rainer Jarchow und Rita Süßmuth, Meinrad Koch und Manfred Steinbach, Heiner Geißler und Hans Halter – bis hin zur Frage, wie kam es eigentlich dazu, dass die Deutsche Aids-Hilfe, dass ein Bundesverband als Dachverband gegründet wurde („die DAH musste erfunden werden“, Rolf Rosenbrock).

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(Video 15:59 Min, ca. 55,9 MB)

Ute Canaris (SPD) war  bis 1985 Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) und in dieser Funktion maßgeblich mit beteiligt an der Etablierung einer aufklärerischen Aids-Politik in Deutschland.

ACT UP – Mythos oder Modell?

ACT UP – Mythos oder Modell einer Bürgerrechts-Bewegung HIV-Positiver?
einige persönliche Gedanken

Einer der ‚Höhepunkte‘ von Positiven-Aktivismus in Deutschland war ACT UP. Eine Bewegung, eigentlich aus den USA stammend, die bald auch hier mit zahlreichen Gruppen präsent war. Aktionen durchführte, Themen in die Öffentlichkeit brachte, Aufmerksamkeit in den Medien herstellte. Um dann recht schnell wieder zu verschwinden – warum?

Wie kam es, dass plötzlich Ende der 1980er HIV-Positive mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Forderungen für ihre Interessen eintraten? ACT UP entstand m.E. in Deutschland aus zwei Momenten heraus, einem Gefühl von Angst und Bedrohung sowie einem Erleben von Aktivwerden unter US-Schwulen und -Positiven.

Eine nennenswerte Zahl (überwiegend schwuler) Menschen in Deutschland empfand Ende der 1980er / Anfang der 1990er Jahre Gefühle von Angst. Gefühle, die sich vielleicht festmachen lassen an damaligen nicht immer unbegründeten Befürchtungen wie „jetzt machen die uns fertig / unsere mühsam erkämpften Freiheiten kaputt / unsere Szenen kaputt (Gauweiler)“, und von Bedrohung, die sich u.a. manifestierte in Stichworten wie ‚Maßnahmenkatalog‘, ‚Internie­rung; ‚Absonderung‘, und an einigen Personen, unter ihnen ein schwedischer Arzt, ein bayrischer Politiker (von nämlichen Arzt beraten) und ein Berliner In­nensenator.

Hinzu kamen erste Berichte aus den USA, über die zu er­leben war, dass dort (nicht nur) Schwule auf die Straße gingen, für ihre Rech­te eintraten, für ihre Szenen, für ihre Leben kämpften. Mit medienwirksamen Aktionen öffentliche Meinung beeinflussten und so ignorante Politiker, Behör­den und Unternehmen unter Druck setzten.

Ignoranz und Bedrohung waren in den USA sicher größer ausgeprägt als in Deutschland, ebenso das Gefühl der Angst (Stichwort Debatte ‚gay holocaust‘), dennoch waren auch in Deutschland genügend Druck, genügend Emotion vorhanden, dass eine nennenswerte Zahl Menschen aktiv wurde. Hinzu kam, dass Andreas Salmen, frisch zurück aus den USA, direkten Transfer amerika­nischer Ideen, Strategien und Kampagnentechniken möglich machte – und sich selbst massiv engagierte.

Bald gab es auch in Deutschland zahlreiche ACT UP Gruppen (Berlin, Bonn, Dortmund, Hamburg, Frankfurt, Karlsruhe, Mainz, München, Nürnberg, Würz­burg), die viele lokale und einige teils sehr gut wahrgenommene bundesweite Aktionen durchführten (die bekanntesten darunter sicher Die Ins gegen Luft­hansa, der ‚Marlboro-Boykott‘ und die Besetzung des Doms zu Fulda im Sep­tember 1991).

 

ACT UP - Feuer unter'm Arsch (Aids-Froum DAH Sonderband 1991)
ACT UP - Feuer unter'm Arsch (Aids-Froum DAH Sonderband 1991)

 

Doch die Blüte von ACT UP dauerte in Deutschland nicht lange. Zwar gab es eine ACT UP – Gruppe noch bis Ende der 1990er Jahre (Frankfurt), ACT UP als aktionistische Form positiver und positivenpolitischer Selbsthilfe jedoch spielte schon Mitte der 1990er Jahre in Deutschland keine nennenswerte Rol­le mehr.

ACT UP – warum ein schnelles Ende?
Zum baldigen Ende der ACT UP – Bewegung in Deutschland nach kurzzeitiger Blüte trugen m.E. mehrere Gründe bei, u.a.:
– mit den Tod von Andreas Salmen im Februar 1992 verloren die deut­schen Aktivisten nicht nur ihren spiritus rector, sondern auch eine Füh­rungsperson, Theoretiker und Kristallisationspunkt.
– viele der Aktionen in Deutschland waren letztlich aus den USA und der dortigen Situation gesetzte Themen (z.B. Kirche, Philip Morris) und hatten mit der Lebensrealität vieler deutscher Positiver nur wenig zu tun.
– die medizinische Situation änderte sich seit der Zulassung von ddI zu­nächst schleichend, bald schneller. Der existentielle Handlungsdruck wurde geringer.
– einige Aktive wandten sich bald vom politischen Aktivismus ab und (aus einem Gefühl veränderter Notwendigkeiten heraus) dem Therapie-Akti­vismus zu.
Letztlich scheint mir hatte in Deutschland zudem ACT UPs Tendenz zu zuspit­zen, zu provozieren, zu polarisieren keine ausreichende Basis im Kontext einer Gesellschaft, die eher geprägt ist von Konsens-Politik. Die kulturel­len Unterschiede zwischen Deutschland und den USA spiegeln sich hier m.E.deutlich wieder. So fassten auch aktionistischere Schwulen- und Lesbengruppen wie OutRage oder QueerNation, die in Folge von ACT UP in Großbritannien und den USA entstanden, in Deutschland nie recht Fuß.
Nebenbei, auch in den USA, wo es noch zahlreiche ACT UP – Gruppen gibt (wie ebenfalls in Paris), ist ACT UP seinem ‚godfather‘ Larry Kramer zufolge „dead – a shadow of its former self. The greast days of Aids activism are no more“ (Larry Kramer im Interview auf gaywired.com, 27.11.2008).

ACT UP – ein Modell für positiven Aktivismus?
Als Mythos hat ACT UP lange überlebt. Gelegentlich sind selbst heute noch Bemerkungen zu hören wie „Jetzt müsste man ACT UP haben“ oder „warum macht ihr nicht mal wieder ACT UP“. Es stellt sich die Frage, ist ACT UP heute noch möglich, denkbar?

Über die spontane Antwort an den Fragenden hinaus „dann mach’s doch – sei ACT UP“ bleibt im Rückblick der Eindruck, ACT UP war in Deutschland Er­gebnis eines seltenen Moments, getrieben von Wut und Angst, getrieben auch von Aktivismus der eine Bahn suchte – und selbst damals immer nur von einer kleinen Gruppe Menschen aktiv nach vorne gebracht. Diese Aus­gangsvoraussetzungen (und die Bereitschaft, das erforderliche nicht geringe Maß an Zeit und Engagement aufzubringen) scheinen mir heute nicht gege­ben.

Die Frage, ob ACT UP hierzulande als Modell für positiven Aktivismus generell taugt, hat sich damit m.E. weitgehend erledigt. Ich denke nein.

(Randbemerkung: Die These „Gefühle von Angst/Bedrohung/Wut als Basis für Aktivismus“ scheint sich in den USA derzeit erneut zu bewahrheiten. Dort gehen nach den als Schock erlebten Abstimmungsniederlagen junge Leute zu Tausenden auf die Stra­ßen, engagieren sich erneut (‚Stonewall 2.0‚). Ein Druck, der hier -auch angesichts einer kon­sens-orientierten Gesellschaft – derzeit nicht vorhanden ist.)

Allerdings zeigt ACT UP auch in Deutschland eines: Auch wenige können die Welt verändern – wenn sie es wollen. ACT UP bestand nie aus vielen aktiven Menschen, vielleicht einigen Tausend in den USA, sicher kaum 100 in Deutschland. Und dennoch – ACT UP konnte Öffentlichkeit schaffen, Aids-Politik und -Lebensrealitäten ein wenig verändern. In dieser Hinsicht könnte ACT UP auch heute noch Modell sein – dafür, dass es „nur“ eine kleine, motivierte und zu Engagement bereite Gruppe Menschen braucht, um Themen zu setzen, um Veränderungen anzustoßen. Dies ist m.E. eine Erfahrung, die man an ACT UP sichtbar machen kann.

Mir persönlich schiene dabei die Frage spannend, ob Aktions- und Organisationsformen wie ACT UP nicht nur gegen etwas (wie eine damals in Sachen Aids ignorante Politik), sondern auch für eine Idee, einen Gedanken, eine Hoffnung möglich wäre, und wenn ja wie …
„il sogno di una cosa“ (PPP)

Wenn allerdings Kramer Recht hat („activism was based, pure and simple, on fear“), dann fehlt dieser Art Aktivismus heute einfach die Grundlage.

(Text konzipiert für die Veranstaltung ‚25 Jahre Deutsche Aids-Hilfe‚ der Akademie Waldschlößchen)

„Ziel ist, die Schwulen-Infrastruktur zu zerschlagen“ – Hysterie und Gauweilereien Ende der 80er

Die Zeit von Aids-Hysterie, von Verfolgungs-Phantasien und Ausgrenzungs-Experimenten war auch die Hochzeit des CSU-Politikers Peter Gauweiler und seiner Politik, insbesondere des „Bayrischen Maßnahmen-Katalogs“.

Ende der 1980er Jahre – eine Stimmung, die heute kaum vorstellbar scheint, eine Zeit, in der es als Politiker kaum Probleme bereitete, von einer „Zerschlagung der Schwulen-Infrastruktur“ zu schwadronieren.

Ein Zeitzeugenbericht:

„München war wegen des Kreisverwaltungsreferenten Peter Gauweiler (CSU) bundesweit ein Schreckgespenst. Unterstützt wurde der Law-and-Order-Mann allerdings vom damaligen Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD). Gauweiler war der Hardliner, der alle möglichen Themen von Absonderung bis Zwangstest ins Gespräch brachte. Er hatte einen Brief ans bayerische Innenministerium geschrieben, um harte Maßnahmen durchzusetzen. Er wechselte dann als Staatssekretär ins Innenministerium, so dass er seinen eigenen Brief beantworten konnte.“

… berichtete Guido Vael unter dem Titel ‚Kondome statt Pogrome‚, und erzählt auch, welche konkreten Folgen dies hatte:

„Gauweiler hatte Angst, mit Praktiken der Nazis, mit der Erinnerung an Konzentrationslager in Verbindung gebracht zu werden. Aber er sagte uns wortwörtlich, dass sein Ziel sei, die Schwulen-Infrastruktur zu zerschlagen. Er ließ die „Spinne“ schließen, ein Transvestie-Lokal, und eine Sauna. Dann wurde vorgeschrieben, dass es in Saunen keine Einzelkabinen geben durfte, die Türen mussten alle offen bleiben, die Lichtstärke der Beleuchtung wurde festgelegt. Ein Lokal, in dem Pornofilme liefen, musste immer um 1 Uhr schließen, anstatt um 3 Uhr wie die anderen.
Die ganzen Repressalien hatten zur Folge, dass viele Schwule aus München weggezogen sind. Die Stadt galt unter uns als ein Ort, den man besser meidet.“

Seine Hardliner-Politik brachte Peter Gauweiler auf den Titel des ‚Spiegel‘ – in dem er mit Hans Halter einen ähnlich gesinnten Unterstützer fand.

Peter Gauweiler - Titel 'Spiegel' und 'Maßnahmen-Katalog'
Peter Gauweiler - 'Spiegel'-Titel in der Ausstellung des RKI

Gauweiler – dieser Name ist für viele Menschen mit HIV bis heute Synonym für Ängste vor Verfolgung, Unterdrückung und Diskriminierung.

Gauweiler plante allerdings nicht (wie des öfteren gemeldet wurde) die Internierung von HIV-Infizierten – wie er im Februar 2008 (!) in einer Gegendarstellung der SZ (jetzt.de) klarstellte ….

Wer den Bayrischen Maßnahmenkatalog von 1987 durchschaut, erschrickt – noch heute. Und wundet sich – warum diese Gegendarstellung? Haben wir damals etwas mißverstanden? Wohl eher nicht, habe ich den Eindruck, gesagt hat er ‚es‘ vielleicht nicht, aber …

Nachtrag:
16.12.2008: über „HIV und der schwarze Peter“ schreibt alivenkickn

Jesse Helms tot

Im Alter von 86 Jahren ist am 4. Juli 2008 der frühere US-Senator (Republikaner) Jesse Helms gestorben.

Jesse Alexander Helms war einer der aggressivsten Kämpfer gegen Rechte von Schwulen und Lesben in den USA. Vielen nicht nur in den USA galt er als Inkarnation des Begriffs ‚Homophobie‘. Und wenig überraschend war Helms auch ein Vertreter einer ganz und gar nicht liberalen Aids-Politik.

Jesse Helms sprach sich u.a. lange gegen eine staatliche Förderung der Aids-Forschung aus. Und eine der bekanntesten „Erfolge“ von Helms ist – das Einreiseverbot für Menschen mit HIV und Aids in die USA. Das wurde nämlich als sogenantes „Helms Amendment“ (benannt nach seinem Initiator) im Juli 1987 eingeführt (durch das Helms-Amendment wurde HIV in die Ausschluß-Liste der Einreiseregelungen des US Public Health Service aufgenommen [1]). Es wurde 1993 Gesetz.
Das durch Helms begründete HIV-Einreiseverbot besteht trotz zahlreicher nationale rund internationaler Proteste bis heute …

Aufgrund seiner aggressiv gegen die Interessen von Menschen mit HIV und Aids gerichteten Politik wurde Helms auch zur Zielscheibe von Aktionen von ACT UP. Auch Aktionen, die ACT UP gegen den damaligen Zigaretten-Konzern Philipp Morris durchführte, waren darin begründet, dass dieser Konzern Jesse Helms damals finanziell umfangreich förderte.

Auch politische Widersacher als Menschen zu respektieren halte ich für mich persönlich für eine Grundlage politischer Arbeit. Jesse Helms allerdings hat so viel Hass gesät, so unendlich viel Schaden angerichtet, agitiert und gekämpft gegen Lesben und Schwule, gegen Menschen mit HIV und Aids – es wäre wirklich geheuchelt, würde ich jetzt Trauer zeigen angesichts seines Todes.

[via boxturtlebulletin]

[1] Senate Record Vote Analysis (1987) ‚Supplemental appropriations/AIDS testing for immigrants‘, 100th Congress, 1st session, June 2,Vote No. 142 auf www.senate.gov