Das nervt! All die Preisverleihungen im Fernsehen – kaum ein Sender kommt heute noch ohne aus. Wen interessiert das? Niemand weiß es so genau. Laufend werden neue Preise und Preiskategorien erfunden. Das Publikum ist gelangweilt und verlangt immer abenteuerlicheres von den Hofnarren, die es sich hält (oder halten sich die Narren das Publikum?). Deshalb durften oder mussten wir in dieser Preisverleihungssaison ertragen, dass Preisträger ihren Preis nicht tragen wollten („ich nehme den Prrrrrrreisssss nicht an“) und ein B-Promi einem anderen B-Promi kamerawirksam seinen fast nackten Hintern ins Gesicht reckte. Das nervt!
Es gibt aber auch andere Auszeichnungen; fernab des medialen Almabtriebs. Preise und Preisverleihungen, die einen ganz anderen ‚Wert‘, eine ganz andere Bedeutung haben. Preise, mit denen Menschen und ihre nicht austauschbaren persönlichen Leistungen gewürdigt werden sollen. Der Medienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung ist ein solcher Preis, mit dem abseits des Mainstreams der Massenmedien Menschen und ihr, ich glaube es so schreiben zu dürfen, Wirken in einer medialen Nische gewürdigt werden sollen. HIV und AIDS sind eine solche mediale Nische. Jedenfalls soweit es um objektive und lebensnahe Berichterstattungen geht (das eine schließt das andere nicht aus, ganz im Gegenteil!), soweit es um sorgfältige und nicht tendenziöse Informationsvermittlung geht. Schlagzeilenträchtig und titelseitenfüllend ist HIV/AIDS fast immer nur, wenn es in einen negativen und dramatischen Kontext gestellt werden kann.
Seit mehr als zwanzig Jahren verleiht die Deutschen AIDS-Stiftung ihren Medienpreis. Die Liste der bisherigen Preisträger ist ein Verzeichnis mir unbekannter Menschen. Und doch sind sie mir vertrauter als die auswechselbaren Allerweltspreisträger, die alle paar Wochen über die Bildschirme flimmern.
In diesem Jahr gehört Ulrich Würdemann zu den Preisträgern. Ulli Würdemann ist ondamaris.
Geht man der Frage nach, warum der Medienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung so unbekannt ist, dann liefert die AIDS-Stiftung selbst die traurige Antwort. Gerne hätte ich an dieser Stelle ein wenig mehr über den Preis und die Beweggründe der Stiftung, Ulli Würdemann mit diesem Preis auszuzeichnen, geschrieben. Doch die AIDS-Stiftung schweigt. Google liefert in diesen Minuten Informationen über alle möglichen viert- und fünftrangigen Preisverleihungen, aber so gut wie nichts über den Medienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung. Auf der Homepage der Stiftung ist nur eine falsche Terminangabe zur Preisverleihung zu finden. Allein in einer Pressemitteilung heißt es lapidar: „Als Initiator und Redakteur des Internetauftrittes „Positiv schwul – Ondamaris“ erhielt Ulrich Würdemann den Medienpreis.“
Soweit ich sehe, erhält zum ersten Mal ein Blogger den Medienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung. Ein schöner Beleg dafür, dass auch ‚die Profis der AIDS-Arbeit‘ anerkennen, dass Informationsvermittlung und Meinungsbildung nicht nur über den Zeitungskiosk und die Mattscheibe funktionieren, sondern zu Beginn des 21. Jahrhunderts andere, möglicherweise sogar zielführendere Wege gehen müssen und gehen können.
Soll ich eine eigene Würdigung versuchen? Eine ins einzelne gehende Analyse des Blogs ondamaris könnte die Bezüge der Posts untereinander und die Abfolge bestimmter Entwicklungen, auch in der formalen Gestaltung, aufzeigen. Sie müsste auch die zahllosen geistvollen Bezüge zu anderen Blogs und sonstigen Fremdquellen aufzeigen, würde allerdings an ondamaris‘ Ungebundenheit scheitern. Das Wesentliche bliebe in einer solchen Analyse eher verdunkelt: Die ungeheure Freiheit, mit der der Blogger, über ein gewaltiges Repertoire an Quellen und Informationen verfügend, Post für Post seinen eigenen Weg geht und immer wieder erstaunliches und doch unmittelbar überzeugendes bringt. Ein Blog lebt, im wahrsten Sinne des Wortes, nicht von einer Handvoll triumphaler Posts, sondern vielmehr von dem Blogger, der dahinter steht. Eines ist nicht zu übersehen: Ondamaris lebt vom Fühlen und Denken des Ulrich Würdemann und seiner Sicht der Welt, seiner weiten Sicht der Welt.
Ich gratuliere herzlich zu diesem Preis! Und ein kleines Geschenk habe ich auch: ein ‚u‘. Lieber Ulli, Du weißt, wozu es gut ist! 😉
Die Preisverleihung fand in St. Gallen statt – im Rahmen des Deutsch-Österreichisch-Schweizerischen AIDS-Kongresses 2009 (SÖDAK 2009). Stöbert man ein wenig in ondamaris, sind ein paar kritische Beiträge zum SÖDAK 2009 zu finden. Wie verträgt sich die generelle Kritik an der Rezeption des diesjährigen AIDS-Kongresses mit der Entgegennahme einer Auszeichnung am Schauplatz der SÖDAK 2009? Ich mag über die Beweggründe nicht spekulieren; vielmehr werde ich Ulli danach fragen. Dazu später mehr bei mir zu Hause.
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siehe auch: Steven Milverton 25.06.2009: Medienpreis 2007/2008 der Deutschen AIDS-Stiftung – Ein Gespräch mit ondamaris
DAH-Blog 26.06.2009: Wir gratulieren: DAS-Medienpreis für Ondamaris
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