Fettverlust im Gesicht: Kostenübernahme in den USA?

Lipoatrophie, Fettverlust im Gesicht – eine von vielen HIV-Positiven gefürchtete stigmatisierende Nebenwirkung von HIV und HIV-Therapie. Bisher werden die Kosten von Krankenversicherern i.d.R. nicht übernommen – doch jetzt wird in den USA ein neuer Anlauf zur Kostenübernahme unternommen.

Viele Positive leiden unter einem Fettverlust im Gesicht, der teils zu als gravierend und stigmatisierend empfundenen Beeinträchtigungen führt.  Selbst Ärzte sprechen von „physical and emotional devastation caused by lipodystrophy“.
Dieser Fettverlust (‚facial wasting‚) ist Teil der Lipoatrophie und mit verschiedenen, in unterschiedlich starkem Umfang erprobten und bewährten Verfahren behandelbar.

Doch ein Problem bleibt: in Deutschland übernehmen sowohl die gesetzlichen wie auch privaten Krankenversicherer die Kosten für eine etwaige Behandlung (bis auf wenige dokumentierte Einzelfälle) nicht. Eine medizinische Notwendigkeit bestehe nicht, wird oftmals argumentiert, von ‚Schönheitsoperation‘ oder ‚kosmetischer Behandlung‘ gesprochen. Selbst Klagen vor Gericht, die von Positiven vereinzelt angestrengt wurden, blieben i.d.R. erfolglos.
Die Behandlung von Fettverlust im Gesicht (unter Positiven auch gelegentlich ‚Totenkopf-Äffchen-Gesicht‘ genannt) bleibt so eine Medizin für Wohlhabende – nur wer die teils (je nach Verfahren) nicht unerheblichen Kosten selbst zahlt, kann es sich leisten, dieser stigmatisierenden Folgen zu entkommen.

Doch nun könnte eventuell neue Bewegung in die Sache kommen. Denn in den USA überlegen zwei medizinische Versorgungssysteme, die Behandlung des ‚facial wasting‘ in ihren Leistungskatalog aufzunehmen.

Die ‚Centers for Medicare and Medicaid Services‘ (Medicare und Medicaid sind die beiden angesprochenen medizinischen Versorgungssysteme) fordern die (us-amerikanische) Öffentlichkeit auf, bis 16. Februar 2009 Stellungnahmen abzugeben zu dieser Frage. Danach und auch auf Basis der eingereichten Berichte solle entscheiden werden, ob für die Behandlung des Fettverlusts im Gesicht die Kosten einer Behandlung übernommen werden.

Eine Entscheidung soll in den USA bis Oktober 2009 fallen.

In Deutschland scheinen Positive und Aidshilfen zum Thema Kostenübernahme bei Behandlung des Fettverlusts im Gesicht kapituliert zu haben. Zumindest ist nichts bekannt über etwaige Initiativen, die die ablehnende Haltung der Krankenkassen bzw. des Gemeinsamen Bundesausschusses überwinden, eine Kostenübernahme doch noch erreichen wollen.

So bleibt die Behandlung des Fettverlusts im Gesicht in Deutschland eine Behandlung für ökonomisch gut gestellte Positive, Luxus-Medizin. Im Klartext – wer Geld hat, kann trotz Fettverlusts im Gesicht ’normal‘ aussehen. Wer von niedriger Rente oder gar HartzIV lebt (leben muss) – hat Pech gehabt, und muss mit eingefallenem Gesicht, mit Depressionen, mit Stigmatisierung und Diskriminierung leben – ob er/sie will oder nicht.

Bisher scheinen die hiervon betroffenen Positiven (und die, die sich davor fürchten) noch nicht wütend genug zu sein, um sich gegen diese Stigmatisierung durch das Gesundheitssystem zu wehren. Bisher. Vielleicht bringen die Bemühungen  in den USA auch in die Situation hierzulande Bewegung …

weitere Informationen:
POZ/AidsMeds.com: Change of Face: Should Govrnment Pay for lipoatrophy Treatment?
Centers for Medicare and Medicaid Services: Reconstructive Treatments for Facial Lipodystrophy Syndrome – Public Comment
bisher dort eingereichte Kommentare
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Aids-Hysterie und die ’sorgenvolle Denunziation‘

Die Aids-Hysterie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre trieb Menschen zu teils bestürzenden, teils erschreckenden Verhaltensweisen – von Denunziation vermeintlich HIV-positiver Nachbarn bis zur vermeintlich fürsorglichen Zwangsuntersuchung des eigenen Sohnes.

Die kleine Ausstellung ‚Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV’ zeigt unter anderem einige sehr eindrückliche Beispiele, wie die Stimmung in Teilen der Bevölkerung Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre in Sachen Aids und HIV-Infizierte war.
Beispiele von Denunziation, Diffamierung und menschlichen Abgründen …

So wendet sich ein Briefschreiber 1992 an das Bundesgesundheitsamt, um mitzuteilen, dass „Herr L (Name und Adresse vollständig angegeben) HIV-positiv ist und seine schwere Erkrankung durch häufig wechselnde Männerbekanntschaften überträgt“. Er bittet um vertrauliche Behandlung seiner Nachricht – und Einleitung „entsprechender Schritte“:

Ein Jahr später meldet ein anderer Briefschreiber per Einschrieben mit Rückschein „aus Gewissensgründen“ einen Mitbürger „wegen AIDS“ und nennt auch gleich mögliche ‚Kontaktpersonen‘:

Im dritten Beispiel begehrt ein promovierter Vater vom Robert-Koch-Institut, nein er erwartet, dass sein Sohn „umgehend zu einer Untersuchung“ einbestellt wird, und erwartet Antwort innerhalb von 14 Tagen.
Der Grund seines Ansinnens: er habe „Grund zu der Annahme, dass sein Sohn [vollständige Adresse genannt] sich mit HIV infiziert“ habe, und der Herr Dr. möchte „seine weitere Studienförderung davon abhängig machen, dass er mir einen entsprechenden Untersuchungsbefund vorweist und sich künftig dem Ergebnis des Untersuchungsbefunds entsprechend verhält“. Wie das aussehen soll? Herr Dr. präzisiert weiter „also Intimkontakte zu Nichtangesteckten meidet wenn er infiziert ist, bzw. zu möglicherweise Infizierten (vorsichtshalber alle nichtuntersuchten Homo- und Bisexuellen und deren ständige oder vorübergehende Partner) unterläßt, wenn er Glück gehabt hat und noch nicht infiziert ist“:

Die drei Beispiele stehen vermutlich für eine größere Anzahl an Briefen ähnlichen Inhaltes, die Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre an Bundesgesundheitsamt und Robert-Koch-Institut gerichtet wurden. Dennoch, schon diese drei Briefe geben exemplarisch nicht nur einen Eindruck von der Stimmung, die damals herrschte. Sondern sie berichten auch davon, zu welchen Verhaltensweisen Menschen unter den damaligen Bedingungen fähig waren. Und lassen die Frage im raum stehen, ob sich wirklich so viel geändert hat, oder ob solche Briefe auch heute wieder geschrieben werden würden …

Virus-Mythen 3: Der Schwarze Mann und die bösen Viren …

Da hat das Magazin, das sich „das schwule NRW-Magazin“ nennt, wohl ein wenig arg daneben gegriffen bei der Wahl seiner Titel-Gestaltung.

„HIV-Infektionen: Schwarze Aussichten für nächstes Jahr“ lautet der reißerische (und wenig korrekte) Titel.
Dekoriert wird dieser Aufmacher mit – dem Foto eines Farbigen, maliziös lächelnd, ein Sektglas in der Hand. Rassismus auf dem Titelblatt eines Schwulen-Magazins ? …

‚black NRW‘ kommentiert diese Titelgestaltung zurückhaltend unter dem Titel „HIV Infektionen: gebracht vom Schwarzen (Weihnachts-)Mann“ mit Exit „verfehlt mit dem Cover der Dezember-Ausgabe wohl etwas das Ziel“.
Takatukaland hingegen wird deutlicher und kommentiert diese Fehlleistung unter dem Titel „rassistischer Ausfall in der Exit

„Solch eine rassistische Stereotypisierung des “schwulen N…”, der AIDS verbreitet, wirkt einfach nur wie ein Schlag ins Gesicht. Mir fällt es sehr schwer das noch als eine unüberlegte, unreflektierte oder dumme Handlung abzutun. Das ist einfach purer Rassismus, der hoffentlich für viele viele LeserInnenbriefe und Beschwerden sorgen wird.“

„Probleme? Sind zum Lösen da!“ schreibt eben jenes Magazin „Exit“ auf der Seite seines Kontakt-Formulars. Vielleicht mag sich der ein oder andere Leser ihnen sagen, was hier das Problem ist?

Aids? Strassenbahn benutzen verboten! Aber geflaggt wird, es ist ja Welt-Aids-Tag …

Menschen mit HIV haben sich auf vielfältige Weise mit Stigmatisierung und Diskriminierung auseinander zu setzen. Und dennoch, Stigmatisierung von HIV-Positiven und ihre Folgen werden zu selten thematisiert.

Nun leistet Österreich, genauer die Verkehrsbetrieb der Stadt Wien, einen Beitrag ganz eigener Art.

Bei den ‚Wiener Linien‘ nämlich heißt es ‚Aids-Kranke müssen draußen bleiben‘ – die Beförderung von Aidskranken ist untersagt, wie ‚Die Presse‘ meldet.

In den Beförderungsbedingungen vom 19.11.2008 (pdf) findet sich tatsächlich unter ‚D. Ausschluss von der Benützung der Anlagen oder Fahrzeuge‘ der Passus

„1. Von der Benützung sind insbesondere ausgeschlossen … d) Personen, die an einer Krankheit leiden, durch die sie gemäß bundesrechtlichen Bestimmungen von der Beförderung ausgeschlossen sind“.

Die ‚Presse‘ dazu:

„Früher einmal sollte diese Bestimmung eine Übertragung von Tuberkulose unter den Fahrgästen verhindern, „heute wird Aids unberechtigterweise dazugemischt“, kritisiert Schlitz. „Man differenziert nicht zwischen Übertragungsarten.“
Bei den Wiener Linien argumentiert man mit Schutz im Versicherungsfall. Man würde die Bestimmung aber sowieso nicht exekutieren. Eine typisch österreichische Lösung – und für die Betroffenen nur ein schwacher Trost.“

Ähnliche Regelungen wie die ‚Wiener Linien‘ haben zahlreiche österreichische Verkehrsbetriebe, so u.a. der Verkehrsverbund Ost-Region, die Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation, die Linz AG Linien oder die Innsbrucker Verkehrsbetriebe.

Aids ist in Österreich bedingt meldepflichtig. Daher fällt es unter die ‚anzeigepflichtigen Krankheiten‘.

Nein, dieser Beitrag ist keine Glosse. Und nein, nicht nur bei den Wiener Linien scheint diese Regelung ‚Aids-Kranke müssen leider draußen bleiben‘ zu bestehen. Die ‚Presse‘ spricht von „vielen öffentlichen Verkehrsbetrieben“, die derartige Regelungen haben.
Dass diese Regelung in der Praxis nicht vollzogen wird – eine Reaktion, die eigentlich beschämen sollte. Warum wird sie dann nicht abgeschafft? Was ist der Grund, dass sie weiterhin besteht?

Besonders kurios: zum Welt-Aids-Tag fahren die Wiener Straßenbahnen mit Fähnchen, auf denen das Logo der Aids-Hilfe Wien zu sehen ist. Ob jemandem der Widerspruch aufgefallen ist? Gar jemandem von der Aids-Hilfe?

Und wie verhalten sich deutsche Nahverkehrsbetriebe? Welche Regelungen lauern hier im Dickicht der Beförderungsbedingungen?

Der ‚Weg in eine Normalität‚ ist noch weit – nicht nur in Österreich …

über Schuld und Hetze

Das Vierbuchstabenblatt kloppt das alte Märchen … und ich kann gar nicht so viel fressen wie ich … möchte …

Heute Am 1. Dezember 2008 steht auf Bild.de zum Thema ‚Die wichtigsten Fragen und Antworten zu HIV und Aids‘ u.a. die Frage

„Gibt es Risikogruppen?“

stundenlang die ‚prägnante‘ Antwort

„Homosexuelle Männer und Drogenabhängige sind besonders gefährdet, aber leider auch Unschuldige: Unter den 63.500 Infizierten sind auch etwa 400 Kinder, die HIV über ihre Mutter bekommen haben.“

Das ist mindestens in zweifacher Hinsicht eine Unverschämtheit – wegen des Wortes „Unschuldige„, des Märchens (Mythos) von schuldigen und unschuldigen HIV-Infizierten (immerhin, früher haben manche auch noch ‚Opfer‘ geschrieben), und wegen dieses kleinen vergifteten „leider„, bei dem man sich dann denken kann, welche emotionale Beschreibung statt des ‚leider‘ auf die Gruppen vor dem Komma gedacht ist …

Müsste ich nicht gerade k…, würd ich jetzt an den Presserat schreiben …

Dokumentiert hat’s BildBlog – nebst der späteren „Bild ist ja doch so politisch korrekt“ – Änderung

Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV

Mit einer Ausstellung erinnert das Robert-Koch-Institut (RKI) an noch gar nicht so ferne Begebenheiten aus der Frühzeit der politischen Auseinandersetzung um den Weg der Aids-Bekämpfung.

„Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV“ – eine Ausstellung zum Welt-Aids-Tag 2008

Das RKI bemerkt zur Ausstellung:

„Im Jahr 2008 feiert die Deutsche AIDS-Hilfe ihr 25-jähriges Bestehen. Dies nimmt das Robert Koch-Institut zum Anlass, einen Blick in die Vergangenheit von HIV zu werfen.
Die Ausstellung „Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV“ wird am Standort Seestraße 10 in 13353 Berlin gezeigt. Zu sehen ist unter anderem ein Teil der zwischen 1987 und 2002 an das Robert Koch-Institut gerichteten Briefe zu diesem Thema, Schlagzeilen der Presse und der damalige Gesetzentwurf von Peter Gauweiler zur Bekämpfung von HIV. Gauweiler war zu dieser Zeit Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium.“

Im Flyer zur Ausstellung erläutert das RKI:

„Warum diese Ausstellung?
Der Titel spielt auf die teils sehr skurilen Auswüchse in der Öffentlichkeit nach dem Auftauchen von HIV an. Angst und Panik wurden verbreitet und medienwirksam in Szene gesetzt. AIDS – die Lepra der Neuzeit. Uns ist es ein Anliegen, etwas spürbar zu machen, nachzufühlen was sich in jener Zeit hier in Deutschland abgespielt hat. Manche Schlagzeilen erinnern an Denunziantentum, an Klu Klux Klan, an Hexenverfolgung.“

Thematisiert wird am Beispiel Peter Gauweiler auch, welche Folgen resultieren können:

„Peter Gauweiler, Staatssekretär des Inneren in Bayern, öffnete mit seinem Gesetzentwurf von 1987 zu HIV/AIDS [gemeint ist der sog. ‚Bayrische Maßnahmenkatalog‘, d.Verf.] die Türen für eine Hatz auf HIV-Infizierte. Dieser Gesetzentwurf trug maßgeblich dazu bei, dass HIV-positiv Getestete der von den medien gesteuerten ‚öffentlichen‘ Meinung ausgeliefert waren. Viele der betroffenen begannen sich zu verstecken. Für einige aus dieser Zeit haben sich die Bilder von damals und die Schlagzeilen tief ins Gehirn eingebrannt und wirken noch bis heute nach. Immer noch sprechen hierzulande nur wenige öffentlich übner ihre HIV-Infektion.“

Ausstellungseröffnung am Montag, den 1.12.2008 um 16 Uhr im Robert Koch-Institut Seestraße 10 13353 Berlin. Die Ausstellung kann zwischen dem 01.12.2008 und 31.01.2009 werktags zu den üblichen Bürozeiten (i.d.R. 09:00 bis 17:00 Uhr) besucht werden (ohne Anmeldung)

Serophobie – Stigmatisierung von Positiven und ihre Folgen

Diskriminierung von HIV-Positiven ist das größte Hindernis im Kampf gegen Aids – weltweit, aber auch hierzulande. Ob Positiven Rechte vorenthalten werden, unterstützende Maßnahmen unterbleiben oder ‚einfach nur‘ ihr soziales Leben beeinträchtigt wird – Stigmatisierung von HIV-Positiven hat viele Gesichter, und weit reichende Folgen.

In Krankenhäusern und Arztpraxen werden ‚rote Punkte‘ auf die Krankenakten von Positiven geklebt. Zahnärzte verweigern Behandlungen, Personal in Kur-Kliniken macht Behandlungen an Positiven nur mit (gern doppelt oder, ‚zum besseren Schutz‘ dreifachen) Handschuhen.
Kinder fliegen aus ihrem Kindergarten, weil sie oder ihre Mutter, ihr Vater (vermeintlich) HIV-positiv sind. Arbeitskollegen meiden einen als ‚wahrscheinlich aidskrank‘ denunzierten Kollegen. Freunde meiden den früher begehrten Partygänger.
Und von der Stigmatisierung zur Diskriminierung HIV-Positiver ist es nicht weit. Gegen die bisher nur selten Klagen erfolgreich sind, wie jüngst ‚HIV-Positiver erstreitet Entschädigung wegen Diskriminierung‚.

Die Formen alltäglicher Diskriminierung und Stigmatisierung sind vielfältig. So vielfältig, dass die Franzosen ihnen schon (in Anlehnung an den Begriff ‚Homophobie‘) einen Namen gegeben haben: Serophobie.

Und selbst innerhalb schwuler Szenen, die eigentlich seit 25 Jahren vielfältigste Erfahrungen mit HIV und Aids sowie im Umgang mit Menschen mit HIV und Aids gemacht haben können, scheinen Stigmatisierung und Diskriminierung allgegenwärtig. „Bin gesund und erwarte das auch von dir“ – so oder ähnlich liest Mann häufig in Profilen auf schwulen Internet-Dating-Sites. Positive werden, sobald sie (wie es Präventionisten von ihnen erwarten) ihren HIV-Status offen legen, zwar als Gesprächs- nicht mehr aber als Sex-Partner gesehen (‚ja, wenn er das nicht gesagt hätte …‘). Oder man hört immer wieder jene einseitig Schuld zuweisende Formulierung ‚der ist doch selbst schuld, dass der sich infiziert hat‘.
Ausgrenzende und stigmatisierende Verhaltensweisen und Äußerungen gegenüber Menschen mit HIV sind besonders auch in Schwulenszenen häufig anzutreffen.

Einige Internetangebote zeigen Wege auf, mit der Stigmatisierung von HIV-Positiven umzugehen. Hier zwei Beispiele:

Avert.org erklärt kurz HIV- und Aids-bezogene Stigmatisierung (avert.org/aidsstigma) und versucht die Auswirkungen von Stigmatisierungen zu skizzieren (lesenswerte Literaturliste).

The People Living with HIV Stigma Index‚ (www.stigmaindex.org) versucht, Trends und Veränderungen in Bezug auf Stigma und Diskriminierung von HIV-Positiven abzubilden. Im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen von Menschen mit HIV und Aids – HIV-Positive werden interviewt, sind aber auch die Interviewer, und bestimmen mit, wie Informationen gesammelt, ausgewertet und benutzt werden. Die Arbeit an dem Index wurde 2008 begonnen; erste Ergebnisse sollen Ende 2008 oder Anfang 2009 online auf www.stigmaindex.org verfügbar sein.
Stigmaindex wird gemeinsam entwickelt von GNP+ (Global Network of People Living with HIV) und ICW (International Community of Women Living with HIV),  sowie der International Planned Parenthood Federation (IPPF) in Zusammenarbeit mit UNAIDS, unterstützt durch eine zweijähriger Förderung des britischen UK Department for International Development.

Explizit mit Stigmatisierung von HIV-Positiven innerhalb schwuler Szenen beschäftigt sich die Site HIV-Stigma. Sie widmet sich gezielt der Situation von HIV-Positiven in Ontario, besonders der schwulen Positiven unter ihnen.
Die Site bietet eine Vielzahl praktischer Beispiele, wie Stigmatisierung von schwulen HIV-Positiven geschieht – und zahlreiche Anregungen, wie mit Situationen anders umgegangen werden kann. Dazu zahlreiche personalisierte Beispiele, zusammen mit Blogs und Diskussionsforen. Dazu mit ‚explicit truth‘ ein kleines Online-Spiel, mit dem jeder selbst seine Haltung und sein Wissen zu zahlreichen Stigma- und Präventions-relevanten Fragen erfahren kann (je mehr korrekte Antworten, desto ‚enthüllender‘ …).

Gegen Stigmatisierung und Verstecken des HIV-Status vorzugehen, ist auch eine Frage an HIV-Positive heute. „Indeed many of us have assimilated our HIV into our everyday lives to such an extent, that HIV is more invisible today in the gay community with over 30,000 gay men living with HIV than it was a decade ago with less than 15,000 gay men diagnosed with HIV. And therein lies the problem“, betonte anlässlich des Londoner CSDs Paul Ward in ‚Positive Nation‘.

Und warum überhaupt gegen Stgmatisierung vorgehen? Kann man nicht einfach alles so lassen, wie es ist?
„HIV stigma sucks! It makes it harder for guys with HIV to disclose. It prevents some guys from getting tested. Odds are, if you enjoy casual sex with guys with HIV. And that’s okay. You just need to play safe.“ (hivstigma.com)

Stigatisierung: „Stigmatisierung bezeichnet einen Prozess, in dessen Verlauf innerhalb einer Gesellschaft bestimmte äußere Merkmale von Personen und Gruppen, zum Beispiel farbige Haut oder eine sichtbare Behinderung (behindert), mit negativen Bewertungen belegt und die Betroffenen, als „die Farbigen“, oder „die Körperbehinderten“ in eine Randgruppenposition gedrängt werden. Stigmatisierte Personen werden somit bei gesellschaftlichen Interaktionen primär über dieses negativ konnotierte Merkmal wahrgenommen … Ein stigmatisierter Mensch ist diesem Prozess meistens hilflos ausgeliefert und wird die ihm zugeschriebene negative Bewertung im Normalfall allmählich verinnerlichen. Dies hat zur Folge, dass der Betroffene sich selbst als defizitär erlebt und sich zum Beispiel bemüht, das negativ bewertete Merkmal geheimzuhalten.“ (Definition: Uni Hamburg, Institut für Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser)

Das Thema Stigmatisierung von Positiven findet in der Diskussion hierzulande bisher viel zu wenig Beachtung. Dass Menschen allein aufgrund einer Erkrankung diskriminiert, benachteiligt, ausgegrenzt werden, ist zwar gesellschaftlich keine neue Erfahrung – aber dies kann kein Grund sein, nicht dagegen vorzugehen. Und zwar nicht nur, weil Stigmatsierung von HIV-Positiven die Aids-Prävention erschwert. Sondern weil es darum geht, wie wir zusammen leben wollen, in dieser Gesellschaft, in unseren Szenen.

‚Serophobie‘ – die Idee, der Stigmatisierung und Diskriminierung von HIV-Positiven einen eingängigen Namen à la Homophobie zu geben, leuchtet sofort ein. Leider ist die Silbe ’sero-‚ hierzulande wenig bekannt, schon weil kaum jemand vom ‚Sero-Status‘ (dem eigenen HIV-Status) spricht.
Sollte ein Leser, eine Leserin Vorschläge für einen eingängigen deutschen Begriff haben? Hinweise, Ideen, Kommentare bitte!

Nebenbei, bei so manchem Internetangebot fragt sich der Betrachter – wenn das im Ausland geht, warum tun sich deutsche Bürokraten (und nicht nur die) so drmasßne schwer mit eindeutigen und éin wenig ’sexuelleren‘ Botschaften und Informationen?

Schock in Brandenburg

Dass Justitia in London und Memmingen gegen Positive vorgeht, hatte ich ja bereits berichtet.

Nun aber zeigt sich das bekannte Fachblatt mit den vier Buchstaben schockiert …

Schock in Brandenburg
Dass ein sogenannter ‚HIV-Kranker‘ (was soll denn das sein? Ein HIV-Positiver? oder ein Aids-Kranker?) mit Frauen schlief, und gleich mit zwölf! Schock schwere Not! Na welcher Neid steht da denn dahinter, hat da ein frustrierter Redakteur überlegt, ‚zwölf, wann hatt‘ ich das jemals‘??? Und darüber vergessen, dass es nicht um den Sex an sich, sondern das Wörtchen ’safer‘ geht?

Besonders ekelig, dazu direkt ein Portrait-Foto mit notdürftigem Augen-Balken abzubilden. Vielleicht noch direkt die Adresse und den vollen Namen dazu, wie wär’s direkt mit ’ner Aufforderung zum Lynchen?

Das „Gold-Bingo“ darunter fällt dann wohl eher in die Kategorie „unfreiwillige Satire“ …

Ich bin nicht willens, auch noch Geld für dieses Erzeugnis auszugeben – so dass ich Ihnen den Rest der Story leider nicht erzählen kann. Aber es reicht ja auch so …