erneut: Rezept-Betrug mit Aids-Medikamenten

Über 35.000 Euro Schaden soll ein Apotheker in Tübingen verursacht haben – durch Abrechnungsbetrug mit Aids-Medikamenten.

Über 20 Rezepte für Aids-Medikamente soll ein Apotheker in Tübingen zwischen Oktober 2010 und Juni 2011 über einen Mittelsmann aufgekauft haben. Er reichte sie bei einer Krankenkassen zur Erstattung ein – Medikamente wurden nie an die ‚Patienten‘ abgegeben. Der Schaden, der der Krankenkasse entstand, soll sich auf über 35.000 Euro belaufen.

Der 31jährige Mittelsmann, der die Rezepte gegen ‚Honorar‘ bei HIV-Positiven einsammeltet, soll je Rezept mehrere hundert Euro ‚Vermittlungsgebühr‘ erhalten haben.

Nach monatelangen Ermittlungen der Kriminalpolizei prüft die Staatsanwaltschaft Tübingen nun, ob Anklage wegen Betrug erhoben werden soll.

Erst im Mai 2011 war in Berlin ein ehemaliger Apotheker wegen Millionen-Betrugs mit Aids-Medikamenten zu langjähriger Haftstrafe verurteilt worden.

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weitere Informationen:
Staatsanwaltschaft Tübingen 08.12.2011: Pressemitteilung „Ermittlungen gegen Apotheker und fünf weitere mutmaßliche Mittäter bzw. Gehilfen stehen vor dem Abschluss“ (pdf)
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gefälschte Aids-Medikamente: Hausdurchsuchungen in Hamburg und auf Sylt

Das Bundeskriminalamt hat am 9. November 2011 Wohungen und Geschäftsräume in Hamburg und auf Sylt durchsucht. Hintergrund: Handel mit gefälschten Aids-Medikamenten.

Zum Hintergrund der Hausdurchsuchungen teilte das Bundeskriminalamt BKA in einer Pressemitteilung mit:

„Dem 68-jährigen Beschuldigten wird vorgeworfen, in den Jahren 2008 und 2009 packungsgefälschte HIV-Arzneimittel aus Südafrika über die Schweiz und Belgien nach Deutschland eingeführt und hier an Pharmagroßhändler weiterverkauft zu haben. Nach derzeitigem Ermittlungsstand wurden die ursprünglich nicht für den deutschen Markt hergestellten Originalarzneimittel neu verpackt und zum höheren europäischen Marktpreis verkauft. Einem Einkaufspreis von 3 Millionen Euro stand dadurch ein Verkaufspreis von 6 Millionen Euro gegenüber.“

Zeitgleich führte die südafrikanische Polizei im Rahmen einer konzertierten Ermittlung Durchsduchungen in Kapstadt und Johannisburg durch, hierbei wurde ein Pharmahändler festgenommen.

Bereits im Februar 2011 war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg wegen des Verdachts des Betrugs mit Aids-Mwedikamenten in Millionenhöhe ermittelt. Mehrerne Pharma-Großhändlern werde vorgeworfen, für Afrika bestimmte verbilligte bzw. ‘subventionierte’ Aids-Medikamente in großem Umfang umverpackt, illegal nach Deutschland gebracht und hier mit extrem hohen Gewinnen verkauft zu haben

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weitere Informationen:
BKA 10.11.2011: Erfolgreicher Schlag im Kampf gegen den internationalen Handel mit gefälschten Medikamenten
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Berlin: langjährige Haft wegen Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten

Zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilte das Berliner Landgericht am 20. Mai 2011 einen Berliner Apotheker. Ihm war Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten vorgeworfen worden.

Am 11. November 2010 wurden insgesamt acht Haftbefehle vollstreckt, gegen einen Berliner Apotheker sowie sieben weitere Personen. Zudem wurden zehn Wohnungen in Berlin, Fulda und Kiel durchsucht.Der 66-jährige Apotheker mit Sitz am Kurfürstendamm wurde verdächtigt, zwischen 2007 und 2009 HIV-Medikamente mit gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet zu haben, diese aber nicht den Patienten ausgehändigt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft warf dem 66jährigen Apotheker vor, mit dem Betrug einen Schaden von annähernd elf Millionen Euro verursacht zu haben. Bis zu 600.000 Euro monatlich seien auf diesem Weg falsch abgerechnet worden. Der Apotheker hatte ein (Teil-) Geständnis abgelegt und den Betrug eingestanden. Der Betrag sei allerdings niedriger gewesen.

Bereits zuvor waren Urteile gegen acht zum Teil HIV-positive Mit-Angeklagte ergangen: drei wurden freigesprochen, fünf erhielten als ‚Rezept-Beschaffer‘ Bewährungsstrafen zwischen 14 Monaten und zwei Jahren.

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weitere Informationen:
u.a. Tagesspiegel 20.05.2011: Apotheker muss fast sieben Jahre ins Gefängnis
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Apotheker gesteht bei Berliner Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten

Er steht wegen Millionen-Betrugs mit Aids-Medikamenten in Berlin vor Gericht. Nun legte der Apotheker ein Teil-Geständnis ab und räumte den Betrug ein.

Ja, er habe Rezepte über Aids-Medikamente bei Krankenkassen abgerechnet, ohne die Medikamente den Patienten ausgehändigt zu haben. Wie zuvor schon von seinem Verteidiger angekündigt, legte der Berliner Apotheker, dem Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten vorgeworfen wird, vor dem Berliner Landgericht ein Geständnis ab.

Allerdings anders als erwartet nur ein Teilgeständnis – er räumte den Betrug prinzipiell ein, allerdings sei die Höhe wesentlich geringer als im vorgeworfen werde. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 66jährigen Apotheker vor, mit dem Betrug einen Schaden von annähernd elf Millionen Euro verursacht zu haben.

Einige der mit-angeklagte HIV-Positive hatten bereits Ende April ein Geständnis abgelegt und eingeräumt, dem Apotheker Rezepte gegeben zu haben, im Gegenzug erhielten sie keine Medikamente, sondern Bargeld in Höhe von 150 bis 500 Euro.

Das Gericht hatte dem Apotheker für den Fall eines Geständnisses eine Strafe zwischen sieben und neun Jahren Haft in Aussicht gestellt. Wegen der von ihm nur als wesentlich niedriger eingeräumten Schadenhöhe scheint diese Absprache derzeit gefährdet. Der Apotheker wird am heutigen 3. Mai 2011 erneut vor Gericht angehört. Mit dem Urteil wird Mitte Mai gerechnet.

Am 11. November 2010 wurden insgesamt acht Haftbefehle vollstreckt, gegen einen Berliner Apotheker sowie sieben weitere Personen. Zudem wurden zehn Wohnungen in Berlin, Fulda und Kiel durchsucht.Der 66-jährige Apotheker mit Sitz am Kurfürstendamm wird verdächtigt, zwischen 2007 und 2009 HIV-Medikamente mit gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet zu haben, diese aber nicht den Patienten ausgehändigt zu haben.

Zahlreiche weitere Ermittlungsverfahren sollen noch laufen.

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weitere Informationen:
Apotheke adhoc 02.05.2011: Apotheker legt Teilgeständnis ab
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Geständnisse von Mitangeklagten im Prozess um Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten

Im Prozess gegen einen Berliner Apotheker und mehrere HIV-Positive wegen Millionen-Betrugs mit Aids-Medikamenten haben einige Mitangeklagte ein Geständnis abgelegt.

Um fast elf Millionen Euro soll ein Berliner Apotheker gesetzliche Krankenkassen betrogen haben. Diesen Abrechnungsbetrug wirft ihm die Berliner Staatsanwaltschaft vor. Seit Anfang April 2011 findet der Prozess gegen den Apotheker, der sich seit November 2010 in Untersuchungshaft befindet, vor dem Berliner Landgericht statt.

Mitangeklagt: acht zum Teil langjährig HIV-positive Patienten zwischen 39 und 47 Jahren, die sich in Berlin und anderen Bundesländern Rezepte erschwindelt haben sollen (Rezept-Tourismus). Diese reichten sie bei dem Apotheker ein, ohne Medikamente zu erhalten – dafür aber einen Geldbetrag zwischen 150 und 500 Euro. Der Apotheker stellte, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die nicht ausgehändigten Medikamente den Krankenkassen in Rechnung.

Fünf der Mitangeklagten haben inzwischen Geständnisse abgelegt. Sie können Medienberichten zufolge mit Bewährungsstrafen rechnen.

Der 66jährige Apotheker selbst soll am 29. April aussagen. Sein Verteidiger hatte ebenfalls ein Geständnis angekündigt. Der Apotheke sei erpresst worden. Das Gericht hatte ihm für den Fall eines Geständnisses eine sieben- bis neunjährige Haftstrafe in Aussicht gestellt.

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weitere Informationen:
ondamaris 11.11.2010: Berlin: Apotheker und Patienten – Millionenbetrug mit Aids-Medikamenten
Berliner Morgenpost 19.04.2011: Mitangeklagte gestehen Betrug mit Aids-Rezepten
Berliner Zeitung 20.04.2011: Rezepte verkauft, um zu überleben
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Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten? (akt.7)

Bundesweiter Betrug mit HIV-Medikamenten im Wert von mehreren Millionen Euro, diesen Verdacht meldet die NDR-Nachrichtenwelle NDR info.

Das Bundeskriminalamt sowie mehrere Staatsanwaltschaften würden gegen mehrere Pharma-Großhändler ermitteln, berichtet NDR info. Diesen werde vorgeworfen, für Afrika bestimmte verbilligte bzw. ’subventionierte‘ Aids-Medikamente in großem Umfang umverpackt, illegal nach Deutschland gebracht und hier mit extrem hohen Gewinnen verkauft zu haben – die Medikamente wurden in Deutschland zu hier üblichen Preisen auf den Markt gebracht. Das Bundeskriminalamt BKA hat den Bericht des NDR inzwischen bestätigt.

Dabei wurden die Aids-Medikamente nach Angaben von NDR info teilweise „als sogenannte Bulkware – also lose Tabletten in Kisten und Säcken – illegal aus Südafrika über Belgien und die Schweiz nach Deutschland importiert.“

Insgesamt wurden nach Angaben eines AOK-Sprechers über 10.000 Packungen in Deutschland auf den Markt gebracht. Sie wurden an Apotheken zu einem „ungewöhnlich günstigen“ Einkaufspreis abgegeben – diese hätten eigenbtlich stutzig werden müssen.

Der finanzielle Schaden solle nach Schätzungen der AOK mindestens im zweistelligen Millionenbereich liegen. Neben Deutschland wird in diesem Verfahren auch in der Schweiz, Belgien, Südafrika und anderen Staaten ermittelt. In Deutschland sind die Staatsanwaltschaften Flensburg, Trier und Lübeck an den Ermittlungen gegen die Pharmagroßhändler beteiligt. Ermittelt wird u.a. gegen einen Pharmagroßhändler mit drei auf Sylt ansässigen Firmen sowie gegen eine Firma in Trittau.

Aufgeflogen sein soll der Betrug ursprünglich bereits im August 2009 in einer Apotheke im niedersächsischen Delmenhorst. Bei einer Packung eines Aids-Medikaments des Herstellers GlaxoSmithKline seien gefälschte Umverpackung und gefälschter Beipackzettel festgestellt worden. Dies habe sicherheitshalber zum Rückruf einer Charge geführt. Auch Boehringer Ingelheim habe 2009 und 2010 mehrere Chargen eines Aids-Medikaments zurückgerufen.

Bereits seit November 2010 ermittelt die Trierer Staatsanwaltschaft gegen ein Pharmaunternehmen wegen Verdachts auf illegalen Handel mit Aids-Medikamenten.

Die Medikamente selbst sollen in ihrer Wirksubstanz nicht gefälscht gewesen sein (andererseits zitiert der ‚Focus‘ allerdings Oberstaatsanwalt Günther Möller mit dem Hinweis auf „sehr viel niedrigeren“ Wirkstoffgehalt, allerdings „noch im Bereich der Toleranz“). Der Re-Import sowie das Inverkehrbringen in Deutschland sei jedoch nicht zulässig gewesen, heißt es. Allerdings sei zu prüfen, ob Schäden durch unterbrochene Kühlketten entstanden seien oder Haltbarkeitsdaten abgelaufen waren.

Auf eine weitere potentielle Gefahr weist die Deutsche Aids-Hilfe hin: Pharmaunternehmen haben die Möglichkeit illegaler Reimporte in den letzten Jahren immer wieder als Argument gegen die verbilligte Abgabe ihrer Präparate für ärmere Länder genutzt. Es besteht nun die Gefahr, dass die Vorbehalte wieder wachsen. Die Versorgung von HIV-Positiven mit Medikamenten könnte dadurch noch schlechter werden. Winfried Holz, DAH-Vorstandsmitglied, weist auch einen Lösungsweg: „Aus dem Skandal lässt sich etwas lernen: Wenn Pharmafirmen ihre Präparate für die Produktion von Generika freigeben, sind illegale Reimporte dieser Medikamente nicht möglich.“

Aktualisierung
24.02.2011, 20:30
: Pharmakonzern GSK bezeichnet Aussagen von NDR info als  „Spekulationen“: „Der Bericht von NDR Info enthält die Vermutung, dass die betroffenen HIV-Medikamente aus dem Hause GlaxoSmithKline für das Ausland bestimmt waren und dass durch einen Reimport angeblich extrem hohe Gewinnmargen erreicht wurden. Bei den Darstellungen in dem Bericht handelt es sich um reine Spekulationen.“ GSK wies darauf hin, dass „gefälschte Tabletten bis heute nicht gefunden wurden“. Zulassungsinhaber sei seit Oktober 2010 das gemeinsam mit Pfizer betriebene Unternehmen ViiV Healthcare. Man kooperiere  mit den Ermittlunsgbehörden. (Quelle)

25.02.2011, 08:30
Presseberichten zufolge handelt es sich bei den betroffenen Pharmafirmen u.a. um MPA Pharma (Trittau), zu der auch die Tochterfirma EmraMed gehöre (wg. Re-Import Norvir®), sowie den Pharmagroßhändler Hans-Wilhelm Sch. aus Sylt. (Quelle)

25.02.2011, 18:00
MPA Pharma aus Trittau weist die Vorwürfe des Betrugs wegen gefälschter HIV-Medikamente zurück. (Quelle)

26.02.2011, 06:00
Auch der Sylter Pharmahändler weist die Anschuldigungen zurück. Er habe ordnungsgemäß gehandelt und keine Fälschungen begangen. Geschäftsführer und Gesellschafter einer ebenfalls beschuldigten Firma aus der Vulkaneifel weisen die Anschuldigungen ebenfalls zurück. (Quelle)

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weitere Informationen:
NDR info 24.02.2011: Millionenbetrug mit HIV-Medikamenten
ntv 24.02.2011: Millionenbetrug mit Aids-MedikamentenPharmahändler unter Verdacht
Focus 24.02.2011: HIV-Medikamente – BKA ist Millionenbetrug auf der Spur
SpON 24.02.2011: HIV-Skandal – Strafverfolger gehen Millionenbetrug mit Aids-Medizin nach
Financial Times Deutschland 01.03.2011: Die infizierte Lieferkette der HIV-Medikamente
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Berlin: Apotheker und Patienten – Millionenbetrug mit Aids-Medikamenten (akt.5)

In Berlin wurden ein Apotheker und sieben weitere Personen verhaftet wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe mit Aids-Medikamenten.

Gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrug wirft die Staatsanwaltschaft Berlin mehreren Personen vor. Am heutigen 11. November 2010 sowie am vorangegangenen Mittwoch wurden insgesamt acht Haftbefehle vollstreckt, gegen einen Berliner Apotheker sowie sieben weitere Personen. Zudem wurden zehn Wohnungen in Berlin, Fulda und Kiel durchsucht. Zahlreiche weitere Ermittlungsverfahren sollen noch laufen.

Der 66-jährige Apotheker mit Sitz am Kurfürstendamm wird verdächtigt, zwischen 2007 und 2009 HIV-Medikamente mit gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet zu haben, diese aber nicht den Patienten ausgehändigt zu haben.

Die beteiligten Patienten sollen sich -wie mit dem Apotheker verabredet- bei Ärzten (via „Ärzte-Tourismus“, Besuch mehrerer Ärzte) Rezepte für mehr Medikamente besorgt haben, als sie selbst benötigten. Die überzähligen Verordnungen ‚übernahm‘ der Apotheker, der die beteiligten Patienten dafür finanziell entlohnt haben soll. Insgesamt sollen über 50 HIV-Positive an den Betrügereien beteiligt sein.

Die Beteiligten wurden wegen Verdachts auf „gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs“ verhaftet. Mehrere ‚Luxus-PKWs‘ wurden beschlagnahmt.

Die Ermittler gehen von einem Schaden von etwa zehn Millionen Euro aus.

Erst vor wenigen Tagen hatte die Staatsanwaltschaft Trier in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt wegen Verdachts auf illegalen Handel mit importierten Medikamenten, auch Aids-Medikamenten, 16 Wohnungen und Büros in Nordrhein-Westfalen und Zypern durchsucht.

Aktualisierung
14.11.2010:
Die Berliner Boulevard-Presse bezeichnet den betroffenen Apotheker inzwischen als „Gier-Apotheker“. Seine Apotheke ist inzwischen laut Hinweis-Schild „aus technischen Gründen“ geschlossen. Hans-Joachim D., wie die Berliner Presse seinen Namen angibt, schweigt nach Angaben der Staatsanwaltschaft bisher zu den Vorwürfen. Er befindet sich in Untersuchungshaft.
Die am Betrug beteiligten Patienten sollen 300 bis 400, in Einzelfällen bis 800 Euro pro Rezept erhalten haben. Den meisten der bisher verhafteten sieben beteiligten HIV-Positiven wurde inzwischen Haftverschonung gewährt, meist aus gesundheitlichen Gründen. Nur ein Kieler Patient befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft.
Boulevard-Medien spekulieren inzwischen, auch Ärzte könnten in den betrug verwickelt sein.
Ein Sprecher der Techniker-Krankenkasse betonte, man sei auf das Verhalten des Apothekers bereits 2008 auf „Unregelmäßigkeiten“ aufmerksam geworden. Warum es dennoch bis Ende 21010 dauerte, bis der Betrug aufgedeckt wurde, sagte er nicht.
15.11.2010:
Die deutsche Aids-Hilfe verurteilt den Abrechnungsbetrug. Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH: „Betrug im Gesundheitswesen geht zu Lasten aller Versicherten und bringt eine ganze Branche zu Unrecht in Misskredit. Sie müssen zukünftig mehr Zuzahlungen entrichten, während illegal Millionen aus dem System gezogen werden. Wir fordern daher eine engere Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apothekern und Krankenkassen, um Betrugsversuchen unmittelbar begegnen zu können. Vor allem chronisch Kranke leiden darunter, wenn weniger Geld für die Versorgung zur Verfügung steht und auf lange Sicht eine Rationierung droht.“
30.03.2011:
Der betroffene Apotheker sowie acht weitere Mitbeschuldigte (Patienten) müssen sich in Kürze vor dem Berliner Landgericht verantworten. Der Apotheker sitzt seit November 2011 in Untersuchungshaft. Der entstandene Schaden soll sich auf nahezu elf Millionen Euro belaufen.
15.04.2011:
Die Verteidigung des Apothekers hat vor Gericht ein Geständnis angekündigt. Er sei von „einigen Herrschaften“ erpresst worden. Mitangeklagte HIV-Positive sollen laut ihrer Verteidigerin aus einer „Notsituation“ heraus gehandelt haben.

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weitere Informationen:
Polizeipräsident Berlin 11.11.2010: Haftbefehle und Durchsuchungen wegen gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrugs zum Nachteil von Krankenkassen
RBB 11.11.2010: Abrechnungsbetrug mit HIV-Medikamenten
Berliner Morgenpost 11.11.2010: Millionen-Betrug mit HIV-Medikamenten fliegt auf
DAH 15.11.2010: Deutsche AIDS-Hilfe verurteilt Abrechnungsbetrug mit HIV-Rezepten
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Deals mit Pillen

Ein Apotheker und sechs HIV-positive Patienten sollen in Wetzlar Krankenkassen zwischen 2005 und 2007 durch abgerechnete, aber nicht ausgegebene Aids-Medikamente um mehreren hunderttausend Euro betrogen haben.

Lange hat man nichts mehr gehört von Apothekern und PatientInnen, die ihren privaten Deal mit Aids-Medikamenten machen. Doch ausgestorben scheint die Masche noch nicht zu sein, wie ein aktueller Fall zeigt.

Vor einigen Jahren war es in einigen Städten noch recht häufig anzutreffen, das Phänomen, dass es einigen Patienten (und erst recht Apothekern) plötzlich finanziell deutlich besser ging, seit sie Medikamente nahmen.
Die Wege waren kreativ und mannigfach, das Ergebnis meist, dass Apotheker und Patient finanziell besser gestellt, die Krankenkasse die (finanziell) Geschädigte war.

Nachdem einige besonders krasse Fälle (u.a. in Berlin) publik wurden, teilweise auch vor Gericht landeten, die Kassen in zahlreichen Fällen ihren Ermittlungsdienst aktivierten, war lange Zeit Ruhe. Zudem sorgten die Gesundheitsreform und verstärkte Kontrollen von Kassen dafür, dass einige Wege einer zusätzlichen ‚Einnahmequelle‘ verstopft wurden.

Doch immer noch scheinen Tricksereien möglich zu sein. So wird jetzt aus Wetzlar über einen schwunghaften Handel mit Rezepten für Aids-Medikamenten berichtet.
Die Wetzlarer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen ortsansässigen Apotheker, der verdächtigt wird, die Krankenkassen um mindestens 250.000 Euro betrogen zu haben, wie die ‚Wetzlarer Neue Zeitung‘ am 27.11.2007 berichtet.

Der Apotheker soll dazu zwischen Frühjahr 2005 und Frühjahr 2007 mit sechs HIV-infizierten Patienten gemeinsame Sache gemacht haben. Die Positiven aus dem Frankfurter Raum ließen sich zusätzlich zu ihrer Kombinationstherapie auch magenschützende Präparate verschreiben. Diese Rezepte sollen bei dem Wetzlarer Apotheker eingelöst und den Kassen in Rechnung gestellt worden sein. Medikamenten seien jedoch nicht ausgegeben worden, den Betrag (gesprochen wird von einem Wert von bis zu 3.000€ je Rezept) hätten sich vielmehr Positive und Apotheker geteilt – bei einer Rate von zwei Drittel für den Apotheker, ein Drittel für den Patienten.
Neben der AOK Hessen sollen auch weitere Krankenkassen zu den Geschädigten gehören.

Aufgedeckt wurde dieser ‚Betrug durch Kooperation zwischen Apotheker und Patienten‘ vermutlich durch einen Hinweis aus dem Kreis der teilnehmenden Patienten selbst. Ein AOK-Sprecher betonte, hätten alle Beteiligten ‚dicht gehalten‘, wäre dieser Art Betrug wohl nur schwer beizukommen.


Viele Menschen mit HIV leben unter prekären finanziellen Umständen. Möglichkeiten, die eigene finanzielle Situation aufzubessern, sind vielfach willkommen, ihre Nutzung oftmals verständlich. Kriminelle Wege, wie diese Art von Kassen-Betrug, können jedoch kein legitimes Mittel der Aufbesserung der eigenen Kasse sein.
Zudem dürften die eigentlichen Geschädigten vermutlich wohl auch die Positiven selbst sein , die durch Nichteinnahme der verordneten Medikamente vermutlich ihre Gesundheit massiv gefährdeten.

Pikant erscheint vor allem auch das Verhalten des Apothekers. Nicht nur das gezielte Erkennen und Ausnutzen einer Systemlücke, sondern auch die Aufteilung (zwei Drittel / ein Drittel) ist bemerkenswert. Sollte sich bewahrheiten, dass die betroffenen Positiven DrogengebraucherInnen sind, könnte sich zudem die (wohl eher moralische als justitiable) Frage nach dem Ausbeuten einer Notsituation eh schon sozial benachteiligter Patienten stellen.

Dieser Betrug der Krankenkassen durch Zusammenarbeit von Positiven und Apothekern dürfte wohl kein einmaliger, wohl aber ein seltener Fall sein. Es bleibt zu fragen, ob diese Art von Betrug nicht erst möglich wird durch das gezielte Ausnutzen von Systemlücken, und was die Beteiligten zu deren Behebung unternehmen.

Ein Stück, nebenbei, das geradezu zu einer Inszenierung verlockt, mit brecht’schen Charakteren (ein beschauliches Städtchen, verarmte Patienten aus der Großstadt, denen Geld wichtiger als Gesundheit zu sein scheint, der zwei-Drittel-Apotheker, der ein gutes Geschäft wittert …).