erneut: Rezept-Betrug mit Aids-Medikamenten

Über 35.000 Euro Schaden soll ein Apotheker in Tübingen verursacht haben – durch Abrechnungsbetrug mit Aids-Medikamenten.

Über 20 Rezepte für Aids-Medikamente soll ein Apotheker in Tübingen zwischen Oktober 2010 und Juni 2011 über einen Mittelsmann aufgekauft haben. Er reichte sie bei einer Krankenkassen zur Erstattung ein – Medikamente wurden nie an die ‚Patienten‘ abgegeben. Der Schaden, der der Krankenkasse entstand, soll sich auf über 35.000 Euro belaufen.

Der 31jährige Mittelsmann, der die Rezepte gegen ‚Honorar‘ bei HIV-Positiven einsammeltet, soll je Rezept mehrere hundert Euro ‚Vermittlungsgebühr‘ erhalten haben.

Nach monatelangen Ermittlungen der Kriminalpolizei prüft die Staatsanwaltschaft Tübingen nun, ob Anklage wegen Betrug erhoben werden soll.

Erst im Mai 2011 war in Berlin ein ehemaliger Apotheker wegen Millionen-Betrugs mit Aids-Medikamenten zu langjähriger Haftstrafe verurteilt worden.

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weitere Informationen:
Staatsanwaltschaft Tübingen 08.12.2011: Pressemitteilung „Ermittlungen gegen Apotheker und fünf weitere mutmaßliche Mittäter bzw. Gehilfen stehen vor dem Abschluss“ (pdf)
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Der Apotheker als Spion gegen günstigere Aids-Medikamente?

Über eine ganz besondere Form der ‚Marktforschung‘ berichtet heute die ‚Süddeutsche Zeitung‘: das Darmstädter Marktforschungsinstitut-Institut IMS Health soll dem Bericht zufolge Apothekern hohe Summen zahlen, wenn sie Parallelimporte bestimmter hochpreisiger Medikamente (auch HIV-Medikamente) per Fotos dokumentieren.

Die Apotheker sollen diese Medikamente aus verschiedenen Positionen fotografieren (Kamera und Chip werden gestellt), und dies monatlich einsenden. Für teilnehmende Apotheker ein lukrativer Nebenverdienst: laut SZ soll schon die Dokumentation von drei parallel importierten Packungen z.B. des HIV-Medikaments Viread® monatlich für ein Jahr mit bis zu 1.340 € zzgl. MWSt entlohnt werden.

Parallelimporte sind aus anderen Staaten importierte Medikamente, meist haben sie einen deutlich günstigeren Preis (die Importeure nutzen niedrigere Medikamenten-Preise, Währungsschwankungen und MWSt-Sätze im Ausland) – zur Freude der Krankenkassen, für die Gewinne der Pharmaindustrie eher ärgerlich.

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weitere Informationen:
SZ 22.8.2011: Spion im weißen Kittel – Apotheker sollen Billig-Pillen an Pharmakonzerne melden
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Berlin: langjährige Haft wegen Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten

Zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilte das Berliner Landgericht am 20. Mai 2011 einen Berliner Apotheker. Ihm war Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten vorgeworfen worden.

Am 11. November 2010 wurden insgesamt acht Haftbefehle vollstreckt, gegen einen Berliner Apotheker sowie sieben weitere Personen. Zudem wurden zehn Wohnungen in Berlin, Fulda und Kiel durchsucht.Der 66-jährige Apotheker mit Sitz am Kurfürstendamm wurde verdächtigt, zwischen 2007 und 2009 HIV-Medikamente mit gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet zu haben, diese aber nicht den Patienten ausgehändigt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft warf dem 66jährigen Apotheker vor, mit dem Betrug einen Schaden von annähernd elf Millionen Euro verursacht zu haben. Bis zu 600.000 Euro monatlich seien auf diesem Weg falsch abgerechnet worden. Der Apotheker hatte ein (Teil-) Geständnis abgelegt und den Betrug eingestanden. Der Betrag sei allerdings niedriger gewesen.

Bereits zuvor waren Urteile gegen acht zum Teil HIV-positive Mit-Angeklagte ergangen: drei wurden freigesprochen, fünf erhielten als ‚Rezept-Beschaffer‘ Bewährungsstrafen zwischen 14 Monaten und zwei Jahren.

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weitere Informationen:
u.a. Tagesspiegel 20.05.2011: Apotheker muss fast sieben Jahre ins Gefängnis
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Apotheker gesteht bei Berliner Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten

Er steht wegen Millionen-Betrugs mit Aids-Medikamenten in Berlin vor Gericht. Nun legte der Apotheker ein Teil-Geständnis ab und räumte den Betrug ein.

Ja, er habe Rezepte über Aids-Medikamente bei Krankenkassen abgerechnet, ohne die Medikamente den Patienten ausgehändigt zu haben. Wie zuvor schon von seinem Verteidiger angekündigt, legte der Berliner Apotheker, dem Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten vorgeworfen wird, vor dem Berliner Landgericht ein Geständnis ab.

Allerdings anders als erwartet nur ein Teilgeständnis – er räumte den Betrug prinzipiell ein, allerdings sei die Höhe wesentlich geringer als im vorgeworfen werde. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 66jährigen Apotheker vor, mit dem Betrug einen Schaden von annähernd elf Millionen Euro verursacht zu haben.

Einige der mit-angeklagte HIV-Positive hatten bereits Ende April ein Geständnis abgelegt und eingeräumt, dem Apotheker Rezepte gegeben zu haben, im Gegenzug erhielten sie keine Medikamente, sondern Bargeld in Höhe von 150 bis 500 Euro.

Das Gericht hatte dem Apotheker für den Fall eines Geständnisses eine Strafe zwischen sieben und neun Jahren Haft in Aussicht gestellt. Wegen der von ihm nur als wesentlich niedriger eingeräumten Schadenhöhe scheint diese Absprache derzeit gefährdet. Der Apotheker wird am heutigen 3. Mai 2011 erneut vor Gericht angehört. Mit dem Urteil wird Mitte Mai gerechnet.

Am 11. November 2010 wurden insgesamt acht Haftbefehle vollstreckt, gegen einen Berliner Apotheker sowie sieben weitere Personen. Zudem wurden zehn Wohnungen in Berlin, Fulda und Kiel durchsucht.Der 66-jährige Apotheker mit Sitz am Kurfürstendamm wird verdächtigt, zwischen 2007 und 2009 HIV-Medikamente mit gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet zu haben, diese aber nicht den Patienten ausgehändigt zu haben.

Zahlreiche weitere Ermittlungsverfahren sollen noch laufen.

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weitere Informationen:
Apotheke adhoc 02.05.2011: Apotheker legt Teilgeständnis ab
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Geständnisse von Mitangeklagten im Prozess um Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten

Im Prozess gegen einen Berliner Apotheker und mehrere HIV-Positive wegen Millionen-Betrugs mit Aids-Medikamenten haben einige Mitangeklagte ein Geständnis abgelegt.

Um fast elf Millionen Euro soll ein Berliner Apotheker gesetzliche Krankenkassen betrogen haben. Diesen Abrechnungsbetrug wirft ihm die Berliner Staatsanwaltschaft vor. Seit Anfang April 2011 findet der Prozess gegen den Apotheker, der sich seit November 2010 in Untersuchungshaft befindet, vor dem Berliner Landgericht statt.

Mitangeklagt: acht zum Teil langjährig HIV-positive Patienten zwischen 39 und 47 Jahren, die sich in Berlin und anderen Bundesländern Rezepte erschwindelt haben sollen (Rezept-Tourismus). Diese reichten sie bei dem Apotheker ein, ohne Medikamente zu erhalten – dafür aber einen Geldbetrag zwischen 150 und 500 Euro. Der Apotheker stellte, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die nicht ausgehändigten Medikamente den Krankenkassen in Rechnung.

Fünf der Mitangeklagten haben inzwischen Geständnisse abgelegt. Sie können Medienberichten zufolge mit Bewährungsstrafen rechnen.

Der 66jährige Apotheker selbst soll am 29. April aussagen. Sein Verteidiger hatte ebenfalls ein Geständnis angekündigt. Der Apotheke sei erpresst worden. Das Gericht hatte ihm für den Fall eines Geständnisses eine sieben- bis neunjährige Haftstrafe in Aussicht gestellt.

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weitere Informationen:
ondamaris 11.11.2010: Berlin: Apotheker und Patienten – Millionenbetrug mit Aids-Medikamenten
Berliner Morgenpost 19.04.2011: Mitangeklagte gestehen Betrug mit Aids-Rezepten
Berliner Zeitung 20.04.2011: Rezepte verkauft, um zu überleben
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Neues aus Neumünster – Doch ein „Sieg der Vernunft über Vorurteile“? (akt.)

Bekommt die Aids-Hilfe Neumünster doch ihre neuen Räume? Die beteiligten Ärzte wehren sich gegen Vorwürfe – und betonen „die Aids-Hilfe kann gerne kommen“.

Die Aids-Hilfe Neumünster wollte in diesen Tagen neue Räume beziehen. Doch dies scheiterte. Nach Aussagen der Aids-Hilfe sei Druck von Ärzten und einer Apotheken-Inhaberin auf die Vermieterin ausgeübt worden, den Mietvertrag zurückzuziehen (siehe „Neumünster: Ärzte gegen die Aidshilfe„)

Doch die beteiligten Ärzte weisen dies zurück, wehren sich gegen die Vorwürfe. Sie hätten keine Vorurteile gegenüber HIV-Positiven. „Wir haben doch selber aids-kranke Menschen unter unseren Patienten“, äußerten sie gegenüber der Lokalpresse. Sie betonten „“Die Aids-Hilfe darf gerne kommen. An uns soll es nicht liegen.“

Auch die örtliche SPD hatte sich in den Konflikt eingeschaltet und die Ärzte kritisiert, von ‚Profitgier‘ gesprochen.

Torsten Kniep, erster Vorsitzender der Aids-Hilfe Neumünster, bezeichnete es gegenüber der Presse inzwischen als „ungeschickt“, dass es noch zu keine direkten Gespräch aller Beteiligter gekommen sei. Die Aids-Hilfe sei dazu bereit.

Die Ärzte fühlen sich zu Unrecht angegriffen, warten auf eine Entschuldigung der Aids-Hilfe Neumünster. Und behalten sich rechtliche Schritte vor.

Update 26.05.2010:
„Es ist ein Gespräch mit den Ärzten, der Apotheke, der Vermieterin und der Aids-Hilfe geplant, um die Angelegenheit zu klären“, teilt die Aids-Hilfe Neumünster inzwischen auf ihrer Internetseite mit.

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Die eindeutige Aussage der Ärzte ist zu begrüßen. Und die Chance, dass die Aids-Hilfe Neumünster nach einem klärenden Gespräch nun vielleicht doch ihre neuen Räumlichkeiten beziehen kann ist erfreulich.

Ein Sturm im Wasserglas, eine Provinzposse? Einerseits scheint es so. Hätte man vielleicht früher die Gelegenheit zu einem klärenden Gespräch mit einander suchen sollen? Hätten sich Irritationen vermeiden lassen? Oder hat gerade der entstehende öffentliche Druck erst die positive Äußerung der Ärzte ‚befördert‘?

Andererseits, die Geschichte, die Vorbehalte, die Vorurteile sind  nicht unbekannt. Ähnliches soll sich strukturell bereits mehrfach zugetragen haben. Selbst Ärzte, die HIV-Positive behandeln, berichten gelegentlich hinter vorgehaltener Hand über Schwierigkeiten, die ihnen gemacht werden – auch von ‚Kollegen‘, z.b. im gleichen Haus

weitere Informationen:
Holsteinischer Courier 18.05.2010: Aids-Hilfe erhebt Vorwürfe
Ärzte fühlen sich verleumdet
Holsteinischer Courier 18.05.2010: Sieg der Vernunft über die Vorurteile
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Neumünster: Ärzte gegen die Aidshilfe?

Wollen Ärzte in Neumünster verhindern, dass die örtliche Aids-Hilfe als Mieter bei ihnen im Haus einzieht?

Die Aidshilfe Neumünster arbeitet seit 1991. Dieses Frühjahr sollten neue Räume bezogen werden, der Mietvertrag ist unterzeichnet, die Räume sind renoviert, die Einladungen für die feierliche Einweihung verschickt.

Doch dann: die Kündigung droht. Ärzte und eine Apotheken-Inhaberin wehren sich gegen die Aidshilfe als neuen Mieter, fordern die Aufhebung des Mietvertrags, drohen ansonsten selbst mit Kündigung.

Die Aids-Hilfe Neumünster kündigte an am 17. Mai 2010 die Aufhebung des Mietvertrags zu unterzeichnen, steht aber nun am Juli 2010 ohne Räumlichkeiten da.

Als Dokumentation ein Hilferuf von Torsten Kniep, erster Vorsitzender des Vorstands der Aidshilfe Neumünster (AH-NMS):

Die Aids-Hilfe Neumünster steckt momentan in einer ungewollten Krise. Seit Monaten suchen wir für unsere Aids-Hilfe NMS neue Räumlichkeiten. Diese brauchen wir um uns zu vergrößern, dem momentanen Standard gerecht zu werden und um zukunftsorientierter arbeiten zu können.

Neue Räume fand unsere AH-NMS in der Wasbeker Strasse 50 in Neumünster – in einem Haus mit drei praktizierenden Ärzten und einer Apotheke. Die Vermieterin schloss mit uns bevorzugt einen Mietvertrag ab, da sie die Institution Aids-Hilfe als Bereicherung für ihr Haus ansah. Die Mietverträge für die Räume wurden am 31.03 2010 geschlossen und die Räume sollten zum 01. Juli 2010 offiziell von uns bezogen werden.

Unsere alten Räumlichkeiten wurden daher zum 30. Juni 2010 gekündigt. Die Vermieterin erlaubte uns die neuen Räume in der Zwischenzeit zu renovieren und für unsere Zwecke her zu richten.
Die Räume wurden inzwischen auch großenteils renoviert d.h. gestrichen und mit neuen Fußbodenbelägen versehen. Teilweise wurden bereits neue Möbel angeschafft und Mobiliar aus unseren alten Räumen in die neuen Räumlichkeiten gebracht.

Der endgültige Umzug und die Lieferung der neuen Möbel waren für den 15.05.2010 geplant. Unser Büro ist deswegen vom 13.05.2010 bis einschließlich 24.05.2010 geschlossen worden. Am 25.05.2010 sollte die unsere AH-NMS in den neuen Räumen, mit Erlaubnis der Vermieterin, ihre Arbeit aufnehmen.

Dreihundert Einladungen für einen geplanten „Tag der offenen Tür“ am 29. Mai 2010 wurden bereits verschickt – gleichzeitig erschien ein Pressebericht über unseren Umzug, unsere neue Adresse und die Neueröffnung der Aids-Hilfe NMS in den neuen Räumlichkeiten im Holsteiner Courier und diversen Wochenblättern.

Am 11.05.2010 informierte die Vermieterin unseren ersten Vorsitzenden Torsten Kniep darüber, dass es mit den anderen Mietern im Hause Probleme gäbe.

Eine Ärztin und zwei Ärzte, sowie die Inhaberin der Apotheke wünschten, nachdem sie erfuhren wer die freien Räume bezieht, dass das Mietverhältnis mit der Aids-Hilfe sofort rückgängig gemacht wird. Als Begründung nannten die Parteien ( lt. Aussage der Vermieterin ) „ Angst davor dass Patienten den Praxen fern bleiben und Angst vor Kriminalität im Haus“. Die Parteien befürchten, dass eventuelle HIV-positive Drogengebraucher in die Praxen und die Apotheke einbrechen und Rezeptblöcke und Medikamente stehlen könnten.

Am 12.05.2010 kam es zu einem kurzfristig anberaumten Gespräch zwischen Vermieterin und Mietern, an dem Torsten Kniep aus zeitlichen Gründen leider nicht teilnehmen konnte. Resultat dieses Gespräches ist, dass der Mietvertrag mit unserer Aids-Hilfe Anfang nächster Woche gekündigt bzw. aufgehoben werden soll. Sollte dies nicht geschehen, drohen die anderen Mieter mit der Kündigung ihrer Mietverhältnisse.

An einem angebotenen, informativen und klärenden Gespräch mit dem 1. Vorsitzenden und der Diplom-Sozialpädagogin unserer Aids-Hilfe legen die anderen Mieter, laut Auskunft der Vermieterin, keinen Wert.

Die oben aufgeführten Fakten empfinden wir als erschreckendes Beispiel von absoluter Intoleranz und Diskriminierung!

Unsere Aids-Hilfe NMS leistet seit 20 Jahren eine umfangreiche und wichtige Arbeit, der Information und Prävention gegen Aids und HIV, um genau gegen diese Intoleranz und Diskriminierung anzukämpfen, die uns nun entgegen schlägt.

Ob wir unsere Arbeit in Neumünster auch weiterhin leisten können steht jetzt in den Sternen.

Die frisch renovierten neuen Räume bleiben vorerst und wahrscheinlich endgültig verwaist und der Umzug ist gestoppt! Als Resultat dieses unwürdigen Mieterboykotts steht die Aids-Hilfe Neumünster ab dem 30.06.2010 ohne Räume da.

Wir treten heute an die Öffentlichkeit weil wir finden, dass man mit HIV infizierten und an Aids erkrankten Menschen und den Menschen die ihnen (oft ) ehrenamtlich und hilfreich zur Seite stehen auf solch eine diskriminierende Art und Weise nicht umgehen darf.

Wir empfinden das Geschehene als Schlag ins Gesicht und protestieren gegen diese unwürdige Behandlung unserer Klientel und der Institution Aids-Hilfe Neumünster und deren Mitarbeiter/innen und Freunde/innen.

Torsten Kniep

Die Aids-Hilfe Neumünster ist bis auf weiteres an ihrer alten Adresse erreichbar: AIDS-Hilfe Neumünster e.V., Wasbeker Straße 93, D-24534 Neumünster hat eine neue Adresse: Großflecken 50 (Hinterhaus, im „Connect“), 24534 Neumünster

weitere Informationen:
shz Holsteinischer Courier 15.05.2010: Wollen Ärzte die Aids-Hilfe loswerden?
shz Holsteinischer Courier 17. Mai 2010: Nach Protesten: Aids-Hilfe zieht nun doch nicht um (pdf)
alivenkickin 17.05.2010: Ärzte und Aidshilfen – Zwei Seiten einer Medaille
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hochpreisige Pillen (akt.)

Nur wenige HIV-Patienten kennen die Preise der Medikamente, die sie u.U. einnehmen. Politikum Medikamenten-Preise – im Gegensatz zu anderen Staaten meist nicht hierzulande.
Als Versicherter der Gesetzlichen Krankenversicherung erfährt ein Patient kaum einmal den Preis der Pillen – Apotheken rechnen die Rezepte direkt mit der Kasse ab.

Zur Information hier einige beispielhafte Preise von Aids-Medikamenten (Stand 01/2008):

Handelsname Dosis Tbl/ Preis AVK Preis/ Tages- Preis Preis
Pckg. Einheit dosis Tag Jahresdosis
Pis
Aptivus 250mg/Kps 120 970,43 € 8,09 € 4 32,35 € 11.806,90 €
Crixivan 400mg/Kps 180 372,54 € 2,07 € 4 8,28 € 3.021,71 €
Invirase 500mg/Kps 120 576,53 € 4,80 € 4 19,22 € 7.014,45 €
Norvir 100mg/Kps 336 619,54 € 1,84 € 1 1,84 € 673,01 €
Prezista 300mg/Tbl 120 867,14 € 7,23 € 4 28,90 € 10.550,20 €
Reyataz 150mg/Kps 60 711,50 € 11,86 € 2 23,72 € 8.656,58 €
Telzir 700mg/Tbl 60 578,39 € 9,64 € 2 19,28 € 7.037,08 €
NRTIs
Emtriva 200mg/Kps 30 300,42 € 10,01 € 1 10,01 € 3.655,11 €
Epivir 300mg/Tbl 30 300,42 € 10,01 € 1 10,01 € 3.655,11 €
Retrovir 250mg/Kps 40 226,18 € 5,65 € 2 11,31 € 4.127,79 €
Videx 400mg/Kps 60 673,52 € 11,23 € 1 11,23 € 4.097,25 €
Viread 245mg/Tbl 30 478,30 € 15,94 € 1 15,94 € 5.819,32 €
Zerit 245mg/Kps 56 281,60 € 5,03 € 2 10,06 € 3.670,86 €
Ziagen 300mg/Tbl 60 452,97 € 7,55 € 2 15,10 € 5.511,14 €
NNRTIs
Sustiva 600mg/Tbl 30 420,26 € 14,01 € 1 14,01 € 5.113,16 €
Viramune 200mg/Tbl 60 437,04 € 7,28 € 2 14,57 € 5.317,32 €
Viramune 200mg/Tbl 120 855,46 € 7,13 € 2 14,26 € 5.204,05 €
Sonstige
Celsentri 150mg/Tbl. 60 1.101,00 € 18,35 € 2 36,70 € 13.395,50 €
Isentress 400mg/Tbl 60 1.062,03 € 17,70 2 35,40 € 12.921,37 €
Fuzeon 100mg/Amp 60 2.032,04 € 33,87 € 2 67,73 € 24.723,15 €
Kombi-Med.
Atripla 300/200/600mg/Tbl 1
Combivir 150/300mg/Tbl 60 634,91 10,58 € 2 21,16 € 7.724,74 €
Kivexa 300/600mg/Tbl 30 722,93 24,10 € 1 24,10 € 8.795,65 €
Trizivir 150/300/300mg/Tbl 60 1141,65 19,03 € 2 38,06 € 13.890,08 €
Truvada 300/200mg/Tbl 30 769,07 25,64 € 1 25,64 € 9.357,02 €
Kaletra 200/50mg/Tbl 120 773,27 6,44 € 4 25,78 € 9.408,12 €

Anmerkungen:
alle Handelsnamen eingetragene Warenzeichen
Tagesdosis: angegeben nur häufig verwendete Dosierungen, ggf. erforderliche RTV-Boosterung, hier nicht genannt. KEINE Dosisempfehlungen!
Ritonavir: angegebener Preis Jahresdosis bei Verwendung als Booster 1x 100mg (nicht als eigenständiger PI)

Die oben genannten Packungs-Preise (Preis AVK; AVK = Apotheken-Verkaufspreis) gelten für jeweils ein Medikament. Wichtiger als die Packungspreise sind für Preisvergleiche die Preise pro üblicher Tagesdosis sowie die Jahres-Therapiekosten:

Ein HIV-Positiver nimmt üblicherweise eine Kombination aus drei oder mehr Wirkstoffen (die manchmal in einer Pille kombiniert sein können).

Dabei können sich jährliche Therapiekosten in ganz anderen Dimensionen ergeben – 15.000 Euro ca.-Jahres-Therapiekosten sind schnell erreicht:

Aids-Medikamente Beispiele ca-Jahres-Therapiekosten
In diesem Beispiel möglicher jährlicher Therapiekosten sind die Kosten für Begleit-Medikationen noch nicht berücksichtigt.

Und werden besonders hochpreisige Medikamente eingesetzt (wie z.B. bei vielen vorhandenen Resistenzen und Fuzeon-Therapie), können die Kosten weitaus höher werden …

Deals mit Pillen

Ein Apotheker und sechs HIV-positive Patienten sollen in Wetzlar Krankenkassen zwischen 2005 und 2007 durch abgerechnete, aber nicht ausgegebene Aids-Medikamente um mehreren hunderttausend Euro betrogen haben.

Lange hat man nichts mehr gehört von Apothekern und PatientInnen, die ihren privaten Deal mit Aids-Medikamenten machen. Doch ausgestorben scheint die Masche noch nicht zu sein, wie ein aktueller Fall zeigt.

Vor einigen Jahren war es in einigen Städten noch recht häufig anzutreffen, das Phänomen, dass es einigen Patienten (und erst recht Apothekern) plötzlich finanziell deutlich besser ging, seit sie Medikamente nahmen.
Die Wege waren kreativ und mannigfach, das Ergebnis meist, dass Apotheker und Patient finanziell besser gestellt, die Krankenkasse die (finanziell) Geschädigte war.

Nachdem einige besonders krasse Fälle (u.a. in Berlin) publik wurden, teilweise auch vor Gericht landeten, die Kassen in zahlreichen Fällen ihren Ermittlungsdienst aktivierten, war lange Zeit Ruhe. Zudem sorgten die Gesundheitsreform und verstärkte Kontrollen von Kassen dafür, dass einige Wege einer zusätzlichen ‚Einnahmequelle‘ verstopft wurden.

Doch immer noch scheinen Tricksereien möglich zu sein. So wird jetzt aus Wetzlar über einen schwunghaften Handel mit Rezepten für Aids-Medikamenten berichtet.
Die Wetzlarer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen ortsansässigen Apotheker, der verdächtigt wird, die Krankenkassen um mindestens 250.000 Euro betrogen zu haben, wie die ‚Wetzlarer Neue Zeitung‘ am 27.11.2007 berichtet.

Der Apotheker soll dazu zwischen Frühjahr 2005 und Frühjahr 2007 mit sechs HIV-infizierten Patienten gemeinsame Sache gemacht haben. Die Positiven aus dem Frankfurter Raum ließen sich zusätzlich zu ihrer Kombinationstherapie auch magenschützende Präparate verschreiben. Diese Rezepte sollen bei dem Wetzlarer Apotheker eingelöst und den Kassen in Rechnung gestellt worden sein. Medikamenten seien jedoch nicht ausgegeben worden, den Betrag (gesprochen wird von einem Wert von bis zu 3.000€ je Rezept) hätten sich vielmehr Positive und Apotheker geteilt – bei einer Rate von zwei Drittel für den Apotheker, ein Drittel für den Patienten.
Neben der AOK Hessen sollen auch weitere Krankenkassen zu den Geschädigten gehören.

Aufgedeckt wurde dieser ‚Betrug durch Kooperation zwischen Apotheker und Patienten‘ vermutlich durch einen Hinweis aus dem Kreis der teilnehmenden Patienten selbst. Ein AOK-Sprecher betonte, hätten alle Beteiligten ‚dicht gehalten‘, wäre dieser Art Betrug wohl nur schwer beizukommen.


Viele Menschen mit HIV leben unter prekären finanziellen Umständen. Möglichkeiten, die eigene finanzielle Situation aufzubessern, sind vielfach willkommen, ihre Nutzung oftmals verständlich. Kriminelle Wege, wie diese Art von Kassen-Betrug, können jedoch kein legitimes Mittel der Aufbesserung der eigenen Kasse sein.
Zudem dürften die eigentlichen Geschädigten vermutlich wohl auch die Positiven selbst sein , die durch Nichteinnahme der verordneten Medikamente vermutlich ihre Gesundheit massiv gefährdeten.

Pikant erscheint vor allem auch das Verhalten des Apothekers. Nicht nur das gezielte Erkennen und Ausnutzen einer Systemlücke, sondern auch die Aufteilung (zwei Drittel / ein Drittel) ist bemerkenswert. Sollte sich bewahrheiten, dass die betroffenen Positiven DrogengebraucherInnen sind, könnte sich zudem die (wohl eher moralische als justitiable) Frage nach dem Ausbeuten einer Notsituation eh schon sozial benachteiligter Patienten stellen.

Dieser Betrug der Krankenkassen durch Zusammenarbeit von Positiven und Apothekern dürfte wohl kein einmaliger, wohl aber ein seltener Fall sein. Es bleibt zu fragen, ob diese Art von Betrug nicht erst möglich wird durch das gezielte Ausnutzen von Systemlücken, und was die Beteiligten zu deren Behebung unternehmen.

Ein Stück, nebenbei, das geradezu zu einer Inszenierung verlockt, mit brecht’schen Charakteren (ein beschauliches Städtchen, verarmte Patienten aus der Großstadt, denen Geld wichtiger als Gesundheit zu sein scheint, der zwei-Drittel-Apotheker, der ein gutes Geschäft wittert …).

Bald Hartz 4 für Apotheker?

Ein bekannter Internet – Medikamenten-Versandhandel eröffnet – mit tatkräftiger Unterstützung des CDU-Landesgesundheitsministers – in Saarbrücken eine Apotheke. Na und, möchte man denken. Doch eine ganze Branche schreit auf, dazu Politiker und Lobbyisten fast aller Couleur.

Worum geht es? In Deutschland dürfen bisher nur natürliche Personen Apotheken eröffnen (Ausnahme: Krankenhäuser), und ein Apotheker darf maximal vier Filialen haben (Fremdbesitz- und Mehrbesitz-Verbote). So solle eine unabhängige, qualifizierte und wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sichergestellt werden, so die Befürworter der geltenden Regelung.
DocMorris -um diese Internetapotheke geht es im Saarbrücker Fall- ist jedoch eine Kapitalgesellschaft. Und DocMorris verkauft wie auch andere Internet-Apotheken rezeptfreie Medikamente, aber auch einige verschreibungspflichtige Pillen (wie Viagra & Co) z.T. bedeutend preisgünstiger als in der Apotheke um die Ecke üblich. Für die Kunden eigentlich eine gute Sache – und für die Apotheker eine Gefahr, sehen sie doch ihre bisher so sicheren Gewinne schwinden.

Trotz Sparbekundungen und Gesundheitsreform, die deutschen Apotheker erzielten 2005 einen Rekordgewinn (Erlös-Zuwachs 7,7% im Vergleich zu 2004). Der durchschnittliche Gewinn einer Apotheke belief sich auf 85.000 Euro. Auch vom gern beklagten Apotheken-Sterben ist keine Spur: 2005 wurden 242 Apotheken geschlossen, aber 326 neu eröffnet. In Deutschland versorgt eine Apotheke durchschnittlich 3.875 Einwohner, damit ist die Apotheken-Dichte in Deutschland deutlich höher als in den meisten EU-Ländern. Ein Markt mit Rekordgewinnen, nahezu ohne Wettbewerb, ohne Konkurrenz, abgeschottet und geschützt.

Es geht also, entgegen allen altruistischen Begründungen von Apothekern und Funktionären, primär vermutlich um individuelle Profite und Privilegien.
Die Saarbrücker Entwicklung könnte eine Öffnung des Medikamentenhandels für Kapitalgesellschaften auch in Deutschland bedeuten, eine Zukunft mit niedrigeren Medikamentenpreisen, mit großen, profitorientierten Apotheken-Ketten.

Doch dies muss nicht die einzige Möglichkeit sein, die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten preisgünstig zu gestalten: in Schweden darf bereits seit 1971 nur der Staat Medikamente verkaufen, er betreibt alle 950 (!) Apotheken des Landes. Ein Monopol, das dem Gedanken der staatlichen Daseins-Fürsorge entsprang, noch heute von der Bevölkerung geschätzt wird, und das für kostengünstige Medikamente sorgt, zu überall gleichen Preisen.

Medikamentenhandel ist auch ohne Gewinnorientierung möglich … Aber dann müssten sich ja einige Apotheker einschränken …