Syrien: Aids-Politik mit ideologischen Scheuklappen

Immer lauter werden die Proteste in Syrien, die Forderungen nach Bürgerrechten und freien Wahlen. Die Aids-Politik in Syrien ist gekennzeichnet von bisher niedriger HIV-Prävalenz, weitgehendem Fehlen von Präventionsmaßnahmen für Sexarbeiterinnen und Schwule sowie zaghaften Schritten nach vorn in den letzten Monaten.

Tunesien, Ägypten, Libyen – und nun seit Wochen auch in Syrien: Menschen kämpfen für Bürgerrechte und Freiheit. Syrien (offiziell Arabische Republik Syrien) ist gemäß seiner Verfassung von 1973 offiziell eine ’sozialistische Volksrepublik‘. De facto dominiert die Baaht-Partei das Land, deren Generalsekretär Staatspräsident Assad ist. Das Regime des Präsidenten Bashar al-Assad geht in den letzten Wochen zunehmend mit militärischer Gewalt gegen Oppositionelle vor – die vor allem freie Wahlen fordern.

Massenproteste in Douma (Vorort von Damaskus) im April 2011 (Foto: syriana2011)
Massenproteste in Douma (Vorort von Damaskus) im April 2011 (Foto: syriana2011)

Über die Situation der HIV-Epidemie und die Lage HIV-Positiver in Syrien sind Informationen nur sehr spärlich und lückenhaft verfügbar. Versuche eines Überblicks:

HIV: Epidemiologische Situation in Syrien

Die HIV-Prävalenz in Syrien ist niedrig – UN-Berichten zufolge eine der niedrigsten im Nahen Osten. Genaue Daten zur Zahl der HIV-Infizierten in Syrien sind kaum verfügbar. Auch der Aids-Organisation der Vereinten Nationen UNAIDS scheinen keine offiziellen epidemiologischen Daten zu HIV und Aids in Syrien vorzuliegen – das „epidemiological fact sheet“ für Syrien ist leer.

Einer Ende 2008 veröffentlichten offiziellen Statistik der Regierung Syriens zufolge lebten damals 552 Menschen mit HIV im Land.
Ende 2005 hatte ein syrischer Bericht von 369 HIV-Infizierten gesprochen, 221 syrische Staatsbürger sowie 148 Ausländer. 106 Menschen seien bisher in Syrien an den Folgen von Aids gestorben.
Eine auf der Internationalen Aids-Konferenz 2004 in Bangkok vorgestellte Studie an 186 syrischen HIV-Positiven stellte bei 43% (!) eine Ko-Infektion mit Hepatitis C fest. In dieser Gruppe habe die sexuelle HIV-Übertragung nur einen Anteil von 11,3% gehabt, 83,7% seien iv-Drogengebraucher.
Eine nicht verifizierbare aktuelle Meldung von ‚epharmapedia‘ (12.04.2011) zitiert Dr. Jamal Khamis, Leiter des Nationalen Aids-Programms Syriens, es gebe 693 HIV-Infizierte in Syrien. 49% hätten sich durch „illegale sexuelle Beziehungen“ infiziert, 17% bei ehelichem Sex, 5% durch Blut und Blutprodukte aus dem Ausland, 11% durch homosexuelle Beziehungen und 3% durch illegale Drogen. Nur 113 syrische HIV-Positive erhalten seiner Aussage zufolge antiretrovirale Behandlung.

Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl HIV-Infizierter höher liegen dürfte als die offiziell genannten Werte. Selbst syrische Experten sprechen von „etwa 5.000 Fällen“ (NAP Manager Dr. Haytham Sweidan laut ‚Syria Today‘)).

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Syrien: Die Situation HIV-Positiver

HIV-Positive in Syrien sehen sich mit einem enormen Ausmaß an Stigmatisierung konfrontiert. Stigmatisiert – nicht „nur“ als HIV-Positive/r, sondern oft auch als Drogengebraucher/in, Sexarbeiter/in oder Homosexueller.

„Es ist pure Ignoranz“, beschreibt ein HIV-Positiver in einem Artikel in ‚Syria Today‘ seine Situation (die einzige Lagebeschreibung eines HIV-Positiven, die online zu finden war). „Die Behandlung, die wir an den staatlichen Aids-Zentren bekommen, ist gut. Aber die öffentliche Meinung muss sich verändern.“ Positive werden dem Bericht zufolge in Syrien vielfach als ‚gefährlich‘ und ‚abstoßend‘ betrachtet.

Offizielle Aids-Kampagnen täten ein Übriges zum Bild bei, das sich die syrische Bevölkerung von HIV-Positiven mache: eine neue großformatige Kampagne des Gesundheitsministeriums zeige auf einem Plakat ein dunkles Gesicht, vermutlich einen HIV-Positiven. Dazu der Schriftzug „Zweieinhalb Millionen Menschen infizieren sich jedes Jahr mit HIV. Nein zu Drogen. Nein zu außerehelichem Sex.“ Über Möglichkeiten, sich – gerade bei außerehelichem Sex – zu schützen, werde nicht informiert.

Besonders schwierig ist die Situation für Homosexuelle. Gemäß Artikel 520 des Strafgesetzbuchs von 1949 sind homosexuelle Handlungen verboten. Private Veranstaltungen Homosexueller werden immer wieder von Razzien heimgesucht, oft mit Verhaftungen. Die Bildung von Schwulen- und Lesbengruppen wird seitens der Regierung verhindert. Nur wenige Stimmen über homosexuelles Leben dringen aus dem Land – wie die der offen lesbischen Bloggerin Amina A. („A Gay Girl in Damascus“) [13.6.2011: ‚A Gay Girl In Damascus‘ ist ein fiktionales Blog, enthüllte US-Amerikaner Tom MacMaster am 12.6.11].

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HIV: Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen in Syrien

US-Angaben zufolge ist für Ausländer zwischen 15 und 60 Jahren, die sich in Syrien niederlassen wollen, ein HIV-Test Pflicht. Er muss in Syrien bei einer vom Gesundheitsministerium hierfür zugelassenen Einrichtung durchgeführt werden. Auch Ausländer, die eine/n Syrer/in heiraten wollen, müssen einen HIV-Test vornehmen lassen.
Für Kurzzeit-Touristen bestehen nach Angaben von www.hivtravel.org keine Einschränkungen und keine HIV-Test-Vorschriften. Es sei allerdings wahrscheinlich, dass Ausländer mit einer (bekannt gewordenen) HIV-Infektion abgeschoben würden.

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Syrien: Nationale Aids-Strategie und Nationale Aids-Politik

Der vom syrischen Aids-Beauftragten an UNAIDS erstellte „2010 National Composite Policy Index“ vom 18.02.2010 (eine der wenigen umfassenderen Informationsquellen zur Lage der Aids-Politik Syriens) betont, die Datenqualität könne nicht vollständig kontrolliert werden, es sei der erste Bericht seiner Art.

Dieser Bericht gibt einen überraschend offenen Einblick in die Situation des Landes bezüglich HIV-Prävention und Aids-Politik. Ihm lassen sich u.a. folgende Angaben entnehmen:

  • Syrien hat bisher keine multisektorale Strategie gegen HIV. Es gebe bisher keine Nationale Aids-Strategie, insbesondere weil bisher entsprechende Experten sowie finanzielle Mittel fehlen. Zudem mangele es an einem entsprechenden Engagement hochrangiger Politiker.
  • Ein National Aids Center / Rat existiert seit 1987 (Vorsitzender Dr. Rida Said, Gesundheitsminister). Es arbeitet u.a. mit dem Innen-, dem Verteidigungs- und dem Tourismus-Ministerium, der Syrischen Frauen-Organisation sowie der Familienplanungs-Organisation zusammen. Neben regelmäßigen Zahlungen seitens des Gesundheitsministeriums würde seine Arbeit besonders durch verschiedene UN-Organisationen ermöglicht. Seine Aktivitäten würden derzeit durch die Finanzquellen bestimmt, nicht auf Grundlage einer Bedarfsanalyse gesteuert.
  • Die Aktivitäten des National Aids Centers konzentrieren sich bisher auf Frauen und  junge Mädchen. Drogengebraucher, Frauen in Sex-Arbeit sowie Männer die Sex mit Männern haben (MSM) würden nur bei Inhaftierung auf HIV getestet, in den meisten Fällen ohne vorherige und anschließende HIV-Beratung. Zu anderen von HIV bedrohte Gruppen sowie Kinder und Waisen gab es in den beiden dem Bericht vorangehenden Jahren keine Aktivitäten des National Aids Centers.
  • Es gebe staatliche Regelungen für HIV-Tests und HIV-Prävention seitens des Gesundheitsministeriums.
  • Syrien habe, so der Bericht, Nicht-Diskriminierungs-Regelungen oder -Gesetze zum Schutz der von HIV am meisten betroffenen oder bedrohten Gruppen. Sie bezögen sich auf Frauen und junge Menschen, nicht auf andere Gruppen. Ihre Mechanismen seien nicht gut etabliert – die Gesetze seien zwar verabschiedet, ihre Anwendung aber mangelhaft. Das Wissen über Bürgerrechte einschließlich des Rechts auf Gesundheits-Fürsorge sei in der Allgemeinbevölkerung wie auch den am meisten von HIV bedrohten Gruppen begrenzt.
  • Im Jahr 2007 sei eine Situations-Analyse des HIV-/Aids-Programms in Syrien vorgenommen worden. Auf dieser Basis seien einige Präventionsprogramme gestartet worden.
  • HIV-Prävention werde auch durch staatliche Regelungen und Gesetze behindert. Dies betreffe insbesondere Drogengebraucher/innnen, Sex-SArbeiter/innen sowie Männer die Sex mit Männern haben (MSM). Sie seien illegal und in der Gesellschaft nicht akzeptiert.  Es gebe weder entsprechende zielgerichtetet Präventions-Maßnahmen noch harm reduction Programme.
  • Das Nationale Aids-Programm habe keine umfassende Strategie, „Hochrisikogruppen“ zu erreichen.
  • Inzwischen gebe es in jedem Gouvernement Syriens ein Aids-Center. Das Nationale Aids-Programm bemühe sich, über diese allen HIV-Positiven des Landes Zugang zu unentgeltlicher medizinischer Behandlung und antiretroviralen Medikamenten zu ermöglichen. Dies sei nicht ausreichend umgesetzt bei palliativer Behandlung sowie Behandlung HIV-bedingter Infektionen und Cotrimoxazol-Prophylaxe [gegen PcP; d.Verf.]. Zudem stehe bei Therapieversagen durch das Gesundheitsministerium nur eine Second-Line-Therapie zur Verfügung.
  • Dem Land mangele es an Experten in der Behandlung HIV-Infizierter sowie entsprechenden Behandlungs-Richtlinien, insbesondere für Begleiterkrankungen.
  • Für sexuell übertragbare Erkrankungen fehlen entsprechende Anstrengungen.
  • Kondome stehen nur über das Gesundheitsministerium bei Familien- und Schwangerschafts-Beratungsstellen zur Verfügung.
  • Es gebe keine Nationale Einrichtung zum Monitoring der HIV-Infektion und zum zielgerichteten Sammeln epidemiologischer Daten. Daten aus den Aids-Zentren der 14 Gouvernements würden bei Nationalen Aids-Center gesammelt. Dies diene insbesondere der Erfassung der Zahl der HIV-Infizierten sowie der Infektionsrate in der Allgemeinbevölkerung. Daten und Instrumente für „Hochrisikogruppen“ gebe es nicht.

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Syrien: Aktuelle Entwicklungen der Aids-Politik 2011

Aktuell allerdings scheint sowohl die syrische als auch die internationale Politik dem Thema HIV in Syrien mehr Aufmerksamkeit zu schenken:

  • Im März 2011 startete Syrien in Kooperation mit der ILO (International Labor Organisation) ein Projekt zur Aids-Bekämpfung im Arbeitsleben. Es soll auch dazu dienen, die 2010 beschlossenen ILO-Empfehlungen zu HIV/Aids am Arbeitsplatz umzusetzen.
  • Von Juli 2011 bis Juni 2016 führt das UNDP United Nations Development Programme mit 1,7 Mio. US-$ finanzieller Unterstützung des Globalen Fonds (GFATM) ein Projekt durch, das sich zum Ziel gesetzt hat, die HIV-Prävalenz in Syrien unter 1% in den Bevölkerungsgruppen mit hohem Infektionsrisiko und unter 0,1% in der Allgemeinbevölkerung zu halten. Dieses Projekt soll sich insbesondere auch wenden an Sexarbeiterinnen, Drogengebraucher/innen sowie Männer die Sex mit Männern haben.
    Aufgrund der aktuellen politischen Situation in Syrien und dem massiven Vorgehen der Regierung gegen Oppositionelle ist allerdings eine Durchführung des UNDP-Projekts derzeit mehr als fraglich. Einer aktuellen Reuters-Meldung zufolge soll das 5-Jahres-Programm für Syrien aufgeschoben werden.

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siehe auch:
ondamaris: Ägypten: Mubarak, das hieß auch Verfolgung und Gewalt gegen HIV-Positive
ondamaris: HIV/Aids in Libyen: wenig Fakten und ein inszenierter Schau-Prozess

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weitere Informationen:
UNAIDS: epidemiological fact sheet Syria
UNAIDS: 2010 National Composite Policy Index (NCPI) report Syria (pdf)
UNGASS Country Progress Report 2010 Syrian Arab Republic (pdf)
UN April 2009: Upgrading HIV and AIDS facilities in Syria
redorbit 02.12.2005: Syria Reports 369 Persons Infected With HIV/AIDS
US Department of State: Syria – country specific information
www.hivtravel.org: Syria (eingesehen 07.05.2011)
wikipedia: LGBT rights in Syria
ILO: HIV and AIDS and the world of work in Syria
UNDP: Syria HIV MARPS
Adwan ZS: Seroepidemiology of HCV-HIV co-infection in Syria
epharmapedia 12.04.2011: 693 HIV Positive Cases in Syria, Mostly at Damascus
Syria Today März 2010: Treating the Taboo
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HIV und Aids in Nordafrika und im Nahen Osten

Tunesien, Ägypten, Libyen, Jemen, Algerien – in vielen Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens finden politische Umbrüche statt oder protestieren Bürger für mehr Freiheit. Doch – über die HIV-Epidemie in diesen Staaten ist bisher wenig bekannt. Ein neuer Bericht will dies ändern.

Gemeinsam haben Weltbank, UNAIDS und die Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen WHO erstmals im Februar 2011 einen umfassenden Bericht über die Situation der HIV-Epidemie in Nordafrika und im Nahen Osten vorgelegt.

Dabei bietet die Region kein einheitliches Bild hinsichtlich HIV und Aids. So spricht der Bericht in Djibouti und im Sudan von einer generalisierten HIV-Epidemie, während in den meisten anderen Staaten überwiegend bestimmte Bevölkerungsgruppen von HIV betroffen sind, die Allgemeinbevölkerung hingegen nicht oder kaum. In vielen Staaten behindere überall vorhandene Stigmatisierung eine wirksame HIV-Prävention.

Laith J. Abu-Raddad, Haupt-Autor des Berichts, betonte bei einer Präsentation am 15. Februar 2011 in Washington, für die Region lägen nun zu HIV/Aids umfassend Daten vor. Zudem seien die wesentlichen Übertragungswege und betroffenen Bevölkerungsgruppen bekannt. Jetzt sei es an der Politik, zu handeln und wirksame Maßnahmen zu ergreifen.

Der Bericht stellt die Situation vor in den Staaten Ägypten, Afghanistan, Algerien, Bahrain, Djibouti,  Iran, Irak, Jemen, Jordanien, Kuwait, Libanon, Libyen, Marokko, Oman, Pakistan, Qatar, Saudi Arabien, Somalia, Sudan, Syrien, Tunesien, Vereinte Arabische Emirate sowie West Bank und Gaza.

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weitere Informationen:
World Bank, UNAIDS, WHO: Characterizing the HIV/AIDS Epidemic in the Middle East and North Africa (auf issuu)
UNAIDS 21.02.2011: Breaking the silence: Fact and priorities for the AIDS response in the Middle East and North Africa
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Mittlerer Osten: Weltbank fordert stark verbesserte Prävention bei Homosexuellen

Im Mittleren Osten wie auch in Nordafrika muss die Zivilgesellschaft stärker in den Kampf gegen Aids einbezogen werden, betont ein neuer Bericht der Weltbank. Insbesondere sei auch eine Verbesserung der Prävention bei der in der Region am stärksten stigmatisierten Gruppe erforderlich, bei Männern, die Sex mit Männern haben.

Der Bericht wurde gemeinsam herausgegeben von der Weltbank, UNAIDS und der Weltgesundheitsorganisation WHO. Er befasst sich insgesamt mit dem, was in der Politik als ‚MENA‘ bezeichnet wird, mit der Region des Mittleren Ostens und Nordafrikas (Middle East and North Africa). Der Report umfasst Daten zu Afghanistan, Algerien, Bahrain, Djibouti, Ägypten, Iran, Irak, Jordanien, Kuwait, Libanon, Libyen, Marokko, Oman, Pakistan, Qatar, Saudi Arabien, Somalia, Sudan, Syrien, Tunesien, den vereinigten Arabischen Emiraten, West Bank und Gaza sowie Jemen.

HIV/AIDS Epidemic in the Middle East and North Africa
HIV/AIDS Epidemic in the Middle East and North Africa

In dieser Region werde die HIV-Epidemie immer noch nur sehr eingeschränkt wahrgenommen und zudem kontrovers diskutiert. Nach über 25 Jahren HIV sei dies die erste epidemiologische Übersicht über die Region, betont der Report. Bisher versagten die Staaten der Region bei dem Bemühen, die Ausbreitung von HIV zu kontrollieren.

Zu den wesentlichen Bevölkerungsgruppen, die ein erhöhtes HIV-Infektionsrisiko haben, gehören auch in allen Staaten der MENA-Region intravenös Drogen gebrauchende Menschen (IDU), Männer die Sex mit Männern haben (MSM) sowie weibliche Prostituierte (FSW, female sex workers).

Die am stärksten stigmatisierte und im verborgenen lebende Gruppe von HIV betroffener Menschen seien in der Region die Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Dessen ungeachtet gebe es Homosexualität in einem mit anderen Regionen vergleichbaren Umfang. HIV breite sich unter MSM in der Region aus, insbesondere in Pakistan finde eine stark steigende Epidemie statt.

In der ganzen Region bestehe die Möglichkeit einer auf MSM konzentrierten HIV-Epidemie in den nächsten zehn Jahren. Deswegen seien stark verbesserte HIV-Präventions- und Service-Bemühungen für diese Zielgruppe in der gesamten Region erforderlich. Dazu sollten Verteilung von Kondomen, Beratung und HIV-Tests gehören.

In der Allgemeinbevölkerung hingegen sei in allen MENA-Staaten die HIV-Epidemie auf sehr niedrigem Niveau.

Der Bericht empfiehlt eine Intensivierung und Verbesserung der epidemiologischen Überwachung der Situation, einen Ausbau der Forschung und die Formulierung von auf Fakten basierten Strategien sowie eine Stärkung der Beiträge der Zivilgesellschaft zur HIV-Bekämpfung.

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weitere Informationen:
Laith J. Abu-Raddad et al., The World Bank 2010 (Hg.): Characterizing the HIV/AIDS Epidemic in the Middle East and North Africa (pdf)
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Berlin: Gegen Homophobie – Solidarität mit den Opfern des Anschlags in Tel Aviv

Etwa 400 Menschen demonstrierten am 4. August 2009 in Berlin gegen Homophobe und für Solidarität mit den Opfern des Anschlags auf einen schwul-lesbischen Jugend-Treffpunkt in Tel Aviv.

Bei einem Anschlag auf einen Treffpunkt schwuler und lesbischer Jugendlicher in Tel Aviv (Tel Aviv Gay and Lesbian Association (AGUDA)) sind am Samstag Abend (01.08.2009) zwei Menschen ermordet und 15 verletzt worden. Die Polizei sucht weiterhin nach den Tätern, derzeit ist eine Nachrichtensperre verhängt.

Am Dienstag, 4. August demonstrierten etwa 400 Menschen in Berlin gegen die Gewalt und die als Ursache des Angriffs vermutete Homophobie.

Gloria Viagra, Berliner Drag-Queen mit dem Motto ‚Nur Revolution macht schön‘ und Organisator der Demonstration, informierte vorab:

„Mit Entsetzen,Trauer und Wut haben wir von dem Anschlag auf das lesbisch-schwule-transgender (LGTQ)-Zentrum in Tel Aviv erfahren.
Dort hat ein maskierter Mann am Samstag Abend die dortige Jugendgruppe überfallen und wahllos mit einem Maschinengewehr auf die Teenager geschossen. Eine 17jährige und ein 24jähriger starben, 15 weitere wurden z.T. schwer verletzt.
Der Mann konnte unerkannt entkommen. Er versuchte noch in eine weitere Schwulenbar einzudringen, wurde aber vom dortigen Sicherheitspersonal abgewehrt.

Auch wenn noch nicht klar ist, aus welchem Kreis der Mörder kommt, ist eines klar: Dieser Anschlag ist ein ganz gezielt Hassverbrechen. Ein Verbrechen gegen die LGT-Szene.
Im Gegensatz zum religiösen Jerusalem ist Tel Aviv als sehr offen-liberale und homofreundliche Metropole bekannt, umso größer die Betroffenheit dort.
Aber es kommt nicht von ungefähr: So wird unter der neuen konservativen Regierung allgemein ein Klima gegen Minderheiten geschürt, so gegen Homosexuelle und Flüchtlinge. Die ultra-religöse Schass-Partei hetzt seit Jahren aufs Übelste gegen Homosexuelle, ihr religiöser Führer rief 2005 anlässlich des CSDs in Jerusalem sogar zum Mord auf; ohne Konsequenzen.

Unser ganzes Mitgefühl gilt den Betroffenen und Angehörigen, unsere Solidarität der LGTQ-Szene in Israel !!!!“

In Tel Aviv selbst war es bereits direkt nach dem Anschlag zu einer spontanen Demonstration gekommen. Kundgebungen und Gedenkveranstaltungen fanden inzwischen u.a. in Rostock, Köln und London statt, für kommenden Mittwoch ist eine Gedenkveranstaltung in Wien geplant. Für Samstag ist eine Gedenkveranstaltung in Paris sowie Groß-Demonstration in Tel Aviv anberaumt.

Der israelische Sozialminister kündigte inzwischen ein Eil-Komitee an, um nach dem Attentat den Bedürfnissen der schwul-lesbischen Community in Israel gerecht zu werden.

weitere Informationen:
SZ 01.08.2009: Zwei Tote bei Schießerei in Schwulenclub
SZ 02.08.2009: „Eine Tat voller Hass“
samstagisteingutertag 02.08.2009: Attentäter richtet Blutbad in Homosexuellen-Zentrum in Tel Aviv an
PinkNews 04.08.2009: Tel Aviv gay shooting: Israeli minister forms emergency committee
indymedia 03.08.2009: Demo gegen homophoben Anschlag in Tel Aviv
queer.de 03.08.2009: Anschlag in Tel Aviv: Demos in Köln und Berlin
youtube: Berlin LGBT community in solidarity with LGBT Tel Aviv – Demo against homophobia (Video)
Antiteilchen 04.08.2009: Smash Homophobia – Demo gegen Homophobie am Breitscheidtplatz
Kölner Stadtanzeiger 04.08.2009: Solidarität mit Opfern
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400 demonstrieren gegen Homophobie in Israel

Etwa 400 Menschen demonstrieren zur Zeit in Berlin gegen den Anschlag auf Schwule und Lesben in Tel Aviv.

Nach einer Kundgebung auf dem Breitscheidtplatz setzt sich z.Zt. der Demonstrationszug in Richtung Nollendorfplatz in Bewegung.

Mehr Infos und Fotos später morgen früh auf ondamaris: Berlin: Gegen Homophobie – Solidarität mit den Opfern des Anschlags in Tel Aviv
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Israel: erstes Homomonument in Tel Aviv geplant

Israel bekommt sein erstes Mahnmal für die im Holocaust vernichteten Homosexuellen. Dies kündigte der Bürgermeister von Tel Aviv an.

Am heutigen 2. Mai ist in Israel Holocaust Remembrance Day (Yom Hashoah). Ein Feiertag, ein besonderer Tag jedes Jahr, sich bewusst zu machen, dass der Holocaust mehr ist als ’nur‘ Teil der Geschichte. Sich zu erinnern an diejenigen die litten, diejenigen die kämpften, diejenigen die starben. An sechs Millionen ermordete Juden.

Der Holocaust – in den KZs der Nazis, an den Folgen der Terrorherrschaft litten und starben über sechs Millionen Juden, sowie auch Angehörige zahlreicher anderer Gruppen, z.B. Kommunisten und Sozialdemokraten, Roma und Sinti, aus religiösen Gründen Verfolgte. Und tausende homosexueller Männer und Frauen, die schwulen Männer meist gekennzeichnet mit dem ‚Rosa Winkel‘.

Dieser homosexuelle Holocaust-Opfer wird nun auch in Israel mit einem eigenen Monument gedacht werden. Der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, kündigte am 1. Mai 2008 an, ein Mahnmal zur Erinnerung an die homosexuellen Männer und Frauen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und im Holocaust vernichtet wurden, solle in Meir Garden in Tel Aviv errichtet werden.

Zum Gedenken an homosexuellen NS-Opfer existieren bisher weltweit nur wenige Mahnmale, z.B. in Amsterdam (Homomonument, 1987), Frankfurt am Main (Engel von Rosemarie von Trockel, 1994), Köln, Kopenhagen, San Francisco (Rosa Winkel Park, 2000/1), Sydney ( Gay and Lesbian Holocaust Memorial, 2001), Uruguay / Montevideo (‚Park of Sexual Diversity‘, Rosa Winkel Monolith, 2005) und demnächst Berlin (neben der bereits seit 1989 vorhandenen Gedenktafel am U-Bahnhof Nollendorfplatz). In Frankreich fordert eine Initiative die <<<<<Gegen das Vergessen – Pierre Seel‘).

[via boxturtlebulletin und 365gay und glbtjews.org]