Information oder Des-Information?

Die Pharmaindustrie bemüht sich bereits jetzt intensiv um Ärzte, und startet immer neue Initiativen, um auch den Zugang zu Patienten zu erhalten. Findet hier Information statt, oder Desinformation? Wie weit reicht der Einfluss der Pharmaindustrie? Und wie kann damit umgegangen werden? Themen, mit denen sich eine Veranstaltung der Berliner Ärztekammer am 7. Mai 2008 befasste. Hauptredner: Peter Mansfield, Arzt in Australien und Mitbegründer von ‚Healthy Scepticism‘.

Peter Mansfield, Mitbegründer von Healthy ScepticismPeter Mansfield sprach auf einer Podiumsveranstaltung der Ärztekammer Berlin zum Thema „Der Einfluss der Pharmaindustrie auf Arzt und Patient“ am 7. Mai in Berlin. Anlass der Veranstaltung war insbesondere auch eine Initiative der EU-Kommission, der Pharmaindustrie leichteren Zugang zu Patienten zu ermöglichen (siehe ‚Information oder Werbung?‚).

Als Ziel der Veranstaltung formulierten die Veranstalter „Bislang waren Patientinnen und Patienten bei rezeptpflichtigen Medikamenten vor der direkten Werbung der pharmazeutischen Hersteller weitgehend geschützt. Das will die Europäische Kommission jetzt ändern … Die Veranstalter halten es für an der Zeit, sich mit dem Einfluss der Pharmaindustrie in einem breiteren Kontext auseinanderzusetzen … Die Veranstaltung soll nicht bei einer Kritik der bestehenden Verhältnisse stehen bleiben, sondern Raum für eine breite Diskussion bieten, was sich im Interesse von Arzt und Patient ändern muss.“

Information oder Werbung?‚ – diese Frage stellt sich immer wieder bei Initiativen der Pharmaindustrie, die auf eine Ausweitung des Kontakts zwischen Pharmaindustrie und Patienten zielen. Dieser direkte Patienten-Kontakt ist der Pharmaindustrie bisher verwehrt – nicht unbegründet. In §10(1) des Heilmittelwerbegesetzes heißt es

„Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel betreiben, geworben werden.“

Dr. Günther Jonitz, Präsident Berliner ÄrztekammerDie Pharmaindustrie möchte nicht nur Patienten ‚informieren‘ über ihre Medikamente, sie möchte am liebsten direkt die ‚Informationshoheit‘ oder ‚Direkt-Beeinflussung‘? …
Die Veranstaltung der Ärztekammer fand also in einem großen thematischen Spannungsfeld statt.

Schon Dr. Jonitz (Ärztekammer Berlin) hatte in seiner Begrüßung an Kant und dessen Definition von Aufklärung erinnert (’sich des eigenen Verstandes bedienen, nicht wiederholen was andere einem vorbeten‘).

Prof.Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen ÄrzteschaftÄrzte wie auch Patienten profitieren von einem größeren Abstand zur Pharmaindustrie, betonte Prof. Ludwig. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft lehne den EU-Richtlinien-Vorschlag kategorisch ab, das Werbe- und Informationsverbot müsse bestehen bleiben. Insbesondere betonte Ludwig, das Primärinteresse und Maxime ärztlichen Handelns müsse immer das Wohl des Patienten bleiben, Sekundärinteressen (von Karriere bis finanziellen Vorteilen) dürften nicht in den Vordergrund treten.

Nach der Einleitung durch Prof. Wolf-Dieter Ludwig (Arzneimittelkommission der Deutsche Ärzteschaft) sprach Dr. Peter Mansfield über ‚Influence of the Pharmaceutical Industry on the Practice of medicine‘. Mansfield ist Gründer und Direktor von Healthy Sceptizism (Motto: improving health by reducing harm for misleading drug promotion).

Peter Mansfield, Mitbegründer Healthy ScepticismAm Beispiel des Antidepressivums Paroxetin zeigte Mansfield eindrücklich, welche Studienergebnisse wie zustande kommen, selektiv verwendet oder unterdrückt und von Pharmaindustrie wie zu Marketingzwecken eingesetzt werden können. Dieses Beispiel zeige eindrücklich, wo das Problem liege: Korruption spiele seiner Ansicht nach im Bereich der Pharmaindustrie nur eine untergeordnete Rolle. Bedeutender sei vielmehr das ‚misleading‘ – wenn (in diesem Fall) besten Gewissens Ärzte glaubten, das Richtige zu tun, und doch Schaden zufügten. Oder allgemeiner, etwas für richtig, zutreffend zu halten, obwohl es falsch sei oder wissenschaftliche Belege (Evidenz) fehlten.

Besonders groß sei die Gefahr dieses ‚misleading‘, wenn es auf Ärzte treffe, die sich selbst überschätzten. Eine Eigenschaft, die bei Ärzten nicht selten zu sein scheint: einem Sonderheft des American Journal of Medicine zu diesem Thema zufolge beträgt die Häufigkeit von Fehldiagnosen bei allen Ärzten 15% – bei Ärzten, die sich ‚absolut sicher‘ in ihrer Diagnose wähnten, hingegen 40% (SZ Nr. 109/2008). Entsprechend zeigten auch US-Studien, so Mansfield, dass Ärzte, die glaubten nicht (von Pharma-Marketing) beeinflusst zu sein, tatsächlich (nach in der Studie gemessenen Indikatoren) in ihrem Verhalten beeinflusst waren.

Aber nehmen Ärzte diese Beeinflussung wahr? Mansfield stellte Daten vor. Auf die Frage ‚Wie weit beeinflussen Pharmareferenten ihr Verschreibungsverhalten?‘ antworteten nur 1% der befragten Ärzte mit ’sehr stark‘, 38% ‚ein wenig‘ und 61% ‚gar nicht‘. Stellte man jedoch die Frage, welchen Einfluss Pharmareferenten auf das Verschreibungsverhalten der werten ärztlichen Kollegen habe, so ergaben sich 51% ’sehr viel‘, 33% ‚ein wenig‘ und nur 16% ‚keinen Einfluss‘. Selbst- und Fremdwahrnehmung klaffen bemerkenswert auseinander – ‚the illusion of unique invulnerability‘.

PinocchioAllerdings sei das Problem der Wege der Einflußnahme von Pharmaindustrie nicht leicht zu verstehen. Pinocchio habe man beim Lügen an der langen Nase erkannt – bei der Pharmaindustrie sei das schwieriger, so Mansfield.

Wichtig sei es, den fehlleitenden Informationen eine Wahrheit gegenüber zu stellen. Was sei diese Wahrheit?
Mansfield definierte sie als ‚die Wahrheit, die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit, und keine fehlleitenden Informationen‘.

Leider, so Mansfield mit verschmitztem Lächeln, kenne er trotz jahrelanger Suche bisher keine Marketingmaßnahme, keine Anzeige der Pharmaindustrie, die diesem Wahrheits-Anspruch gerecht werde.

Peter Mansfield, Mitbegründer von Healthy ScepticismMarketinganstrengungen der Pharmaindustrie bestehen aus einem Bündel von Maßnahmen. Hierzu gehören neben der ‚Kontaktpflege‘ verschiedenster Art zu Ärzten oder dem ‚disesase mongering‘ (Erfinden von Krankheiten) und der Einflussnahme auf Behandlungs-Leitlinien auch die Beeinflussung von Patienten sowie von Patientenorganisationen und Selbsthifegruppen. Dessen sollten sich Patientenvertreter bei Kontakten mit der Pharmaindustrie immer bewusst sein. Auch Patientenvertreter und -organisationen sollten versuchen, sich unabhängig von Interessen (nicht nur der Pharmaindustrie, auch von Verbänden) zu machen. Größere Distanz sei manchmal hilfreich.

Und des Risikos des Einflusses von Pharma-Marketing sollte sich auch der bei ‚Selbsthilfe‘ und Selbsthilfe-Internetangeboten Unterstützung suchende Patient bewusst werden. Eine gesunde Skepsis sei oftmals angebracht.
Denn die Pharmaindustrie sponsort reichlich und ausgiebig ‚Selbsthilfegruppen‘ – nicht immer sind diese dann inhaltlich völlig ’selbständig‘ in ihrer Meinung. Dies kann gehen z.B. bis zu Angeboten wie ‚www.selbsthilfe.de‘ – einer Site, die ein Loblied der Selbsthilfe singt, die jedoch über eine Freidersdorfer Firmenadresse nach Angaben von BuKo Pharma dem Bundesverband der pharmazeutischen Industrie gehören soll.

Was tun?
Mansfield wies zunächst auf Initiativen hin, in denen Ärzte versuchen, sich Pharma-Vorteilseinflüssen zu entziehen (’nofreelunch‘, in Deutschland MEZIS – ‚mein Essen zahl‘ ich selbst‚). Einer der Schlüsselfaktoren sei die Erkenntnis, dass ein zu hohes Maß an Selbstzufriedenheit / Vertrauen in die eigenen hohen Fähigkeiten eher empfänglich mache für Einflussnahmen. Ist eine totale Verweigerungshaltung (kein Kontakt mit PharmaberaterInnen) ein Weg? Mansfield zeigt sich skeptisch und erinnert an die Erfahrung der Aids-Prävention. Dort sei die ‚totale Lösung‘ (Abstinenz, kein Sex) gescheitert, Lösungen haben sich aufgezeigt, nachdem man akzeptiert habe, dass Menschen Sex haben, um ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie diesen ’safer‘ haben können.

Als wichtige Konsequenz wies Mansfield darauf hin, dass es darauf ankomme, statt ‚interessen-geleitetem Geld‘ der Pharmaindustrie ’neutrales Geld‘ zur Verfügung zu stellen für Forschung, Patienten-Information etc. Hier sei der Staat mehr als bisher gefordert.

Weitere Informationen:
Healthy Sceptizism
Prof. Ludwig empfahl besonders einen Untersuchungsbericht des britischen House of Commons „the influence of the pharmaceutical industry“, als pdf verfügbar hier.

Die ‚Initiativgruppe Studienregister‘ versucht (trotz Protesten seitens der Pharmaindustrie), ein von Beginn an öffentlich zugängliches nationales Register für klinische Studien aufzubauen – ein Baustein dabei, die Gefahr einer Unterdrückung unliebsamer Informationen zu reduzieren (Aufruf als pdf hier).
Weitere (insbes. auch im Aids-Bereich interessante) Studien-Register u.a. ATM, clinicaltrials.gov, EudraCT european clinical trials database, clinical studies nih, sowie Register des Int. Pharma-Verbands ifpma. Auch Pharmakonzerne wie GSK, Boehringer Ingelheim oder BMS haben Studienregister online.

Neben nofreelunch und MEZIS strebt auch ‚The Prescription Project‘ eine größere Unabhängigkeit von Ärzten von der Pharmaindustrie an.

Einen Ansatz von freiwilliger Regelung versucht der Verein ‚Freiwillige Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie‘ (FSA) mit seinem ‚Pharmakodex‚ (der sich gelegentlich als ‚zahnloser Tiger‚ zu erweisen scheint).
Einige Pharmakonzerne veröffentlichen immerhin, in welchem Umfang sie welche Patientengruppierungen unterstützen – wie z.B. GSK für 2006 (als pdf hier) und Roche (Beträge ab 3.000€ pro Organisation und Jahr, als pdf hier).

Wahnsinn bei Tieren

Der Wahnsinn lebt … auch bei Tieren. Und dagegen helfen – Pillen, Psychopillen für Hunde. Die Pharmaindustrie sucht nach immer neuen Absatzmärkten …

In den USA ist seit Dezember 2006 bereits eine Pille gegen Fettleibigkeit bei Hunden zugelassen. Fettleibigkeit sei bei Hunden ein zunehmendes Problem, begrüßte die US-Medikamentenbehörde damals die ‚Neu-Erscheinung‘.

Und nun die Psychopille für den Hund. Die Verordnungs-Zahlen sollen steigen.
Zudem, nichts ganz Neues. Psycho-Störungen bei Tieren, bereits seit längerem hat die Pharmaindustrie diesen lukrativen Markt für sich entdeckt. Schon seit einigen Jahren hat z.B. der Pharmakonzern Novartis eine Zulassung einer Psychopille mit dem Wirkstoff Clomipramin für Hund und Katz. Und andere Pharmakonzerne wie Sanofi und Pfizer sind mit ähnlichen Produkten auf dem Markt.

Clomipramin ist zudem ein gutes Beispiel dafür, wie mit Medikamenten Geschäfte gemacht werden können. Die Substanz ist eigentlich nicht neu, wurde bereits 1963 patentiert. Der Patentschutz ist längst abgelaufen, Generika sind auf dem Markt. Aber mit der Zulassung in der Tiermedizin konnte eine neue Wertschöpfungskette erschlossen werden.

Der Markt scheint riesig zu sein. Zur Erinnerung, allein 32,6 Millionen (menschliche) US-Bürger nehmen verschreibungspflichtige Psychopharmaka ein. Ein gewaltiger Markt, und ein noch größerer, wenn Herrchen auch gleich den depressiven Hund mit zum Arzt bringt.

Und immer weitere ‚Zielgruppen‘ stehen schon vor der (Arzt-) Tür … besonders Tropenvögel wie Papageien seien äußerst anfällig für Depressionen, schrieb unlängst ein ‚Boulevardblatt‘.

Der Wahnsinn lebt … nicht nur bei Tieren, sondern auch in der Pharmaindustrie?
Hat die Welt keine größeren Probleme als zu fette Hunde und depressive Papageien?

Seitenwechsel

„Gegenüber der Pharmaindustrie gibt es eine geradezu irrationale Lust zu behaupten, dass sie böse Dinge tut. Natürlich gab und gibt es Fehler, aber vor allem könnten die Unternehmen mutiger gegen Vorurteile vorgehen und aufklären. Genau das ist mein Job.“

Wer das sagt?
Ein Pharma- Vorstandsvorsitzender vielleicht?
Oder ein Marketing-Chef eines großen Pillendrehers?
Der Chef einer Werbeagentur?
Schon besser, trifft fast zu.

Das Zitat stammt von einer Gesundheitsministerin.
Bitte?
Genauer einer ehemaligen Gesundheitsministerin.

Das Zitat stammt von Andrea Fischer, ehemalige Bundesgesundheitsministerin, in ‚Welt am Sonntag‘ vom 20.1.2008, zitiert nach Pharma-Brief Nr. 1, Januar / Februar 2008.
Andrea Fischer ist heute (als Partnerin) Leiterin des Gesundheits-Ressorts von Pleon, Deutschlands größter PR-Agentur.

Während die einen sich bemühen, mehr Werbung, genannt ‚Information‘ durch die Pharmaindustrie zuzulassen, andere mit Petitionen dagegen und für die Beibehaltung des Direktwerbeverbots eintreten, vollzieht eine ehemals engagierte Politikerin pirouettenhaft einen Seitenwechsel.

Pleon bietet auf seiner Internetseite, nebenbei bemerkt, im von Fischer geleiteten Gesundheitsbereich u.a. an „integrierte PR-Kommunikation ebenso wie Verbraucherkampagnen für verschreibungspflichtige und OTC-Produkte“.
‚Verbraucherkampagnen‘, das hört sich hübsch an – und klingt, als sei es eine nette Umschreibung für Werbung (die für verschreibungspflichtige Medikamente verboten ist).

Information oder Werbung? (Akt.)

Wieder einmal unternimmt die EU -weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit- einen neuen Anlauf in Sachen Patienteninformation zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Geht es um Information? Oder wieder nur um eine Lockerung eines begründeten Werbeverbots?

Es gehe ihr um „information to patients to ensure good-quality, objective, reliable and non promotional information on prescription-only medicinal products“, erklärt die E-Kommission in ihrem nun zur Diskussion gestellten ‚legal proposal‘.

Die neuen Bemühungen werden u.a. mit dem vermeintlichen Bedarf begründet, unterschiedliche Möglichkeiten und -regeln zu Medikamenten-Information in den Mitgliedsstaaten der EU zu harmonisieren. Ziel sei es, EU-weite Regeln (einen ‚legalen Rahmen‘) aufzustellen für an Patienten gerichtete Informationen durch diejenigen Unternehmen, die die Medikamente vermarkten. Dabei sollten die Interessen der Patienten an erster Stelle stehen, betont das Paper.

Um dies zu erreichen, werden in dem Paper einige ‚Schlüssel-Ideen‘ vorgestellt. So soll zwar das Direktwerbeverbot bestehen bleiben, gleichzeitig soll jedoch ein Rahmen definiert werden, innerhalb dessen die Industrie ‚informieren‘ darf.
Dabei definiert das Paper, alles was nicht Werbung sei, gelte als Information. Hierzu gehören, so das Paper, z.B. die Beipackzettel (Gebrauchsinformationen) und Fachinformationen, aber auch z.B. Informationen über Studien. Vergleiche, z.B. zwischen verschiedenen Medikamenten, sollen hingegen untersagt bleiben.

Solche Art ‚Informationen‘ solle die Pharmaindustrie z.B. durch TV- und Radiobeiträge verbreiten dürfen, aber auch durch Druckerzeugnisse oder Internetangebote. Zudem solle die Pharmaindustrie ‚individuelle Anfragen von Patienten‘ beantworten dürfen.

Begleitet werden solle diese Art ‚Information‘ durch Kontrollgremien auf EU- sowie nationaler Ebene. Diese sollten besetzt werden mit Vertretern u.a. der Ärzteschaft und von Patientenorganisationen sowie der Pharmaindustrie. Die EMEA (die u.a. für die Zulassung von Medikamenten zuständige Einrichtung der EU) soll hingegen über eine Zuarbeit an ein Beratungsgremium hinaus nicht beteiligt werden, da ‚eine wissenschaftliche Bewertung dieser Informationen nicht erforderlich‘ sei.

In Deutschland gilt bisher, dass Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente bei Patienten / Verbrauchern verboten ist. Ein Direktwerbeverbot, das Pharmahersteller jedoch immer wieder bereits heute trickreich zu unterlaufen versuchen.

Das ‚consultation paper‘ der EU ist online zu finden auf den Internetseiten der EU-Kommission Generaldirektion ‚Unternehmen und Industrie‘, Untergruppe ‚Pharmceuticals‘. Auf dieser Internetseite sollen später auch die eingegangenen Stellungnahmen veröffentlicht werden.
Zahlreiche Hintergrund-Informationen liefert der Artikel „Pharmawerbung in Patientenlöpfe‘ der BUKO Pharmakampagne (Rundbrief 05/2007, als pdf hier).

Bis zum 7. April 2008 können an der Thematik Interessierte ihre Anmerkungen und Kommentare zum Vorschlag der EU per Email richten an ulla.narhi@ec.europa.eu

Was bezweckt dieser erneute Vorstoß der EU-Kommission?
Bezeichnenderweise ist der Vorgang (wieder einmal) angesiedelt in der Generaldirektion ‚Unternehmen und Industrie‘, und zwar in der Untergruppe ‚Pharmazeutika‘ – nicht etwa in der Direktion ‚Gesundheit‘. Die pharmazeutische Industrie versucht ja immer wieder (wie z.B. 2002 in Deutschland, dokumentiert bei BuKopharma), das Direktwerbeverbot für Medikamente auszuhebeln oder mit ihm äußerst kreativ umzugehen.

Doch auch andere Gruppen scheinen Interesse an mehr ‚Information‘ (oder: Werbung?) für Medikamente zu haben. So fällt beim Lesen des Entwurfs auf, dass fast durchgängig eher die Sprache des Marketings, der Welt der Werber verwendet wird.

Geht es den Initiatoren des Papers um Information, um Patienten-Information? Oder geht es doch schlicht (aber versteckt) nur wieder um Werbung? Was steckt hinter dem immer wiederkehrenden ‚Informationsbedarf‘ der Pharmaindustrie?
Warum wird gerade die europäische Medikamentenbehörde EMEA aus dem Prozeß weitgehend ausgeschlossen, mit dem Hinweis, eine wissenschaftliche Bewertung der ‚Informationen‘ sei ja nicht mehr erforderlich? Während gleichzeitig mit geradezu kabarettistischem Talent betont wird, alles was nicht Werbung sei sei Information?

Kann die Pharmaindustrie selbst, mit ihren originären Vermarktungsinteressen, überhaupt Quelle seriöser, an den Interessen von Patienten orientierter Information sein? Oder führt diese Art der ‚Information‘ nur zu immer neuen ‚Pillen-Absurditäten‚? Wird gar ‚der Bock zum Gärtner gemacht‘?
Braucht es überhaupt neue Regelungen, um patientenorientierte neutrale Informationen bereitzustellen? Oder reichen nicht die bestehenden Möglichkeiten?

Kann Werbung für Arzneimittel sinnvoll sein?
Bisher gab es gute Gründe, das Direktwerbeverbot weiter beizubehalten. Diese gelten auch weiterhin. Was nicht gebraucht wird, ist Werbung für Medikamente.
Was hingegen zu fordern und unterstützen ist, sind unabhängige, verständliche, vertrauenswürdige und leicht zugängige Patienteninformationen – aber bitte aus neutraler Quelle.

Nachtrag 11.03.2008: VerbraucherInnenschutz bleibt auf der Strecke – Pressemitteilung der BUKO Pharmakampagne (als pdf hier)


Pillen-Geschäfte

Besonders mit Aids-Medikamenten lassen sich – allen Klagen der Pharmakonzerne über restriktive Gesundheitspolitik in westlichen Industriestaaten sowie Patent- und Preis-Problemen in ‚Entwicklungsländern‘ zum Trotz – gute Geschäfte machen.
Patente sind immer noch gut für Profite

Die Aktivisten von TAG haben jüngst zusammen gestellt, welche Umsätze Pharmakonzerne weltweit mit ihren Aids-Medikamenten machen. Eine aufschlussreiche Liste:

Umsatz AIDS-Medikamente weltweit 2006

[ Quelle: TAGline September 2007 (pdf)]

Von guten Geschäften mit Aids-Medikamenten zeugen auch ergänzende Meldungen:
– Mit dem jüngst nach Produktionsproblemen zurück gerufenen Nelfinavir (Viracept) erzielte Pharmamulti Roche noch 2006 einen Umsatz von 164 Mio. sFr.
– Und Trimeris, der Entwickler des HIV-Fusionshemmers Enfuvirtide (Handelsname Fuzeon, vermarktet vom Pharmakonzern Roche) gab jüngst bekannt, der Netto-Umsatz mit dem Medikament sei insgesamt im ersten Halbjahr 2007 um 12,1% auf 126,3 Mio. US-$ gestiegen. Außerhalb der USA und Kanadas steig der Umsatz dabei mit 18,2% (auf 64,1 Mio. US-$) besonders deutlich.

Auch zum Welt-Aids-Tag sollte nicht vergessen werden, Aids-Medikamente sind für die Hersteller zuerst auch – ein gutes Geschäft.

Aber auch die ersten Generika-Hersteller geraten in die Kritik: dem indischen Pharma-Konzern Cipla wird vorgeworfen, generische Versionen von Aids-Medikamenten in Indien zu einem überhöhten Preis zu verkaufen.

Der ‚Informationsbedarf‘ der Pharmaindustrie

Die Pharma-Industrie scheint einen neuen Anlauf zu unternehmen, um doch noch das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu kippen. ‚Ran an die PatientInnen‘, scheint die Devise zu lauten.

Derzeit ist direkt an Patientinnen und Patienten gerichtete Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente in der EU untersagt (EU-Richtlinie 2001/81/EG, bes. Artikel 87 und 88).

Auf einer Tagung bestätigte laut ‚BuKo Pharmakampagne‚ der Sprecher des europäischen Pharmaindustrie-Verbandes EFPIA, seine Organisation strebe eine Änderung der betreffenden EU-Richtlinie an. Hintergrund der erneuten Bemühungen der Pharmaindustrie scheinen aktuelle Diskussionen über Patienteninformation zu sein.

Bereits im Jahr 2002 hatte die Pharmaindustrie mit beträchtlichem Aufwand versucht, das europäische Direktwerbe-Verbot zu kippen. Was damals erfolglos war, soll nun scheinbar erneut versucht werden.

Die BuKo Pharmakampagne beschreibt, warum dies nicht im Interesse von Patientinnen und Patienten ist: „PatientInnen brauchen zuverlässige, vergleichende und unabhängige Gesundheitsinformationen, die alle Behandlungsoptionen – auch die der Nicht-Behandlung – einschließen. Die Pharmaindustrie kann jedoch aufgrund ihrer kommerziellen Interessen keine unabhängigen Informationen liefern.“

Der Stern-Reporter Grill, Autor des Buches „Kranke Geschäfte – wie die Pharmaindustrie und manipuliert“ kommentiert: „Es gibt keine Branche, die seit Jahren so hohe Gewinne einfährt wie die Pharma-Branche – und es gibt keine Branche, die den Menschen so viel Sand über ihr wahres Geschäftsgebaren in die Augen streut.“ ((zitiert in Pharmabrief Nr. 6 September 2007))

Unabhängige, möglichst interessenneutrale Gesundheitsinformation ist möglich – sei es durch Patienten-Organisationen und Verbände, sei es mittels unabhängiger Instutute. Für beides gibt es zahlreiche in der Praxis bereits funktionierende Beispiele (wie z.B. Gesundheitsinformationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA oder des Verbraucherzentralen Bundesverbands, Gesundheitsinformationen einzelner Organisationen wie z.B. der Deutschen Aids-Hilfe, oder unabhängige Informationen wie Gesundheitsinformation.de des IQWiG). Diese positiven Ansätze könnten ausgebaut und weiter entwickelt werden.
Worin der Vorteil von Marketing oder ‚Information‘ liegen soll, mit der sich die Pharmaindustrie direkt an PatientInnen wenden will, bleibt unklar.

Zu welchen Auswüchsen es kommen kann, wenn die Pharmaindustrie direkt bei PatientInnen für Medikamente werben darf, lässt sich anschaulich seit vielen Jahren in den USA beobachten. Am Beispiel HIV/Aids: da erklommen z.B. kraftstrotzende junge Männer munter hohe Berge und verkünden dabei stolz, dies alles könnten sie nur dank ‚xyzivir‘ [siehe ein Beispiel hier].

Die Verordnung lebenswichtiger Medikamente, die auch mit Risiken und potenziellen Nebenwirkungen behaftet sind, ist m.E. kein Bereich, der einfach den Kräften des Marktes, vor allem auch von Marketing und Werbeversprechen überlassen werden darf.

Und wenn die Pharmaindustrie nun versuchen sollte, dies über das Hintertürchen der ‚Patienten-Information‘ doch noch zu erreichen – hieße das nicht tatsächlich, frage ich mich, den Bock zum Gärtner zu machen? Wer an den beworbenen Pillen munter (und satt) verdient, wie will der Patienten gleichzeitig neutral und sachgerecht informieren?
Wäre es stattdessen nicht sinnvoller, interessenneutrale und fachlich fundierte Informationen im Interesse von Patientinnen und Patienten zu fördern?

weitere Informationen:
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA
gesundheitsinformation.de – unabhängige und geprüfte Informationen zu Gesundheitsinformationen, erstellt vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
BuKo Pharmakampagne: Gegen den Einfluss der Pillenlobby
Pharmabrief / Pharmawerbung in Patientenköpfe (pdf)
Pharmabrief / Den Bock zum Gärtner machen? (pdf)
hiv-wechselwirkungen.de – Gesundheitsinformationen der Deutschen Aids-Hilfe

Potenz bald rezeptfrei?

Auch Gesundheit und Medikamente sind ein Markt. Klar doch.
Oder nicht?
Geht es nicht um mehr als „nur“ darum, möglichst viel Profit zu machen mit Krankheit und Gesundheit? Sind Medikamente wirklich das gleiche wie Autoreifen oder Fastfood, nämlich nur ein Wirtschaftsgut, mit dem Konzerne versuchen möglichst viel Gewinn zu machen?
Manchmal befürchte ich, ja, auch Medikamente sind nur ein Markt, ein Monopoly, Geschäftemacherei.

Wie bei der Meldung jüngst, der Pharmakonzern Pfizer überlege, seine Potenzpille Viagra auch ohne Rezept zugänglich zu machen.

Und warum, gerade bei Viagra (das ja trotz Rezeptpflicht nicht von den Kassen erstattet wird, sondern vom Anwender selbst zu bezahlen ist)? Hat sich vielleicht bei den vielen Millionen Anwendungen bisher gezeigt, dass dieses Medikament harmlos, ohne potenzielle Nebenwirkungen oder Schäden ist? Oder macht sich ein selbstloser Pharmakonzern Sorgen, dass vielleicht nicht alle Männer in der Lage sein könnten, von den Vorteilen seines tollen Produkts zu profitieren?

Mitnichten, keineswegs.

Der Grund ist vielmehr, ganz profan: Umsatz. Gewinn. Geld.
Auch bei Potenzmittel ist seit der Zulassung der Viagra-Konkurrenten Cialis und Levitra der Wettbewerb ausgebrochen, wenn auch nicht über den Preis, so doch über die ‚Leistung‘. Und diesen Wettbewerb scheint Pfizer nun zu merken, am Viagra-Umsatz (der, nebenbei, allein im dritten Quartal 2006 bei 423 Millionen US-$ lag).

Und klar doch, was liegt da näher, als ein Medikament, zudem ein in seiner Anwendung nicht immer gerade risikoloses, rezeptfrei zugänglich zu machen? Nehmen wir’s mal schnell aus der Rezeptpflicht, wird sich schon ein Weg zu finden (z.B. Dosisänderung).
Umsatzförderung durch Senken der Schwellen?
Dann braucht der schüchterne Mann nicht einmal mehr seinen Arzt zu fragen, sondern kann gleich in den Supermarkt um die Ecke gehen und vielleicht einfach so neben H-Milch und Billig-Bier auch noch eine Packung Potenz kaufen? Und nebenbei stimmt der Umsatz dann auch wieder?

Und wann dreht die BZgA dann einen Spot mit „Tina, wat kosten die Viagra?“
Und wo bleibt der Unterschied zwischen Medikamenten und Waschmittel?

Fette Hunde

Hunde können anscheinend intelligent sein und sogar Schilder lesen. Hunde können aber anscheinend (wie ihre Herrchen und Frauchen) auch zu fett werden.

Wie gut, dass wir da die fürsorgliche Industrie haben. Denn: die Überfluss-Gesellschaft hat eine neue Errungenschaft geboren, die Abnehm-Pille für fette Hunde.

Der Wirkstoff Dirlotapide gegen Fettleibigkeit im Tier-Bereich wurde am 4.1.2007 mit Wirkung ab 12. Dezember 2006 von der US-Medikamentenbehörde FDA für Hunde zugelassen. Die FDA begrüßte dies als Bereicherung für die Tiermedizin, weil Fettleibigkeit bei Hunden ein zunehmendes Problem sei.

Eine Fettpille für Hunde halte ich für mindestens so überflüssig und dekadent wie Biofutter für Hunde

… und jeglichen Kommentar, wie viele Menschen täglich auf der Welt sterben an den Folgen von Mangelernährung oder Erkrankungen, die mit Medikamenten wirkungsvoll bekämpft werden könnten, die nur Cent-Beträge kosten (oder noch nicht entwickelt wurden, weil sie für die Pharmaindustrie zu wenig Profit versprechen), versuche ich mir zu verkneifen …

… und werde den Gedanken nicht los, warum Hersteller Pfizer nicht direkt auch noch Viagra für Hunde auf den Markt bringt? Gewinn bringt das bestimmt auch …

Aids-Politik: zurück zu law and order?

Die Bundesregierung plant, demnächst einen „Aktionsplan zur Umsetzung der HIV/AIDS-Strategie“ vorzulegen. Im Entwurf findet sich im Detail viel Ärgerliches – und die unterschwellige Tendenz, zukünftig mehr auf ‚law and order‘ zu setzen.

Die Unkorrektheiten beginnen gleich bei den Infektionszahlen, auf deren Basis argumentiert wird.
Da wird munter durcheinander von HIV-Neuinfektionen und HIV-Neudiagnosen gesprochen – als sei beides das gleiche. Und später wird behauptet „Gegenwärtig kommt es unter den MSM zu etwa 2.000 Neuinfektionen pro Jahr“. Hat da jemand etwas verwechselt? Das Robert-Koch-Institut spricht von 1.197 neu diagnostizierten HIV-Infektionen im ersten Halbjahr 2006 und einem Anteil von MSM (= Männer, die Sex mit Männern haben) von 62%. Das ergibt auf’s Jahr gerechnet ca. 1.480 Neudiagnosen (und nicht Neu-Infektionen) bei MSM im Jahr 2006 – nicht 2.000. Ein Versehen? Oder vielleicht Ausdruck eines Wunsches, eine Zahlenbasis für stärker repressive Maßnahmen bei MSM zu haben?

Weiter geht’s mit dem Thema ‚Verharmlosung von HIV‘. Die „Bagatellisierung des Risikos aufgrund eines unkritischen Therapieoptimismus“ betont der Entwurf. Genau, und wer macht die? Die beschönigenden Plakate und Anzeigenkampagnen z.B. mit bergsteigenden Positiven einer sehr marketingaggressiven Pharmaindustrie dürften ja nicht gerade unbeteiligt dabei sein! Was fällt dem Aktionsplan aber dazu ein? Die DAH sei dafür zuständig, brauche eine „verstärkte Aufklärung über die gravierenden Folgen einer HIV-Infektion, um einer in der Öffentlichkeit und Zielgruppen empfundenen Verharmlosung der HIV-Infektion wirksam entgegenzutreten“. Wie wär’s mal der Pharmaindustrie auf die Finger zu klopfen? Aber stattdessen wird der Verband (VfA) nur mal nett gefragt, ob man denn nicht freiwillig … und könnte … und würde …

Wenn jedoch die Pharmaindustrie direkt an die Patienten will [was mit vielen fragwürdigen, teils riskanten Folgen verbunden sein kann, siehe nur die US-Pharmawerbung in Positivenmagazinen, die viel dreister ist als alles, was bisher in den Szeneblättchen in Deutschland zu bestaunen war] ist die Bundesregierung anscheinend sehr kulant und interessiert. Da könne man ja die Selbstkontrolle entsprechend einbeziehen, wird in dem Plan laut gedacht.
Direktwerbung an Patienten jetzt also durch die Hintertür vermeintlicher Präventionsarbeit? [Mal ehrlich, auch wenn’s sarkastisch scheint, die Pharmaindustrie dürfte doch eher Interesse an mehr als an weniger Patienten haben, oder? Erst recht bei den Pillenpreisen …]

Auch beim HIV-Test gibt’s Neues – und einen Richtungswechsel. So findet sich dort die Forderung nach „Verstärkung der Kondomempfehlung und Werbung für HIV- und STD-Testung“ unter der Überschrift „Die DAH muss ihre Präventionsarbeit anpassen“. Und später wird noch deutlicher von „Routine-HIV-Testung“ als „Option zum Schutz vor einer HIV-Infektion“ gesprochen, oder vom HIV-Test mit seiner „neuen Relevanz für die Primärprävention“.

Und was die „kommerziellen Sexanbieter“ angeht (darunter dürften wohl auch Darkroom-Kneipen fallen): „Verbindliche Regelungen bei Betriebsbewilligungen und Kontrollen ihrer Einhaltung“ soll es erst geben, wenn eine Studie einen ’safer Environment Ansatz‘ als erfolgreich belegt (in der Praxis z.B. mit der freiwilligen Präventionsvereinbarung umgesetzt).
Das klingt beruhigend, heißt aber im Klartext doch wohl nichts anderes, als dass demnächst staatlicherseits Ärger droht, wenn Betriebe keine Kondome etc. auslegen. Was ja eine sinnvolle Maßnahme ist – aber mit Zwang? Rückkehr zu einer Law-and-Order-Politik?

Freiheitliche Ansätze hingegen fehlen weitgehend. Wie wäre es z.B. der Verbesserung der Situation von (und Präventionsmöglichkeiten bei) Menschen im Knast? Wie wäre es, etwas zu unternehmen, um Spritzentausch zu ermöglichen und leichte Kondomverfügbarkeit im Knast zu erhöhen? Fehlanzeige! Stattdessen wird larmoyant die unbefriedigende Situation in Haftanstalten beklagt, an die Länder appelliert und ansonsten auf eine Studie verwiesen, die erst 2007 Ergebnisse bringen soll.
Und warum wird unter dem Punkt „Einreise HIV-infizierter Ausländer“ jede Möglichkeit der ‚Prüfung der Gesundheit einreisender Ausländer‘ betont? Einschließlich der Möglichkeit, die Einreise zu verweigern? Nur, um dann doppeldeutig zu betonen, grenzpolizeiliche Zurückweisungen seien ‚allein wegen HIV/Aids weder Praxis noch vorgesehen‘?

Insgesamt vermitteln weite Teile des Papiers unterschwellig die Tendenz, nicht mehr auf freiheitliche Lösungen zu setzen (wie die Handlungskompetenz des Einzelnen zu fördern), sondern zukünftig mehr auf Rechtsstaat und ordnungspolitische Maßnahmen zu setzen – eine verkappte Rückkehr zu ‚law and order‘ in der Aids-Politik? Ein langsamer Richtungswechsel in der deutschen Aids-Politik?

Es steht noch viel mehr Ärgerliches in diesem Entwurf für den Aktionsplan (wie eine „Meldepflicht für HIV-Primärresistenzen“ – allein mir fehlt Lust und Geduld, das alles zu kommentieren …