Video: Gesundheitsministerin von Kanada bei Rede in Washington von Protesten unterbrochen

Die Gesundheitsministerin von Kanada , Leona Aglukkaq, sah sich auf der XIX. Internationalen Aids-Konferenz Protesten ausgesetzt – wegen ihrer Aids-Politik, insbes. ihrer Weigerung, Druckräume und harm reduction zu unterstützen.

Die Gesundheitsministerin Kanadas, Leona Aglukkaq, ist kein Fan von harm reduction. Harm Reduction bedeutet Strategien, die dazu dienen, Risiken zu minimieren, Schaden helfen abzuwenden. Konkret z.B., DrogengebraucherInnen die Möglichkeit zu bieten, Drogen sicher zu konsumieren, indem saubere Spritzbestecke oder Druckräume zur Verfügung stehen. Leona Aglukkaq, Gesundheitsministerin Kanadas, schwebt hingegen weiterhin eine drogenfreie Gesellschaft vor – pragmatische Politik wie Druckräume, Spritzbestecke bereitzustellen lehnt sie ab.

Als der Oberste Gerichtshof Kanadas jüngst in einem Urteil zu Gunsten des einzigen (!) in Kanada existiereden Druckraums (Insite) entschied (nach Versuchen, diesen zur Schließung zu zwingen), äußerte sie ihre Enttäuschung über das Urteil.

Enttäuscht, wütend über das Verhalten ihrer Gesundheistministerin, protestierten kanadische Aids-Aktivisten während der Rede, die Leona Aglukkaq auf der XIX. Internationalen Aids-Konferenz während einer Session hielt:

Seit Jahren protesieren Aktivisten gegen die sehr harte Drogenpolitik Kanadas, die sie als sehr einseitig auf ’no drugs‘ ausgerichtet sehen (siehe ondamaris 23.07.2012: ‘Krieg gegen Drogengebraucher’ – Proteste gegen Kanadas Drogen-Politik)

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weitere Informationen:
Insite 20.07.2012: Safe Injection Advocates Interrupt Health Minister Urging Visit to Insite
Health Canada 25.07.2012: Speech by the Minister of Health the Honourable Leona Aglukkaq – AIDS 2012 – Regional Session on USA and Canada
queer.de 26.07.2012: „Act Up“ ist zurück
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Deutsche AIDS-Hilfe kritisiert menschenverachtende Gerichtsbeschlüsse

Das Landgericht Augsburg hat die Klagen zweier heroinabhängiger Häftlinge auf eine Substitutionsbehandlung zurückgewiesen.

Die Justizvollzugsanstalt Kaisheim habe die Behandlung zu Recht abgelehnt, heißt es in den bisher unveröffentlichten Beschlüssen vom 28.3.2012. Die Substitution der Gefangenen – einer davon HIV-positiv und mit dem Hepatitis-C-Erreger HCV infiziert – sei medizinisch nicht angezeigt.

Dazu erklärt Sylvia Urban, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH):

„Die Substitution steht den Gefangenen nach den Richtlinien der Bundesärztekammer zu. Wie in bayerischen Haftanstalten üblich, wird ihnen aus ideologischen Gründen eine wirksame Behandlung vorenthalten. Das schädigt ihre Gesundheit und möglicherweise auch die Gesundheit anderer Häftlinge. Das Gericht hat es versäumt, eine unabhängige fachliche Expertise einzuholen. Die Beschlüsse sind voller fachlicher Fehler und Missverständnisse.“

Das Gericht argumentiert unter anderem, es bestehe keine Aussicht auf Heilung. Die Gefangenen seien schon sehr lange abhängig und hätten bereits erfolglose Therapieversuche hinter sich. Damit nennt das Gericht genau die Kriterien, nach denen eine Substitution gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer sinnvoll ist.

Die Behandlung mit einem Ersatzstoff wie Methadon nimmt schwer Abhängigen den Suchtdruck, sodass kein Bedürfnis mehr nach Heroinkonsum besteht. So werden gesundheitliche Belastungen reduziert. Die Gefahr einer Übertragung von HIV oder HCV durch gemeinsam genutzte Spritzen wird ausgeschaltet. Zugleich dient die Substitution dem Vollzugsziel der Resozialisierung nach der Haftentlassung.

In der Begründung des Gerichts offenbart sich demgegenüber ein erschreckendes Menschenbild: Dem einen Gefangenen attestiert der Richter, er suche „bewusst die Illegalität“. Im anderen Fall betont er, die JVA habe bei dem Häftling „völlig zu Recht“ eine „antisoziale Persönlichkeitsstruktur“ ausgemacht.

„Von einem Verständnis der Abhängigkeit als behandlungsbedürftiger Krankheit fehlt hier jede Spur“, sagt DAH-Haftexpertin Bärbel Knorr. „Die Sucht als Charakterschwäche darzustellen, kann man nur menschenverachtend nennen. Die Begründung der Gerichtsbeschlüsse entbehrt jeder fachlichen Grundlage.“

Der Stellungnahme einer auf Substitution spezialisierten Ärztin der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) maß das Gericht keine Bedeutung bei. Es bestehe auch „keinerlei Grund, zu dieser medizinischen Frage ein Sachverständigengutachten einzuholen“ und an der Einschätzung der Anstaltsärzte zu zweifeln. Diese aber haben offenbar nicht die suchtmedizinische Ausbildung, die sie zu Substitution und entsprechenden Expertisen befähigen würde.

Alles deutet darauf hin, dass die Substitution aus prinzipiellen Gründen abgelehnt wird. Während Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin die Möglichkeiten zur Substitution in Haft ausbauen, ist diese hoch wirksame präventive Maßnahme in Bayern weiter verpönt und wird nur in Ausnahmefällen gewährt.

Sogar laufende Substitutionstherapien werden durch Inhaftierung beendet. Das zeigt ein weiterer aktueller Fall: Ein erfolgreich substituierter Mann kam nach einem kurzzeitigen Rückfall in Haft, wo man ihm die Weiterbehandlung verwehrte. Die Haftanstalt überließ den Mann seiner Sucht und damit erheblichen gesundheitlichen Risiken.

Laut Bayerischem Strafvollzugsgesetz müssen Gefangene eine genauso gute medizinische Behandlung erhalten wie Menschen in Freiheit. Gemäß Artikel 60 haben sie Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

„Diese Rechte werden in Bayern durch die Verweigerung von Substitution fortwährend missachtet“, sagt DAH-Vorstand Sylvia Urban. „Die Landesregierung steht in der Pflicht, das medizinische Personal in den Anstalten aus- und weiterzubilden, damit auch in Haft eine bedarfsgerechte Versorgung von Suchtkranken gewährleistet ist.“

(Pressemitteilung DAH)

„Menschenrechte von inhaftierten Drogengebrauchern achten – Gesundheit und Leben schützen!“

Die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) möchte ein Zeichen für eine bessere gesundheitliche Versorgung von Menschen in Haft setzen – und hat dazu eine Unterschriften-Aktion gestartet.

Die DAH erläutert:

„Inhaftierte in Deutschland sind bislang von vielen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz ausgeschlossen. Unter anderem werden ihnen Möglichkeiten vorenthalten, sich vor HIV und Hepatitis zu schützen. Das ist ein Skandal und steht im Widerspruch zum Menschenrecht auf den besten erreichbaren Gesundheitszustand.“

Die DAH hat hierzu einen Aufruf gestartet. Dieser hat zum Ziel

„Alle Inhaftierten müssen die Möglichkeit haben, ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer zu schützen! Wir fordern daher:
– Vergabe steriler Spritzen in Haft
– die umfassende Möglichkeit der Substitutionsbehandlung in Haft
– anonyme Zugänglichkeit von Kondomen und Gleitgel“

Die DAH strebt eine Zahl von mindestens 1.000 Unterzeichnern des Aufrufs an. Die Unterschriften sollen anlässlich der Justizministerkonferenz am 9. November 2011 in Berlin den Justizministern der Länder überreicht werden.

Weitere Informationen zum Aufruf und Möglichkeit, diesen mitzuzeichnen / zu unterstützen auf der Internetseite ‚Drogen und Menschenrechte‘.

UN-Versammlung zu HIV/Aids: kirchlicher Fundamentalismus und moralischer Imperialismus, Teilnehmer protestieren

In New York fand am 10. Juni 2011 das High Level Meeting on HIV/Aids statt. Die Teilnehmer verabschiedeten als Ergebnis die Erklärung “Political Declaration on HIV/AIDS: Intensifying our Efforts to Eliminate HIV/AIDS”. Die Stellungnahme der Vertreterin des Vatikans löste Unmutsbekundungen aus.

Vor der Verabschiedung der gemeinsamen Deklaration debattierten die Teilnehmer über Themen wie Aids-Prävention, Zugang zu Therapie oder harm reduction. Während des Statements der Vertreterin des Vatikans kam es dabei zu deutlichen Unmutsbekundungen der Teilnehmer/innen des High Level Meetings.

Die Vertreterin des Vatikans (‚Heiliger Stuhl‘, holy see) betonte den für den Vatikan zentralen Wert der Familie:

„… states must acknowledge that the family based on marriage is indispensabel in the fight against HIV and AIDS. For the family is where children learn moral values to help them live in a responsable manner  and where the greater part of care and support is provided.“

H.E. Ms. Jane Adolphe während ihrer Stellungnahme für den Vatikan beim UN High Level Meeting on HIV/Aids 2011
H.E. Ms. Jane Adolphe während ihrer Stellungnahme für den Vatikan beim UN High Level Meeting on HIV/Aids 2011 (Screenshot aus Webcast)

Sie wandte sich in ihrer Stellungnahme gegen den Begriff „populations at high risk“, da dieser den falschen Eindruck erwecken könne, dass manche Verhaltensweisen als „moralisch akzeptabel“ betrachtet werden könnten.

Der Vatikan wandte sich gegen harm reduction

„An observer for the Holy See, however, rejected the text’s references to so-called “harm reduction”, and efforts related to drug abuse, saying that those terms falsely suggested that those suffering from HIV/AIDS could not break free from the cycle of addiction.“

Der Vatikan befürworte nicht die Verwendung von Kondomen als Teil der HIV/Aids-Prävention – an dieser Stelle kam es – ungewöhnlich genug – zu lauten Unmuts-Bekundungen seitens der Teilnehmer des High Level Meetings. Es dürfe nicht darum gehen, riskante und gefährliche Formen des Verhaltens  als Teil eines akzeptablen Lebensstils darzustellen. Die einzige sichere Methode, sexuelle HIV-Übertragung zu vermeiden, sei Abstinenz vor der Ehe und sexuelle Treue in der Ehe (erneute Unmutsbekundungen):

„… the Holy See did not promote the use of condoms in sexual education and HIV prevention.  Efforts should focus, not on trying to convince the world that dangerous behaviour formed part of an acceptable lifestyle, but on risk-avoidance that was ethically and empirically sound.  The only safe and completely reliable method to prevent HIV was abstinence before marriage and respect and mutual fidelity within marriage, which was and must always be the foundation of any discussion of prevention and support.“

Der Vatikan lehne zudem die Bezeichnung sex worker für Prostituierte ab, dies könne kein Beruf sein.

Benötigt werde ein Werte-basierter Ansatz für die Aids-Bekämpfung und ein Leben in Übereinstimmung mit den natürlichen moralischen Werten der Welt.

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weitere Informationen:
2011 High level Meeting on Aids: Statetment Holy See – H.E. Ms. Jane Adolphe, on behalf of Archbishop Francis Chullikatt, Permanent Observer for the Holy See (mit Video)
2011 High level Meeting on Aids: Sitzungsprotokoll (GA/11093)
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Unterschriftenaktion: Schadensminimierung für Drogengebraucher umsetzen!

Die am 7. April in Beirut zu Ende gegangene internationale Harm-Reduction-Konferenz hat die internationale Gemeinschaft zu wirkungsvollen Programmen für Drogengebraucher aufgefordert.

In einer bereits zu Beginn der Konferenz verabschiedeten Erklärung weisen die rund 1.500 Teilnehmer darauf hin, dass von den weltweit rund 33 Millionen Menschen mit HIV knapp zehn Prozent intravenös Drogen gebrauchen und dass bis zu 80 Prozent der HIV-Infektionen in Osteuropa und Zentralasien auf den intravenösen Drogenkonsum zurückgehen.

Das auf den UN-Vollversammlungen zu HIV und Aids in den Jahren 2001 und 2006 verabredete Ziel, rasch „koordinierte und nachhaltige Maßnahmen“ für intravenös Drogen Gebrauchende und ihr Umfeld zu schaffen, sei bisher nicht umgesetzt worden. Der Anteil der Menschen, die sich durch den Gebrauch von Spritzdrogen mit HIV infizieren, nehme zu, die Infektionen zögen verheerende Folgen für den Einzelnen und sein Umfeld nach sich.

Wirkungsvolle und bedarfsorientierte Programme für HIV-infizierte oder besonders gefährdete Drogengebraucher setzten die Übernahme von Führungsverantwortung auf globaler Ebene, eine entsprechende Politik auf nationaler Ebene und die Bereitstellung angemessener finanzieller Mittel voraus. Mit Blick auf das im Juni stattfindende High-Level-Meeting der Vereinten Nationen zu HIV und Aids fordern die Unterzeichner der Erklärung,

* anzuerkennen, dass Drogengebraucher als eine der am stärksten von HIV/Aids bedrohten und betroffenen Gruppen bisher keinen umfassenden Zugang zu Prävention, Behandlung, Versorgung und Unterstützung haben,
* eben diesen Zugang zu schaffen und Programme zur Schadensminimierung aufzubauen,
* gesetzliche und politische Schranken, die diesem Ziel entgegenstehen, aus dem Weg zu räumen und die Drogenpolitik an wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Menschenrechten zu orientieren.

Dass die Veranstalter der Konferenz, die International Harm Reduction Association (IHRA), Beirut als Austragungsort gewählt haben, ist in diesem Zusammenhang kein Zufall: Gerade in den Ländern des Mittleren Ostens und Nordafrikas veränderten sich die Muster von Drogen-, Tabak- und Alkoholmissbrauch rapide. Einige Staaten hätten bereits Programme zur Schadensreduzierung eingeführt, von denen andere lernen könnten. Es gebe ein großes Interesse an drogenpolitischen Modellen und damit auch die Möglichkeit, Ansätze zur Schadensminimierung voranzutreiben.

Die Erklärung kann man unter www.ihra.net/declaration online unterzeichnen.

(Meldung der DAH)

Deutsche AIDS-Hilfe kritisiert Medienberichte über Substitution

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) widerspricht negativen und fachlich teilweise falschen Berichten zur Substitutionsbehandlung von Opiatkonsumenten in der Ärztezeitung und in Medien der WAZ-Gruppe („Junkies nehmen Heroin und dealen mit Methadon“). Zum wiederholten Mal entsteht in der Öffentlichkeit durch falsche Informationen der Eindruck, viele Substituierte würden weiterhin Heroin konsumieren und ihr Substitut auf dem Schwarzmarkt weiterverkaufen. Dieses pauschale Bild entspricht nicht der Wirklichkeit. Substitution ist die weltweit erfolgreichste Behandlungsform für Heroinkonsumenten und rettet in Deutschland Zehntausenden das Leben.

Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH erklärt hierzu: „Substitutionspatienten werden in diesen Berichten diskreditiert, indem sie als Dealer und Betrüger dargestellt werden. Die positiven Effekte der Substitutionsbehandlung fallen unter den Tisch. Substitution ermöglicht den Betroffenen den Ausstieg aus der Drogenszene und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Viele können zum Beispiel wieder arbeiten.“

Die WAZ-Medien zitieren einen FDP-Landtagsabgeordneten, der sich auf nicht näher bezeichnete Studien bezieht. Die Ärztezeitung nimmt in ihrem Bericht Bezug auf die bekannte ZIS-Studie, zieht aber falsche Schlüsse. Bereits nach Veröffentlichung der Studie im Jahr 2009 erläuterten die Autoren: „Bei den befragten 806 Personen handelt es sich zum großen Teil um sozial desintegrierte, schwer kranke Personen, die im Umfeld von Drogenkonsumräumen kontaktiert wurden, und nicht um reguläre, integrierte Substitutionspatienten.“ Die Wissenschaftler reagierten damit auf fehlerhafte Berichte über die Studie, unter anderem im Spiegel.

Das Thema Beikonsum (Drogenkonsum zusätzlich zum Medikament, das die Droge ersetzt) wird immer wieder falsch dargestellt. Indem etwa Kokain, Medikamente und Alkohol in einem Atemzug mit Heroin genannt werden, entsteht der Eindruck, viele Substituierte würden weiter Heroin konsumieren. Das kommt aber nur relativ selten vor.

Dazu Dirk Schäffer, DAH-Referent für Drogen und Strafvollzug: „Drogenabhängige konsumieren oft viele Substanzen. Die Substitutionsmedikamente wirken ausschließlich gegen die Opiatabhängigkeit. Der missbräuchliche Konsum anderer Substanzen wird nicht beeinflusst. Hier werden unrealistische Erwartungen an die Substitutionsbehandlung gerichtet.“

Auch der reflexartige Ruf nach mehr Kontrolle der Substitutionsbehandlung verkennt die Realität. Substitution ist bereits heute so engmaschig reglementiert, dass viele Ärzte den Aufwand scheuen und aus dieser Behandlungsform aussteigen. Ein Höchstmaß an Regeln und Kontrollen erschwert zugleich vielen Abhängigen den Einstieg in die Behandlung.

Statt Substitution in Frage zu stellen, muss es darum gehen, die Palette der zur Verfügung stehenden Medikamente zu erweitern, um noch mehr Heroinkonsumenten eine für sie passende Behandlung anbieten zu können. Nach den Ergebnissen der „Heroinstudie“ in Deutschland profitieren sowohl bisher nicht erreichte Heroinkonsumenten als auch so genannte „Substitutionsversager“ von einer Behandlung mit Diamorphin (pharmazeutisch reines Heroin).

Darüber hinaus gilt es, den Wiedereinstieg in Arbeit und Beschäftigung weiter zu erleichtern und damit die Fähigkeit zur Eigenverantwortung zu stärken. Beikonsum kann auf diesem Weg reduziert werden.

(Pressemitteilung der DAH)

‚Krieg gegen Drogengebraucher‘ – Proteste gegen Kanadas Drogen-Politik (akt.)

Kanadas Regierung hält in der Drogen-Politik nichts von harm reduction. Keine sauberen Spritzbestecke für Drogengebraucher, dafür harte ’no drugs‘-Politik. Das sei kein ‚Krieg gegen Drogen‘, sondern Krieg gegen Drogengebraucher, kritisierten Demonstranten auf einer Aktion gegen den Stand Kanadas auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz.

Mit einem Die-In und einem Blockieren des Stands Kanadas auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz protestierten etwa 50 Aids-Aktivisten am 20. Juli 2010 gegen die Drogen-Politik der kanadischen Regierung. Sie ‚verpackten‘ den Stand Kanadas und riefen Parolen wie „The war on drugs is a war on us! Support harm reduction now“. Ein Demonstrant soll vom Konferenzort verwiesen worden sein, da er Banner des kanadischen Stands beschädigt habe.

Kanadas Regierung unter Steven Harper weigert sich seit langem, saubere Spritzbestecke und andere Maßnahmen des ‚harm reduction‚ anzubieten.

Dem gegenüber betonten die Demonstranten, es gebe überwältigend viel Evidenz, dass das Konzept der ‚harm reduction‘ ein Erfolgskonzept sei bei der Bekämpfung der HIV-Transmission.

Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)
Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)
Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)
Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)

Die Demonstranten verwiesen insbesondere auf die ‚Wiener Erklärung‚. Doch Kanadas Delegation bei der Wiener Welt-Aids-Konferenz weigert sich, diese Abschluss-Erklärung der Konferenz zu unterzeichnen. Einige Punkte der ‚Wiener Erklärung‚ passten nicht zur gültigen ‚Nationalen Anti-Drogen-Strategie‘, so Charlene Wiles von der Public Health Agency Kanadas zur Begründung.

Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)
Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)

Danke an Dirk Sander für die Fotos!

Nachtrag 23.07.2010, 13:50 Uhr:
Hram Reduction wird auch von internationalen Agenturen blockiert. So von UNODC, dem United Nation Office on Drugs and Crimes. ACT UP Paris fordert UNODC auf, seinen Krieg gegen Drogengebraucher/innen zu stoppen und die ‚Wiener Erklärung‚ zu unterzeichnen.
ACT UP Paris 23.07.2010: UNODC : War against drugs is war againt drug users

weitere Informationen:
canadian harm reduction network
Xtra 21.07.2010: Canadian booth shut down in Vienna

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Deutsche AIDS-Hilfe: Diamorphinbehandlung verbessert Situation der Betroffenen erheblich

Anlässlich des heutigen 12. bundesweiten Gedenktages für verstorbene Drogengebraucher fordert die Deutsche Aids-Hilfe mit Nachdruck eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung um die gesundheitliche und soziale Situation Drogen gebrauchender Menschen sowie die rasche Aufnahme der Drogensubstitution in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Jedes Jahr am 21. Juli erinnern Angehörige, Freunde und solidarische Mitbürger an die im Vorjahr verstorbenen Drogengebraucher. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen in über 40 Städten fordern sie dabei auch ein menschenwürdiges Leben mit Drogen. 2009 kamen in Deutschland nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit 1.331 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen ums Leben – ein Rückgang um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr (1.449): „Die meisten von ihnen starben an Überdosen von Heroin und einem Mischkonsum mit anderen Drogen. Gesundheitliche Langzeitschädigungen, insbesondere durch Infektionskrankheiten wie Hepatitis und AIDS, sind in zunehmendem Maße Mitursache vieler Todesfälle“ erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Mechthild Dyckmans.

Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH: „Ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Situation von Opiatabhängigen ist die Substitutionsbehandlung mit Diamorphin. Die DAH hat sich seit Jahren massiv dafür eingesetzt, dass die Drogensubstitution in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wird. Ich rechne damit, dass spätestens im Herbst diese Behandlung bei den gesetzlichen Krankenkassen abrechenbar wird.“

Beschluss des Bewertungsausschuss zur Gebührenposition der o.g. Substitutionsbehandlung: http://www.institut-des-bewertungsausschusses.de/ba/babeschluesse/2010-0…

(Pressemitteilung der DAH)

Anmerkung ondamaris 21.07.2010: Die Berliner Gesundheitssenatorin Lompscher kündigte am 21.07.2010 an, ab 1. Oktober Diamorphin auf Rezept in Berlin verfügbar machen zu wollen.

Harm Reduction – Erfolgs-Konzept der Aids-Politik

Was ist Harm Reduction?

Harm Reduction ist derzeit der vielversprechendste Ansatz in der Arbeit mit DrogengebraucherInnen. Die Internationale Aids-Konferenz in Wien (18.-23. Juli) widmet ihm einen eigenen Thementag. DAH-Referent Dirk Schäffer erklärt, warum die Einführung von Harm Reduktion Angeboten unbedingt notwendig war und das bis dahin sehr eindimensionale Hilfesystem verbesserte.

Herr Schäffer, in der Drogenhilfe hört man oft den Begriff Harm Reduction? Was ist das?
Auf Deutsch bedeutet Harm Reduction „Schadensminderung“. Ein klassisches Beispiel für ein solches Angebot ist der Spritzentausch. Bis 1992 war die Abgabe von Spritzen und Nadeln für den Drogenkonsum ein Straftatbestand. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat mit ihrer Arbeit maßgeblich dazu beigetragen, dass das heute legal ist. Heute erhalten Drogenkonsumenten in Aids- und Drogenhilfen, in Apotheken sowie an Automaten steriles Zubehör. Ein wichtiger Schritt zur Vermeidung von HIV!

Was steckt hinter diesem Ansatz?
Entscheidend dabei ist: Es geht primär nicht um Abstinenz, sondern darum, unmittelbare gesundheitliche Schäden für Drogenkonsumenten zu reduzieren und ihr Überleben zu sichern.

Gleichzeitig erleichtert es den Konsum. Verleitet das Konzept nicht dazu, Drogen mal auszuprobieren?
Den Vorwurf hören wir häufig, aber er trifft nicht zu. Solche Angebote richten sich nicht an Personen die keine Drogenerfahrung haben und werden von solchen auch nicht wahrgenommen. Zielgruppe von Harm Reduction sind Menschen mit Drogenerfahrung, die zum Konsum entschlossen sind,– aus welchen Gründen auch immer.

Wie ist man auf die Idee „Harm Reduction“ gekommen?
Man musste einfach feststellen, dass die damaligen Angebote der Drogenhilfe wie Entzug oder Abstinenztherapien nur eine geringe Reichweite hatten. Und die Erfolge waren sehr überschaubar. Studien zeigen, dass bei solchen Programmen nur etwa 10 bis 15 Prozent der Teilnehmenden dauerhaft abstinent bleiben. Der weitaus größere Teil konsumiert danach wieder.

Eine schlechte Quote. Was ist noch neu an diesem Konzept?
Harm Reduction verpflichtet zu einem respektvollen Umgang mit Drogenkonsumenten und verzichtet auf alle Appelle zur sofortigen Verhaltsänderung. Darüber hinaus werden an die Inanspruchnahme solcher Angebote keine Vorbedingungen geknüpft. Harm Reduction Angebote sind also „niedrigschwellig“ Wir akzeptieren es, wenn jemand psychoaktive Stoffe nimmt, und nehmen ihn so an, wie er ist. Anders kann die Arbeit mit Drogen gebrauchenden Menschen gar nicht funktionieren.

Warum ist das so wichtig?
Wie bei allen anderen Gesundheitsproblemen gilt: Wer helfen will, darf nicht nur auf die Defizite der Menschen fokussieren, sondern sollte auch ihre Ressourcen und Fähigkeiten im Blick haben. Auch in einer schwierigen Lage hat jeder Mensch noch viele Kompetenzen, die ihm weiterhelfen können. Diese wollen wir stärken und so den gesundheitlichen Schaden gering halten.

Sie stellen diesen Ansatz auch auf der Internationalen Aidskonferenz in Wien vor. Ist Harm Reduction dort noch umstritten?
Nein, der Siegeszug von Harm Reduction ist nicht mehr aufzuhalten. Die meisten Staaten haben das Konzept inzwischen in ihre Drogenpolitik aufgenommen. Auch konservative Regierungen erkennen inzwischen, dass sie nur so die Ausbreitung von HIV stoppen können.

Was erwarten Sie von der Konferenz in Wien?
Unser Ziel ist es, dem Harm-Reduction-Ansatz auch in Osteuropa zum Durchbruch zu verhelfen. In Russland zum Beispiel wird Spritzentausch bisher nur durch internationale Projekte durchgeführt, die Regierung hat die Strategie bis heute nicht übernommen. Selbst die weltweit erfolgreiche Substitutionsbehandlung ist dort illegal. Dabei wäre auch das eine sehr wirkungsvolle Maßnahme der Schadensminderung.

Welche Botschaft wollen Sie dort verbreiten?
Auch Menschen, die Drogen gebrauchen, können Verantwortung übernehmen! Das deutsche Netzwerk JES ist ein gutes Beispiel, das es so nirgendwo sonst gibt: Hier unterstützen sich Drogenkonsumierende, Substituierte und Ehemalige gegenseitig. Damit Selbsthilfe funktioniert, braucht sie Akzeptanz, Einbeziehung und Wertschätzung. Eine Prävention die von oben und außen aufgesetzt wird, kann nicht wirken. Auch Menschen, die Drogen gebrauchen, wollen sich nicht fernsteuern lassen, sondern selbst entscheiden – auch darüber, was und wann sie konsumieren.

(Pressemitteilung der DAH)

New York: Kontroverse um Safer Use

Risiken minimieren, HIV-Infektionen vermeiden – auch beim Drogengebrauch? In New York hat sich eine kontroverse um eine safer use – Kampagne entzündet.

Die Stadtverwaltung von New York legte eine Broschüre für Drogengebraucher/innen auf. Ziel sei es, so die Stadt, Menschen die intravenös Drogen konsumieren zu helfen soweit möglich Schäden zu vermeiden.

In der Broschüre informiert die Stadt unter anderem über gesundheitliche Themen im Zusammenhang mit dem intravenösen Gebrauch von Drogen, auch über HIV und Aids. Und darüber, wie durch Techniken des ’safer use‘, des sichereren Drogenkonsums, gesundheitliche Probleme vermindert, u.a. auch das Risiko einer HIV-Übertragung deutlich reduziert werden kann.

Die Stadt New York (bzw. deren Department of Health and Mental Hygiene) ließ im Rahmen einer größeren Kampagne 70.000 Exemplare der 16-seitigen Broschüre „Take Charge, Take Care – 10 Tips for safer use“ drucken, für insgesamt 32.000$. Sie wurde gezielt bei drogengebrauchenden Menschen verteilt.
Die Broschüre wurde einem Bericht von CNN zufolge bereits 2007 erstellt, gerät aber erst jetzt in die Kritik.

Safer Use - Broschüre der Stadt New York
Safer Use - Broschüre der Stadt New York

Derartige Informationen, um beim Drogengebrauch Risiken zu minimieren, sind im Rahmen von harm reduction international erfolgreich und auch in Deutschland längst akzeptiert. Die Neu-Infektionszahlen mit HIV bei Drogengebraucher/innen wären vermutlich wesentlich höher, gäbe es nicht Kampagnen zu safer use, Spritzentausch und Gesundheitsförderung.

Doch nicht so in den USA. Was selbst UNAIDS empfiehlt, muss nicht in den USA akzeptiert werden, wie die Stadt New York nun merkt: Vertreter der staatlichen Drogenbehörde DEA argumentieren in Medien gegen die Broschüre. Sie hielte niemanden davon ab, Drogen zu konsumieren – die Broschüre sei im Gegenteil eine Art „Gebrauchsanweisung für Drogenkonsum“, so der höchste New Yorker DEA-Vertreter. Die Boulevard-Presse springt bereitwillig auf, mit ‚Argumenten‘ wie ‚Verschwendung von Steuergeldern‘ oder ‚Erziehung zum Heroinspritzen‘, agitiert mit Schlagzeile wie ‚Heroin für Dummies‘.

New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg verteidigte die Broschüre; die Gesundheitsverwaltung müsse ein Interesse daran haben, dass bestimmte Dinge die eh stattfinden so gesundheitsverträglich wie möglich erfolgten. Es gebe keinen sicheren Weg, Heroin zu konsumieren, aber es gebe weniger gefährliche Wege bestimmte Dinge zu tun.

Nachtrag: die Broschüre der Stadt New York, einst online als pdf unter der Adresse http://www.nyc.gov/html/doh/downloads/pdf/basas/drug_use_take_care.pdf, ist inzwischen nicht mehr online verfügbar.

32.000 Dollar – wenn diese pragmatische Kampagne geeignet ist, Leben zu retten, Gesundheit zu verbessern, ist dieser Preis geradezu ein Schnäppchen.
Doch – nicht für dogmatische Ideologen.

Das erfolgreiche Konzept harm reduction, zu dem auch safer use – Kampagnen gehören, wird immer noch bekämpft – nicht nur in Russland, auch in den USA. Die Vertreter einer Abstinenz-Politik erheben immer wieder ihre Stimme – einer Abstinenz-Politik auf dem Rücken der Menschen. Einer Abstinenz-Politik, die mit ihrem Dogmatismus Risiko läuft, zusätzliche HIV-Infektionen und gesundheitliche Schäden zu riskieren – allein um der ‚reinen Lehre‘ willen.

weitere Informationen:
Stadtverwaltung New York: drug use – take care (pdf)
New York Post 03.01.2010: Heroin for dummies
CNN 04.01.2010: NYC heroin pamphlet — is it a help or a how-to guide?
Boing Boing 04.01.2010: Guide to shooting smack published by City of New York
POZ 06.01.2010: Safe Injection Pamphlet for New York City Drug Users Raises Controversy
harm reduction coalition: getting off right – a safety manual for injecting drug users (pdf)
Deutsche Aids-Hilfe: Safer Use (Direkt-Link zur online-Bestellung)
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USA: saubere Spritzbestecke – bald endlich möglich

Es ist ein lange überfälliger Sieg für sinnvolle Präventions-Maßnahmen in den USA: nach dem Repräsentantenhaus stimmte nun auch der US-Senat der Aufhebung des Verbots von Nadeltausch-Programmen für iv-Drogengebraucher zu.

Sauberes Spritzenbesteck verfügbar zu machen für iv-Drogengebraucher, um so Übertragungen von HIV und anderen Krankheiten zu vermeiden, ist eine sichere und vielfach erfolgreich erprobte Präventionsstrategie (harm reduction).

Dennoch ist harm reduction, dies wirksame Instrument der Prävention in zahlreichen Staaten bisher nicht umgesetzt. So ist Spritzentausch in Russland tabu – und bisher auch in den USA.

Eine erstaunliche Allianz, eine Allianz aus ideologischen Gründen. Russland argumentiert,dies sei unrussisch, und beharrt auf einer Abstinenz-Politik. Mit der Folge steigender HIV-Infektionszahlen bei iv-Drogengebrauchern.

Auch die US-Politik setzte lange ausschließlich auf Abstinenz. Der frühere US-Präsident Bill Clinton äußerte mehrfach, einer sei er größten Fehler in seiner Präsidentschaft sei gewesen, das Verbot von Nadeltausch-Programmen nicht aufzuheben. Sein nachfolger George W. Bush hingegen war eher ein Vertreter der Ausweitung des Abstinenz-Gedankens auch in der Aids-Politik.

Nun endlich wird Realität, was Clinton nicht anging: die Aufhebung des US-Verbots von Nadeltausch-Programmen. Der US-Senat stimmte Mitte Dezember einem Gesetz zu, mit dem 2010 das Nadeltausch-Verbot aufgehoben werden wird. Das Repräsentantenhaus hatte bereits vorher zugestimmt.

preventionjustice 14.12.2009: Long Overdue, Ban on Syringe Exchange Funding to be Lifted
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harm reduction – Erfolgs-Strategie, die nicht überall geschätzt wird

HIV-Epidemien unter Drogengebrauchern können mit einem leicht realisierbaren Konzept gemindert werden – ‚harm reduction‘. Doch immer noch versperren sich zahlreiche Staaten dieser erfolgreichen Präventionsmethode aus ideologischen Gründen.

Wie kann die Zahl der HIV-Infektionen unter DrogengebraucherInnen reduziert werden? Hilft eine repressive Drogen-Politik? Oder sind Konzepte zielführend, die versuchen negative Folgen des Drogenkonsums (so auch Übertragungen von Krankheiten) zu mindern (harm reduction)?

Die New York Times weist in einem Artikel auf einen HIV-Übertragungsweg hin, der oftmals gerne in Vergessenheit gerät oder bewusst außer Acht gelassen wird: der intravenöse Drogengebrauch.

In vielen Staaten Europas und Afrikas ist die sexuelle Übertragung inzwischen der Haupt-Übertragungsweg von HIV. In einigen Staaten allerdings machen Infektionen via intravenösem (iv) Drogengebrauch einen Großteil der gesamten HIV-Infektionen aus.

So wird der Anteil der HIV-Infektionen durch unsaubere Nadeln geschätzt auf
83% in Russland,
64% in der Ukraine,
74% in Kasachstan,
72% in Malaysia, und
52% in Vietnam.

Auch für HIV-Übertragungen durch iv-Drogengebrauch gibt es Präventionsmodelle, die längst ihre Wirksamkeit gezeigt haben: safer use – Nadeltausch – harm reduction. Der Austausch von gebrauchten Nadeln gegen saubere, das Ermöglichen eines hinsichtlich des HIV-Übertragungsrisikos ’saferen‘ Drogengebrauchs ist ein pragmatischer Politikansatz, den viele Staaten verwirklicht haben, mit dem sie ihre HIV-Neuinfektionszahlen unter Drogengebrauchern deutlich reduzieren konnten.

‚Nadeltausch ist Aids-Prävention, die funktioniert‘, resümiert auch die New York Times. Niemand möge Kondome wirklich freiwillig – aber jeder Drogengebraucher ziehe saubere Nadeln vor, wenn sie nur verfügbar seien. Entsprechend haben zahlreiche Staaten in Europa genauso Australien und Neuseeland ‚harm reduction‘ – Programme.

Umso tragischer, dass einige Staaten, und gerade Staaten mit einer gravierenden HIV-Epidemie unter iv-Drogengebrauchern, sich diesem Weg der HIV-Prävention völlig verweigern. Der Grund meist: Ideologie – die Überzeugung, man könne nicht den als schlecht betrachteten Drogengebrauch erleichtern, auch nicht um der Gesundheit ganzer Bevölkerungsgruppen zuliebe.

Eines der Beispiele für Staaten, die ‚harm reduction‘, Nadeltausch und Methadon-Programme aus ideologischen Gründen ablehnen, ist Russland. Trotz internationaler Appelle ist Methadon in Russland weiterhin nicht verfügbar, ebenso gebe es keine Zugangsmöglichkeiten zu sauberem Spritzbesteck.

Gerade auch die deutsche Aids-Politik zeigt, dass ein an harm reduction orientiertes Vorgehen erfolgreich sein kann. Erfolgreich auch hinsichtlich einer Reduzierung der Neuinfektionen bei iv-DrogengebraucherInnen.

Umso erschütternder ist es, dass Staaten wir Russland, die ein massives Problem mit hohen und steigenden Infektionszahlen bei Drogengebrauchern haben, weiterhin Methadon-Programme ablehnen, eine einzig Abstinenz-orientierte Drogenpolitik haben.

weitere Informationen:
The New York Times 25.11.2009: The Needle Nexus – Why Needle Exchange is Crucial to AIDS Prevention
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Russland: weiterhin kein Methadon – trotz internationaler Appelle

In Russland steigen die HIV-Infektionszahlen unter Drogengebrauchern. Internationale Experten fordern von der russischen Regierung Methadon-Programme – doch diese lehnt ab.

Geschätzt eine Million Menschen mit HIV, und ca. zwei Millionen iv-Drogengebraucher/innen – Russland sei gerade dabei, die Kontrolle über die Situation zu verlieren, betonte Robin Gorna, Direktorin der International Aids Society (IAS) zum Auftakt einer internationalen Aids-Konferenz in Moskau. Internationale Experten kritisierten, insbesondere die HIV-Epidemie unter russischen Drogengebrauchern hätte verhindert werden können, wenn die Regierung sich frühzeitiger engagiert hätte.

Die russische Regierung müsse nun dringend aktiver werden im Kampf gegen Aids, betonte die IAS. Dazu gehöre auch, iv-Drogengebrauchern den Zugang zu sauberen Spritzen sowie zu Methadon zu ermöglichen.

Die russische Drogenpolitik basiert bisher weitestgehend auf einer Art ‚Abstinenz-Ansatz‘. Akzeptierende Drogenarbeit, Harm Reduction – Konzepte, die in der vor-Ort-Realität russischer Aids-Prävention kaum eine Rolle spielen.
Entsprechend fordern internationale Experten, Russland solle zur Reduzierung der Infektionsraten im Drogenbereich schnellstens Methadon-Programme sowie Harm-Reduction-Strategien einführen und in die Praxis umsetzen.

Doch Gennadi Onischenko, oberster ‚Hygienearzt‘ Russlands, steht diesen Gedanken alles andere als aufgeschlossen gegenüber. Er betonte am Rande der Konferenz, er sei „aus vollster Überzeugung gegen Substitutionstherapie“. Russland biete Drogenkonsumenten andere Programme abseits von Methadon an. Russland spreche sich kategorisch gegen Methadon als Bestandteil in Präventionsprogrammen aus, so Onischenko.

Michel Sidibé, Generalsekretär von UNAIDS, betonte hingegen, Substitutionsprogramme z.B. mit Methadon hätten sich vielerorts, auch in Nachbarländern Russlands, als hilfreich und sinnvolles Instrument der Aids-Prävention erweisen.

Methadon ist in Russland nicht zugelassen und nur illegal erhältlich.

weitere Informationen:
UNAIDS 27.10.2009: Eastern Europe and Central Asia HIV conference for joint efforts towards Universal Access
Michel Sidibe: Universal Access: Status of the Global Response and the Way Forward. Rede zur Eröffnung des 3. EECAAC am 28.10.2009 (pdf)
AFP 28.10.2009: Russia Rejects Methadone to Stem HIV Epidemic
POZ 28.10.2009: Advocates: Russia’s HIV Strategy Ineffective Among High-Risk Groups
International Aids Society 28.10.2009: Researchers, public pealth experts urge russia to expand HIV prevention programmes for people who inject drugs
SZ 29.10.2009: Aids-Problem in Russland: Infiziert und ignoriert
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