Gesundheits- Informationen, queer.de und das Geld der Pharma-Industrie

Gesundheits-Informationen für schwule Männer mit HIV und Aids – eine gute Idee bestimmt, auch auf einem Portal wie queer.de. Aber – muss das mit Pharma-Geld sein? Kann diese ‚Information‘ dann ‚unabhängig‘ sein? Ein großes Unbehagen macht sich breit … und viele Fragezeichen.

Einen ‚Themenkanal‘ (Rubrik) „gezielt an schwule Männer mit HIV/Aids“ unter dem Namen ‚Gesundheit HIV+‘ hat das Internetportal für Schwule queer.de heute gestartet. Gesundheitsinformationen für schwule Männer, speziell für HIV-Positive – eine gute Idee. Weit weniger gut finde ich: dieser Themenkanal wird durch einen (1 !) Pharmakonzern ‚ermöglicht‘ (spricht: bezahlt). Dass auf dieses Pharma-Sponsoring von Gesundheits-Informationen unter den Artikeln in einem ‚Disclaimer‘ hingewiesen wird, macht die Sache nicht besser …

queer.de teilt in seinem Newsletter heute (29.10.2012) mit

„Heute starten wir einen neuen Themenkanal auf queer.de, der sich gezielt an schwule Männer mit HIV/Aids richtet. Mit Service und Tipps für ein gesundes Leben, Basics für „Einsteiger“ mit frischer HIV-Diagnose, neue Infos aus der Medizin, verständlich aufbereiteten Forschungsergebnissen und Storys aus den Lebenswelten HIV-Positiver.“

Im Newsletter sowie im Hinweis auf die neue Rubrik auf sozialen Netzwerken wird auf den Hinweis auf das Sponsoring durch die Pharmaindustrie verzichtet, ebenso in der Rubrik-Ankündigung auf der Startseite sowie in der Rubrik-Summenseite wird dieser (für den Leser nicht unwichtige) Hinweis verschwiegen. Unter den jeweiligen Artikeln des Themenkanals wird immerhin per ‚Disclaimer‘ hingewiesen:

„Dieser Artikel wurde inhaltlich frei von einem queer.de-Autoren verfasst. Der Themenkanal „Gesundheit HIV+“ wird durch Unterstützung von „[[Name eines Pharmaunternehmens]]“ ermöglicht.“

Das Sponsoring erfolgt durch einen Pharmakonzern, der in den vergangenen Jahren seinen Anteil auf dem Markt der Aids-Medikamente (auch durch gezielte Marketing-Maßnahmen) in bemerkenswertem Ausmaß  gesteigert hat, und der gerade aktuell mit einem Medikament besonders in der Diskussion ist (und ein besonderes Interesse an Publizität haben dürfte).

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Auf den bisherigen Artikel-Seiten ist zudem jeweils eine Anzeige platziert für eine HIV-bezogene Smartphone-App. Es bleibt zu hoffen, dass die Site-Betreiber geprüft haben, wie seriös dieses Angebot ist, wer was mit den Daten macht etc.

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Sponsoring ist (im Gegensatz zu Mäzenatentum) nicht ohne Gegenleistung. Und Pharma-Sponsoring ist vermutlich nicht eben interessenneutral.

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Vielen, die in Medien oder im Bereich der Patienten-Information arbeiten, ist vermutlich bekannt, dass Unternehmen und Verbände der Pharma-Industrie auf viel subtilere Weisen Wege finden, Inhalte zu platzieren, Themen zu setzen, Berichterstattung zu beeinflussen, als durch direkte Einflussnahme.

Da werden vielleicht vom gutaussehenden (im HIV-Bereich gern schwulen) Pharma-Referenten ’spannende Themen‘ vorgeschlagen. Oder die mütterliche Frau vom Pharmakonzern weiß zufällig eine – selbstverständlich unabhängigen – Referentin oder einen Autoren für ein Thema. Und da findet doch dieser spannende Kongress an diesem ziemlich attraktiven Ort statt, ob man denn da vielleicht mal teilnehmen wolle? Man dürfe natürlich anschließend gern darüber berichten …

Phantasien eines Kommentators? So mancher Mitarbeiter einer Aidshilfe, so mancher Redakteur von Gesundheits-Magazinen kann da vermutlich von noch ganz anderen ‚kreativen Ideen‘ berichten.

So sind dies nur einige wenige (zudem eher offensichtliche) Beispiel dafür, wie Einflussnahme auch indirekt sehr gut möglich ist – auch innerhalb dessen, was der ‚Disclaimer‘ an Unabhängigkeit suggeriert.

Wegen dieser möglichen eher subtileren Wege der Wahrnehmung ihrer Interessen durch Unternehmen und Verbände rufen ‚Disclaimer‘ wie oben oft ein gewisses Schmunzeln hervor, suggerieren sie doch eine Unabhängigkeit, die vorsichtig formuliert zumindest hinterfragenswert erscheint.

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Aidshilfe und HIV-positive Selbsthilfe haben sich seit Jahren mit der Frage Finanzierung / Sponsoring durch Pharma-Industrie auseinander gesetzt. Und es sind brauchbare Konzepte entstanden (wenn auch nicht alle Aidshilfen diese immer einhalten, aber dies ist ein anderes Thema).

Dabei sind u.a. folgende Punkte als sinnvoll zu erörtern deutlich geworden:

  • Ist Pharma-Sponsorig wirklich erforderlich, zumal es nie ohne Gegenleistung und nie interessenneutral ist?
  • Pharma-Sponsoring nicht ‚direkt am Thema‘ – d.h. kein Pharma-Sponsoring von an Patienten gerichteten Gesundheits-Informationen
  • Wenn Pharma-Sponsoring, dann nicht direkt durch ein Unternehmen, sondern durch mehrere Unternehmen und über einen (möglichst durch eine mit dem Inhalt nicht befasste Stelle koordinierten) Pool, um direkte wie indirekte Einflussnahmen zu erschweren.

Dies sind nur Beispiel der Gedanken, Konzepte, Ideen (siehe Links unten) zur Frage, wie umgehen mit Pharma-Geld – falls man/frau es denn für unumgänglich hält dies zu nehmen.

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Es bleibt zu hoffen, dass die Macher von queer.de sich zentrale Fragen gestellt haben. Und mir ist klar, dass auch ein Portal wie queer.de, das seine Artikel unentgeltlich zur Verfügung stellt,  Einnahmen braucht.
Allein – es bleiben viele Fragen. Muss es gerade Gesundheitsinformation sein, die durch ein Unternehmen der Pharmabranche gesponsert wird? Und durch ein (einziges) Unternehmen?

Ein großes Unbehagen bleibt.
Und ein nicht eben grundloses Unbehagen.
Ich jedenfalls möchte neutrale Informationen zu Gesundheitsthemen lesen.
Und nicht durch Pharma-Industrie gesponserte ‚Artikel‘ – die werd ich eben nicht anklicken, nicht beachten. Auch auf queer.de nicht, auch in diesem ‚Themenkanal‘ dann eben nicht.

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Einige Informationen und Gedanken zum Themenbereich Pharma-Sponsoring und Gesundheits-Informationen:

Leitsätze der DAH zur Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie
ondamaris 16.9.2010: Selbsthilfe und Pharma-Sponsoring – Materialsammlung
ondamaris 27.07.2010: Unabhängigkeit der Selbsthilfe: Monitoring- Ausschüsse legen 2. Jahresbericht vor
Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen
ondamaris 22.02.2009: Verdeckte Werbung der Pharma-Industrie
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Pharma-Werbung – weniger sympathisch, weniger Vertrauen erweckend?

Wird eine Anzeige als von der Pharma-Industrie geschaltet wahrgenommen, kann dies einher gehen mit reduziertem Vertrauen und Sympathie, zeigt eine US-Studie.

Die Forscher untersuchten in den USA Eltern (544) von Jungen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren, die an einem online-Experiment teilnahmen. Sie sahen eine Anzeige, die für eine Impfung gegen Humane Papilloma-Viren bei Jungen wirbt; der (hypothetischen) Werbung wurde auf Zufalls-Basis ein Logo zugeordnet. Während des Betrachtens der Anzeige sollten die Eltern die Anzeige beurteilen hinsichtlich Vertrauen, Sympathie sowie Motivation für eine HPV-Impfung.

Wer schaltete die (hypothetische) Anzeige? 62% der Teilnehmer identifizierten die Anzeige die sie jeweils sahen korrekt als von der Pharma-Industrie geschaltet, bei anderen Quellen lag die Rate korrekter Identifizierung nur bei 25%. Eltern, die eine Anzeige ohne Logo betrachtet hatten, hielten diese zu 60% für eine Anzeige der Pharma-Industrie.

Bei denjenigen Eltern, die die Quelle der Anzeige korrekt identifiziert hatten, führte eine als Pharma-Anzeige identifizierte Werbung zu einer verminderten Motivation, ihren Sohn impfen zu lassen; diese Assoziation ging einher mit vermindertem Vertrauen in und Sympathie für die jeweilige Anzeige.

Das Resümee der Forscher im BMJ unter anderem: Organisationen der Gesundheitsförderung sollten darauf achten, dass ihre Anzeigen nicht für von der Pharma-Industrie gesponsorte Anzeigen gehalten werden:

„Parents were more accurate in identifying drug company advertisements, primarily because they tended to assume any advertisement was from a drug company. Public health organizations may need to take special measures to ensure their messages are not perceived as sponsored by drug companies.“

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Reichsreklame-Messe, welche hier augenblicklich eine grosszügige Ausstellung unterhält. Der "Konditor" als Reklame einer Tortenfabrik. Quelle: Wikimedia / Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 102-01344
Reichsreklame-Messe, welche hier augenblicklich eine grosszügige Ausstellung unterhält. Der "Konditor" als Reklame einer Tortenfabrik. Quelle: Wikimedia / Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 102-01344

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Eine Untersuchung, die – übertragen auf HIV/Aids – zu denken geben sollte. Nicht nur der Pharma-Industrie, sondern auch manchen Aids-Organisationen – welche Werbe-Optik verwende ich in Anzeigen, bei Aids-Kampagnen? Wie wichtig ist es, eine klarer, eigene unverwechselbare Identität zu haben? Wie viel Pharma-Nähe tut gut? Wie viel Sponsoring tut der eigenen Glaubwürdigkeit gut?

Und die auch zu weiterem Nachdenken inspirieren könnte. Welche Auswirkungen können welche Formen der Zusammenarbeit mit Pharma-Industrie z.B. für Aids- Selbsthilfegruppen haben? Fördern sie Sympathie und eigene Glaubwürdigkeit – oder tragen sie gar potentiell zu deren Erosion bei?

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Pepper JK, Reiter PL, McRee AL, Brewer NT.: Advertisements Promoting Human Papillomavirus Vaccine for Adolescent Boys: Does Source Matter? (zuerst online veröffentlicht in Sex Transm Infect 1 June 2012 vol. 88 no. 4 264-265 ; Abstract auf PubMed; veröffentlicht im BMJ [via CDC NPIN]; Beispiel-Anzeige auf BMJ als pdf hier)

Selbsthilfe und Pharma-Sponsoring – Materialsammlung

Selbsthilfe und Sponsoring stehen in einem Spannungsverhältnis. Einem potentiell gefährlichen Spannungsverhältnis, das insbesondere aus der Erwartung nach Nutzen für den Sponsor rührt. Besonders problemträchtig wird dieses Spannungsfeld, wenn es sich um Selbsthilfe und Gesundheit handelt – wie dies bei Aids-Hilfe oder Positiven-Selbsthilfe der Fall ist.

Sponsoring ist im Gegensatz z.B. zum Mäzenatentum nicht interessenfrei. Ein Mäzen unterstützt eine Organisation, ein Projekt ohne Forderung nach einer direkten Gegenleistung, insbesondere keine geschäftliche Nutzenerwartung. Genau dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Sponsoring: bei Sponsoring erfolgen finanzielle Leistungen verbunden mit der Erwartung, eine Gegenleistung zu erhalten, die dem geschäftlichen Nutzen dient (z.B. einen Marketing-Nutzen).

Nicht erst seit Pharmakonzerne dazu übergegangen sind, Groß-Veranstaltungen wie CSDs zu sponsern, stellt sich die Frage, wie mit diesem Konflikt-Potential umgehen, nicht nur im Bereich von Aidshilfe und Positiven-Selbsthilfe, sondern auch im Bereich der Schwulen- und Lesbenorganisationen.

Wie weit darf Sponsoring gehen? Wie geht man mit Nutzenerwartungen des Sponsors um? Wo sind Grenzen? Ist ein ‚faires Gleichgewicht‘ zwischen einem Konzern mit all seinen (nicht nur Marketing-) Ressourcen und einer meist eher knapp ausgestatteten Selbsthilfe-Gruppe überhaupt möglich? Wie kann die Gratwanderung zwischen eigenen Bedürfnissen (i.d.R. finanzieller Natur) und Fragen wie Moral, Glaubwürdigkeit, Neutralität gelingen?

Die Fragen sind nicht neu; bisherige Versuche eine Antwort zu finden können helfen, das eigene Verhalten zu überprüfen und den eigenen Umgang mit Sponsoring zu verbessern. Eine Material-Sammlung:

Richtlinien und Informationen zum Umgang mit  Pharma-Sponsoring aus dem Bereich der Selbsthilfe

BAG Selbsthilfe und Paritätischer Wohlfahrtsverband: Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen (diese Leitsätze wurden auch von der DAH Deutschen Aidshilfe unterzeichnet)

Deutscher Aids-Hilfe: Leitsätze zur Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie

BAG Selbsthilfe: Unabhängigkeit der Selbsthilfe: Monitoring- Ausschüsse legen 2. Jahresbericht vor

Der Paritätische: Sponsoring (pdf)

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V.: Gemeinsame Empfehlung zur Förderung der Selbsthilfe, Überarbeitungs-Entwurf, 18.03.2010

„Selbsthilfegruppen: unabhängig trotz Industriesponsoring?“ Interview (2008) mit Professor Englert, Vorsitzender der Deutschen ILCO (html)

Informationen Dritter

Ersatzkassen und ihre Verbände (Hg.): Ungleiche Partner – Patientenselbsthilfe und Wirtschaftsunternehmen im Gesundheitssektor (pdf)

Dr. med. Kirsten Schubert, Prof. Dr. rer. nat. Gerd Glaeske: Einfluss des pharmazeutisch-industriellen Komplexes auf die Selbsthilfe, November 2006 (pdf)

Zeit 17.12.2006: Martina Keller: Patient gesucht – Pharmakonzerne entdecken Selbsthilfeorganisationen als lukrativen Vertriebsweg

Zeit 19.05.2005: Martina Keller: Pharmaindustrie – Geben und einnehmen

Erika Feyerabend: Problematische Partnerschaften – Selbsthilfegruppen
und die Pharmaindustrie, März 2005  (pdf)

Theodor-Springmann-Stiftung: „Korrupt oder korrekt: wie bleibt die Selbsthilfe unabhängig?“, Tagungsband zur Fachtagung am 27. April 2007 im Rathaus Schöneberg von Berlin (Bestellung)

Richtlinien und Informationen zum Umgang mit Pharma-Sponsoring aus dem Bereich der Pharma-Industrie

EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations): Code of Practice on Relationships between the Pharmaceutical Industry and  Patient Organisations, 05.10.2007 (pdf)

Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“: FSA-Kodex zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen („FSA-Kodex Patientenorganisationen“), 13.06.2008 (pdf)

Verband forschender Arzneimittel-Unternehmen 06.10.2003: Grundsätze des vfa bei der Zusammenarbeit mit Patienten-Selbsthilfegruppen

(Die Materialsammlung beruht in Teilen auf der Zusammenstellung „Selbsthilfe und Sponsoring“ der NAKOS Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen – danke an Silke Eggers für den Hinwies!)

Leitsätze der DAH zur Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie

Zur Debatte, wie Organisationen des Gesundheitsbereichs mit Geldern Dritter, insbesondere aus der Pharma-Industrie, umgehen können, hier als Dokumentation die Leitsätze der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) aus dem Jahr 2000. Die hier dokumentierten Leitsätze wurden durch den Vorstand der DAH für den Verband formuliert und im März 2000 veröffentlicht. Sie wurden auf der DAH-Mitgliederversammlung im November 2000 diskutiert und verabschiedet.
Inzwischen hat die DAH die „Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen“ von Paritätischem Wohlfahrtsverband und BAG Selbsthilfe unterzeichnet.

Leitsätze zur Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie

1. Die Deutsche AIDS-Hilfe richtet ihre fachliche und politische Arbeit an den Bedürfnissen und Interessen von Menschen mit HIV und AIDS und der von AIDS bedrohten Gruppen aus. Leitkriterium ihrer Arbeit ist die Selbstbestimmung und das Wohlbefinden der genannten Interessengruppen; daher werden Zuwendungen, die mit Auflagen verbunden sind, die diesem Leitkriterium entgegenstehen, von der Deutschen AIDS-Hilfe nicht akzeptiert.

2. Die Deutsche AIDS-Hilfe stellt bei der Bewertung therapeutischer Optionen das Interesse und das Wohlbefinden von Menschen mit HIV und AIDS in den Mittelpunkt, nicht aber die Zugehörigkeit zu bestimmten medizinischen Schulen gebunden und/oder wirtschaftliche Motive; sie steht auch unkonventionellen Therapierichtungen jenseits oder am Rande der sogenannten Schulmedizin vorurteilsfrei gegenüber (Methodenpluralismus).

3. Die Deutsche AIDS-Hilfe gibt keine ärztlichen Therapieempfehlungen. Sie behält sich aber vor, Stellung zum Einsatz von bestimmten Medikamenten, Medikamentengruppen und Therapieregimen aus der Perspektive von Menschen mit HIV und AIDS zu beziehen.

4. Die Deutsche AIDS-Hilfe nimmt finanzielle Unterstützung in Form von Spenden oder im Rahmen schriftlicher Sponsoringvereinbarungen von Firmen der pharmazeutischen Industrie entgegen. Ein Einflussrecht der Sponsoren auf Inhalte von Informationsmaterialien oder Veranstaltungen der Deutschen AIDS-Hilfe ist ausgeschlossen.

5. Die Deutsche AIDS-Hilfe legt die Förderung durch Firmen der pharmazeutischen Industrie in ihrem Jahresbericht offen.

6. Die Deutsche AIDS-Hilfe lässt sich von mehreren unterschiedlichen Firmen der pharmazeutischen Industrie fördern. Exklusivverträge sind ausgeschlossen.

7. Die Deutsche AIDS-Hilfe achtet bei der Förderung durch die pharmazeutische Industrie darauf, dass eine Einstellung dieser Unterstützung niemals den Fortbestand des Vereins Deutsche AIDS-Hilfe gefährden kann.

8. Die Deutsche AIDS-Hilfe schließt zur Wahrung ihrer Interessen und ihrer Unabhängigkeit gegenüber den unterstützenden Firmen mit diesen schriftliche Vereinbarungen ab.

9. Die Deutsche AIDS-Hilfe bietet den unterstützenden Firmen, sofern dies fachlich zu verantworten ist, an, ihre Unterstützung öffentlich zu dokumentieren. Ausgeschlossen sind solche Formen der Dokumentation, die im Zusammenhang mit medizinischer Information die Bevorzugung einzelner Produkte, Produktgruppen oder Anbieter nahe legen und daher als eine indirekte Produktempfehlung verstanden werden könnten.

10. Die Deutsche AIDS-Hilfe gewährt den unterstützenden Firmen im Rahmen der jeweils geschlossenen vertraglichen Vereinbarung bestimmte Kommunikationsrechte. Ausgeschlossen davon ist die unmittelbare oder mittelbare Bewerbung von Produkten oder Produktgruppen der HIV- oder AIDS-Therapie.

11. Die Deutsche AIDS-Hilfe stellt den unterstützenden Firmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten die eigene Fach- und Interessenkompetenz zur Verfügung (Neben-, Wechselwirkungen, Adherence u. dgl.) mit dem Ziel, im Interesse von Menschen mit HIV und AIDS auf Studiendesigns, Produktentwicklung und Marketing Einfluss zu nehmen.

Berlin, den 12. November 2000

Unabhängigkeit der Selbsthilfe: Monitoring- Ausschüsse legen 2. Jahresbericht vor

Vielen auf dem Gebiet der Gesundheit aktiven Organisationen stellt sich die Frage, wie mit Mitteln Dritter, besonders der Pharma-Industrie umzugehen sei. Finanzierungsbedarf und Forderung nach Unabhängigkeit können leicht in Konflikt geraten (siehe auch Kommentar „Selbsthilfe oder Propaganda? Über Schleichwege des Pharma-Marketings„).

BAG Selbsthilfe und der Paritätische Wohlfahrtsverband haben Leitsätze erarbeitet zum Umgang mit Pharma-Geldern (siehe Dokumentation „Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen“). Ihre Einhaltung wird in einem Monitoring-Verfahren gesichert. Dazu die folgende Presseerklärung der BAG Selbsthilfe:

2. Jahresbericht zum Monitoring- Verfahren der BAG SELBSTHILFE und des FORUMs chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN GESAMTVERBAND veröffentlicht

Unabhängigkeit und Neutralität sind seit Jahren ein wichtiges Thema bei den Mitgliedsverbänden der BAG SELBSTHILFE und des FORUMs chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN Gesamtverband. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit der Pharmaindustrie. Aus diesem Grunde haben die BAG SELBSTHILFE und das FORUM im PARITÄTISCHEN Leitsätze erarbeitet, die die Grenzen des Zulässigen aufzeigen. Die Einhaltung dieser Leitsätze wird durch das sogenannte Monitoring- Verfahren gesichert, in dem mögliche Verstöße überprüft werden. Um zukünftige Verstöße zu vermeiden, beraten die Monitoring-Ausschüsse zudem die Mitgliedsverbände.

Die Eigenmittel der chronisch kranken und behinderten Menschen, die die Selbsthilfeorganisationen tragen, reichen oftmals nicht aus, die Vielzahl ihrer Aktivitäten zu finanzieren. Von daher sind die Organisationen häufig auf Spenden und Förderungen angewiesen. Auch Wirtschaftsunternehmen fördern Selbsthilfeprojekte. Die Annahme dieser Fördermittel birgt aber die Gefahr, dass sich die Selbsthilfeverbände bewusst oder unbewusst an den Anliegen der Wirtschaftsunternehmen orientieren, oder dass die Unternehmen gezielt versuchen, auf die Willensbildungsprozesse der Selbsthilfe Einfluss zu nehmen.

Es ist unabdingbar, dass die Selbsthilfeverbände als Anlaufstellen von ratsuchenden Menschen ihre Neutralität und Unabhängigkeit bewahren. Um dies zu gewährleisten, gibt es seit 2005 das sogenannte Monitoring-Verfahren, das der Beratung und Information der Mitgliedsverbände dient, mit dem aber auch die Leitsätze weiterentwickelt und Verstöße gegen diese Leitsätze sanktioniert werden sollen. Der Monitoring-Ausschuss nimmt dabei selbst initiativ Prüfungen problematischer Fälle vor. Weiter bringen die Mitgliedsorganisationen eigene Fälle ein, wenn sie einen Verstoß gegen die Leitsätze befürchten. Aber auch Dritte – wie beispielsweise Krankenkassen – können sich an die Monitoring-Prüfstelle wenden, wenn sie bei Verbänden den Verdacht auf einen Verstoß gegen die Selbsthilfe-Leitsätze vermuten. Die Ausschüsse haben im vergangenen Jahr 13 Fälle entschieden, weitere Verfahren sind derzeit noch in der Bearbeitung.

Das Monitoring Verfahren soll jedoch nicht nur dazu dienen, vergangene Verstöße festzustellen, sondern auch neue zu verhindern. So wurde etwa ein Muster zur Selbstauskunft für Wissenschaftliche Beiräte entwickelt. Denn viele Selbsthilfeorganisationen werden von ihren wissenschaftlichen Beiräten in medizinischen Fragen beraten und möchten wissen, ob es hier Kontakte zu Wirtschaftsunternehmen gibt und wie diese aussehen. Zur Erläuterung der Leitsätze hat der Monitoring-Ausschuss zudem die Arbeitshilfe aktualisiert, die den Verbänden die Leitsätze anhand praktischer Beispiele und entschiedener Fälle konkret nahe bringen soll. „Die Arbeitshilfe ist eine sehr gute inhaltliche Ergänzung zu den Leitsätzen, so dass die Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen eine noch größere Handlungssicherheit im Umgang mit Wirtschaftsunternehmen erhalten“, fasst Dr. Martin Danner, Geschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, das Arbeitsergebnis zusammen. „Die Verbände können jetzt noch einfacher als bislang konkrete Vorhaben anhand der Arbeitshilfe überprüfen und einschätzen“, urteilt Burkhard Stork, Leiter der Bundesgeschäftstelle der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung DCCV e.V. und Vorsitzender des Monitoringausschusses.

Die BAG SELBSTHILFE e.V. – Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen – ist die Vereinigung der Selbsthilfeverbände behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen in Deutschland. Sie ist Dachverband von 109 bundesweit tätigen Selbsthilfeorganisationen, 14 Landesarbeitsgemeinschaften und 5 Fachverbänden. Über ihre Mitgliedsverbände sind in der BAG SELBSTHILFE mehr als eine Million Menschen mit körperlichen, seelischen und geistigen sowie Sinnes-Behinderungen und Menschen mit unterschiedlichsten chronischen Erkrankungen zusammengeschlossen.

Das „Forum chronisch kranker und behinderter Menschen“ wurde im Jahre 1986 als ein übergreifender Zusammenschluss von 37 der 92 bundesweit agierenden Selbsthilfeorganisationen und zugleich Mitgliedsverbänden des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes gegründet. Das FORUM vertritt die Interessen chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN nach innen (Mitglieder, Verbandsrat, Vorstand, Hauptgeschäftsstelle) und außen. Der PARITÄTISCHE Gesamtverband unterstützt diese Aktivitäten auf Bundesebene und durch seine 15 Landesverbände.

(Pressemitteilung der BAG Selbsthilfe)

Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen

Zur Debatte, wie Organisationen des Gesundheitsbereichs mit Geldern Dritter, insbesondere aus der Pharma-Industrie, umgehen können, hier als Dokumentation die entsprechenden Leitsätze der BAG Selbsthilfe als Dokumentation.

Diese Leitlinien der BAG Selbsthilfe wurden auch von der Deutschen Aids-Hilfe DAH unterzeichnet und gelten auch für die DAH.

Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen

Präambel

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG SELBSTHILFE) und der Paritätische Wohlfahrtsverband mit seinem FORUM chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN (FORUM) vertreten als Dachorganisationen die Interessen der ihnen angeschlossenen Mitgliedsverbände. Darüber hinaus sind sie als die maßgeblichen Spitzenorganisationen der Selbsthilfe aufgerufen, die Interessenvertretung der Selbsthilfe behinderter und chronisch kranker Menschen insgesamt wahrzunehmen.

Um ihren Auftrag als maßgebliche Spitzenorganisationen der Selbsthilfe behinderter und chronisch kranker Menschen sachgerecht wahrnehmen zu können, ist es für die Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen unabdingbar, ihre Neutralität und Unabhängigkeit strikt zu wahren. Auf der Basis ihrer Neutralität und Unabhängigkeit legen die der BAG SELBSTHILFE und die dem FORUM angeschlossenen Selbsthilfeorganisationen Wert auf eine faire und transparente Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen. Sie begrüßen das Interesse von Wirtschaftsunternehmen an einer solchen Zusammenarbeit und sehen hier die Chance zu einem gleichberechtigten Dialog.

Um ihre Neutralität und Unabhängigkeit zu bewahren und auch künftig zu gewährleisten, sind im Folgenden gemeinsame Leitsätze der beiden Spitzenorganisationen für die Kooperation mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen sowie von ihnen Beauftragte formuliert.

Die nachstehenden Leitsätze gelten für die BAG SELBSTHILFE und das FORUM als übergreifende Zusammenschlüsse sowie für die Selbsthilfeorganisationen, die sich durch schriftliche Selbstverpflichtung zur Anwendung dieser Leitsätze gegenüber der BAG SELBSTHILFE und/oder dem PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband, Gesamtverband e. V., verpflichtet haben und im Anhang aufgeführt sind. Soweit Selbsthilfeorganisationen entsprechende Leitsätze oder Richtlinien verabschiedet haben, bleibt deren Geltung unberührt.

Die BAG SELBSTHILFE und das FORUM beraten die ihnen angeschlossenen Selbsthilfeorganisationen und begleiten sie fortlaufend bei der Umsetzung dieser Leitsätze in der Praxis.

1. Allgemeine Grundsätze

a. Die Selbsthilfeorganisationen richten ihre fachliche und politische Arbeit ausschließlich an den Bedürfnissen und Interessen von behinderten und chronisch kranken Menschen und deren Angehörigen aus. Sie wollen die Selbstbestimmung behinderter und chronisch kranker Menschen fördern.

b. Die Kooperation zwischen Selbsthilfeorganisationen und Wirtschaftsunternehmen muss mit den satzungsgemäßen Zielen und Aufgaben der Selbsthilfeorganisationen im Einklang stehen und diesen dienen. Die Selbsthilfeorganisationen akzeptieren keine Zusammenarbeit, welche die Gemeinnützigkeit des Verbandes gefährdet oder gar ausschließt.

c. In allen Bereichen der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen muss die Selbsthilfeorganisation die volle Kontrolle über die Inhalte der Arbeit behalten und unabhängig bleiben. Dies gilt sowohl für ideelle als auch für finanzielle Förderung und Kooperationen.

d. Jedwede Kooperation mit und Unterstützung durch Wirtschaftsunternehmen ist transparent zu gestalten.

2. Information und inhaltliche Neutralität

a. In Kooperationen mit Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, Anbietern von Heil- und Hilfsmitteln sowie Dienstleistungen und anderen Unternehmen, die Produkte für behinderte und chronisch kranke Menschen herstellen oder vertreiben, wird auf eine eindeutige Trennung zwischen Informationen der Selbsthilfeorganisation, Empfehlungen der Selbsthilfeorganisation und Werbung des Unternehmens geachtet. Die Selbsthilfeorganisationen informieren über Angebote, beteiligen sich aber nicht an der Werbung.

Werbung von Wirtschaftsunternehmen ist grundsätzlich zu kennzeichnen.

b. Die Selbsthilfeorganisation gibt grundsätzlich weder Empfehlungen für einzelne Medikamente, Medikamentengruppen oder Medizinprodukte, noch Empfehlungen für bestimmte Therapien oder diagnostische Verfahren ab.

Die Abgabe einer Empfehlung ist nur dann möglich, wenn diese auf dem Bewertungsergebnis anerkannter und neutraler Expertengremien beruhen. Die Zusammensetzung der Gremien muss öffentlich transparent sein. Ihre Ergebnisse müssen transparent und nachvollziehbar sein.

Informationen von Wirtschaftsunternehmen werden kenntlich gemacht sowie nicht unkommentiert weitergegeben.

c. Die Selbsthilfeorganisation informiert über die Erfahrungen von Betroffenen mit Medikamenten, Medizinprodukten, Therapien und diagnostischen Verfahren.

d. Die Selbsthilfeorganisation informiert auch über die Vielfalt des Angebotes und über neue Entwicklungen im Bereich der Prävention, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation unter Angabe der Quellen.

e. Die Selbsthilfeorganisation ist in ihrer fachlichen Arbeit unabhängig und nicht an medizinische Fachrichtungen gebunden. Sie steht grundsätzlich auch besonderen Therapierichtungen offen gegenüber. Eine besondere Bedeutung haben hier z. B. homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Angebote.

3. Kommunikationsrechte

a. Die Selbsthilfeorganisation gewährt ggf. Wirtschaftsunternehmen in schriftlichen Vereinbarungen Kommunikationsrechte, wie z.B. das Recht auf die Verwendung des Vereinsnamens oder des Logos in Publikationen, Produktinformationen, Internet, Werbung oder auf Veranstaltungen. Tatsache und Gegenstand dieser Vereinbarungen werden veröffentlicht. Ausgeschlossen wird die unmittelbare oder mittelbare Bewerbung von Produkten, Produktgruppen oder Dienstleistungen zur Diagnostik und Therapie von chronischen Erkrankungen oder Behinderungen.

Die schriftlichen Vereinbarungen enthalten eindeutige Beschreibungen, welcher Partner in welchem Zusammenhang Namen bzw. Logo des anderen Partners verwenden darf und wo die Grenzen gezogen werden. Eine Formulierung wie: „Der Sponsor verpflichtet sich, keine Maßnahmen zu treffen, die den Ideen und dem Ansehen der Selbsthilfeorganisation Schaden zufügen“ bietet in der Vereinbarung einen umfassenden Schutz für die Interessen der Selbsthilfeorganisation.

b. Das Gebot der Transparenz gebietet, dass grundsätzlich im Rahmen der gemeinsamen Aktion auf die Unterstützung durch das Wirtschaftsunternehmen hingewiesen wird, ohne jedoch im Sinne der Grundsätze des BMF für ertragssteuerrechtliche Behandlung des Sponsoring vom 18.02.1998 und des darauf beruhenden Erlasses des Finanzministeriums Bayerns vom 11.02.2000 aus steuerlicher Sicht Werbung im aktiven Sinne zu betreiben.

c Eine Verwendung des Logos und des Namens der Selbsthilfeorganisation darf nur mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung der Selbsthilfeorganisation erfolgen. Das Logo muss dann originalgetreu verwendet werden. Abweichungen oder Änderungen sind nicht zulässig. Die Verwendung darf nur für den konkret vereinbarten Zweck erfolgen.

Ebenso kann die Selbsthilfeorganisation das Logo des Wirtschaftsunternehmens verwenden. Die Abgrenzung von jeglicher Produktwerbung ist dabei zu beachten.

d. Im Folgenden sind übliche Aktionsfelder für Kommunikationsrechte zwischen Wirtschaftsunternehmen und Selbsthilfeorganisationen aufgeführt. Die Liste versteht sich als beispielhafte und nicht abschließende Nennung von Kooperationsmöglichkeiten.

· Veranstaltungen von Selbsthilfeorganisationen

Die Selbsthilfeorganisation trägt dafür Sorge, dass bei von ihr organisierten und durchgeführten Veranstaltungen stets die Neutralität und Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Dieser Anspruch gilt auch für organisatorische Fragen. Die Auswahl des Tagungsortes und der Rahmen der Veranstaltung wird von der Selbsthilfeorganisation bestimmt. Reisekosten orientieren sich grundsätzlich am Bundes- bzw. Landesreisekostengesetz. Sofern Honorare gezahlt werden sind diese maßvoll zu bemessen. Dabei kann die Honorarordnung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge herangezogen werden. Daten von Teilnehmenden an Veranstaltungen werden nicht an Wirtschaftsunternehmen weitergegeben.

Bei der Festlegung der Inhalte und bei der Auswahl der Referenten achtet die Selbsthilfeorganisation insbesondere darauf, dass die Sachverhalte objektiv dargestellt und behandelt werden. Dies schließt eine einseitige Darstellung zu Gunsten eines bestimmten Unternehmens, einer bestimmten Therapie oder eines bestimmten Produktes grundsätzlich aus. Die Selbsthilfeorganisation trägt Sorge dafür, dass die behandelten Themenbereiche nicht allein von Referenten, die bei dem jeweiligen Sponsor angestellt sind oder vom dem jeweiligen Sponsor finanziell abhängig sind, behandelt werden.

· Veranstaltungen von Wirtschaftsunternehmen

Die Selbsthilfeorganisation trägt dafür Sorge, dass auch im Rahmen von Veranstaltungen von Wirtschaftsunternehmen stets die Neutralität und Unabhängigkeit der Selbsthilfeorganisation gewahrt bleibt. Die schriftliche Vereinbarung regelt, in wie weit der Name oder das Logo der Selbsthilfeorganisation auf Veranstaltungen des Wirtschaftsunternehmens benutzt werden darf. Werbung für ein konkretes Produkt, Produktgruppen oder Dienstleistungen wird dabei ausdrücklich ausgeschlossen. Reisekosten orientieren sich grundsätzlich am Bundes- bzw. Landesreisekostengesetz. Sofern Honorare gezahlt werden, sind diese maßvoll zu bemessen. Dabei kann die Honorarordnung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge herangezogen werden.

· Publikationen von Selbsthilfeorganisationen

Sollte eine Publikation mit der Unterstützung durch ein Wirtschaftsunternehmen entstanden sein, wird auf den Druckerzeugnissen – z.B. mit der Formulierung: „mit freundlicher Unterstützung von…..“ – auf die Unterstützung hingewiesen. Dabei können das Logo oder der Schriftzug des Wirtschaftsunternehmens verwandt werden, soweit dies ohne besondere Hervorhebung erfolgt.

· Publikationen von Wirtschaftsunternehmen

Das Wirtschaftsunternehmen kann den Abdruck des Logos der Selbsthilfeorganisation in seinen Publikationen oder auf Plakaten veranlassen, soweit dies in der schriftlichen Vereinbarung festgehalten wurde. Die Vereinbarung schließt aus, dass auf diesem Wege mittel- oder unmittelbar Werbung für Produkte, Produktgruppen oder Dienstleistungen betrieben wird.

· Internetauftritte von Selbsthilfeorganisationen

Die Selbsthilfeorganisation kann auf ihrer Homepage auf die Unterstützung durch Wirtschaftsunternehmen hinweisen. Eine aktivierte Verlinkung von einer Homepage der Selbsthilfeorganisation auf die Homepage eines Wirtschaftsunternehmens wird von den Steuerbehörden als aktive Werbung gewertet und stellt aus steuerlicher Sicht einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar. Im Einzelnen wird auf den Erlass des Finanzministeriums Bayern vom 11.02.2000 verwiesen.

· Internetauftritte von Wirtschaftsunternehmen

Wirtschaftsunternehmen können in ihrem Internetauftritt auf die Selbsthilfeorganisationen verweisen und auch direkt verlinken. Sie sollten die Selbsthilfeorganisationen über diesen Schritt informieren und auch akzeptieren, wenn eine solche Verlinkung nicht gewünscht wird. Eine Verlinkung zum down load-Bereich der Selbsthilfeorganisation verursacht Kosten bei der Selbsthilfeorganisation und ist in einer schriftlichen Vereinbarung zu regeln.

· Eigenwerbung von Selbsthilfeorganisationen

Selbsthilfeorganisationen können in ihrer Eigenwerbung auf die Unterstützung von Wirtschaftsunternehmen hinweisen. Umfang und Art und Weise werden in der schriftlichen Vereinbarung festgehalten. Der Hinweis geschieht in der Form, dass es sich im steuerrechtlichen Sinne nicht um aktive Werbung handelt. Ein Zusammenhang mit Produkt-, Produktgruppen und Dienstleistungswerbung wird ausgeschlossen.

· Eigenwerbung von Wirtschaftunternehmen

Die Selbsthilfeorganisation kann den unterstützenden Wirtschaftsunternehmen anbieten, die im Rahmen der geschlossenen Vereinbarungen erfolgten Zuwendungen öffentlich zu dokumentieren und damit zu werben.

4. Zuwendungen

a. Die Selbsthilfeorganisation kann finanzielle Zuwendungen entgegennehmen. Dabei wird die Selbsthilfeorganisation nicht in Abhängigkeit von bestimmten Wirtschaftsunternehmen oder von einer bestimmten Person geraten. Die Selbsthilfeorganisation achtet bei der Förderung durch Wirtschaftsunternehmen und Privatpersonen insbesondere darauf, dass eine Beendigung der Unterstützung weder den Fortbestand noch den Kernbereich der satzungsgemäßen Arbeit der Selbsthilfeorganisation gefährden kann.

b. Die Selbsthilfeorganisation trifft ggf. auch Sponsoring-Vereinbarungen mit Wirtschaftunternehmen. Unter Sponsoring ist dabei die Gewährung von Geld, geldwerten Vorteilen, Sachzuwendungen oder ideeller Unterstützung durch Unternehmen zur Förderung der Selbsthilfeorganisation zu verstehen, wenn damit auch eigene unternehmensbezogene Ziele der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens verfolgt werden. Die Selbsthilfeorganisation sichert ihre Unabhängigkeit gegenüber Sponsoren dadurch ab, dass Sponsoring-Vereinbarungen, die Zuwendungen in nicht unerheblichen Umfang zum Gegenstand haben, schriftlich fixiert und die Zuwendungen transparent gemacht werden.

Sollte mit einem Unternehmen eine Sponsoringvereinbarung getroffen werden, sind die geltenden steuerrechtlichen Vorschriften, insbesondere im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit von Vereinen, und die eindeutige Zuordnung zum entsprechenden Tätigkeitsbereich zu beachten.

c. Soweit Projekte einer Selbsthilfeorganisation mit über der Hälfte der dafür notwendigen Sach- und Finanzmittel von einem oder mehreren Wirtschaftunternehmen ausgestattet sind, werden diese in geeigneter Weise öffentlich ausgewiesen.

d. Die Selbsthilfeorganisation informiert in geeigneter Weise über Organvertreter, die außerhalb ihrer Rolle als Mitglied der Mitgliederversammlung von Wirtschaftsunternehmen Leistungen erhalten.

5. Unterstützung der Forschung

a. Die Selbsthilfeorganisation begrüßt Forschungsanstrengungen, die einer Verbesserung der Situation chronisch kranker und behinderter Menschen dienen.

b. Die Selbsthilfeorganisation ist grundsätzlich bereit, sich mit ihrer Fachkompetenz an solchen Forschungsprogrammen, insbesondere an klinischen Studien zu beteiligen, sowie über solche Forschungsprogramme, insbesondere klinische Studien, zu berichten, um über ihre Mitgliedsverbände so die Beteiligung von Probanden an den Forschungsprogrammen bzw. Studien zu ermöglichen. Eine solche Unterstützung setzt jedoch voraus, dass die Informationen über das Forschungs- und Studiendesign sowie über die laufenden Ergebnisse der Forschungsprogramme bzw. Studien die Informationen gegenüber der Selbsthilfeorganisation vollständig offen gelegt werden. Des Weiteren hält die Selbsthilfeorganisation die Übernahme der Kosten für die genannten Unterstützungsmaßnahmen durch die betreffenden Unternehmen für geboten. Die Selbsthilfeorganisationen unterstützen insbesondere Studien, die bei Studienregistern registriert werden und bei denen Design und Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

c. Die Selbsthilfeorganisation versucht ihrerseits, im Interesse chronisch kranker und behinderter Menschen auf die Firmenpolitik (Studiendesigns, Produkteigenschaften, Marketing, etc.) der Unternehmen Einfluss zu nehmen.

6. Monitoring

a. Die BAG Selbsthilfe und der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband mit seinem FORUM beraten aktiv neue Mitglieder im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Leitsätze, im Übrigen auch andere Mitglieder über Zielsetzung und Regelungsgehalt der Leitsätze.

b. Mindestens einmal im Jahr kommen Vertreter beider Organisationen zusammen, um über die Erfahrungen in der Anwendung der Leitsätze in der Praxis und notwendige Weiterentwicklung zu beraten. Die Ergebnisse dieser Fachaustausche werden öffentlich gemacht.

c. Bei Verstößen gegen die Leitsätze werden die betreffenden Organisationen von ihren Dachorganisationen aktiv angesprochen und zu einem Beratungsgespräch eingeladen. Die im Beratungsgespräch getroffenen Vereinbarungen werden dokumentiert und darüber in den Fachaustauschen informiert.

d. Die Selbsthilfeorganisationen beraten und informieren regelmäßig ihre ihnen angeschlossenen Untergliederungen (Selbsthilfegruppen), z. B. in geeigneten Veranstaltungen und Publikationen, um haupt- und ehrenamtliche Mitglieder mit den erforderlichen Verfahrensregeln vertraut zu machen.

e. Selbsthilfeorganisationen, die diesen Leitsätzen beigetreten sind, werden in einer Übersicht zusammengefasst. Diese wird in der aktuellen Fassung in geeigneter Weise veröffentlicht.

Den Selbsthilfeorganisationen wird eine Übergangsfrist bis 31.12.2007 eingeräumt, um ggf. abweichende eigene Regelungen anzupassen.

Darüber hinausgehende Regelungen von Selbsthilfeorganisationen haben weiterhin Geltung.

Über Geldquellen und Sensibilität

In der Politik wird über den Einfluss der Lobbyisten diskutiert. Aber wie sieht es im Aids-Bereich aus? Wie aktiv sind Interessengruppen – und besteht Sensibilität für potenzielle Einflussnahmen und ihre Folgen?

Über Lobbyisten in Ministerien, über den Einfluss der Industrie und ihrer Verbände auf Politik, Bildung und andere Bereiche wird ja in der Politik breit diskutiert. PR, Sponsoring, Lobby-Arbeit – die Wege der Einflussnahme sind vielfach.
So vielfach und immer wieder kreativ, so folgenreich, dass schon ein ‚
Worst EU Lobbying Award‚ ausgelobt wird für die Meister der Verdrehung

Dass diese Wege der Einflussnahme auch im Aids- Bereich weit verbreitet sind, wird oftmals kaum wahrgenommen. Auch im Aids-Bereich versuchen sich Interessengruppen, insbesondere die Pharmaindustrie zu ‚engagieren‘.
Allerdings, während in der Politik über Risiken und Gefahren dieses Sponsorings, dieser speziellen Form von Lobbyismus und Einflussnahmen diskutiert wird, ist ein kritisches Hinterfragen der Folgen des Sponsorings im Aids-Bereich bisher weitgehend tabu.

Neben dem Engagement direkt bei Ärzten suchen Pharmakonzerne auch weitere Wege, Einfluss auf den Markt Gesundheit zu nehmen.
Besonders im Fokus des Sponsorings einiger Pharma- Konzerne sind dabei Themenfelder wie Kultur. So sponsert ein Pharmakonzern einen Medienpreis, ein anderer einen Preis für Kunstwerke von HIV-Positiven und ein Dritter einen Foto-Wettbewerb.

Aber es geht auch direkter. ‚Ran an die Patienten‘ ist oft das Ziel. Aber wie, wenn Direktwerbung für Endverbraucher nicht zulässig ist?

Ein guter Weg sind da für die Pharmakonzerne im Aids-Bereich die Aids-Hilfen. Munter werden Veranstaltungen gesponsert, möglichst zu medizinischen Themen – und wenn der zuständige Mitarbeiter nicht aufpasst, bringt der nette Pharma-Mensch auch gleich den ‚passende‘ Referenten mit.
Oder es werden gleich ganze Veranstaltungsreihen gesponsert.
Oder Publikationen. Vielleicht ebenfalls, indem man den ‚passenden‘ Autor gleich mitbringt.

Oder ein Projekt? Vielleicht eins, das ein wenig Glanz abwirft?
Bei einige Aids-Hilfen machen sogenannte „Drittmittel“ inzwischen einen bedeutenden Anteil ihrer Finanzierungsquellen aus – und Gelder aus der Pharmaindustrie stehen dabei ganz in der ersten Reihe.

Wohlgemerkt, es geht nicht um Mäzenatentum. Die Pharmakonzerne geben ihr Geld nicht allein aus Edelmut. Vielmehr geht es um Sponsoring – und das beinhaltet immer auch eine Gegenleistung, einen Nutz-Effekt, den der Geldgeber sich verspricht.

Und genau darin liegt auch eines der Probleme. Angesichts knapper werdender öffentlicher Mittel sind viele Stellen geradezu darauf angewiesen, sich neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Einige Projekte wären ohne Pharma-Gelder oder andere Drittmittel sicherlich überhaupt nicht denkbar.

Doch – wird ausreichend berücksichtigt, dass dies immer ein Geschäft mir Gegenleistung ist?
Besteht genügend Sensibilität gegenüber den subtilen Mechanismen, über die Industrie und Lobbyisten Meinung und Haltung beeinflussen können?

Gelingt es, dennoch eine neutrale Haltung zu bewahren, oder gar eine im Interesse der eigenen Zielgruppen?

Und – werden diese Finanzierungen, diese potenziellen Einflussnahmen offen dargelegt? Wie sieht es mit der Transparenz aus?

Die Realität sieht im Aids-Bereich vermutlich oftmals fragwürdig aus …