Pharma-Werbung – weniger sympathisch, weniger Vertrauen erweckend?

Wird eine Anzeige als von der Pharma-Industrie geschaltet wahrgenommen, kann dies einher gehen mit reduziertem Vertrauen und Sympathie, zeigt eine US-Studie.

Die Forscher untersuchten in den USA Eltern (544) von Jungen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren, die an einem online-Experiment teilnahmen. Sie sahen eine Anzeige, die für eine Impfung gegen Humane Papilloma-Viren bei Jungen wirbt; der (hypothetischen) Werbung wurde auf Zufalls-Basis ein Logo zugeordnet. Während des Betrachtens der Anzeige sollten die Eltern die Anzeige beurteilen hinsichtlich Vertrauen, Sympathie sowie Motivation für eine HPV-Impfung.

Wer schaltete die (hypothetische) Anzeige? 62% der Teilnehmer identifizierten die Anzeige die sie jeweils sahen korrekt als von der Pharma-Industrie geschaltet, bei anderen Quellen lag die Rate korrekter Identifizierung nur bei 25%. Eltern, die eine Anzeige ohne Logo betrachtet hatten, hielten diese zu 60% für eine Anzeige der Pharma-Industrie.

Bei denjenigen Eltern, die die Quelle der Anzeige korrekt identifiziert hatten, führte eine als Pharma-Anzeige identifizierte Werbung zu einer verminderten Motivation, ihren Sohn impfen zu lassen; diese Assoziation ging einher mit vermindertem Vertrauen in und Sympathie für die jeweilige Anzeige.

Das Resümee der Forscher im BMJ unter anderem: Organisationen der Gesundheitsförderung sollten darauf achten, dass ihre Anzeigen nicht für von der Pharma-Industrie gesponsorte Anzeigen gehalten werden:

„Parents were more accurate in identifying drug company advertisements, primarily because they tended to assume any advertisement was from a drug company. Public health organizations may need to take special measures to ensure their messages are not perceived as sponsored by drug companies.“

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Reichsreklame-Messe, welche hier augenblicklich eine grosszügige Ausstellung unterhält. Der "Konditor" als Reklame einer Tortenfabrik. Quelle: Wikimedia / Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 102-01344
Reichsreklame-Messe, welche hier augenblicklich eine grosszügige Ausstellung unterhält. Der "Konditor" als Reklame einer Tortenfabrik. Quelle: Wikimedia / Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 102-01344

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Eine Untersuchung, die – übertragen auf HIV/Aids – zu denken geben sollte. Nicht nur der Pharma-Industrie, sondern auch manchen Aids-Organisationen – welche Werbe-Optik verwende ich in Anzeigen, bei Aids-Kampagnen? Wie wichtig ist es, eine klarer, eigene unverwechselbare Identität zu haben? Wie viel Pharma-Nähe tut gut? Wie viel Sponsoring tut der eigenen Glaubwürdigkeit gut?

Und die auch zu weiterem Nachdenken inspirieren könnte. Welche Auswirkungen können welche Formen der Zusammenarbeit mit Pharma-Industrie z.B. für Aids- Selbsthilfegruppen haben? Fördern sie Sympathie und eigene Glaubwürdigkeit – oder tragen sie gar potentiell zu deren Erosion bei?

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Pepper JK, Reiter PL, McRee AL, Brewer NT.: Advertisements Promoting Human Papillomavirus Vaccine for Adolescent Boys: Does Source Matter? (zuerst online veröffentlicht in Sex Transm Infect 1 June 2012 vol. 88 no. 4 264-265 ; Abstract auf PubMed; veröffentlicht im BMJ [via CDC NPIN]; Beispiel-Anzeige auf BMJ als pdf hier)

Unabhängigkeit der Selbsthilfe: Monitoring- Ausschüsse legen 2. Jahresbericht vor

Vielen auf dem Gebiet der Gesundheit aktiven Organisationen stellt sich die Frage, wie mit Mitteln Dritter, besonders der Pharma-Industrie umzugehen sei. Finanzierungsbedarf und Forderung nach Unabhängigkeit können leicht in Konflikt geraten (siehe auch Kommentar „Selbsthilfe oder Propaganda? Über Schleichwege des Pharma-Marketings„).

BAG Selbsthilfe und der Paritätische Wohlfahrtsverband haben Leitsätze erarbeitet zum Umgang mit Pharma-Geldern (siehe Dokumentation „Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen“). Ihre Einhaltung wird in einem Monitoring-Verfahren gesichert. Dazu die folgende Presseerklärung der BAG Selbsthilfe:

2. Jahresbericht zum Monitoring- Verfahren der BAG SELBSTHILFE und des FORUMs chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN GESAMTVERBAND veröffentlicht

Unabhängigkeit und Neutralität sind seit Jahren ein wichtiges Thema bei den Mitgliedsverbänden der BAG SELBSTHILFE und des FORUMs chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN Gesamtverband. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit der Pharmaindustrie. Aus diesem Grunde haben die BAG SELBSTHILFE und das FORUM im PARITÄTISCHEN Leitsätze erarbeitet, die die Grenzen des Zulässigen aufzeigen. Die Einhaltung dieser Leitsätze wird durch das sogenannte Monitoring- Verfahren gesichert, in dem mögliche Verstöße überprüft werden. Um zukünftige Verstöße zu vermeiden, beraten die Monitoring-Ausschüsse zudem die Mitgliedsverbände.

Die Eigenmittel der chronisch kranken und behinderten Menschen, die die Selbsthilfeorganisationen tragen, reichen oftmals nicht aus, die Vielzahl ihrer Aktivitäten zu finanzieren. Von daher sind die Organisationen häufig auf Spenden und Förderungen angewiesen. Auch Wirtschaftsunternehmen fördern Selbsthilfeprojekte. Die Annahme dieser Fördermittel birgt aber die Gefahr, dass sich die Selbsthilfeverbände bewusst oder unbewusst an den Anliegen der Wirtschaftsunternehmen orientieren, oder dass die Unternehmen gezielt versuchen, auf die Willensbildungsprozesse der Selbsthilfe Einfluss zu nehmen.

Es ist unabdingbar, dass die Selbsthilfeverbände als Anlaufstellen von ratsuchenden Menschen ihre Neutralität und Unabhängigkeit bewahren. Um dies zu gewährleisten, gibt es seit 2005 das sogenannte Monitoring-Verfahren, das der Beratung und Information der Mitgliedsverbände dient, mit dem aber auch die Leitsätze weiterentwickelt und Verstöße gegen diese Leitsätze sanktioniert werden sollen. Der Monitoring-Ausschuss nimmt dabei selbst initiativ Prüfungen problematischer Fälle vor. Weiter bringen die Mitgliedsorganisationen eigene Fälle ein, wenn sie einen Verstoß gegen die Leitsätze befürchten. Aber auch Dritte – wie beispielsweise Krankenkassen – können sich an die Monitoring-Prüfstelle wenden, wenn sie bei Verbänden den Verdacht auf einen Verstoß gegen die Selbsthilfe-Leitsätze vermuten. Die Ausschüsse haben im vergangenen Jahr 13 Fälle entschieden, weitere Verfahren sind derzeit noch in der Bearbeitung.

Das Monitoring Verfahren soll jedoch nicht nur dazu dienen, vergangene Verstöße festzustellen, sondern auch neue zu verhindern. So wurde etwa ein Muster zur Selbstauskunft für Wissenschaftliche Beiräte entwickelt. Denn viele Selbsthilfeorganisationen werden von ihren wissenschaftlichen Beiräten in medizinischen Fragen beraten und möchten wissen, ob es hier Kontakte zu Wirtschaftsunternehmen gibt und wie diese aussehen. Zur Erläuterung der Leitsätze hat der Monitoring-Ausschuss zudem die Arbeitshilfe aktualisiert, die den Verbänden die Leitsätze anhand praktischer Beispiele und entschiedener Fälle konkret nahe bringen soll. „Die Arbeitshilfe ist eine sehr gute inhaltliche Ergänzung zu den Leitsätzen, so dass die Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen eine noch größere Handlungssicherheit im Umgang mit Wirtschaftsunternehmen erhalten“, fasst Dr. Martin Danner, Geschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, das Arbeitsergebnis zusammen. „Die Verbände können jetzt noch einfacher als bislang konkrete Vorhaben anhand der Arbeitshilfe überprüfen und einschätzen“, urteilt Burkhard Stork, Leiter der Bundesgeschäftstelle der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung DCCV e.V. und Vorsitzender des Monitoringausschusses.

Die BAG SELBSTHILFE e.V. – Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen – ist die Vereinigung der Selbsthilfeverbände behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen in Deutschland. Sie ist Dachverband von 109 bundesweit tätigen Selbsthilfeorganisationen, 14 Landesarbeitsgemeinschaften und 5 Fachverbänden. Über ihre Mitgliedsverbände sind in der BAG SELBSTHILFE mehr als eine Million Menschen mit körperlichen, seelischen und geistigen sowie Sinnes-Behinderungen und Menschen mit unterschiedlichsten chronischen Erkrankungen zusammengeschlossen.

Das „Forum chronisch kranker und behinderter Menschen“ wurde im Jahre 1986 als ein übergreifender Zusammenschluss von 37 der 92 bundesweit agierenden Selbsthilfeorganisationen und zugleich Mitgliedsverbänden des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes gegründet. Das FORUM vertritt die Interessen chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN nach innen (Mitglieder, Verbandsrat, Vorstand, Hauptgeschäftsstelle) und außen. Der PARITÄTISCHE Gesamtverband unterstützt diese Aktivitäten auf Bundesebene und durch seine 15 Landesverbände.

(Pressemitteilung der BAG Selbsthilfe)

Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen

Zur Debatte, wie Organisationen des Gesundheitsbereichs mit Geldern Dritter, insbesondere aus der Pharma-Industrie, umgehen können, hier als Dokumentation die entsprechenden Leitsätze der BAG Selbsthilfe als Dokumentation.

Diese Leitlinien der BAG Selbsthilfe wurden auch von der Deutschen Aids-Hilfe DAH unterzeichnet und gelten auch für die DAH.

Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen

Präambel

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG SELBSTHILFE) und der Paritätische Wohlfahrtsverband mit seinem FORUM chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN (FORUM) vertreten als Dachorganisationen die Interessen der ihnen angeschlossenen Mitgliedsverbände. Darüber hinaus sind sie als die maßgeblichen Spitzenorganisationen der Selbsthilfe aufgerufen, die Interessenvertretung der Selbsthilfe behinderter und chronisch kranker Menschen insgesamt wahrzunehmen.

Um ihren Auftrag als maßgebliche Spitzenorganisationen der Selbsthilfe behinderter und chronisch kranker Menschen sachgerecht wahrnehmen zu können, ist es für die Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen unabdingbar, ihre Neutralität und Unabhängigkeit strikt zu wahren. Auf der Basis ihrer Neutralität und Unabhängigkeit legen die der BAG SELBSTHILFE und die dem FORUM angeschlossenen Selbsthilfeorganisationen Wert auf eine faire und transparente Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen. Sie begrüßen das Interesse von Wirtschaftsunternehmen an einer solchen Zusammenarbeit und sehen hier die Chance zu einem gleichberechtigten Dialog.

Um ihre Neutralität und Unabhängigkeit zu bewahren und auch künftig zu gewährleisten, sind im Folgenden gemeinsame Leitsätze der beiden Spitzenorganisationen für die Kooperation mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen sowie von ihnen Beauftragte formuliert.

Die nachstehenden Leitsätze gelten für die BAG SELBSTHILFE und das FORUM als übergreifende Zusammenschlüsse sowie für die Selbsthilfeorganisationen, die sich durch schriftliche Selbstverpflichtung zur Anwendung dieser Leitsätze gegenüber der BAG SELBSTHILFE und/oder dem PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband, Gesamtverband e. V., verpflichtet haben und im Anhang aufgeführt sind. Soweit Selbsthilfeorganisationen entsprechende Leitsätze oder Richtlinien verabschiedet haben, bleibt deren Geltung unberührt.

Die BAG SELBSTHILFE und das FORUM beraten die ihnen angeschlossenen Selbsthilfeorganisationen und begleiten sie fortlaufend bei der Umsetzung dieser Leitsätze in der Praxis.

1. Allgemeine Grundsätze

a. Die Selbsthilfeorganisationen richten ihre fachliche und politische Arbeit ausschließlich an den Bedürfnissen und Interessen von behinderten und chronisch kranken Menschen und deren Angehörigen aus. Sie wollen die Selbstbestimmung behinderter und chronisch kranker Menschen fördern.

b. Die Kooperation zwischen Selbsthilfeorganisationen und Wirtschaftsunternehmen muss mit den satzungsgemäßen Zielen und Aufgaben der Selbsthilfeorganisationen im Einklang stehen und diesen dienen. Die Selbsthilfeorganisationen akzeptieren keine Zusammenarbeit, welche die Gemeinnützigkeit des Verbandes gefährdet oder gar ausschließt.

c. In allen Bereichen der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen muss die Selbsthilfeorganisation die volle Kontrolle über die Inhalte der Arbeit behalten und unabhängig bleiben. Dies gilt sowohl für ideelle als auch für finanzielle Förderung und Kooperationen.

d. Jedwede Kooperation mit und Unterstützung durch Wirtschaftsunternehmen ist transparent zu gestalten.

2. Information und inhaltliche Neutralität

a. In Kooperationen mit Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, Anbietern von Heil- und Hilfsmitteln sowie Dienstleistungen und anderen Unternehmen, die Produkte für behinderte und chronisch kranke Menschen herstellen oder vertreiben, wird auf eine eindeutige Trennung zwischen Informationen der Selbsthilfeorganisation, Empfehlungen der Selbsthilfeorganisation und Werbung des Unternehmens geachtet. Die Selbsthilfeorganisationen informieren über Angebote, beteiligen sich aber nicht an der Werbung.

Werbung von Wirtschaftsunternehmen ist grundsätzlich zu kennzeichnen.

b. Die Selbsthilfeorganisation gibt grundsätzlich weder Empfehlungen für einzelne Medikamente, Medikamentengruppen oder Medizinprodukte, noch Empfehlungen für bestimmte Therapien oder diagnostische Verfahren ab.

Die Abgabe einer Empfehlung ist nur dann möglich, wenn diese auf dem Bewertungsergebnis anerkannter und neutraler Expertengremien beruhen. Die Zusammensetzung der Gremien muss öffentlich transparent sein. Ihre Ergebnisse müssen transparent und nachvollziehbar sein.

Informationen von Wirtschaftsunternehmen werden kenntlich gemacht sowie nicht unkommentiert weitergegeben.

c. Die Selbsthilfeorganisation informiert über die Erfahrungen von Betroffenen mit Medikamenten, Medizinprodukten, Therapien und diagnostischen Verfahren.

d. Die Selbsthilfeorganisation informiert auch über die Vielfalt des Angebotes und über neue Entwicklungen im Bereich der Prävention, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation unter Angabe der Quellen.

e. Die Selbsthilfeorganisation ist in ihrer fachlichen Arbeit unabhängig und nicht an medizinische Fachrichtungen gebunden. Sie steht grundsätzlich auch besonderen Therapierichtungen offen gegenüber. Eine besondere Bedeutung haben hier z. B. homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Angebote.

3. Kommunikationsrechte

a. Die Selbsthilfeorganisation gewährt ggf. Wirtschaftsunternehmen in schriftlichen Vereinbarungen Kommunikationsrechte, wie z.B. das Recht auf die Verwendung des Vereinsnamens oder des Logos in Publikationen, Produktinformationen, Internet, Werbung oder auf Veranstaltungen. Tatsache und Gegenstand dieser Vereinbarungen werden veröffentlicht. Ausgeschlossen wird die unmittelbare oder mittelbare Bewerbung von Produkten, Produktgruppen oder Dienstleistungen zur Diagnostik und Therapie von chronischen Erkrankungen oder Behinderungen.

Die schriftlichen Vereinbarungen enthalten eindeutige Beschreibungen, welcher Partner in welchem Zusammenhang Namen bzw. Logo des anderen Partners verwenden darf und wo die Grenzen gezogen werden. Eine Formulierung wie: „Der Sponsor verpflichtet sich, keine Maßnahmen zu treffen, die den Ideen und dem Ansehen der Selbsthilfeorganisation Schaden zufügen“ bietet in der Vereinbarung einen umfassenden Schutz für die Interessen der Selbsthilfeorganisation.

b. Das Gebot der Transparenz gebietet, dass grundsätzlich im Rahmen der gemeinsamen Aktion auf die Unterstützung durch das Wirtschaftsunternehmen hingewiesen wird, ohne jedoch im Sinne der Grundsätze des BMF für ertragssteuerrechtliche Behandlung des Sponsoring vom 18.02.1998 und des darauf beruhenden Erlasses des Finanzministeriums Bayerns vom 11.02.2000 aus steuerlicher Sicht Werbung im aktiven Sinne zu betreiben.

c Eine Verwendung des Logos und des Namens der Selbsthilfeorganisation darf nur mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung der Selbsthilfeorganisation erfolgen. Das Logo muss dann originalgetreu verwendet werden. Abweichungen oder Änderungen sind nicht zulässig. Die Verwendung darf nur für den konkret vereinbarten Zweck erfolgen.

Ebenso kann die Selbsthilfeorganisation das Logo des Wirtschaftsunternehmens verwenden. Die Abgrenzung von jeglicher Produktwerbung ist dabei zu beachten.

d. Im Folgenden sind übliche Aktionsfelder für Kommunikationsrechte zwischen Wirtschaftsunternehmen und Selbsthilfeorganisationen aufgeführt. Die Liste versteht sich als beispielhafte und nicht abschließende Nennung von Kooperationsmöglichkeiten.

· Veranstaltungen von Selbsthilfeorganisationen

Die Selbsthilfeorganisation trägt dafür Sorge, dass bei von ihr organisierten und durchgeführten Veranstaltungen stets die Neutralität und Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Dieser Anspruch gilt auch für organisatorische Fragen. Die Auswahl des Tagungsortes und der Rahmen der Veranstaltung wird von der Selbsthilfeorganisation bestimmt. Reisekosten orientieren sich grundsätzlich am Bundes- bzw. Landesreisekostengesetz. Sofern Honorare gezahlt werden sind diese maßvoll zu bemessen. Dabei kann die Honorarordnung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge herangezogen werden. Daten von Teilnehmenden an Veranstaltungen werden nicht an Wirtschaftsunternehmen weitergegeben.

Bei der Festlegung der Inhalte und bei der Auswahl der Referenten achtet die Selbsthilfeorganisation insbesondere darauf, dass die Sachverhalte objektiv dargestellt und behandelt werden. Dies schließt eine einseitige Darstellung zu Gunsten eines bestimmten Unternehmens, einer bestimmten Therapie oder eines bestimmten Produktes grundsätzlich aus. Die Selbsthilfeorganisation trägt Sorge dafür, dass die behandelten Themenbereiche nicht allein von Referenten, die bei dem jeweiligen Sponsor angestellt sind oder vom dem jeweiligen Sponsor finanziell abhängig sind, behandelt werden.

· Veranstaltungen von Wirtschaftsunternehmen

Die Selbsthilfeorganisation trägt dafür Sorge, dass auch im Rahmen von Veranstaltungen von Wirtschaftsunternehmen stets die Neutralität und Unabhängigkeit der Selbsthilfeorganisation gewahrt bleibt. Die schriftliche Vereinbarung regelt, in wie weit der Name oder das Logo der Selbsthilfeorganisation auf Veranstaltungen des Wirtschaftsunternehmens benutzt werden darf. Werbung für ein konkretes Produkt, Produktgruppen oder Dienstleistungen wird dabei ausdrücklich ausgeschlossen. Reisekosten orientieren sich grundsätzlich am Bundes- bzw. Landesreisekostengesetz. Sofern Honorare gezahlt werden, sind diese maßvoll zu bemessen. Dabei kann die Honorarordnung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge herangezogen werden.

· Publikationen von Selbsthilfeorganisationen

Sollte eine Publikation mit der Unterstützung durch ein Wirtschaftsunternehmen entstanden sein, wird auf den Druckerzeugnissen – z.B. mit der Formulierung: „mit freundlicher Unterstützung von…..“ – auf die Unterstützung hingewiesen. Dabei können das Logo oder der Schriftzug des Wirtschaftsunternehmens verwandt werden, soweit dies ohne besondere Hervorhebung erfolgt.

· Publikationen von Wirtschaftsunternehmen

Das Wirtschaftsunternehmen kann den Abdruck des Logos der Selbsthilfeorganisation in seinen Publikationen oder auf Plakaten veranlassen, soweit dies in der schriftlichen Vereinbarung festgehalten wurde. Die Vereinbarung schließt aus, dass auf diesem Wege mittel- oder unmittelbar Werbung für Produkte, Produktgruppen oder Dienstleistungen betrieben wird.

· Internetauftritte von Selbsthilfeorganisationen

Die Selbsthilfeorganisation kann auf ihrer Homepage auf die Unterstützung durch Wirtschaftsunternehmen hinweisen. Eine aktivierte Verlinkung von einer Homepage der Selbsthilfeorganisation auf die Homepage eines Wirtschaftsunternehmens wird von den Steuerbehörden als aktive Werbung gewertet und stellt aus steuerlicher Sicht einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar. Im Einzelnen wird auf den Erlass des Finanzministeriums Bayern vom 11.02.2000 verwiesen.

· Internetauftritte von Wirtschaftsunternehmen

Wirtschaftsunternehmen können in ihrem Internetauftritt auf die Selbsthilfeorganisationen verweisen und auch direkt verlinken. Sie sollten die Selbsthilfeorganisationen über diesen Schritt informieren und auch akzeptieren, wenn eine solche Verlinkung nicht gewünscht wird. Eine Verlinkung zum down load-Bereich der Selbsthilfeorganisation verursacht Kosten bei der Selbsthilfeorganisation und ist in einer schriftlichen Vereinbarung zu regeln.

· Eigenwerbung von Selbsthilfeorganisationen

Selbsthilfeorganisationen können in ihrer Eigenwerbung auf die Unterstützung von Wirtschaftsunternehmen hinweisen. Umfang und Art und Weise werden in der schriftlichen Vereinbarung festgehalten. Der Hinweis geschieht in der Form, dass es sich im steuerrechtlichen Sinne nicht um aktive Werbung handelt. Ein Zusammenhang mit Produkt-, Produktgruppen und Dienstleistungswerbung wird ausgeschlossen.

· Eigenwerbung von Wirtschaftunternehmen

Die Selbsthilfeorganisation kann den unterstützenden Wirtschaftsunternehmen anbieten, die im Rahmen der geschlossenen Vereinbarungen erfolgten Zuwendungen öffentlich zu dokumentieren und damit zu werben.

4. Zuwendungen

a. Die Selbsthilfeorganisation kann finanzielle Zuwendungen entgegennehmen. Dabei wird die Selbsthilfeorganisation nicht in Abhängigkeit von bestimmten Wirtschaftsunternehmen oder von einer bestimmten Person geraten. Die Selbsthilfeorganisation achtet bei der Förderung durch Wirtschaftsunternehmen und Privatpersonen insbesondere darauf, dass eine Beendigung der Unterstützung weder den Fortbestand noch den Kernbereich der satzungsgemäßen Arbeit der Selbsthilfeorganisation gefährden kann.

b. Die Selbsthilfeorganisation trifft ggf. auch Sponsoring-Vereinbarungen mit Wirtschaftunternehmen. Unter Sponsoring ist dabei die Gewährung von Geld, geldwerten Vorteilen, Sachzuwendungen oder ideeller Unterstützung durch Unternehmen zur Förderung der Selbsthilfeorganisation zu verstehen, wenn damit auch eigene unternehmensbezogene Ziele der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens verfolgt werden. Die Selbsthilfeorganisation sichert ihre Unabhängigkeit gegenüber Sponsoren dadurch ab, dass Sponsoring-Vereinbarungen, die Zuwendungen in nicht unerheblichen Umfang zum Gegenstand haben, schriftlich fixiert und die Zuwendungen transparent gemacht werden.

Sollte mit einem Unternehmen eine Sponsoringvereinbarung getroffen werden, sind die geltenden steuerrechtlichen Vorschriften, insbesondere im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit von Vereinen, und die eindeutige Zuordnung zum entsprechenden Tätigkeitsbereich zu beachten.

c. Soweit Projekte einer Selbsthilfeorganisation mit über der Hälfte der dafür notwendigen Sach- und Finanzmittel von einem oder mehreren Wirtschaftunternehmen ausgestattet sind, werden diese in geeigneter Weise öffentlich ausgewiesen.

d. Die Selbsthilfeorganisation informiert in geeigneter Weise über Organvertreter, die außerhalb ihrer Rolle als Mitglied der Mitgliederversammlung von Wirtschaftsunternehmen Leistungen erhalten.

5. Unterstützung der Forschung

a. Die Selbsthilfeorganisation begrüßt Forschungsanstrengungen, die einer Verbesserung der Situation chronisch kranker und behinderter Menschen dienen.

b. Die Selbsthilfeorganisation ist grundsätzlich bereit, sich mit ihrer Fachkompetenz an solchen Forschungsprogrammen, insbesondere an klinischen Studien zu beteiligen, sowie über solche Forschungsprogramme, insbesondere klinische Studien, zu berichten, um über ihre Mitgliedsverbände so die Beteiligung von Probanden an den Forschungsprogrammen bzw. Studien zu ermöglichen. Eine solche Unterstützung setzt jedoch voraus, dass die Informationen über das Forschungs- und Studiendesign sowie über die laufenden Ergebnisse der Forschungsprogramme bzw. Studien die Informationen gegenüber der Selbsthilfeorganisation vollständig offen gelegt werden. Des Weiteren hält die Selbsthilfeorganisation die Übernahme der Kosten für die genannten Unterstützungsmaßnahmen durch die betreffenden Unternehmen für geboten. Die Selbsthilfeorganisationen unterstützen insbesondere Studien, die bei Studienregistern registriert werden und bei denen Design und Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

c. Die Selbsthilfeorganisation versucht ihrerseits, im Interesse chronisch kranker und behinderter Menschen auf die Firmenpolitik (Studiendesigns, Produkteigenschaften, Marketing, etc.) der Unternehmen Einfluss zu nehmen.

6. Monitoring

a. Die BAG Selbsthilfe und der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband mit seinem FORUM beraten aktiv neue Mitglieder im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Leitsätze, im Übrigen auch andere Mitglieder über Zielsetzung und Regelungsgehalt der Leitsätze.

b. Mindestens einmal im Jahr kommen Vertreter beider Organisationen zusammen, um über die Erfahrungen in der Anwendung der Leitsätze in der Praxis und notwendige Weiterentwicklung zu beraten. Die Ergebnisse dieser Fachaustausche werden öffentlich gemacht.

c. Bei Verstößen gegen die Leitsätze werden die betreffenden Organisationen von ihren Dachorganisationen aktiv angesprochen und zu einem Beratungsgespräch eingeladen. Die im Beratungsgespräch getroffenen Vereinbarungen werden dokumentiert und darüber in den Fachaustauschen informiert.

d. Die Selbsthilfeorganisationen beraten und informieren regelmäßig ihre ihnen angeschlossenen Untergliederungen (Selbsthilfegruppen), z. B. in geeigneten Veranstaltungen und Publikationen, um haupt- und ehrenamtliche Mitglieder mit den erforderlichen Verfahrensregeln vertraut zu machen.

e. Selbsthilfeorganisationen, die diesen Leitsätzen beigetreten sind, werden in einer Übersicht zusammengefasst. Diese wird in der aktuellen Fassung in geeigneter Weise veröffentlicht.

Den Selbsthilfeorganisationen wird eine Übergangsfrist bis 31.12.2007 eingeräumt, um ggf. abweichende eigene Regelungen anzupassen.

Darüber hinausgehende Regelungen von Selbsthilfeorganisationen haben weiterhin Geltung.

Werbung grenzenlos ?

Betreiber kommerzieller Internetseiten wollen Einnahmen erzielen, Gewinne machen. Viele von ihnen schalten dazu Werbung. Auch schwule Internet-Seiten. Aber – gibt es Grenzen?

Auch wenn man als Site-Betreiber Werbung schaltet, kann man sich diese Frage stellen – gibt es Grenzen? Setze ich mir Grenzen? Will ich Inhalte mit Werbung verbinden? Will ich Werbung aus jedem Bereich, zu jedem Thema oder Produkt, und bei jedem meiner Site-Inhalte? Will ich vielleicht mit einigen Themen, einigen Werbe-Kunden, einigen Produkten (bzw. der Werbung für sie) vielleicht besonders sensibel umgehen?

Medikamente sind etwas anderes als Autos, Waschmaschinen oder Reisen. Selbst wenn es sich um so genannte ‚Lifestyle-Medikamente‘ handelt.

Und so überrascht es doch ein wenig, auf einem schwulen kommerziellen ‚News-Portal‘ „Top-Links“ zu finden, die per Klammer-Zusatz als „Werbung“ gekennzeichnet sind – und als obersten „Top-Link“ direkt den Link mit dem eindeutigen Namen „Viagra und Cialis online bestellen“.

Queer.de Werbung (Screenshot 24.07.2010)
Queer.de Werbung (Screenshot 24.07.2010)

Ein Klick auf den Link, und schon befindet sich der User auf den Internetseiten einer Online-Apotheke (nebenbei, einer auf Zypern registrierten, deren Domaininhaber chinesischen Namens noch annähernd 100 weitere Domains hat, darunter zahlreiche Medikamenten-bezogene). Groß und bunt wird dort wie versprochen auf die im Link genannten Potenzpillen hingewiesen.

Werbung – für Potenzpillen? Auf einer sich als seriös gerierenden schwulen Informations-Site?

Werbung – für Medikamente?

Werbung – für Medikamente, die verschreibungspflichtig sind?

Doch – es kommt noch ‚bunter‘. Über den genannten Pillen der belinkten ‚Online-Apotheke‘ befindet sich eine kleine Animation, die in wechselnden Schriftzügen den Kunden aufklären soll. Dort kann er u.a. folgendes lesen:

Pillenpharm Screenshot (Ausschnitt)

„Rezeptfrei bestellen“ ???

Verschreibungspflichtige Medikamente, Potenzpillen, rezeptfrei bestellbar – dafür wird auf einem schwulen Informations-Portal geworben?

Gibt es Grenzen?

Ja, einige Grenzen setzen Gesetze. Andere setzen wir uns selbst, freiwillig. Welche wir uns setzen, sagt auch etwas über uns aus …

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Nachtrag 25.07.2010 11:16 Uhr: seit ca. 11:00 Uhr (25.7.) ist der genannte „Top-Link“ in dieser Werbe-Rubrik auf der Site derzeit nicht mehr aufgeführt.

Selbsthilfe oder Propaganda? Über Schleichwege des Pharma-Marketings

Positive bloggen – immer mehr. Ein erfreulicher Trend, denn auch auf diesem Weg werden immer mehr Stimmen sicht- und lesbar, die aus der Vielfalt des Lebens mit HIV und Aids berichten. Allerdings gibt es Stimmen, die nachdenklich stimmen, bei denen ein Blick lohnt à la „guck mal wer da spricht“. Ein ‚Blog‘, eine Site, bei denen unklar ist, ob ‚HIV-positiv‘ oder nicht vielmehr ‚Pharma‘ drin ist, Marketing eines Pharmakonzerns …

Jo bloggt, Marcel bloggte, Termabox bloggt, Diego neuerdings auch, und Kalle sowieso, Alive n Kickin auch, und Desmond. Desmond? Ja, Desmond.
Desmond wirbt auch für sein Blog, zum Beispiel auf Facebook:

„Hallo Leute,
ich bin Desmond, 30 Jahre alt, komme aus Köln und bin HIV-positiv. In meinem Blog spreche ich über mich, meine Musik, die Mode und das Bloggen. Außerdem schreibe ich über meine Gedanken und was mich in meinem Leben bewegt. Das hilft mir, mit HIV umzugehen und ich hoffe, dass es anderen hilft, denen es genauso geht. Drückt oben auf den Button „Gefällt mir“, um an meinem Leben teilzuhaben.
Ich freue mich über jeden „Zuhörer“… ;-)))))
Desmond“

Das klingt zunächst interessant. Desmond, HIV-positiv, schriebt über sein leben. Etwas jedoch sagt Desmond nicht. Wer auf den Link klickt, der zu Desmonds Blog führt, landet auf einer aufwendig gestalteten Seite. Liest viel über Desmond und sein Leben …
…und erfährt höchstens, wenn er ganz unten an Ende der Seite auf „Impressum“ klickt, wer denn dieses Angebot betreibt:

„Diensteanbieter: Abbott GmbH & Co. KG“
und
„Realisierung: Allround Team GmbH … Redaktion: Christian Lang, Fabienne Nawrat“

Über das „Allround Team“, zuständig für Abbotts „Infotainment-Angebot“ und „Community-Website“ namens ‚Garten der Lüste‘,  ist auf dessen Internetsite zu erfahren

„Allround: Das bedeutet für uns vielseitig begabt, universell tätig und überall einsetzbar zu sein. Spezialisiert sind wir auf Agenturdienstleistungen, Verlagswesen, Sprachdienste und Usability-Studien, stehen Ihnen aber mit unserer langjährigen Erfahrung und unseren frischen Ideen auch in jedem anderen Aufgabenfeld zur Verfügung.“

Technisch wird ‚Desmonds Blog‘ realisiert von ‚Medienhof‘ – einer Agentur, die sich selbst im Untertitel bezeichnet als

„Agentur für Unternehmenskommunikation“.

Desmonds Blog – also nicht ‚irgendein‘ HIV-positives Blog. Ein Blog auf einer Marketing-Plattform, und zwar eines Pharmakonzerns, eines Konzerns der Aids-Medikamente herstellt. Ein kleiner, ein wichtiger Unterschied.

Nun mag ein HIV-Positiver sich vielleicht durchaus entscheiden, sich bei einem Pharmakonzern zu verdingen, dort sein Blog professionell ‚betreuen‘ zu lassen (was auch immer ‚betreuen‘ dann meinen mag).

Allein – die ‚Kommunikation‘ von Pharmakonzernen mit Patienten ist immer einen besonderen Blick wert. Nicht umsonst gilt das Direktwerbeverbot des Heilmittelwerbegesetzes:

„Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden.“ (Volltext: Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens, dort §10)

Nicht nur, dass die Site ‚Garten der Lüste‘ von Abbott betrieben wird, dort wird auch -ohne Nennung von Produktnamen- über die HIV-Medikamente des Konzerns berichtet, werden Broschüren angeboten, die bestimmte Technologien des Konzerns für HIV-Medikamente lobpreisen, wird auf andere konzerneigene HIV-Sites verlinkt.

Wenn dann auch noch die Verquickung von ‚Stimme aus dem HIV-positiven Leben‘ und Pharma-Marketing nicht (wie z.B. beim Facebook-Auftritt) oder kaum sichtbar (wie auf der Site) erwähnt wird, wirft dies weitere Fragen auf.

Worum geht es?

„Unternehmenskommunikation“ – dieser Begriff (den die realisierende Agentur im Untertitel führt) weist wohl in die Richtung, um die es im ‚Garten der Lüste‘ gehen dürfte. Und vermutlich auch auf ‚Desmonds Blog‘? Die Kommunikation eines Unternehmens, das einer der großen Player auf dem Gebiet der HIV-Medikamente ist. Und einer der sehr umstrittenen Player.

Denn Abbott hat eine bewegte Geschichte auf dem Aids-Markt. Eine Geschichte voll von Problemen und Eigenartigkeiten. Eine kleine Auswahl: Der Konzern plante eigenen Unterlagen zufolge, ein lebenswichtiges Aids-Medikament vom Markt zu nehmen, was die eigene Marktposition im Vergleich zu Wettbewerbern befördert hätte. Um die eigenen Gewinne zu erhöhen, wurde in den USA der Preis dieses Aids-Medikaments verfünffacht. Immer wieder auch gerät Abbott in die Kritik aufgrund seines Umgangs mit Patentrechten. Erst jüngst versuchte ein Abbott-Pharmareferent in Costa Rica Presseberichten zufolge, HIV-Positive davon zu überzeugen sich einer Klage gegen eine generische Version von Lopinavir> anzuschließen. Kritik wird nicht gern gesehen – Abbott klagte gegen ACT UP . In den USA wurde jüngst Abbott abgemahnt – wegen Werbung, die die Wirkung für ein Aids-Medikament übertreibt und Nebenwirkungen verharmlost.

Sieht so die Aids-Politik eines Unternehmens aus, in dessen Gesellschaft man sich befinden möchte als HIV-positiver Blogger? Diese Frage muss jeder Blogger für sich selbst entscheiden. Aber die Verbindungen zum Konzern sollten für jeden und jederzeit offen ersichtlich sein.

So bleibt letztlich die Frage nach dem Zweck des Ganzen. Sind ‚Garten der Lüste‘ und vielleicht auch ‚Desmonds Blog‘ wirklich mehr als nur der immer wieder erneuerte Versuch von Pharmakonzernen, sich über das aus guten Gründen bestehende Direktwerbeverbot hinweg zu setzen?

Wird hier das Image eines ‚Blogs eines HIV-Positiven‘ benutzt, instrumentalisiert, um über immer neue Wege direkten Zugang zu Patienten zu bekommen?

Positive Stimme? Oder schnödes Marketing, im Interesse des Unternehmens?

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Nebenbei, der ‚Garten der Lüste‘ ist eines der bekanntesten Triptychen von Hieronymus Bosch. Der eigentliche ‚Garten der Lüste‘, dargestellt im  Mittelteil dieses Triptychons, wurde lange Zeit als Warnung vor der Todsünde der Wollust gedeutet. Inzwischen wird es auch als Darstellung eines utopischen Liebes-Paradieses gesehen, als ‚Garten der Liebe‘. Abbott wirbt für seine Kampagne mit dem Slogan „Augen auf im Garten der Lüste – Kondome schützen“. Ob Abbott dieses Spannungsfeld der Interpretationen des Bosch-Triptychons  bei der Wahl des Namens ihrer Patienten-Marketing-Kampagne bewusst war?

siehe auch:
stationäre aufnahme 11.07.2010: Abbott schickt bei Facebook HIV-Infizierten vor
Bildblog 12.07.2010
medizynicus 20.07.2010: Kann man Bloggern trauen? Oder: Desmond, die Krankheit und die Pharmaindustrie
Reaktion von Desmond auf die Artikel in Desmonds Blog am 23.07.2010 [Artikel dort nicht einzeln verlinkbar]
medizynicus 23.07.2010: Desmond lebt!

brandeins 07/2010: Mein Patient, mein Partner
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Gran Canaria: jeder Fünfte Euro von Schwulen

Nahezu ein Fünftel der Einnahmen aus Tourismus gehen auf Gran Canaria inzwischen auf das Konto der Schwulen – und der Anteil soll weiter steigen.

Seit vielen Jahren ist Gran Canaria ein beliebtes Reiseziel für schwule Männer. Mit Homosexuellen lässt sich Geld verdienen – dies beginnt auch die örtliche Wirtschaft inzwischen, nach Jahren eines eher ‚distanzierten‘ Verhältnisses, zu erkennen.

Die CSD-Saison hat begonnen – auch auf Gran Canaria. Dort fand vom 3. bis 9. Mai der „Maspalomas Pride“ statt, bereits zum neunten Mal. Über 50.000 Teilnehmer zählte die Parade rings um das ‚Yumbo Center‚ am 9. Mai, insgesamt hätten über 200.000 Teilnehmer die Veranstaltungen des „Maspalomas Pride“ besucht, teilten die Veranstalter mit. Tourismus-Manager sprechen inzwischen vom Maspalomas-CSD als neuem zusätzlichen ‚Marketing-Tool‘ der Region.

Homosexuelle sind inzwischen auf Gran Canaria -einer Insel, die sehr ausgeprägt vom Tourismus lebt- ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. 2,5 Milliarden Euro werden jedes Jahr auf Gran Canaria im Tourismus erwirtschaftet, etwa 500 Millionen (18%) davon stammen aus dem Homo-Tourismus. 12 Prozent der jährlich 2,8 Millionen Touristen auf der Insel seien Schwule oder Lesben. Diese Zahlen des Tourismusverbandes wurden am Rand des „Maspalomas Pride“ bekannt.

Und der Anteil „schwuler Euros“ soll weiter steigern – der Hotel- und Tourismusverband von Las Palmas will mit speziellen Angeboten die Zahl homosexueller Touristen weiter erhöhen.

Geschichten über die große Bedeutung von Schwulen und Lesben als ‚Konsumfaktor‘ sind immer wieder zu lesen und hören. Auch (und gerade) von schwulen Medien wird (aus nur zu durchsichtigen Gründen) gern am Märchen vom konsumfreudigen Homo gestrickt – selbst wenn die Zahlen oftmals dagegen sprechen, eher zeigen ‚Schwule verdienen weniger‚.

Dennoch – Gran Canaria ist seit vielen Jahren ein beliebtes Reiseziel gerade auch für Schwule. Von Yumbo-Center, Pink Playa und Dünen werden so manche Geschichten erzählt, bis hin zu Büchern wie ‚Elvira auf Gran Canaria‘ des 2002 verstorbenen schwulen Publizisten Hans-Georg Stümke.

Doch diese Geschichten des schwulen Touristenlebens auf Gran Canaria waren nicht immer nur amüsant. Schlägereien, Diebstähle, Verhaftungen – auch die Zahl der eher unangenehmen Erlebnisse war zeitweise hoch. ‚Gay friendly‘ – diese Devise galt lange Zeit längst nicht überall auf Gran Canaria.

Zu hoffen ist insofern, dass das Engagement der Canarischen Wirtschaft für schwule und lesbische Touristinnen über den Hotel-, Disco-  und Sahnekuchen-Euro hinaus reicht, auch dazu führt, dass sich die generelle Situation für Schwule und Lesben auf der Insel verbessert.

weitere Informationen:
La Provincia 02.05.2010: El turismo gay deja 500 millones de euros al año
Comprendres Gran Canaria 11.05.2010: Der Gay-Tourismus beschert Gran Canaria inzwischen 500 Millionen Euro im Jahr
Internetseite Gay Pride Maspalomas
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Die Pharmaindustrie und die Give-Aways …

„Please note Please note that US PhRMA guidelines prohibit US physicians from taking any promotional items“

(gesehen auf der 12. Europäischen Aids-Konferenz in Köln)

Immerhin, im Vergleich zu früheren Jahren hat der Werbe-Zirkus des Pharma-Jahrmarkts auf Aids-Kongressen schon deutlich nachgelassen …

… dennoch: fragt sich nur, wann eine derartige Regelung auch für europäische Ärzte gilt …

Das Märchen vom konsumfreudigen Homo

Schwule haben Geld und sind kauffreudig -. an diesem Märchen strickt auch die WiWo mit

Dass Homosexuelle ein Wirtschaftsfaktor ist, ist nicht gerade eine neue Erkenntnis. Darüber in Hetero-Medien zu schreiben, ist auch nicht sonderlich neu. Eine ganze Titel-Geschichte in der ‚Wirtschaftswoche‘ allerdings ist schon bemerkenswert.

Auf dem Weg zum Sport schreit mich am Kiosk ein rosafarbenes Titelblatt an (auf das z.B. auch der Queerblog hinweist):

Wirtschaftswoche Titel schwul

Das doppelte Marssymbol als Zeichen für Schwule, und dann WiWo-gerecht zum doppelten Euro verfremdet – was lässt das erwarten?

Unter dem Titel ‚Der Schwulen-Faktor‘ berichtet die WiWo (erfreulicherweise kann sowohl Mann als auch die im Artikel nicht angesprochene Frau den Artikel online lesen), ‚wie Homosexuelle eine Metropole prägen‘ (und meint die Wirtschaft).

Der Artikel plappert von hautengen Kostümen, von reise- und kauffreudiger Klientel, feiert Schwule als ‚Early Adopters‘, als ‚Konsum-Vorreiter‘, ergötzt sich an der überdurchschnittlich hohen Homo-Präsenz z.B. in Köln, auch als Basis für ein ‚Diversity Management, das Mehrwert schafft‘, und feiert die ‚Wegbereiter der homosexuellen Karnevalsbewegung‘ (war ‚Bewegung‘ nicht mal was anderes?). Ein postulierter ’souveräner Umgang mit dem Anderssein‘ wird dann gleich als ‚Standort-Faktor‘ hochgelobt.

Ein Artikel, der meist zwischen Plattitüden und Oberflächlichkeiten daher kommt.
Vor allem aber ein Artikel, der Schwulsein als Standortfaktor und Frühindikator für Stadtteil-Sanierung nimmt. Homos als ‚homo oeconomicus‘ im wahrsten Sinne.
Erfreulich immerhin, dass kurz auch die wenig erfreuliche Situation von Schwulen in autoritären Staaten erwähnt wird (allerdings, um auch hier den Zusammenhang zwischen Homosexualität, Weltoffenheit und ‚Wohlstandsmehrung‘ zu predigen).

Bei solchen Artikeln überkommt mich immer das Gefühl, Schwulsein muss wohl wirklich ‚mitten in der Gesellschaft‘ angekommen sein. In einer Langeweile, die ich irgendwie nie wollte …
Nicht, dass entstandene Verbesserungen nicht zu würdigen sind. Schwulen- und Lesbengruppen in Betrieben, Betriebsrente für Homo-Paare, alles Errungenschaften. Aber – wird jetzt die ökonomische Relevanz schon zum begründenden Faktor, zur Legitimationsbasis für schwule und lesbische Emanzipation?
Wird ‚Yuppie-Ambiente‘ statt ‚Elend der Großstadt‘ jetzt Ziel schwulen Seins?
Und -nebenbei- was wird dann mit all denjenigen Schwulen und Lesben (und in dem Artikel ganz vergessenen queeren, transgender und sonstwie anderen Menschen), die diesen ökonomischen Kriterien nicht entsprechen wollen oder können?

Und, wenn Schwulsein schon ein solcher Standort-Faktor sein soll, warum kommt dann solche geistige Monokultur daraus? Oder gibt es etwa einen Zusammenhang zwischen ökonomisierten Wohlfühl-Mainstream und monokultureller Langeweile?