„Neue Konzepte in der HIV-Prävention“ fordert die Koalitionsvereinbarung des neuen rot-roten Senats – und stellt keine zusätzlichen Mittel bereit. Da gilt es zu fragen, wofür werden HIV-Senatsmittel bisher eingesetzt? Und – sind sie effizient (gegen HIV wirksam) eingesetzt?
Im rot-roten Entwurf zum Koalitionsvertrag 2006-2011 findet sich im „Bereich 15: Gesundheit“ der Hinweis, neue Ansätze in der HIV-Prävention sollten unterstützt werden: „In den letzten Jahren hat die Zahl von Neuinfektionen mit dem HIV wieder zugenommen. Um dieser Entwicklung entgegen steuern zu können, sind neue Konzepte der Prävention für spezifische Zielgruppen zu entwickeln und durchzuführen, insbesondere zur Ansprache von jungen Homosexuellen sowie von schwulen und bisexuellen Migranten.“
Ein begrüßenswerter, sicher auch erforderlicher Beschluss – nur dass hierfür (angesichts der bekannten Berliner Finanzsituation wenig überraschend) keine neuen Mittel zur Verfügung stehen. Woher sollen Mittel für neue Präventionskonzepte kommen?
HIV-Prävention bei Schwulen wird in Berlin von mehreren Stellen gemacht, u.a. der Berliner Aids-Hilfe, Pluspunkt und Mancheck. Die Projekte widmen sich dabei teils verschiedenen Aufgaben.
Es gibt HIV-Projekte in Berlin, die dabei vor allem gute Vor-Ort – Präventionsarbeit zu machen scheinen. Ihr Problem: sie sind gar nicht weiter ausbaubar sind unter derzeitigen Umständen, wie ich auf einer Podiumsdiskussion lerne. Die Zahl der Freiwilligen, die als DarkAngel oder Freiwilligenteams vor Ort in den Bars, Saunen und Sexparties über HIV und STDs informieren, kann gar nicht weiter aufgestockt werden – das Geld fehlt, um ihre Betreuung, Weiterbildung und Unterstützung durch die (wenigen) hauptamtlichen Mitarbeiter sicherzustellen. Kurz und knapp gesagt: eine gute vor-Ort-Arbeit wird dadurch massiv eingeschränkt, dass die nötigen Mittel für die Betreuung fehlen.
Neue Wege in der HIV-Prävention, wie sie jetzt wieder die Koalitionsvereinbarung fordert, aber keine neuen Mittel – eine Zwickmühle, ein unlösbar scheinender Widerspruch.
Aber auch eine erneute Aufforderung, die vorhandenen Ressourcen möglichst wirksam einzusetzen. Oder anders ausgedrückt: Wenn wir schon nicht genügend Geld in den Aids-Töpfen haben, wer fragt dann eigentlich einmal nach, welches Geld wofür und vor allem wie effizient ausgegeben wird? Wofür gibt Berlin überhaupt Geld aus im Rahmen der HIV-Prävention?
Ich beginne zu suchen, und wundere mich: ich habe anscheinend eine bedeutende Berliner HIV-Präventions-Einrichtung vergessen: Mann-O-Meter. Erstaunt reibe ich mir die Augen, die machen HIV-Prävention? Noch nie was davon gemerkt.
Mann-O-Meter (MoM), das schwul-lesbische Switchboard, wird aus Mitteln der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbaucherschutz im „HIV-Topf“ gefördert. Über den LABAS (ab 2006 über den DPW) erhält MoM derzeit wohl etwa 200.000€ aus den HIV- Präventionsmitteln des Landes. Gemäß MoM- Jahresbericht 2005 machten diese Labas-Mittel 48,67% der gesamten Mittel des Projektes aus (der Rest u.a. Mittel für Maneo, Spenden u.a.)
Das erstaunt mich nun noch mehr. Wenn ich in einem ersten Ansatz Mittel und Engagement ungefähr gleichsetze, heißt das dass Mann-O-Meter etwa mindestens zur Hälfte ein HIV-Präventionsprojekt ist? Hab ich da was verpasst?
Ich studiere weiter die Website und die Jahresberichte von MoM. Ja, laut Satzung sind Zweck des Vereins u.a. ‚der Ausgrenzung von Menschen mit HIV und AIDS zu begegnen‘ und ‚Unterstützung von Positiven und AIDS-Kranken‘.
Und die Realität? Auch hier hat der Jahresbericht viele blumige Details zu vermelden, liest sich fast als sei MoM tatsächlich ein Aids-Projekt. Der Internetauftritt von MoM hingegen ist zu HIV/Aids schon spärlicher.
Aber ich bleibe zunächst beim Jahresbericht. Wieviele Menschen nutzen denn MoM? Unter all den vielen, erstaunlich vielen Nutzern fallen unter dem Punkt „Info-Vermittlung 8,84% = 1.440 Besucher und Anrufer zu „HIV/AIDS/STD“ auf (bei weit über 16.000 gesamt Besuchern und Anrufern, denn alle MoM-Bereiche von ‚anonym‘ über ‚Theke‘ und ‚Gruppen‘ bis ‚Maneo‘ werden getrennt per Strichliste erfasst und dann addiert). Bei der Gruppenraumbelegung finden sich allerlei Gruppen, jedoch nichts zu Aids, und von den 712 psychologische Beratungen (davon 408 im MoM) ist auch nicht angegeben, ob einige von ihnen auch zu Aids stattfanden.
[Nebenbei, es ist eine etwas kurios anmutende Methode, die Nutzerzahl durch Addition von Strichlisten der einzelnen Bereiche zu ermitteln: ich war am vergangenen Montag im MoM, um mit Bastian Finke über meine Erfahrungen mit Maneo zu sprechen. Ich fragte zunächst am Beratungscounter nach Bastian, bestellte dann in der Wartezeit ein Wasser am Tresen und sprach anschließend im Maneo-Büro mit Bastian. Zwischendurch war ich auch noch ‚anonym‘ an den Infomaterial- Auslagen. Bin ich nun als insgesamt 4 Besuchskontakte gezählt worden? Wie gut dass ich nicht auch noch nach dem Gruppenraum gefragt hat – das hätte ja die Statistiken arg verfälscht…]
8,84% der Besuchskontakte zu HIV/Aids – und zu beinahe 50% aus HIV-Mitteln finanziert, das ist ein seltsamer Kontrast. Mein Staunen über das vermeintliche HIV-Präventionsprojekt Mann-O-Meter wird größer. Und ich frage mich: warum werden Senats-Mittel aus dem Bereich „HIV-Prävention“ in hohem Umfang für ein Switchboard ausgegeben, das kaum HIV-Prävention zu machen scheint? Wären die wenigen HIV-Mittel, die verfügbar sind, nicht an anderer Stelle effizienter (gleich gegen HIV wirksamer) eingesetzt?
Wohlgemerkt, es geht hier nicht darum, ob das Projekt Mann-O-Meter sinnvoll ist. Aber es geht darum, die für HIV-Prävention und Aids-Bekämpfung vorgesehenen Landes-Mittel möglichst effizient genau für diesen Zweck einzusetzen.
Ein schwul-lesbisches Switchboard mag weiterhin seinen Sinn haben (auch wenn hier sicher die Frage im Raum steht, inwiefern sich z.B. durch Internet etc. veränderte Umfeldbedingungen ergeben haben), und es kann begrüßenswert sein, dieses aus Senatsmitteln zu fördern. Aber bitte doch aus einem Fördertopf für schwul-lesbische Projekte, nicht aus den eh schon sehr ausgezehrten Aids-Fördermitteln.
Wenn ich mir überlege, wie viel ein vor-Ort-Projekt zur HIV-Prävention mit 200.000€ jährlich und geschickter Kombination von hauptamtlicher Betreuung / Qualitätssicherung und ehrenamtlicher vor-Ort-Arbeit bewegen könnte – das würde schon einige der in der Koalitionsvereinbarung angemahnten ’neuen Ansätze in der Prävention‘ ermöglichen …