Ein Versuch mich zu dem Artikel „HIV und Sex, soll ich es sagen oder schweigen? Gedanken einer HIV-positiven Frau“ partiell zu äussern.
Ich hatte – als Frau – mit oder ohne HIV/AIDS – immer ein erfülltes Sexualleben, auch vor meiner jetzigen Liebesbeziehung.
Wenn ich Lust auf Sex hatte, habe ich gesucht und gefunden. Das war zumindest wenn es um Sex mit Männern ging, nie ein Schwierigkeit. (Ich habe öfters mal grinsen müssen, wenn ich mir die Klagen von Heteromännern diesbezüglich anhörte. Allerdings glaube ich nicht daran, dass es an HIV/AIDS scheiterte, als vielmehr an ungeschicktem Werben und Freien! )
Zugegeben, einen Partner zu finden war etwas schwieriger, aber Sex?
Nun, am Anfang meiner Infektion hatte ich öfters Sex mit anderen Menschen mit HIV/AIDS als mit Ungetesteten oder HIV-Negativen. Allerdings orientiert sich mein Begehren nicht an einem Virus.
Ich wollte weiterhin frei wählen können. Und das tat ich.
Das Outing fand ich nie nicht besonders spannend, brachte es doch immer eine vorübergehende Ablenkung vom Knistern und Funkeln mit sich. Es hat übrigens selten jemanden von gemeinsam erlebter Lust abgehalten. Ich glaube gesamthaft genau zweimal begehrte ich und wurde (angeblich) wegen HIV/AIDS abgewiesen. Das war schmerzhaft, weil es nicht Begehren alleine war, sondern Verliebtheit und Zukunftswünsche im Spiel waren.
Drei weitere Male habe ich jemanden von der Bettkante gestoßen, weil er dem Kondom trotzen wollte. Sprich ich habe nach erfolgreicher Suche nach Sexualpartner dreimal selbst entschieden auf Sex zu verzichten. Einmal mittendrin, ja, weil der Idiot meinte er müsse heimlich das Kondom entfernen (ich hoffe er liest mit und errötet nochmals!).
Natürlich will ich damit nicht sagen, HIV/AIDS mache sexy, bestimmt nicht. Das Virus hatte einfach nie diese Macht über mich, dass ich aus Scham und Angst meine Libido zurückstellen wollte oder musste.
Wahrscheinlich hatte die Infektion meine Sexualität und Körperlichkeit nicht einschneidend verletzt. Dafür gab es anderes, vor meiner Infektion, das mir einiges abverlangte. Aber ich glaube tatsächlich, dass ich, was meine Sexualität angeht, ein hohes Mass an ( körperlicher und seelischer?) Freiheit genieße.
Für mich ist das Outing eine Selbstverständlichkeit. Vielleicht auch, weil ich selbst – seit es die HIV-Antikörpertests gibt – informiert war, über den HIV-Status meiner (Sexual-)Partner, gerade auch vor meiner eigenen Infektion. Zudem kommuniziere ich prinzipiell gerne über einiges vor dem Sex.
Ich sage ja auch, hey ich habe gerade die Menstruation … oder ich will auch wissen, ob mein Gegenüber gerade Pilz oder andere „nette Käfer“ hat!
Was mich allerdings seit meiner Infektion lernen musste, ist, dass die Kommunikation nicht einseitig wird, nur wegen meiner Infektion! Irgendwann habe ich mir angewöhnt zumindest mündich Auskunft zu verlangen, darüber, was das Gegenüber über seinen eigenen Serostatus weiß. Denn der Umstand, dass doch einige meiner Sexualpartner und Sexualpartnerinnen, sowie einige meiner Ex-en, es fertig gebracht haben nach dem Sex oder nach der Liebelei tatsächlich hinzugehen und sich auf HIV testen zu lassen, hat mich wütend gemacht. Oft war’s dann zum ersten (!) Mal in ihrem Leben oder zumindest das erste Mal seit langem. Ich hatte schlicht keine Lust die Gesamtverantwortung für ihr Handeln in sexuellen Begegnungen zu übernehme und mir was anhängen zu lassen, mit dem ich nichts zu tun habe!
Abgesehen davon, ich will mich schützen können vor weiteren Infektionen und möglichen Komplikationen bei Verlauf und Behandlung.
Seit langem stehe ich in der Öffentlichkeit dazu kondomlosen Sex zu haben, in gegenseitiger Absprache und unter den von der EKAF (eidgenössische Kommission für AIDS Fragen) formulierten Bedingungen. In der Schweiz mache ich mich dennoch strafbar, jedenfalls so lange, bis der Artikel 231 des StGb im Epidemiengesetz nicht tatsächlich geändert wird. Ich hoffte dadurch ein Bundesgerichtsurteil zu provozieren, was bisher aber nicht gelungen ist.
Was mich immer wieder erstaunt ist, wie viele Menschen mit HIV/AIDS davon überzeugt sind, dass sie ihren HIV-Status verschweigen müssen.
Ich verstehe sehr gut, dass der Status verschwiegen wird aus Angst vor Ablehung im intimen Setting, oder aus Angst vor Ausgrenzung und Arbeitsplatzverlust, und ja, schlussendlich auch aus Angst vor Kriminalisierung. Und ich weiß wohl wie machtvoll Angst ist.
Aber, ich bin überzeugt, dass Mensch durchaus lernen kann damit umzugehen. Nur Mut! Wenn sich was ändern soll, dann müssen wir das schon selber bzw. gemeinsam an die Hand nehmen. Ich glaube nicht, dass schweigen und abwarten der Weg ist. Trotzdem bin ich überzeugt, dass es nicht der einfachste Weg ist und ich erwarte auch nicht, dass sich alle outen.
Aber, mich kann das Versteckspiel samt der Klagerei mitunter auch mal gehörig ärgern. Wie soll denn die Stigmatisierung bitte ändern, ( falls das überhaupt möglich ist?!) wenn Versteckspiel die Norm ist?
Aber vor allem, wie ehrlich wird mit der Motivation hinter dem Schweigen umgegangen? Manchmal habe ich den Verdacht, dass der Weg des geringsten Widerstandes gewählt wird um sich vermeintlich selbst zu schützen.
Nun, wer seinen Status verschweigen will – Betonung auf will – der kann das doch tun, meiner Meinung nach, kein Problem. Und wer dabei safer sex pflegt, braucht sich ja auch null Gewissen zu machen, oder? Unverständnis empfinde ich erst, wenn darüber dann geklagt wird, ohne dass Mensch andere Wege sucht, die ihn befreien oder erleichtern. Es gibt genug Menschen, die offen leben und auch bereit sind ihre Erfahrungen (mit-) zu teilen. Bestimmt fehlt es an gezielter Unterstützung und Begleitung beim Outing und die Beratungen lassen da öfters zu wünschen übrig. Aber den eigenen Prozess muss JedeR selbst an die Hand nehmen und wer sich unfrei fühlt in seinem Schweigen, ist oftmals durchaus frei genug sich Gedanken über andere Möglichkeiten im Umgang mit dem persönlichen Outing zu machen. Sich hinter der Angst zu verstecken, empfinde ich als etwas bequem.
Was anderes ist es bei Einigen, die politisch, juristisch oder medizinisch im Bereich HIV/AIDS unterwegs sind. Ich weiß dass ihre Professionalität und die ihrer Arbeit abgewertet würden, weil der Nimbus der Parteilichkeit oder Befangenheit dabei plötzlich ins Feld geführt würde. Ihr Schweigen bedeutet groteskerweise auch ein Einstehen für die Sache!
Und „Gopferdeggel“, einige unter uns leben mit HIV/AIDS, weil nicht geredet wurde, vor dem Sex, weil die Angst vor Ablehnung zu groß war …
Keine Bange, ich stehe weiterhin für mich, und für jene ein, die selbst nicht hinstehen können oder wollen, das ist keine Frage. Und ich bin weit davon entfernt jemanden zu verurteilen der sich über seinen HIV-Status ausschweigt, in welchem Setting auch immer. Nur wünsche ich mir, dass manch EineR auch mal genauer hinschaut und seine Motivationen und Möglichkeiten prüft, anstatt zu sich „nur“ als Opfer zu fühlen und zu klagen. Nur Mut!