Bundestag: Kleine Anfrage zur sozialen Situation HIV-Positiver

Eine Kleine Anfrage, die Abgeordnete und Fraktion der Partei Die Linke in den Bundestag eingebracht haben, beschäftigt sich in 18 Fragen mit der sozialen Situation HIV-Positiver in Deutschland. Insbesondere wird die Bundesregierung u.a. gefragt, wie viele Personen in Deutschland Mehrbedarf wegen HIV bzw. Aids erhalten (Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch) sowie wie viele Personen eine Erwerbsminderungerente wegen HIV oder Aids erhalten. Zudem wird nach Maßnahmen gefragt, die die Bundesregierung etwa ergreife, um Verarmung bei HIV-Positiven zu verhindern.

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weitere Informationen:
Bundestag Fraktionn Die Linke: Zur sozialen und gesellschaftlichen Integration von HIV-positiven Menschen (BT-Drucksache 17/7049 pdf)
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Kurz notiert … Januar 2011

29. Januar 2011: ‚Ärzte ohne Grenzen‚ kritisiert die Vereinbarung zwischen der Johnson & Johnson-Tochter Tibotec und drei Generika-Herstellern über ein neues HIV-Medikament des Konzerns (Rilpivirine)  für unzureichend. Viele HIV-Positive blieben von der Regelung ausgeschlossen.

28. Januar 2011: In den USA ist Tesamorelin (Handelsname Egrifta®) nach der US-Zulassung inzwischen verfügbar – die Jahres-Kosten (wholesale acquisition cost, etwa Großhandelseinkaufspreis) sollen bei 23.900 US-$ liegen.

27. Januar 2011: Die US-Medikamentenbehörde FDA hat eine Zulassungsantrag des Pharmaunternehmens Gilead für eine Dreier-Kombipille aus Tenofovir und Emtricitabin (bisher schon vermarktet unter dem Hhandelsnamen Truvada®) sowie dem experimentelle NNRTI Rilpivirin vorläufig nicht angenommen. Das Unternehmen kündigte an, kurzfristig weitere Daten zur Verfügung zu stellen.

24. Januar 2011: Die Medikamenten-.Behörde der EU hat Darunavir (Handelsname Prezista®) für die einmal tägliche Anwendung (mit Ritonavir als Booster) bei Therapie-erfahrenen Erwachsenen ohne Hinweise auf potentielle Resistenzen gegen die Substanz zugelassen.

23. Januar 2011: Die US-Regierung ist beunruhigt, dass die Pharma-Industrie zu langsam und zu wenige neue Substanzen entwickelt – und reagiert, indem sie ein eigenes Bundes-Forschungszentrum ins Leben ruft.

22. Januar 2011: US-Forscher haben erstmals die Struktur der Protein-Hülle von HIV entschlüsselt. Sie hoffen, dass sich daraus neue Ansätze für Medikamente gegen HIV entwickeln lassen.

In Tschetschenien müssen zukünftige Eheleute seit Mitte Januar 2011 einen HIV-Test machen, nur HIV-Negative werden vermählt. Dies erklärte der Großmufti des islamischen Landes. Zwar ist Heirat auch in Tschetschenien gesetzlich geregelt, Anordnungen des Muftis werden aber von vielen Bürgern befolgt.

20. Januar 2011: Bei HIV-Positiven ist möglicherweise das Risiko für Schlaganfälle erhöht, berichten US-Forscher.

Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln: Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat sich eine neue Verfahrensordnung gegeben.

19. Januar 2011: Arbeitsagenturen und Jobcenter müssen Hartz-IV-Empfängern die Beiträge zur privaten Krankenversicherung voll bezahlen, berichtet die DAH über ein Urteil des Bundesozialgerichts.

Ein 41jähriger heterosexueller Mann wurde im US-Bundesstaat Virginia zu 50 Jahren Haft verurteilt. Der HIV-positive Mann hatte Sex mit einem 14-jährigen Mädchen, ohne sie über seine HIV-Infektion zu informieren. Das Mädchen ist HIV-infiziert.

Einem HIV-positiven Sergeant der US-Air-Force drohen bis zu 53 Jahre Haft. Er soll mehrfach Sex ohne Verwendung von Kondomen Sex gehabt haben, ohne seinen HIV-Status offen zu legen – entgegen einer schriftlichen Anordnung seines Kommandeurs, Sexpartnerinnen über seinen HIV-Status zu informieren.
Aktualisierung 22.01.2011: Der Sergeant wurde inzwischen zu acht Jahren Haft verurteilt.

14. Januar 2011:Im Verfahren gegen einen 65-jährigen HIV-positiven Mann aus Celle, dem Missbrauch in 403 Fällen in Thailand vorgeworfen wird, fordert die Staatsanwaltschaft Lüneburg 9 Jahre Haft. Das Urteil soll am 21. Februar 2011 verkündet werden.

Bei Farbigen, Hispanics und amerikanischen Indianern sind unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung die HIV-Neuinfektionsraten höher als bei Weissen; bei Farbigen und Hispanics verschlechtert die Situation sich weiter. Dies betont der erste Bericht zu ethnischen Unterschieden der Gesundheitssituation in den USA, den die CDC jemals erstellt haben.

13. Januar 2011: Das Pharmaunternehmen Gilead warnt in einem ‚Rote Hand Brief‘ (pdf), dass die nicht sachgemäße Anwendung von Cidofovir (Handelsname Vistide®) außerhalb der Zulassung zu schweren Nebenwirkungen führen kann. Die Substanz ist nur zugelassen zur Behandlung der CMV-Retinitis bei Erwachsenen mit Aids.

12. Januar 2011: State Representative Larry Brown, Republikaner und Mitglied der General Assembly des US-Bundesstaats North Carolina, redet Klartext: Erwachsene mit HIV sollten ihre Therapien nicht vom Staat bezahlt bekommen, wenn sie „es durch ihren Lebensstil verursacht haben“ sowie für Menschen, die „in perversen Lebensstilen leben“. Er meine damit u.a. Erwachsene, die sich durch Sex oder Drogen mit HIV infizieren.

11. Januar 2011: Zwei Proteasehemmer gegen das Hepatitis C Virus befinden sich in beschleunigten Zulassungsverfahren: Boceprevir in den USA und Telaprevir in Europa.

In den USA wurden die Richtlinien für HIV-Therapie aktualisiert. U.a. sind Kontrollen der CD4-Werte in vielen Fällen seltener als bisher erforderlich, zudem wurde virologisches Versagen der Therapie neu definiert.

07. Januar 2010: Die Empfehlung, dass HIV-Positive eine Grippeschutz-Impfung machen sollten, ist gerechtfertigt, folgert ein US-Forscher aufgrund aktueller Daten dreier Studien.

„Immun gegen AIDS?“ – Werbung für Gentest führt in die Irre“, warnt die DAH.

Atorvastatin und Rosuvastatin sind besser geeignet als Pravastatin, um bei HIV-Positiven erhöhte Blutfettwerte zu senken, stellen US-Forscher in einer Studie an 700 HIV-Positiven fest. Alle drei Substanzen der Gruppe der Statine hatten in der Studie vergleichbare Raten an Nebenwirkungen.

05. Januar 2011: Das Patentamt im indischen Mumbai hat einen Patentantrag des Pharmakonzerns Abbott auf die Kombination von Ritonavir und Lopinavir (vermarktet unter dem Handelsnamen Kaletra®) für Indien abgelehnt. Damit ist die Herstellung generischer Versionen in Indien möglich.

Der Baseballspieler Roberto Alomar wird in die „Hall of Fame“ des US-Baseball aufgenommen. Alomar sieht sich mit einer Anzeige seiner Ehefrau konfrontiert, er habe mit ihr ungeschützten Sex gehabt, obwohl er von seinem positiven HIV-Status wisse.

Plastiktüten seien kein brauchbarer Ersatz für Kondome, warnt das Gesundheitsministerium in Thailand die Teenager des Landes.

04. Januar 2011: Erstmals seit den 1980er Jahren ist die Zahl der Todesfälle mit Bezug zu HIV und Aids pro Jahr in New York im Jahr 2010 unter 1.000 gefallen (auf 933).

Mangel an Vitamin D kann für HIV-Positive das Risiko erhöhen, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, berichten Forscher.

01. Januar 2011: Annie Lennox wird für ihren Einsatz gegen Armut und Aids in Afrika von der britischen Queen als ‚Offizierin‘ in den Orden des britischen Empire aufgenommen.

Hartz IV / neue Regelsätze: „Sparen auf dem Rücken der Schwächsten“

Nach hitziger Debatte hat der Bundestag am 3.12.2010 neue Regelsätze für Hartz IV beschlossen. Zahlreiche Organisationen protestieren.

Ab dem 1. Januar 2011 soll der Regelsatz für Hartz IV um fünf Euro auf 364 Euro für Alleinstehende steigen. Der Bundesrat will am 17. Dezember über die Neuregelung beraten. Notwendig machte die Gesetzesänderung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV vom 9. Februar 2010.

Der Bundestag beschloss das Gesetz in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (17/4033, 17/4095) mit302 Ja- bei 255 Nein-Stimmen.

Der VdK bezeichnete den Beschluss als „“Sparen auf dem Rücken der Schwächsten“: „Ausgerechnet am heutigen Welttag der Menschen mit Behinderung beschließt der Bundestag, den Regelsatz für erwachsene Behinderte, die im Haushalt ihrer Eltern oder in Wohngemeinschaften leben, auf 80 Prozent zu senken“, so die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Ulrike Mascher.

Der Sozialverband VdK spricht sich wie zahlreiche andere Organisationen und Experten auch für die Wiedereinführung von so genannten Einmalleistungen aus, um Gebrauchsgüter wie Herd, Waschmaschine, Kühlschrank, Fahrräder für Kinder und Erwachsene sowie Brillen bezahlen zu können.

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weitere Informationen:
Bundestags-Drucksachen 17/4033, 17/4095 (jeweils pdf)
Bundestag: Hitzige Debatte über die künftigen Hartz-IV-Regelsätze
VdK 03.12.2010: „Sparen auf dem Rücken der Schwächsten“
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siehe auch:
DAH 09.12.2010: Hartz-IV-Reform erntet Protest
DAH-Blog 09.12.2010: “Man kann nicht alles im Leben pauschalieren”
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Resolution der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. zur Gesundheits- und Sozialpolitik der Bundesregierung

Die Mitgliederversammlung der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) am 10. Oktober in Kassel hat die aktuellen Entwicklungen in der Gesundheits- und Sozialpolitik mit Ablehnung zur Kenntnis genommen. Dazu erklärt der Vorstand der DAH:

Die Lebenssituationen von Menschen mit HIV sind in Deutschland heute sehr unterschiedlich. Schätzungsweise zwei Drittel der HIV-Positiven arbeiten – so wie viele andere Menschen mit chronischen Krankheiten auch. Andere Positive hingegen sind auf Transferleistungen angewiesen – sei es aufgrund ihrer Infektion oder aus anderen Gründen (z.B. Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit oder fehlender Arbeitserlaubnis). Eine HIV-Infektion ist für die/den Betroffenen häufig nicht nur eine gesundheitliche, sondern auch eine starke soziale Belastung, die nicht jede/r problemlos abfedern kann. Menschen mit chronischen Krankheiten benötigen eine höhere finanzielle Unterstützung, um die drastischen Zuzahlungen bei medizinischer Versorgung sowie die vielen weiteren krankheitsbedingten Mehrbedarfe wie z.B. erhöhte Energiekosten, Fahrtkosten zum Arzt, gesundheitsfördernde Ernährung bezahlen zu können. Die Kostensteigerungen z. B. bei Energie und Zuzahlungen einerseits und die stagnierenden Regelleistungen andererseits treiben viele in die Armut.

Die sogenannten Reformpläne der Bundesregierung zum Gesundheitssystem, das „Sparpaket“ und die Änderungen bei den „Hartz IV“-Regelungen werden von der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH) mit großer Sorge und Empörung betrachtet: Die medizinische Versorgung von HIV-Positiven verbessert sich zwar stetig, die soziale Entwicklung hält dem nicht stand – im Gegenteil: die Situation verschlechtert sich zusehends. Die Mehrbelastungen von chronisch Kranken sind nicht hinnehmbar. Die Regelsätze reichen schon jetzt nicht aus: Wichtige Leistungen (z.B. Mehrbedarf für eine krankheitsbedingte Ernährung) wurden gestrichen. Dabei ist eine notwendige gesunde Ernährung durch den Anteil für Ernährung im Regelsatz nicht möglich.

Zusatzbelastungen, wie sie durch die sog. kleine Kopfpauschale auf alle Versicherten zukommen, treffen Menschen mit niedrigen Einkommen und in den Grundsicherungssystemen (Hartz IV und Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit und Alter) doppelt. Die DAH lehnt diese Entwicklung ab.

Die Bundesregierung muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass chronisch Kranke am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Mängel bestätigt und eine Überprüfung angeordnet. Die nun von der Bundesregierung vorgelegten Änderungen der Regelsätze erfüllen diesen Auftrag nach Einschätzung der Deutschen AIDS-Hilfe nicht.
Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert Parlament und Regierung daher zum Handeln auf:
– Deutliche Anhebung der Regelsätze für alle Empfänger von Transferleistungen.
– Finanzieller Ausgleich für die Mehrbelastung chronisch Kranker.
– Stopp der unsozialen Kopfpauschale.

Unsere Mitgliedsorganisationen, Freundinnen und Freunde rufen wir auf, die Petition des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen die sog. Kleine Kopfpauschale zu unterstützen. (www.stoppauschale.de) und sich den Protesten gegen den Sozialabbau anzuschließen.

(Meldung der Deutschen Aids-Hilfe)

GKV-Finanzierungsgesetz benachteiligt Menschen mit Behinderung

Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz) benachteiligt Menschen mit Behinderung. Aus diesem Grunde hat der Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, Dr. Martin Danner, am 14. September 2010 einen Brief an Hubert Hüppe, den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, geschrieben. Darin fordert Dr. Danner den Behindertenbeauftragten auf, sich dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderung von der Entrichtung von Zusatzbeiträgen ausgenommen werden.

Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz sucht die Bundesregierung den Einstieg in eine durch Zusatzbeiträge finanzierte gesetzliche Krankenversicherung. Menschen mit einem geringen oder gar keinem Einkommen sollen einen automatischen Sozialausgleich erhalten. Dieser soll letztendlich dadurch erfolgen, dass Sozialleistungsträger die Zusatzbeiträge an die gesetzliche Krankenversicherung überweisen. Der Sozialausgleich soll jedoch auf einen jährlich vorab bestimmten durchschnittlichen Zusatzbeitrag beschränkt sein.

Tatsache ist, dass sehr viele Menschen mit Behinderung auf Transferleistungen wie die Eingliederungshilfe oder ALG II angewiesen sind. Für diese Menschen wären die nun vorgesehenen Regelungen nicht nur diskriminierend, sondern hätten auch unzumutbare Konsequenzen hinsichtlich ihrer Versorgung. Da die Beitragszahlung auf den durchschnittlichen Zusatzbeitrag beschränkt wäre, hätten diese Menschen aufgrund ihrer Behinderung keinen Zugang mehr zu allen gesetzlichen Krankenkassen. Zudem ändert sich das Niveau der Zusatzbeiträge ständig. Dies hat zur Folge, dass Menschen mit Behinderungen unter Umständen jährlich die Krankenkasse wechseln müssen, was gerade bei komplexen Krankheitsbildern zu gravierenden Nachteilen und zu einem unzumutbaren Papierkrieg führen würde.

Weiter wäre Menschen mit Behinderung der Zugang zu kassenspezifischen Angeboten aus Rabattverträgen, kassenindividuellen Hilfsmittelverträgen, Verträgen der integrierten Versorgung, bestimmten Reha-Einrichtungen und zu Satzungsleistungen bestimmter Kassen verschlossen. Dies ist insbesondere deshalb unangemessen, weil gerade solche Krankenkassen behinderungsadäquate Leistungen anbieten werden, die im Kassenwettbewerb auf Versorgungsqualität und nicht auf einen Billigbeitrag setzen.

Schließlich ist zu befürchten, dass die Kostenträger, insbesondere die Kommunen, diejenigen Beträge nicht mehr für die Versorgung und Förderung von Menschen mit Behinderungen ausgeben werden, die sie für die Bereitstellung der Beiträge für die GKV aufwenden müssen. Auch unter diesem Gesichtspunkt droht eine erhebliche Verschlechterung der Versorgungssituation von Menschen mit Behinderungen.

Aus den vorstehenden Gründen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bislang die entsprechenden Passagen des GKV-Finanzierungsgesetzes für die anstehenden Kabinettsberatungen nicht mitgetragen. Der Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE bat Hubert Hüppe in dem Schreiben vom 14. September dringend, sich in seiner Position als Behindertenbeauftragter der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderungen von der Entrichtung von Zusatzbeiträgen ausgenommen werden oder dass zumindest die Kostenträger verpflichtet werden, nicht nur den durchschnittlichen Zusatzbeitrag, sondern den kassenindividuellen Zusatzbeitrag zu entrichten. Die Kommunen müssten jedoch dann entsprechende Kompensationsleistungen erhalten, erklärte Dr. Martin Danner.

(Pressemitteilung der BAG Selbsthilfe)

AIDS-Stiftung warnt vor weiterer Verschlechterung der materiellen Situation bedürftiger HIV-infizierter Menschen

Während die Fortschritte in der medizinischen Therapie für viele Betroffene zu einer Verbesserung ihrer gesundheitlichen Situation geführt haben, gibt es eine wachsende Gruppe derjenigen, die mit Nebenwirkungen, Begleiterkrankungen oder Resistenzbildungen zu kämpfen haben. Diese Menschen mit HIV und AIDS sind häufig aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit in einer soziomateriell schwierigen Situation. Viele von ihnen wenden sich in Notlagen mit der Bitte um Hilfe an die Deutsche AIDS-Stiftung – im Jahr 2009 waren es mehr als 2.500 Anträge, die die Stiftung erreichten. Die meisten Antragsteller baten um Hilfen in den Bereichen Wohnen, Bekleidung und medizinische Hilfsmittel. „Es ist zu befürchten, dass sich die Einkommenssituation der auf Transferleistungen angewiesenen Menschen mit HIV und AIDS weiter verschlechtern wird“, sagte Dr. Ulrich Heide, geschäftsführender Vorstand der Stiftung anlässlich der Jahrespressekonferenz bei der Landespressekonferenz NRW im Düsseldorfer Landtag. Daher seien für arbeitsunfähige und leistungsgeminderte Betroffene die im Rahmen des Sparpaketes der Bundesregierung geplanten Kürzungen etwa bei Langzeitarbeitslosen oder Hartz IV-Empfängern nicht akzeptabel. Diese Gruppe macht rund 60 Prozent der Antragsteller aus. Das Sparpaket würde die finanzielle Situation vieler Betroffener weiter verschärfen und zu Lasten der Bedürftigsten gehen. Von der Stiftung geförderte Beschäftigungsprojekte, die auf Zuschüsse der ARGEn angewiesen sind, könnten gefährdet sein.

Trotz der wirtschaftlich problematischen Rahmenbedingungen gelang es der Stiftung im Jahr 2009, die Spendeneinnahmen mit rund 2,6 Millionen Euro (Brutto) relativ stabil zu halten. Die Stiftung konnte in ähnlichem Umfang wie im Vorjahr auf die privaten Spender bauen, Zurückhaltung bei Spenden und Sponsoring übten allerdings die Unternehmen. Es gelang der Stiftung dennoch, den Kernbestand der Hilfen im Bereich existentielle Notlagen aufrechtzuerhalten. Einen Förderschwerpunkt bildeten die Wohnprojekte in Köln und Berlin: „Wir sehen in diesem Bereich einen steigenden Bedarf. Die Stiftung hat sich daher bereits vor Jahren zur Beteiligung an Immobilien zur langfristigen Sicherung notwendiger Wohn- und Pflegeprojekte entschieden“, erläuterte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Dr. Christoph Uleer. Auch im Bereich der internationalen Hilfsprojekte habe man den Hilfeumfang Dank zweckbestimmter Spenden ausbauen können. Das ursprüngliche Ziel der Stiftung, Betroffenen ein Mehr an Lebensqualität zu ermöglichen, musste jedoch in den Hintergrund treten.

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Stiftung)

Hartz IV Regelsätze und gesellschaftliche Teilhabe

Die derzeitigen Hartz IV – Regelsätze sind verfassungswidrig, urteilte das Bundesverfassungsgericht im Februar. Doch – was heißt das in der Praxis? Eine Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung analysiert die weitreichenden Folgen und bietet Argumentationshilfen.

Wie viel Geld benötigt ein Mensch in Deutschland mindestens, um ein menschenwürdiges Leben zu führen? Mehr, als der Hartz IV Regelsatz derzeit gewährt, urteilte das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 und erklärte zahlreiche Bestimmungen des SGB II für verfassungswidrig.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sorgte für viel Aufsehen. DAH-Vorstand Carsten Schatz hatte in einer Stellungnahme das Urteil begrüßt und die Bundesregierung aufgefordert, „den Regelsatz für Betroffene endlich sozial gerecht zu gestalten und somit deutlich zu erhöhen, um diesen wieder eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und eine menschenwürdige Lebensführung zu ermöglichen“.

Doch – was ist für ein „menschenwürdiges Leben“ und eine „Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ erforderlich? Prof. Dr. jur. Anne Lenze (Hochschule Darmstadt und Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main) analysiert in einer Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung Bedeutung und Folgen des Urteils.

FES: Hartz IV Regelsätze und gesellschaftliche Teilhabe
FES: Hartz IV Regelsätze und gesellschaftliche Teilhabe

Ausgangspunkt für Lenzes Überlegungen: sie sieht das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes als „die Geburt eines neuen Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“. Sie behandelt darüber hinaus folgende Themen
– Transparentes Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums,
– Teilhabegrundrecht für Kinder,
– Rückkehr zum Individualisierungsgrundsatz, und
– Einschätzung des Urteils und Schlussfolgerungen.

Lenzes Text bietet umfassendes Hintergrundwissen, aber auch potentielle Argumentationshilfen bei Streitfällen.

Danke an Silke für den Hinweis!

weitere Informationen:
Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): Anne Lenze: Hartz IV Regelsätze und gesellschaftliche Teilhabe – Das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 und seine Folgen, 28 Seiten (pdf)
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Dekadente Spät-Römerin für 1,48 Euro

Die neue schwarz-gelbe Spezies: Dekadente Spät-Römerinnen – selbst im wohlhabenden verschneiten Hamburg zu finden:

Dekadente Spät-Römerin

(Gesehen in Hamburg 16.02.2010)

… ein treffender Kommentar zur Hetze gewisser Politiker nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Hartz IV Regelsätze verfasssungswidrig).

Manchmal reichen wenige Worte und eine kleine Aktion, um Demagogie treffend zu demaskieren.

siehe auch:
SZ 19.02.2010: Anzeige gegen Westerwelle Hartz IV: “Ich tue alles, um wieder zu arbeiten“
SZ 19.02.2010: Sozialstaats-Debatte Das Märchen von der sozialen Hängematte
SZ 19.02.2010: Diskussion um Hartz IV Mangel an Anstand
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Deutsche AIDS-Hilfe begrüßt Karlsruher Urteil zu Hartz-IV-Regelsätzen

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) begrüßt das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Erwachsene als verfassungswidrig eingestuft hat. Seit ihrer Einführung im Januar 2005 hat die DAH die Hartz-IV-Gesetze als unsozial abgelehnt.

„Wir fordern die Politik auf, den Regelsatz für Betroffene endlich sozial gerecht zu gestalten und somit deutlich zu erhöhen, um diesen wieder eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und eine menschenwürdige Lebensführung zu ermöglichen“, so DAH-Bundesvorstand Carsten Schatz.

Für chronisch Kranke und Menschen mit HIV/Aids fordert die DAH finanzielle Leistungen über den Regelsatz hinaus: „Menschen mit chronischen Krankheiten benötigen eine höhere finanzielle Unterstützung, um die drastischen Zuzahlungen bei medizinischer Versorgung sowie die vielen weiteren krankheitsbedingten Mehrbedarfe wie z.B. erhöhte Energiekosten, Fahrtkosten zum Arzt, gesundheitsfördernde Ernährung usw. bezahlen zu können“, betont Silke Eggers, DAH-Referentin für Soziale Sicherung und Pflege.

Die DAH begrüßt zudem den Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), eine unabhängige Kommission einzurichten, die dem Gesetzgeber entsprechende Vorschläge bezüglich eines sozial gerechten Hartz-IV-Regelsatzes unterbreiten soll. Darin vertreten sein müssten neben den Gewerkschaften auch Selbsthilfeorganisationen wie die Deutsche AIDS-Hilfe, Sozial- und Wohlfahrtsverbände.

(Pressemitteilung der Deutschen Aidshilfe vom 09.02.2010)

Hartz IV-Regelsätze verfassungswidrig – Bundesverfassungs- Gericht ordnet Neuregelung an (akt.2)

Wie viel Geld benötigt ein Mensch in Deutschland mindestens, um ein menschenwürdiges Leben zu führen? Mehr, als der Hartz IV Regelsatz derzeit gewährt, hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt und zahlreiche Bestimmungen des SGB II für verfassungswidrig erklärt.

Zahlreiche Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB II) sind mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz (Die Würde des Menschen ist unantastbar) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip unvereinbar. Dem Gesetzgeber wurde auferlegt, bis spätestens 31.12.2010 eine „an der Realität orientierte“ Änderung (‚Nachbesserung‘) herbeizuführen.
Bis zur Neuregelung bleiben die derzeitigen Sätze in Kraft; ggf. können ergänzenden Leistungen in Anspruch genommen werden (Härtefall-Regelung). Laut Urteil muss auch in diesem Jahr schon ein verfassungsgemäßer Satz gezahlt werden.

Das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminiumums sei mit den derzeitigen Regelungen für Kinder und Erwachsene nicht gewährleistet. Lebensnotwendige Bedarfe seien nicht berücksichtigt.

Drei Familien aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern hatten gegen die Hartz-IV-Sätze für Kinder geklagt. Eigentlich befasst sich das Verfahren  nur mit dieser Klage (‚konkretes Normkontrollverfahren‘) – doch es wurde auch ein Grundsatz-Urteil über die Höhe der Hartz-IV-Sätze und die Frage des Existenzminimums – mit weitreichenden Folgen.

Derzeit beträgt der Hartz-IV-Regelsatz für Erwachsene 359€ (zuzüglich Miete und Heizkosten), für Kinder 215 bis 287€ (je nach Alter). Der Satz für Kinder wird allerdings nicht am realen Bedarf orientiert, sondern an Prozentsätzen eines Erwachsenen.

Bereits bei der mündlichen Anhörung am 20. Oktober 20009 hatte Jürgen Papier, der (im Februar ausscheidende) Präsident des Bundesverfassungsgerichts, erkennen lassen, dass er auch die Verfahren, mit denen die Hartz-IV – Regelsätze festgelegt werden, für fragwürdig hält. In der Konsequenz war dies die Ankündigung, die Hartz-IV-Sätze nicht nur für Kinder (wie die Klage lautete), sondern auch für Erwachsene auf den Prüfstand zu stellen.

Grundgedanke dabei: es geht nicht darum, wie viel ein Mensch als ‚Existenzminimum‘ benötigt, sondern um ein ’soziokulturelles Existenzminimum‘.  Der Unterschied zwischen beiden liegt zwischen dem ’nackten Überleben‘ und der zumindest minimalen Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben.

Das bisherige Verfahren der Bestimmung des Regelsatzes bestehe aus einer nicht zulässigen Methode. Dies betreffe nicht nur die ursprünglichen Vorschriften, sondern auch ihre später nachfolgenden Änderungen.

Für Kinder muss nun zukünftig überhaupt erstmals eine Bedarfsermittlung herbei geführt werden (bisher waren prozentuale Anteile eines Erwachsenen-Regelsatzes angesetzt worden). Dabei sind auch kinderspezifische Ausgaben wie z.B. für Bildung zu berücksichtigen. Für die Regelsätze für Erwachsene wird eine neue „transparente und sachberechte“ Methode der Berechnung erforderlich werden.

Werner Hesse (DPW Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband) wies in einem ersten Kommentar darauf hin, dass in den ursprünglichen Regelungen für Kinder nicht einmal der Schulbedarf berücksichtigt gewesen sei.

Die Deutsche Aidshilfe begrüßte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV. “Wir fordern die Politik auf, den Regelsatz für Betroffene endlich sozial gerecht zu gestalten und somit deutlich zu erhöhen, um diesen wieder eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und eine menschenwürdige Lebensführung zu ermöglichen”, so DAH-Bundesvorstand Carsten Schatz.

Über 6,7 Millionen Menschen in Deutschland beziehen Leistungen nach Hartz IV – unter ihnen auch viele Menschen mit HIV. Durch Wegfall oder Einschränkungen z.B. bei HIV-bedingtem Ernährungsmehrbedarf u.a. sind Menschen mit HIV von den Hartz IV Regelungen besonders betroffen.
Die durch das Urteil eröffnete Möglichkeit, bis zu einer Neuregelung des Regelsatzes einen Mehrbedarf zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Rahmen einer Härtefall-Regelung zu beanspruchen könnte auch für viele Hartz IV beziehende HIV-Positive relevant sein.

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weitere Informationen:
Bundesverfassungsgericht Pressemitteilung 09.02.2010: Regelleistungen nach SGB II („Hartz IV- Gesetz“) nicht verfassungsgemäß
SZ 08.02.2010: Grundsatzentscheidung zum Sozialsystem – Bund fürchtet das Urteil zu Hartz IV
SpON 09.02.2010: Wegweisendes Verfassungsurteil
Sozialverbände hoffen auf Hartz-IV-Revision
SpON 09.02.2010: Wegweisendes Urteil – Verfassungsrichter verlangen Hartz-IV-Revision
SZ 09.02.2010: Entscheidung zu Sozialleistungen – Bundesverfassungsgericht kippt Hartz-IV-Sätze
SZ 09.02.2010: Urteil zu Hartz IV Grundrecht auf Existenzminimum
FR 09.02.2010: Kommentar zum Hartz-IV-Urteil – Größtmögliche Ohrfeige
SZ 09.02.2010: Interview mit Sozialrichter Jürgen Borchert “Keine Willkür mehr, keine Heimlichtuerei“
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siehe auch:
DAH-Blog 12.03.2010: Härtefallregelung gilt – Infos zur Antragstellung
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Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich mit den Eckregelsätzen

Im Folgenden ein Gastbeitrag von Silke Eggers (Referentin für Soziale Sicherung und Pflege der DAH Deutsche Aids-Hilfe) zur Frage der Rechtmäßigkeit der Eckregelsätze – mit Hinweisen dazu, wie Ansprüche gesichert werden können:

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 20. Oktober 2009 über die Rechtmäßigkeit der Eckregelsätze verhandelt. Es handelte sich um eine mündliche Verhandlung, es ist noch kein Urteil gesprochen. Dies wird erst für Anfang 2010 erwartet. Dabei geht es darum, gemäß Art. 100 GG zu prüfen, ob §§ 20 und 28 SGB II und damit die Bemessung und die Höhe der Regelleistungen für Erwachsene und Kinder mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind.

Obwohl die Vorlagenbeschlüsse die dem Bundesverfassungsgericht dazu vorliegen nur die Regelleistungen des SGB II betreffen, wird sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch auf die Regelleistungen des SGB XII auswirken. Das heißt, ein Urteil betrifft sowohl die Bezieher/innen von Leistungen nach dem SGG II (Hartz IV) als auch Bezieher/innen von Leistungen nach dem SGB XII, also Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit.

Natürlich ist noch nicht gesagt, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. Sollte es aber zu einer positiven Entscheidung kommen, gibt es verschiedene denkbare Möglichkeiten:

Das Bundesverfassungsgericht stellt fest:

* dass die Bemessung der Regelleistungen mit Wirkung für die Zukunft von der Bundesregierung zu korrigieren sind,
* dass die Bemessung mit Wirkung für die Vergangenheit zu korrigieren ist oder
* dass die Anrechnung des Kindergeldes auf die Regelleistung mit Wirkung für Vergangenheit/Zukunft neu geregelt wird.

Die Chance, dass ein Urteil vorsieht, dass Korrekturen der Regelleistungen rückwirkend vorgenommen werden ist nicht sehr groß, aber sie besteht. Sollte das passieren, werden die rückwirkenden Korrekturen nicht automatisch gewährt sondern müssen geltend gemacht werden. Das heißt konkret:

Es müssen jetzt und damit ist gemeint vor der Verkündung eines Urteils Überprüfungsanträge für die Vergangenheit gestellt werden und gegen laufende Bescheide muss Widerspruch einlegt werden.

Weitere Hintergurndinfos: (Infos von Tachesles e.V. siehe auch http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/Rueckwirkend_Ansprueche_Sichern.aspx ):

„Im Sozialrecht gibt es die Besonderheit, dass bei falscher Rechts- oder Tatsachenanwendung und bei Bestandskraft des Bescheides (Widerspruchsfrist ist abgelaufen), der falsche Bescheid rückwirkend zugunsten der Betroffenen korrigiert werden muss. Zu Unrecht nicht erbrachte Leistungen sind dann bis zu vier Jahre rückwirkend nachzuzahlen (§ 44 Abs. 1 und Abs. 4 SGB X). Die Rücknahme eines falschen Bescheides (und damit die Nachzahlung) können Betroffene mit einem Überprüfungsantrag einleiten.

Wer sich also Ansprüche auf gegebenenfalls vorenthaltene Geldleistungen sichern will, muss jetzt handeln! Nach der Urteilsverkündung durch das BVerfG ist ein solcher Überprüfungsantrag nicht mehr möglich (§ 40 Abs. 1 S. Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 1 SGB III in Bezug auf das SGB II und § 79 Abs.2 BVerfGG in Bezug auf das SGB XII). Regulär verkündet das BVerfG immer drei bis vier Monate nach der Anhörung seine Entscheidung. Das ergibt ein Zeitfenster bis voraussichtlich Januar/Februar 2010. Personen die schon 2005 im Leistungsbezug waren, sollten jedoch bis zum 31. Dezember 2009 den Überprüfungsantrag einreichen, da dieser auf den 1. Januar 2005 zurückwirkt (§ 44 Abs. 4 SGB X). Wird der Antrag erst im Januar 2010 gestellt, wirkt er nur auf den 1. Januar 2006 zurück.

Und noch ein Tipp: Die ARGEn und JobCenter schmettern Überprüfungsanträge und Widersprüche gegen aktuelle Bewilligungsbescheide, die aufgrund des Verfassungsgerichtsverfahrens zu den Regelleistungen eingelegt werden, oft mit einem Standardtext ab. Bei Überprüfungsanträgen muss gegen einen ablehnenden Bescheid Widerspruch, bei ablehnenden Widerspruchsbescheiden muss Klage eingelegt werden, um die Verfahren offen zu halten. Werden solche Bescheide erst einmal rechtskräftig, sind rückwirkende Ansprüche ausgeschlossen! Wir empfehlen deshalb bei Anträgen, Widersprüchen und Klagen jeweils den Zusatz: „Hiermit beantrage ich, den Antrag/den Widerspruch/die Klage bis zur Entscheidung des BVerfG ruhend zu stellen.“

Also kurz zusammengefasst:
– Die Urteilsverkündung wird für Anfang des Jahres 2010 erwartet.
– Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich nicht nur mit den Regelsätzen für Kinder sondern für Alle.
– Das Urteil hat Auswirkungen Leistungsbezieher von Leistungen nach SGB II und XII.
– Wenn das Urteil die Eckregelsätze für verfassungswidrig erklärt, bleibt immer noch die Frage ab wann die Regelung gilt, ob ab Urteil oder auch rückwirkend.
– Um sich Ansprüche auch rückwirkend zu sichern, wenn das Urteil denn dies erlauben sollte, muss vor Urteilsverkündung ein Antrag auf Überprüfung gestellt werden.
– Sollten rückwirkend Ansprüche möglich werden, ist ein Anspruch gesetzlich bis zu 4 Jahren rückwirkend möglich. Für alle die schon so lange Leistungen beziehen ist es daher wichtig den Antrag bis zum 31.12.2009 zu stellen, sonst gehen die Ansprüche für ein Jahr möglicherweise verloren.

Und was ist wenn der Überprüfungsantrag / der Widerspruch abgelehnt wird?
– In diesem Fall muss auf alle Fälle Widerspruch eingelegt werden damit die Ablehnung nicht rechtskräftig wird.
– Im Falle der Ablehnung des Widerspruchs muss Klage eingereicht werden
Tacheles hat Musterschreiben hierzu entwickelt, die über ihre Internetseite abzurufen sind.

Ein ganz herzlicher Dank an dieser Stelle an die Kollegen und Kolleginnen von Tacheles, für ihren tollen Service, der uns viel Arbeit abnimmt!

Weitere Infos und viel Hintergrundinformation sowie alle Musterschreiben sind zu finden auf der Internetseite von Tacheles:
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/Rueckwirkend_Ansprueche_Sichern.aspx oder
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/

Dank an Silke Eggers für den Text!

siehe auch 09.02.2010: Hartz IV-Regelsätze verfassungswidrig – Bundesverfassungsgericht ordnet Neuregelung an

Aids-Projekte protestieren gegen Kürzungen und Streichungen bei Mehrbedarf (akt. 3)

Die im Aids-Bereich in Berlin tätigen Organisationen protestieren in einem gemeinsamen Brief an Sozialsenatorin Knake-Werner gegen Kürzungen und Streichungen beim Mehrbedarf bei kostenaufwändigerer Ernährung.

Die Berliner Aids-Projekte fordern die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales in einem Brief auf, „darauf hinzuwirken, den Mehrbedarf für kostenaufwändigere Ernährung allen Menschen, die mit HIV/Aids leben, regelmäßig und in bedarfsgerechter Höhe ab Diagnose zu gewähren.“ Die Streichungen der letzten Monate sollten zurückgenommen werden.

„Seit Anfang 2009 erleben sehr viele HIV-positive Leistungsbeziehende nach dem SGB II und SGB XII eine Streichung des Mehrbedarfs für kostenaufwendigere Ernährung“, erläutern sie die aktuelle Situation.

Dr. Heidi Knake-Werner, Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales (Berlin)
Dr. Heidi Knake-Werner, Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales (Berlin)

Eine gesunde und vollwertige Ernährung allein mit der im Eckregelsatz gewährten Vollkost sei nicht ausreichend, betonen die Aids-Organisationen. Sie halten sowohl die Kriterien zur Gewährung des Mehrbedarfs, die Höhe des Mehrbedarfs als auch die Berechnungsgrundlagen für ungeeignet, eine gesunde und ausreichende Ernährung bei HIV/Aids zu garantieren.

Am 1. Oktober 2008 hatte der ‚Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.‘ seine ‚Empfehlung zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe‘ herausgegeben. Diese Empfehlungen sind von den Jobcentern und den Sozialämtern in Berlin größtenteils mit der Wirkung zum 01. Januar 2009 übernommen worden und führen bei einem sehr großen Teil der Menschen, die mit HIV/Aids leben, zu einer Streichung des Mehrbedarfs.

Die zuständige Senatsverwaltung hat zwar zugesagt, dass bei Erreichen der neuen Kriterien „eine Krankenkostzulage in Höhe von 10% des Eckregelsatz gewährt [wird). […] Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bleiben die gewährten Krankenkostzulagen in bisheriger Höhe bestehen.“ Diese Zusage sei jedoch für die Bezirke nicht bindend.  Nicht alle Bezirke würden sich nach der Zusage richten. Zudem gelte die Zusage auch nicht für  Arbeitslosengeld-II-Beziehende, kritisieren die Initiativen.

Die Organisationen betonen abschließend, dass die aktuellen Kürzungen nicht nur Menschen mit HIV und Aids betreffen: „Wir können aus unserer fachlichen Kompetenz heraus nur für Menschen mit HIV/Aids sprechen, sind aber der festen Überzeugung, dass die derzeitige Umsetzung der Empfehlungen auch für die anderen verzehrenden Erkrankungen keine zufrieden stellende Ernährungssituation widerspiegelt.“

Die „gemeinsame Erklärung und Forderung“ an die Berliner Senatorin wurde gemeinsam verfasst von den im LABAS Landesverband der Berliner AIDS-Selbsthilfegruppen e.V. zusammengeschlossenen Aids-Organisationen und den bezirklichen Beratungsstellen Berlins.

Nachtrag 26.08.2009: in ihrer Antwort betont Senatorin Knake-Werner, ihr seien „weitere Handlungsmöglichkeiten rechtlich nicht gegeben“. Sie werde sich jedoch auch weiterhin für eine leistungsrechtliche Verbesserung der Situation von Kranken und Pflegebedürftigen im SGB V einsetzen.

weitere Informationen:
Brief des Arbeitskreises der im Aids-Bereich tätigen Institutionen Berlin an Senatorin Knake-Werner (pdf) sowie Gemeinsame Erklärung des Arbeitskreises (pdf)
Antwort Senatorin Knake-Werner vom 23.07.2009 (pdf)
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.: “
Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe“, 1. Oktober 2008 (pdf)
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Bald Hartz 4 für Apotheker?

Ein bekannter Internet – Medikamenten-Versandhandel eröffnet – mit tatkräftiger Unterstützung des CDU-Landesgesundheitsministers – in Saarbrücken eine Apotheke. Na und, möchte man denken. Doch eine ganze Branche schreit auf, dazu Politiker und Lobbyisten fast aller Couleur.

Worum geht es? In Deutschland dürfen bisher nur natürliche Personen Apotheken eröffnen (Ausnahme: Krankenhäuser), und ein Apotheker darf maximal vier Filialen haben (Fremdbesitz- und Mehrbesitz-Verbote). So solle eine unabhängige, qualifizierte und wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sichergestellt werden, so die Befürworter der geltenden Regelung.
DocMorris -um diese Internetapotheke geht es im Saarbrücker Fall- ist jedoch eine Kapitalgesellschaft. Und DocMorris verkauft wie auch andere Internet-Apotheken rezeptfreie Medikamente, aber auch einige verschreibungspflichtige Pillen (wie Viagra & Co) z.T. bedeutend preisgünstiger als in der Apotheke um die Ecke üblich. Für die Kunden eigentlich eine gute Sache – und für die Apotheker eine Gefahr, sehen sie doch ihre bisher so sicheren Gewinne schwinden.

Trotz Sparbekundungen und Gesundheitsreform, die deutschen Apotheker erzielten 2005 einen Rekordgewinn (Erlös-Zuwachs 7,7% im Vergleich zu 2004). Der durchschnittliche Gewinn einer Apotheke belief sich auf 85.000 Euro. Auch vom gern beklagten Apotheken-Sterben ist keine Spur: 2005 wurden 242 Apotheken geschlossen, aber 326 neu eröffnet. In Deutschland versorgt eine Apotheke durchschnittlich 3.875 Einwohner, damit ist die Apotheken-Dichte in Deutschland deutlich höher als in den meisten EU-Ländern. Ein Markt mit Rekordgewinnen, nahezu ohne Wettbewerb, ohne Konkurrenz, abgeschottet und geschützt.

Es geht also, entgegen allen altruistischen Begründungen von Apothekern und Funktionären, primär vermutlich um individuelle Profite und Privilegien.
Die Saarbrücker Entwicklung könnte eine Öffnung des Medikamentenhandels für Kapitalgesellschaften auch in Deutschland bedeuten, eine Zukunft mit niedrigeren Medikamentenpreisen, mit großen, profitorientierten Apotheken-Ketten.

Doch dies muss nicht die einzige Möglichkeit sein, die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten preisgünstig zu gestalten: in Schweden darf bereits seit 1971 nur der Staat Medikamente verkaufen, er betreibt alle 950 (!) Apotheken des Landes. Ein Monopol, das dem Gedanken der staatlichen Daseins-Fürsorge entsprang, noch heute von der Bevölkerung geschätzt wird, und das für kostengünstige Medikamente sorgt, zu überall gleichen Preisen.

Medikamentenhandel ist auch ohne Gewinnorientierung möglich … Aber dann müssten sich ja einige Apotheker einschränken …