Der Nationale AIDS-Beirat fordert den Abbau von Diskriminierung in der Arbeitswelt

Der Nationale Aids-Beirat forderte in einem Votum vom 11. Oktober 2012, die Diskriminierung von Menschen mit HIV im Erwerbsleben abzubauen.
Hier das Votum im Wortlaut als Dokumentation:

Der Nationale AIDS-Beirat fordert den Abbau von Diskriminierung in der Arbeitswelt

Bonn/Berlin, 11. Oktober 2012

Am 11. Oktober 2012 hat der Nationale AIDS-Beirat folgendes Votum beschlossen:

Die HIV-Infektion ist heute gut behandelbar. Dies spiegelt sich auch im Arbeitsleben wider: die Mehrheit der Menschen mit HIV in Deutschland ist erwerbstätig.

Weil Menschen mit HIV im Erwerbsleben immer noch diskriminiert werden, stellt der Nationale AIDS-Beirat (NAB) fest:

Im Berufsalltag besteht kein Risiko der HIV-Übertragung durch HIV-positive Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Andere. Dies gilt auch für Tätigkeiten in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Kindergärten, Pflegeheimen), in der Gastronomie und im Gesundheitswesen. Selbst bei verletzungsträchtigen chirurgischen Operationen ist bisher in Deutschland kein Übertragungsfall aufgetreten.

Der NAB verurteilt jegliche Diskriminierung von Menschen mit HIV im Berufsalltag und bei Bewerbungs- und Einstellungsverfahren sowie die Einschränkung der Berufsausübung und der beruflichen Weiterbildung. Die Ablehnung oder Entlassung wegen einer HIV-Infektion oder der Weigerung, einen Test durchzuführen, stellt eine Diskriminierung dar.

  • Der NAB stellt fest, dass keine Verpflichtung zur Offenlegung der HIV-Infektion besteht. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, über den HIV-Status Auskunft zu verlangen.
  • Weder in Bewerbungsverfahren noch bei bestehenden Arbeitsverhältnissen darf ein HIV-Test verlangt werden.
  • Erhält der betriebsärztliche Dienst Kenntnis von einer HIV-Infektion, unterliegt er der Schweigepflicht, auch gegenüber dem Arbeitgeber.

Der NAB fordert die Diskriminierung von Menschen mit HIV im Berufsleben abzubauen. Betriebe und Verbände stehen in der Pflicht, Maßnahmen zu entwickeln und zu verstärken, die einen offenen und angstfreien Umgang mit der HIV-Infektion ermöglichen.

Der Nationale AIDS-Beirat ist ein unabhängiges Beratungsgremium des Bundesministeriums für Gesundheit. Er ist interdisziplinär mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Forschung, medizinische Versorgung, öffentlicher Gesundheitsdienst, Ethik, Recht, Sozialwissenschaften, sowie Personen aus der Zivilgesellschaft zusammengesetzt. Weitere Hinweise zum Nationalen AIDS-Beirat finden Sie hier.

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Quelle BMG

Geburtstagsgrüße für die Aidshilfe – Teil 2

Die Situation HIV-Infizierter war beklemmend. Auch ich habe noch 1988 mein erstes größeres Interview für den Marburger Express noch unter Pseudonym gegeben, mein erster Fernsehauftritt kostete mich ein Drittel meiner Kanzlei. Im Beirat der Deutschen Aidshilfe brach ich 1988 das Tabu, öffentlich über die eigne Infektion zu sprechen und andere danach zu fragen. Über allem hing damals noch die Drohung, wir würden alle schnell dahinsiechen. Schulungen zu Sterbebegleitungen und Sterbemeditationen fanden bundesweit reichlich statt. Für den Ernstfall wollte man gerüstet sein. Die Bilder stimmten damals scheinbar. Sie waren geprägt von Menschen, deren Krankheit erst im Spätstadium diagnostiziert werden konnte und in deren Behandlung die Medizin noch im der Phase des Try and Error war. Den einfach nur Infizierten mit einer langen gesundheitlich stabilen Phase konnte man erst ab Herbst 1984, der Einführung des ersten HIV-Antikörpertests, entdecken, und den lange symptomarm oder symptomlos lebenden behandelten Infizierten erst ab den pharmazeutischen Fortschritten Mitte der neunziger Jahre. Ich habe mir in Marburg extra noch im September 1999 in einem ansonsten sehr sensiblen Portrait die Schlagzeile eingefangen: „Den Tod seit fünfzehn Jahren überlebt“. Diese Bilder waren immer sehr mächtig. Und unser Kampf ging darum, ihnen die Macht dadurch zu nehmen, dass wir ein Gesicht zeigten, das wahre Leben.

Obwohl die Beratungsgruppe, die seit 1984 tätig war, in erster Linie Testberatung machte, führte die allgemeine politische Kultur Marburgs, die uns geprägt hat, dazu, HIV auch als eine gesellschaftspolitische Herausforderung zu begreifen. 1987 stand dann die offizielle Gründung der Marburger Aids-Hilfe e.V. an. Zu den Finanzierungsverhandlungen in der Stadt reiste auf unseren Wunsch der inzwischen habilitierte Reinhard Brodt von der Frankfurter Infektionsambulanz an, um erfolgreich der Marburger Uniklinik Paroli zu bieten. Überhaupt bekamen wir in der Anfangszeit viel Unterstützung aus Frankfurt. Rafael Lewental und Peter Josefiok von der AHF halfen bei Veranstaltungen mit eigenen Erfahrungen aus. Die Teilhabemöglichkeit an Ausbildung und Diskussion in der Frankfurter und in der Hessischen Aids-Hilfe haben uns wichtige Unterstützung gegeben. Und dann war die Aidshilfe Marburg ziemlich nah am Leben dran. Während an vielen Orten nur streng geheime Positiventreffen unter dem Dach der Aids-Hilfe erfolgten, eine Mitarbeit aber unerwünscht war, bestimmten sie in Marburg die Diskussionen mit. Wenn ich damals auch beklagte, wie übrigens auch heute noch, dass zu wenige Menschen mit ihrem HIV Status offen umgehen, so zwingt die historische Perspektive mich doch, anzuerkennen, es war in Marburg eine Menge sichtbar los. Und das wurde vom Unfeld der Aids-Hilfe, der Tuntonia und häufig auch aus dem Schwulenreferat des Asta mitgetragen. Vor allem Florian, Wilfried, Reinhild und auch ich brachten offensiv, manchmal penetrant und nervend, die positive Sicht des Lebens ein. Heiße öffentliche Diskussionen der Marburger Positiven mit der Schwulengruppe und der Aids-Hilfe im Cafe am Grün verursachten einen erhöhten Supervisionsbedarf bei den MitarbeiterInnen des Vereins. Andrerseits bekam ich, als es meinem Freund Jörg ganz dreckig ging, unaufgefordert das Angebot eines schwulen Altenpflegers, er habe mit ein paar Freunden aus dem Pflegebereich gesprochen. Eine vierundzwanzig Stundenpflege könnten sie ehrenamtlich leisten, wenn wir Bedarf daran hätten. Das rührt mich auch heute noch zu Tränen. Im Arbeitskreis Aids beim Gesundheitsamt der Stadt Marburg, waren die Aids-Hilfe und Dr. Hornung lange Zeit die einzigen, die mehrere Kranke und Infizierte vor Ort kannten. Dort wurde für den ersten Spritzenautomaten gestritten, gegen heimliche Tests im Uniklinikum, um Methadonvergabe. Es gab Veranstaltungen zu Aids und Ethik u.a. mit Hans-Peter Hauschild, Sophinette Becker und dem Katholischen Stadtdekan im Buchladencafe am Grün. Die Strömungen, der Verein zur Förderung der Debattenkultur, angesiedelt beim roten Stern, veranstalteten für uns eine ganze Drogenreihe. Die schwule Kultur bescherte uns unvergessliche Benefizkleinkunstabende. Ich selbst durfte zusammen mit Uwe Kerkmann und Klaus Stehling unter anderem mit den Programmen „Sturzbetroffen“, „Pilze zum Lunch“ und „ich will nicht nur Schokolade“ beitragen. Die Waggonhalle, das Theater neben dem Turm, die Pfarrkirche, das KFZ, das Cafe am Grün, die Ortenberggemeinde und natürlich die Stadt Marburg gaben uns für die schrill künstlerische Facette der Arbeit bereitwillig ihre Räume. Klar, ein traditionsreiches Cafe in der Oberstadt, wollte Charlotte von Mahlsdorf nicht lesend in ihren Räumen haben. Das war aber dann für Tuntonia, das Schwulenreferat und die Urninge der Aids-Hilfe immer ein Fest, wenn man von einer Demo gegen Dyba noch im Fummel gewandet gleich zum Konditern gehen konnte.

Trotz allem war die Marburger Aidshilfe nie wirklich mein Ort, Ich habe da nie irgendwelche Funktionen vereinsrechtlicher Natur erfüllt. Räume waren für mich eher die Frankfurter und die Deutsche Aids-Hilfe und das Haus 68 in Frankfurt. Der Verein konnte und kann immer auf meine solidarische Unterstützung zählen, aber mein Ort war er nicht, weil seine Größe nicht zuließ, übergreifend politisch zu agieren. Klar, Gespräche in der Anfangszeit mit Uta Bednarz, Harald Jaekel, Peter von der Forst und Behruz Foroutan waren zu ihrer Zeit hilfreich, so wie heute Gespräche mit den engagierten Menschen in Offenbach und in Marburg mit Mario. Aber ich suchte damals keine Gruppe, in der man sein Elend gemeinsam bearbeitet, verarbeitet, trägt, die aber im übrigen völlig asexuell war. Oder anders, ich war auf der Suche nach Arbeitsfeldern, in denen ich eine Chance hat, nicht nur das vereinsinterne Klima zu verändern, sondern das leichtere Sprechen über HIV zu befördern. Dafür gab es geeignetere Rahmen als den Marburger Verein, der mich bei der Suche danach immer tatkräftig unterstützt hat, froh war, wenn ich meinen unersättlichen Diskussionsbedarf im Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe, Im nationalen Aids Beirat, in Frankfurt oder bei Kongressen und Tagungen deckte. Marburg habe ich immer wieder als Zaungast mitbekommen. Fein war der denkwürdige Gottesdienst für die Drogentoten der Stadt in der vollen Pfarrkirche mit Frau Bundesmann-Lotz. Für die Trauer gibt es inzwischen auf der Homepage einen virtuellen Friedhof für Drogentote. Die Schwierigkeiten, dass akzeptierender Drogengebrauch bei aller Grundüberzeugung des Vereins bei hauptamtlichen Mitarbeitern an Grenzen stößt, die zum Handeln zwingen, habe ich mitbekommen wie auch die Hürden, die die Verantwortlichen überspringen mussten. Wir haben viele Verluste erleben müssen. Florian und Ziggy leben nicht mehr. Sie haben dazu beigetragen, dass sich die Marburger Aids-Hilfe offensiv der Überlebensbedingungen von iv DrogenuserInnen angenommen hat. Der dringend benötigte Kontaktladen legt davon ebenso Zeugnis ab, wie jetzt das längst schon überfällige Streiten für einen Konsumraum.

Marburgs schwules Leben sehe ich seit geraumer Zeit nur noch aus der Ferne und mit Wehmut. Da scheinen mir mal wieder sieben dürre Jahre angesagt zu sein. Bleibt nur zu hoffen, dass die Akteure das Porzellan nicht endgültig zerdeppern sondern für zukünftige Aktivisten nur verstauben lassen. Meine Sicht von Marburgs schwulem Leben, meist mit der Aids-Hilfe als Mitveranstalter, ist geprägt von zwei Abenden im Rathaus zur Eröffnung des schwulen Herbstes. Einer davon waren die „Rosa Spuren im braunen Dickicht“, an dem mehr als ein Dutzend Männer und eine Frau gestaltend teilgenommen haben. Es gab unzählige Kleinkunst- und Trash-Abende im KFZ, Großveranstaltungen wie Hella von Sinnen in der ausverkauften Stadthalle, 1978 eine schwule Hardcore-Filmreihe im KFZ, die selbst mir teilweise zu heftig war. Sommerfeste im Schülerpark, Vortragsabende und Lesungen, Theater, es war schon eine bunte Mischung, an der beitragen zu können auch meine Entwicklung geprägt hat. Diese Facette schwulen Lebens vermisse ich in Offenbach. Es war einfach schön, sich von Manfred Schmidt, der inzwischen in Nürnberg Leiter des Beratungsteams der dortigen Aids-Hilfe ist, über den Einfluss der Bundeswehr auf die Reformbestrebungen des § 175 in den sechziger Jahren informieren zu lassen, manches über Geschlechtsidentitätenverwirrungen bei Indianern zu erfahren, kurz jede Menge Individualisten zu erleben, die an ihren Vorlieben und Themen partizipieren ließen.

In den Diskussionen, die ich inzwischen auf Hessischer Ebene mit der Marburger Aids-Hilfe erlebe, nehme ich immer erfreut wahr, dass dort die Begeisterung für die Buntheit des Lebens noch lebendig ist. Das hat richtig Spaß gemacht, mit Daniela Wais und Mario Ferranti bei der Erarbeitung des Leitbildes der Hessischen Aidshilfen über das Leben und die Notwendigkeiten der Arbeit von Aids-Hilfe zu diskutieren. Und ich weiß auch sehr zu schätzen, dass sich die Marburger Aids-Hilfe politisch dafür stark gemacht hat, die posT, das Magazin der Hessischen und der hannöverschen Aids-Hilfen, zu ermöglichen. Sie ist inzwischen eingestellt aber immer noch runterzuladen von www.ondamaris.de. Dort wird der Diskurs über das Leben mit HIV ernsthaft gepflegt. Dazu gehört, auch das Gespräch über Risikomanagement von Infizierten unter Therapien, zu pflegen. Das war lange ein Tabuthema, weil offensichtlich befürchtet wurde, die bloße Bekanntgabe wissenschaftlicher Ergebnisse, bedeute das Ende des Kondomgebrauchs und sei gesellschaftlich nicht zu vermitteln. Das ist natürlich Humbug, denn sexuelle Gesundheit bedeutet mehr und nicht zwangsläufig die Abwesenheit von HIV. Es zeichnet sich ab, dass erfolgreich behandelte HIV-Infizierte nicht mehr infektiös sind. Man soll also nicht ihre angebliche aber real nicht vorhandene Gefährlichkeit heranziehen, um rigide im gesamten schwulen Sex das Kondomgebot durchzusetzen. Es gibt viele Gelegenheiten, in denen es sinnvoll oder geboten ist. Aber wenn man Prävention gegen die Hepatitis machen will, bieten sich die von Gießen und Marburg durchgeführten Impfkampagnen an, Syphilis, Tripper und Co verlangen andere Strategien und letztlich muss der einzelne Mensch alles noch in seine Trieb- und Sehnsuchtsstrukturen einbauen können. Es ist ohnehin ein schwieriges Feld. Darin öffentlich nicht anzuerkennen, dass es neben dem Kondom auch zu respektierende andere Wege und Wünsche gibt, macht krank und wird unter anderem auf meinem Rücken ausgetragen. Da tut es gut, Mitstreiter auch in Marburg zu haben, die diese Bürde wegräumen wollen.

An die Marburger Kultur, Presse und Politik, an die soziale Szene der Stadt vom Betreuungsverein über den fib, die Lebenshilfe bis zur Bürgerinitiative Sozialpsychiatrienpie, an Teile der Justiz und an viele Marburgerinnen und Marburger geht mein Dank. Dass ich meine Art von Offenheit von vielen solidarisch unterstützt leben konnte, war in den Achtzigern und Anfang der Neunziger keine Selbstverständlichkeit. Danke für die Einbindung in der Stadt.

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(Bernd Aretz: ‚Geburtstagsgrüße für die Aidshilfe – Teil 1‚ erschien am 03.09.2012)

Der Nationale AIDS-Beirat positioniert sich zur Prävention von HIV mit antiretroviralen Medikamenten

Der Nationale AIDS-Beirat positioniert sich zur Prävention von HIV mit antiretroviralen Medikamenten

Am 01. März 2012 hat der Nationale AIDS-Beirat folgendes Votum beschlossen:

  • „Der Nationale AIDS-Beirat (NAB) stellt fest, dass bei vorliegender HIV-Infektion eine effektive antiretrovirale Therapie eine HIV-Übertragung verhindert. Studien belegen eine hochgradige Schutzwirkung, sofern mit der antiretroviralen Therapie dauerhaft eine Unterdrückung der HI-Viruslast im Plasma auf unter 50 RNAKopien pro ml erreicht wird.
  • Der NAB empfiehlt, diesen Sachverhalt offen und öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren. Dies gilt für Präventions- und Beratungsangebote ebenso wie für das ärztliche Gespräch, in denen eventuell verbleibende Risiken im Individualfall erörtert werden müssen.
  • Der Schutz vor einer Infektion ist gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten. Unverändert bleibt daher die Bedeutung der aufeinander bezogenen Verhältnis- und Verhaltensprävention und der in diesem Rahmen gegebenen Empfehlungen. Safer Sex und Safe Use bilden nach wie vor die Grundlage der deutschen Public-Health Strategie zur Verhinderung einer HIV-Übertragung. Dies gilt umso mehr, als sie dazu beitragen, auch die Übertragung anderer Infektionen zu reduzieren.
  • Der NAB betont, dass jede Entscheidung für eine Therapie zum Zweck der Reduktion der Infektiosität nur von Menschen mit HIV selbst getroffen werden darf. Die Empfehlung für einen Therapiebeginn darf nicht von Public-Health Interessen, sondern muss von den Interessen und Bedürfnissen des Individuums geleitet werden. Die Aufklärung diesbezüglich muss offen sein und mögliche Vorteile wie Nachteile einer antiretroviralen Therapie umfassen. Der freie Wille der Patientin/ des Patienten hat oberste Priorität.
  • Die Nutzung der Schutzwirkung einer effektiven antiretroviralen Therapie hängt von der niedrigschwelligen Verfügbarkeit von HIV-Tests und -Beratung sowie vom Zugang zur antiretroviralen Therapie ab.
  • Aufgrund einer Vielzahl ungeklärter wissenschaftlicher, ethischer, rechtlicher und gesundheitsökonomischer Fragen hält der NAB es für verfrüht, ein Votum zum Einsatz einer Prä-Expositionsprophylaxe zu geben.“

Der Nationale AIDS-Beirat ist ein unabhängiges Beratungsgremium des Bundesministeriums für Gesundheit. Er ist interdisziplinär mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Forschung, medizinische Versorgung, öffentlicher Gesundheitsdienst, Ethik, Recht, Sozialwissenschaften, sowie Personen aus der Zivilgesellschaft zusammengesetzt.

Die Mitglieder des Nationalen AIDS-Beirats (Foto: BMG)
Die Mitglieder des Nationalen AIDS-Beirats (Foto: BMG)

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(Meldung Nationaler Aids-Beirat)

Nationaler AIDS-Beirat und Deutsche AIDS-Hilfe fordern Rücknahme geplanter Kürzungen bei der HIV-Prävention

Am Donnerstag 20.10.2011 wird im Bundestag über Kürzungen bei der Prävention im Bereich HIV/Aids und andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) verhandelt.

Die Bundesregierung plant zurzeit, die Mittel im Jahr 2012 von 13 auf 12 Millionen zu reduzieren. Der Nationale AIDS-Beirat (NAB) und die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) fordern den Bundestag auf, diese Kürzungen zurückzunehmen.

Folgendes Votum des NAB hat das Bundesministerium für Gesundheit am Mittwoch veröffentlicht:

„Der NAB betrachtet mit großer Sorge, dass die finanziellen Mittel für die HIV/STI-Prävention reduziert werden sollen. Deshalb fordert der NAB den Bundestag auf, die für 2012 geplanten Kürzungen im Haushaltstitel HIV/STI-Prävention zurückzunehmen und das Budget mindestens in bisheriger Höhe aufrechtzuerhalten. Angesichts der Komplexität der Präventionsaufgaben und der Erweiterung um den Schwerpunkt STI-Prävention führt eine Kürzung zu einer massiven Einschränkung der Angebote und gefährdet auf Dauer die bisherigen Präventionserfolge. Einsparungen im Bereich der Präventionsarbeit werden künftig durch Mehrkosten in der Versorgung mit weit höheren Beträgen bezahlt werden müssen.“

Dazu DAH-Vorstandsmitglied Tino Henn:

„Auf Erfolgen darf man sich nicht ausruhen, sondern wir müssen darauf aufbauen! Wer bei der Prävention nachlässt, riskiert die Gesundheit und das Leben von Menschen.“ (Siehe auch Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe vom 11.8.2011.)

Der Nationale AIDS-Beirat ist ein Beratungsgremium des Bundesministeriums für Gesundheit. Er begleitet die Politik der Bundesregierung im Umgang mit HIV/Aids mit Stellungnahmen und Vorschlägen. Die Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe, Silke Klumb, ist Mitglied im NAB. Die Deutsche AIDS-Hilfe ist der Dachverband von rund 120 Aidshilfe-Organisationen.

(Pressemitteilung DAH)

Melike Yildiz und Bernd Aretz für Nationalen Aids-Beirat vorgeschlagen

Der Nationale Aids-Beirat soll um zwei Vertreter HIV-positiver Selbsthilfe ergänzt werden. Vorgeschlagen: Melike Yildiz und Bernd Aretz.

Der jüngst neu konstituierte Nationale Aids-Beirat soll um zwei Vertrter HIV-positiver Selbsthilfe ergänzt werden, dies hatte das Bundesgesundheitsministerium vor kurzem mitgeteilt. Nun sind auch zwei Namen bekannt:

„DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb, selbst Mitglied im Nationalen AIDS-Beirat, hat daraufhin nach Rücksprache mit dem DAH-Vorstand die Berlinerin Melike Yildiz und den Offenbacher Bernd Aretz vorgeschlagen.“

Die DAH informiert über die beiden Vorgeschlagenen:

  • „Melike Yildiz, 34, ist studierte Kunsthistorikerin. Sie stammt aus der Türkei und engagiert sich in der Selbsthilfe von HIV-positiven Menschen mit Migrationshintergrund, zum Beispiel in der Kontakt- und Anlaufstelle BeKAM in der Berliner Aids-Hilfe sowie im bundesweiten Netzwerk Afro-Leben+. Sie ist Mutter zweier Kinder.
  • Bernd Aretz ist Jurist und offen schwuler HIV-Aktivist seit der ersten Stunde. Er hat die Selbsthilfe stets konstruktiv-kritisch begleitet und mitgestaltet. Seit 2010 ist er Ehrenmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe.“

Die DAH ergänzt zum zukünftigen Benennungsverfahren:

„Die DAH strebt nun an, dass die Selbsthilfevertreter im NAB in Zukunft in einem transparenten Verfahren bestimmt und von der Community legitimiert werden. Sie könnten zum Beispiel regelmäßig auf der Selbsthilfekonferenz „Positive Begegnungen“ gewählt werden.“
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Herzlichen Glückwunsch an Melike und Bernd (der auch ondamaris-Autor ist) !

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weitere Informationen:
DAH-Blog 27.05.2011: Mehr Selbsthilfe für den Nationalen AIDS-Beirat
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Nationaler Aids-Beirat: Ergänzung um zusätzlich zwei HIV-Positiven – Vertreter (akt.)

Der Nationale Aids-Beirat wird nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit um zwei Vertreter aus HIV-Positiven-Selbsthilfe ergänzt.

Der ‘Nationale Aids-Beirat’ konstituierte sich erstmals im Dezember 1986 zu Zeiten von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth. Sein Ziel war es, die Bundesregierung in Fragen der nationalen Aids-Politik zu beraten. Im Oktober 2010 löste der damalige Bundesgesundheitsminister Rösler den  Nationalen Aids-Beirat auf (siehe ‘Nationaler Aids-Beirat – quo vadis?‘). Kurz darauf wurde eine Neu-Konstituierung des Nationalen Aids-Beirats veranlasst.

HIV-Positive fühlten sich und ihre organisierte Selbsthilfe nicht adäquat vertreten – und diskutierten Notwendigkeit und Inhalte einer Positiven-Interessenvertretung im Nationalen Aids-Beirat. In Gesprächen insbesondere zwischen Bundesministerium für Gesundheit und Deutscher Aids-Hilfe wurde die Frage thematisiert.

Das Bundesministerium für Gesundheit teilte nun auf Anfrage eines ondamaris-Lesers (siehe Kommentar) mit

„Nach einem Dialog mit Betroffenen und Interessenvertretern haben wir entschieden, bis zu zwei weitere Mitglieder aus dem Kreise der Selbsthilfe zu benennen. Wir haben die AIDS-Beirat Mitglieder gebeten, uns geeignete HIV-positive Menschen zu benennen und erwarten in Kürze entsprechende Vorschläge.“

Die Deutsche Aids-Hilfe geht von einer Nach-Berufung der beiden HIV-Positiven noch vor der nächsten Sitzung des Nationalen Aids-Beirats aus.

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Die (insbesondere auch auf ondamaris geführten) Debatten um die Frage, wie die Interessen HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat vertreten werden, scheinen Früchte getragen zu haben.

Dem Bundesministerium für Gesundheit gebührt Anerkennung für seine Bereitschaft, die Nominierung zu überdenken und um zwei Vertreter aus der Selbsthilfe HIV-Positiver zu erweitern – und HIV-Positiven sowie der Deutschen Aids-Hilfe gebührt Dank für ihr Engagement in ‚eigener Sache‘.

Nun sind zwei  aktive Mitstreiter/innen gefragt – für eine engagierte und an den Interessen HIV-Positiver orientierte Mitarbeit im nationalen Aids-Beirat.

Nationaler Aids-Beirat: wie geht’s weiter?

Der Nationale Aids-Beirat wurde vom Bundesminister für Gesundheit neu berufen. HIV-Positive fühlen sich und ihre organisierte Selbsthilfe nicht adäquat vertreten – und diskutierten Notwendigkeit und Inhalte einer Positiven-Interessenvertretung im Nationalen Aids-Beirat.

Am 8. Februar 2011 kam der neue Nationale Aids-Beirat (NAB) in Berlin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Deutsche Aids-Hilfe hat, wie einige andere Organisationen, die Neukonstituierung des nationalen Aids-Beirats begrüßt. Carsten Schatz, Vorstand und Teilnehmer der konstituierenden Sitzung, betonte, dass „dem Beirat zurzeit allerdings noch zu wenige Vertreter der organisierten Selbsthilfe angehören“, zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass dies noch erreicht werden könne.

Der ‘Nationale Aids-Beirat’ konstituierte sich erstmals im Dezember 1986 zu Zeiten von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth. Sein Ziel war es, die Bundesregierung in Fragen der nationalen Aids-Politik zu beraten. Im Oktober 2010 löste Bundesgesundheitsminister Rösler den  Nationalen Aids-Beirat auf (siehe ‘Nationaler Aids-Beirat – quo vadis?‘). Kurz darauf wurde eine Neu-Konstituierung des Nationalen Aids-Beirats veranlasst – der Grund für diesen Schritt blieb zunächst unklar.

Explizite Vertreter der Interessen von Menschen mit HIV und Aids / organisierter Positiven-Selbsthilfe sind im ’neuen‘ Nationalen Aids-Beirat nicht ausreichend stark vertreten. Dies war schon im Vorfeld, sowie nach der konstituierenden Sitzung des Nationalen Aids-Beirats auf Kritik gestoßen. Inzwischen wurde in Blogs und Foren eine intensive Diskussion dazu geführt. Aus Kommentaren und Stellungnahmen wurde deutlich

  • die Mehrzahl der Diskutanten fordert eine explizite Positiven-Interessenvertretung im Nationalen Aids-Beirat
  • Leben mit HIV hat viele Realitäten – von Hartz IV bis erfolgreicher Manager, von Migrant/in bis Drogengebraucher/in oder Mutter oder schwuler Mann usw.– dieses Spektrum an Lebensrealitäten abzudecken erfordert mehr als eine/n einzige/n Interessenvertreter/in HIV-Positiver, dabei sollte auch die epidemiologische Situation (z.B. Anteil an Gesamtzahl HIV-Infizierter) möglichst Berücksichtigung finden
  • Transparenz ist unumgänglich – z.B. durch Veröffentlichung der Sitzungs-Protokolle, möglichst auch vorab der Einladungen / zu behandelnden Themen, letztlich aber besonders auch Transparenz im Berufungs-Prozess der Mitglieder
  • Offenlegung von potentiellen Interessenkonflikten und wirtschaftlichen Verflechtungen

Nominierung: Im Idealfall sollten die Vertreter HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat in einem möglichst transparenten Prozess bestimmt werden. Der ideale Ort hierzu sind vermutlich die ‚Positiven Begegnungen‘, die deutschland- (und europa-) weit größte Versammlung von Menschen mit HIV (dies wäre – rechtzeitige Information und Einbeziehung vorausgesetzt – theoretisch auch schon zur konstituierenden Sitzung des Nationalen Aids-Beirats möglich gewesen).
Die nächsten ‚Positiven Begegnungen‘ finden 2012 statt, und könnten dann ihre Rolle als ‚Positiven-Parlament‘ wahrnehmen und Vertreter für den Nationalen Aids-Beirat auch mit optimaler Legitimation versehen. Bis dahin sollte eine Übergangslösung gefunden werden.

Die Frage HIV-positiver Interessenvertretung wurde auch konkret diskutiert mit zahlreichen Vorschlägen, welche Inhalte eingebracht werden sollten. So wurden als Themen, die aus Sicht HIV-Positiver Eingang in die Debatten des NAB finden sollten, u.a. genannt

  • Integration von HIV-Positiven in die Gesellschaft
  • Abbau von stigmatisierenden Vorurteilen
  • Kriminalisierung von Menschen mit HIV
  • Überarbeitung und Anpassung des Strafrechts entsprechend gegenwärtigen medizinischen Standards
  • Prävention ohne Angst und Schrecken
  • Leben mit HIV im Alter
  • soziale und ökonomische Situation HIV-Positiver (ALG II / Hartz IV, Rente, Härtefallregelung …)
  • Ökonomisierung vs. Solidargedanke im Gesundheitswesen

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Aktualisierung 16. Mai 2011:
Der Nationale Aids-Beirat wird um bis zu zwei HIV-Positive ergänzt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.

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Menschen mit HIV machen nach engagierten und erfrischend breiten Diskussionen deutlich, dass sie Interessenvertreter ihrer Lebensrealitäten im Nationalen Aids-Beirat einfordern – und dass sie hier auch Themen einzubringen haben. Nun ist das Bundesministerium für Gesundheit, als dessen Berater der Nationale Aids-Beirat fungiert, und das seine Mitglieder berufen hat, gefragt. Ist es an einer engagierten Mitarbeit HIV-Positiver Interessenvertretung interessiert? Die Debatten zeigen, dass es an HIV-Positiven nicht scheitern würde …

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weitere Informationen:
alivenkickin 10.02.2011: Nationaler AIDS Beirat
diego62 22.02.2011: Offener Brief an Minister Rösler
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Nationaler Aids-Beirat berufen – drei Expertinnen der GSSG dabei

Am 8. Februar 2011 fand in Berlin die konstituierende Sitzung des Nationalen Aids-Beirats (NAB) statt. Gaby Wirz, Fachbeirätin der Gemeinnützigen Stiftung Sexualität und Gesundheit (GSSG) wurde zur stell­vertre­tenden NAB-Vorsitzenden gewählt. Erster Vor­sitzender wurde der Mediziner Jürgen Rockstroh aus Bonn. Der NAB besteht aus 15 Sach­verständigen, die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ehrenamtlich bei gesellschaftlichen und medizinischen Fragen zu HIV und Aids beraten.

Gaby Wirz ist Sozialpädagogin und ehrenamtlich im bundesweiten Netzwerk Frauen und Aids engagiert, haupt­amtlich führt sie die Geschäfte des Landesverbands der baden-württembergischen Aidshilfen. „Ich freue mich sehr auf die Arbeit im Nationalen Aids-Beirat“, sagte Wirz am Abend. „Der medizinische Fort­schritt stellt neue Anforderungen auch an Gesell­schaft und Politik und ich erwarte interessante Dis­kus­sionen.“

Unter den 15 Berufenen sind neben Wirz zwei weitere Aids-Expertinnen aus dem GSSG-Fachbeirat. Heidrun Nitschke leitet als Ärztin im Gesundheitsamt Köln die Beratungsstelle zu sexuell übertragbaren Krankheiten einschließlich Aids. Psychologin Ulrike Sonnenberg-Schwan koordiniert im Münchner Frauengesundheits­zentrum das Projekt „Positive Frauen“ und führt die Frauen-Sektion der Deutschen Aids-Gesellschaft.

Weitere NAB-Mitglieder sind die Mediziner Norbert Brockmeyer aus Bochum, Dominik Groß aus Aachen, Annette Haberl aus Frankfurt, Frank Kirchhoff aus Ulm, Reinhold Schmidt aus Hannover und Hans-Jürgen Stellbrink aus Hamburg. Weiterhin wurden die Theologen Stefan Alkier aus Frankurt und Rainer Jarchow aus Hamburg, die Pädagogin Silke Klumb und der Sozialwissenschaftler Rolf Rosenbrock aus Berlin sowie der Jurist Jochen Taupitz aus Mannheim in den NAB berufen.

„Das Bundesministerium hat überaus erfahrene und sachkundige Fachleute berufen“, lobt GSSG-Stifterin Harriet Langanke die multidisziplinäre Zusammensetzung, in der sich die einschlägigen Facheinrich­tungen ebenso widerspiegeln wie zivilgesellschaftliches Engagement.

Der NAB ist eines von 94 Gremien, die die verschiedenen Bundesministerien in Form von Stellungnahmen oder Gutachten beraten. Im Geschäftsbereich des BMG sind derzeit 13 Beratungsgremien tätig, darunter die Ständige Impfkommission oder die Ethik­kommission für Stammzellenforschung.

(Pressemitteilung der GSSG)

Deutsche AIDS-Stiftung mit Gründer Rainer Jarchow im Nationalen AIDS-Beirat vertreten

Die Deutsche AIDS-Stiftung begrüßt die Neukonstituierung des Nationalen AIDS-Beirates, der die Bundesregierung zu aktuellen gesellschaftlichen und medizinischen Fragestellungen zu HIV/AIDS beraten soll. Das Gremium hat 15 Mitglieder, zu denen auch der Gründer der Deutschen AIDS-Stiftung und deren jetziger Fachbeiratsvorsitzender Rainer Jarchow zählt. „Ich sehe meine Rolle vor allem darin, dass ich als jemand, der der Basis nahe steht und von Beginn an aktiv dabei war, Themen wie Diskriminierung, Leid und Armut einbringen kann. Es geht mir darum, den Menschen mit HIV und AIDS dort eine Stimme zu geben“, so Jarchow. Die Beschränkung auf 15 Mitglieder, die alle Bereiche von Medizin bis Ethik vertreten, ermögliche eine zielgerichtete Arbeit. Auch die Festlegung auf zwei feste Treffen jährlich sei ein zu begrüßender Beschluss, der die Kontinuität sichere.

Der Nationale AIDS-Beirat bestand zuvor bereits von 1987 bis 2010. Als Beratungsgremium des Bundesgesundheitsministeriums begleitet er die Weiterentwicklung der HIV/AIDS-Strategie mit fachlichem Rat. Die Neukonstituierung geschieht vor dem Hintergrund verbesserter medizinischer Therapien, die Menschen mit HIV und AIDS ein längeres Leben ermöglichen, aber neue Fragestellungen bezüglich der Nebenwirkungen der lebenslangen Behandlung sowie des Pflege- und Betreuungsbedarfs aufwerfen und die Prävention vor neue Herausforderungen stellen.

Die Deutsche AIDS-Stiftung ist die größte AIDS-Hilfsorganisation in Deutschland, die betroffenen Menschen materielle Unterstützung bietet. Die Stiftung hilft seit mehr als 20 Jahren bedürftigen Menschen mit HIV und AIDS in Deutschland durch Einzelhilfen und die Unterstützung von Projekten wie beispielsweise Betreutes Wohnen. Darüber hinaus fördert die Stiftung seit dem Jahr 2000 ausgewählte Hilfsprojekte, etwa für Aidswaisen, Jugendliche, Mütter und ihre Kinder, vor allem im südlichen Afrika.

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Stiftung)

Deutsche AIDS-Hilfe begrüßt Neukonstituierung des Nationalen AIDS-Beirats

In Berlin hat sich heute der Nationale AIDS-Beirat (NAB) neu konstituiert. Nach einer mehrjährigen Pause werden die darin versammelten Expertinnen und Experten künftig wieder die Bundesregierung im Umgang mit HIV/Aids beraten. Für die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) nahm Vorstandsmitglied Carsten Schatz an der Sitzung teil.

„Wir freuen uns, dass es dieses wichtige Gremium jetzt wieder gibt“, sagt Schatz „Nach unserer Auffassung gehören dem Beirat zurzeit allerdings noch zu wenige Vertreter der organisierten Selbsthilfe an. Menschen mit HIV sind unterrepräsentiert. Wir haben dies heute thematisiert und sind nach dem konstruktiven Verlauf der Sitzung sehr zuversichtlich, dass noch Selbsthilfevertreterinnen und -vertreter eingeladen werden.“

Wichtige Themen für den NAB sind aus Sicht der Deutschen AIDS-Hilfe unter anderem die Zukunft der HIV-Prävention angesichts der heute verfügbaren Therapien, Maßnahmen gegen Ausgrenzung von Menschen mit HIV, etwa in der Arbeitswelt oder in Pflege- und Altenheimen, der Zugang zu ärztlicher Versorgung für alle Menschen mit HIV in Deutschland und die andauernde stigmatisierende Kriminalisierung der HIV-Übertragung.

(Pressemitteilung der DAH)

Prinzipienlosigkeit? Desinteresse? Absicht? – Das Gesundheitsministerium will offensichtlich keine Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV im Nationalen Aids-Beirat

Der Nationale Aids-Beirat hat sich heute konstituiert. Viele Professoren (überwiegend Kliniker), zwei Sozialwissenschaftler/innen, zwei Mitarbeiterinnen von Aidshilfe – und keine Interessenvertreter von Menschen mit HIV (1), zeigt die Liste der Mitglieder des nationalen AIDS-Beirats. Statt mit wird wieder einmal nur über uns gesprochen – entgegen anders lautenden Aussagen.

Es gibt ein international anerkanntes Prinzip. Es nennt sich das „GIPA Prinzip“ – Greater Involvment of People with HIV and Aids: Menschen mit HIV und Aids sollten auf allen Ebenen bei sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden (“participation in decision-making processes that affect their lives”).

Dieses Prinzip einzuhalten ist Anliegen vieler international auf dem Aids-Gebiet arbeitenden Organisationen. Es einzuhalten gehört zu den Bedingungen, die internationale Organisationen wie der Globale Fonds ihren Zuwendungsempfängern vorschreiben. Der Global Fund schreibt als ‚minimum requirements‘ u.a. vor „The Global Fund requires all CCMs [Country Coordinating Mechanism, Instrument für Projektvorschläge] to show evidence of membership of people living with and/or affected by the diseases“ (Quelle).

Das GIPA-Prinzip wurde bereits am 1. Dezember 1994 beschlossen, auf dem ‚Paris Aids Summit‘. Es befindet sich in der auf diesem Gipfel beschlossenen und von den 42 dort hochkarätig vertretenen Staaten unterzeichneten ‚Paris Declaration‚. Unterzeichnet hat diese Paris Declaration für die Bundesrepublik Deutschland auch Horst Seehofer, CSU und damaliger Bundesminister für Gesundheit.

In dieser ‚Paris declaration‚ wird gesprochen von „ensuring their [people living with HIV/AIDS; d.Verf.] full involvement in our common response to the pandemic at all – national, regional and global – levels“, und unter III. ist zu lesen, die Unterzeichner verpflichten sich

„fully involve non-governmental and community-based organizations as well as people living with HIV/AIDS in the formulation and implementation of public policies“.

UNAIDS, das Gemeinsame Aids-Programm der Vereinten Nationen (deren Mitglied Deutschland ist), formuliert

„Das Prinzip GIPA (Greater Involvement of People Living with HIV/AIDS, stärkere Einbeziehung der Menschen, die mit dem HI-Virus / mit AIDS leben) wurde beim AIDS-Gipfel 1994 in Paris offiziell anerkannt, als 42 Länder sich dahingehend einigten, dass ein umfassendes Engagement auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zur Entwicklung von unterstützungsorientierten politischen, rechtlichen und sozialen Umfeldern führen wird.“ (Quelle pdf)

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer betonte nach der Verabschiedung des GIPA-Prinzips 1994 stolz in einer Presseerklärung

“Die Betroffenen selbst können oft die besten Entscheidungen treffen, die besten Anregungen geben, . . . weil sie tagtäglich persönlich erfahren, was es heißt, HIV-infiziert oder aidskrank zu sein. Die Stärkung dieser Strukturen und Initiativen . . . sollte deshalb integraler Bestandteil aller politischen Überlegungen und Programme sein.” (Quelle)

Horst Seehofer ist schon lange kein Bundesgesundheitsminister mehr. Sein Nachfolger, Philip Rösler (FDP) scheint zu hoffen, an frühere Zusagen der Bundesregierung werde sich schon niemand erinnern. Vielleicht interessiert ihn die Frage auch nicht. Oder ist ihm die Einbeziehung HIV-positiver Interessen schlichtweg egal?

Es geht gemäß dem GIPA-Prinzip darum, die Erfahrungen, Belange, Lebenssituationen HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat durch diese selbst einzubeziehen. Es geht nicht um die Frage, ob einzelne Mitglieder des Nationalen Aids-Beirats – ob offen oder nicht offen – mit HIV infiziert sind. Und es geht nicht um die Frage, ob sie etwa in Aidshilfen arbeiten – Aidshilfe und Positiven-Interessen-Selbstvertretung sind zweierlei, dies sollte auch im Bundesgesundheitsministerium bekannt sein.

Es geht um die (auch: die politisch gewollte) Einbeziehung von Vertretern HIV-Positiver und ihrer Lebensrealitäten in genau dieser Funktion: Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver.

Und genau dies scheint das Bundesgesundheitsministerium nicht zu wollen.

Oder wie sollen wir es sonst verstehen, dass Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids im Nationalen Aids-Beirat nicht beteiligt ist? Dass die Lebenswelten und Probleme von drogengebrauchenden Menschen mit HIV oder von HIV-positiven Migrantinnen, um nur zwei Beispiele zu nennen, außen vor bleiben? Dass  in Deutschland scheinbar nicht gewollt ist, was in Lesotho oder Burkina Faso sogar vorgeschrieben wird, um internationale Mittel zu bekommen?

Müssen Menschen mit HIV und Aids erst wieder vor der Tür des Bundesgesundheitsministers demonstrieren, Die-Ins oder andere medienwirksame Aktionen veranstalten, ihm laut ihre Meinung sagen, bevor sie Gehör finden?

WILL der Bundesgesundheitsminister dann wenn es – bei ihm, in ’seinem‘ Nationalen AIDS-Beirat – drauf an kommt keine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver? Oder interessiert es ihn schlichtweg nicht? Sind wir, unsere Meinung, unsere Interessen ihm letztlich doch egal? Sind all die netten Worte zum Welt-Aids-Tag oder bei anderen Anlässen wenn Kameras anwesend sind, nur ministerielles Blabla? Politiker-Geschwätz?

Es wäre schade. Und es würde überraschen. Denn Themen, bei denen Interessenlagen oder Ziele nahe bei einander liegen oder gar übereinstimmen, Politik und HIV-Positive an einem Strang ziehen, ein Austauschen und ggf. gemeinsames Agieren im Interesse aller Beteiligten wäre, die dürfte es durchaus geben …

Aber auch die Beteiligten des Nationalen Aids-Beirats selbst müssen sich fragen lassen, warum sie das Anliegen, Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat zu beteiligen, nicht unterstützen. Sie müssen sich fragen lassen, ob sie es vor der Öffentlichkeit, vor Aidshilfen und Kollegen, vor ihren Patientinnen und Patienten, aber vor allem auch vor sich selbst rechtfertigen können, an dieser bedeutenden Stelle der Formulierung deutscher Aids-Politik zwar über, aber kaum mit Menschen mit HIV zu sprechen und entscheiden?

Und Mitarbeiter/innen von Aidshilfe als Mitglieder des Nationalen AIDS-Beirats sowie die Deutsche Aids-Hilfe als Verband  müssen sich fragen lassen, ob sie sich instrumentalisieren lassen – um eine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver zu verhindern? Gerät Aidshilfe hier in Gefahr, eines ihrer hehrsten Prinzipien zu verraten?

„Mit uns, nicht nur über uns “ und „Wir sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung“ – das waren einst Grundgedanken der Aidsarbeit, realisiert oft auch in deutscher Aids-Politik. Die daraus, aus der Einbindung und Selbst-Vertretung von Menschen mit HIV und Aids, auch eine ihrer Stärken bezog und internationale Anerkennung fand. Inzwischen scheinen diese Grundgedanken der Interessen-Selbstvertretung kurz davor zu sein, zu Lippenbekenntnissen bei Pressekonferenzen und hübschen Welt-Aids-Tags-Empfängen zu verkommen. GIPA? Fehlanzeige!

Müssen wir wieder zornig werden? Oder ist es nur an der Zeit, dass der Minister die von der Bundesregierung unterzeichnete Erklärung ernst nimmt, sie in die Praxis umsetzt? Und endlich Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids beteiligt, auch am Nationalen Aids-Beirat?

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UNAIDS: The Paris Declaration – Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)

siehe auch:
alivenkickin 08.02.2011: Liebe weichgespülten HIV Positive, liebe weichgespülte Community

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(1) Anmerkung zu „kein Interessenvertreter von Menschen mit HIV“:
Ja, Rainer Jarchow ist Mitglied im Nationalen AIDS-Beirat. Laut Mitgliederliste benannt als „AIDS-Aktivist“. Rainer hat sich jahrelang auf vielen Ebene und an vielen Stellen verdienstvoll für den Kampf gegen Aids und für Menschen mit HIV und Aids eingesetzt. Rainer ist erfreulicherweise und verdientermaßen Ehrenmitglied der Deutschen Aids-Hilfe. Und sicher ein wichtiges Mitglied im ‚Nationalen AIDS-Beirat‘.
Aber – lieber Rainer, du bist als einziger nicht (mehr) in Aidshilfe Aktiver unter dem Titel ‚Selbsthilfe‘ in den Nationalen AIDS-Beirat benannt. Neben der Funktion als
„Fachbeirat Deutsche AIDS-Stiftung“ auch als „AIDS-Aktivist“. Bist du das? Heute noch? Ist das (die ganze) Positiven-Interessenselbstvertretung? Oder wie viel Gefahr von Instrumentalisierung liegt hierin?

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Aktualisierung 16. Mai 2011:
Der Nationale Aids-Beirat wird um bis zu zwei HIV-Positive ergänzt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.

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Nationaler AIDS-Beirat – Mitglieder (Stand 08.02.2011)

Mitglieder des Nationalen AIDS-Beirats

  • Prof. Dr. theol. Stefan Alkier, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich evangelische Theologie; Theologe
  • Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer, Universität Bochum, Hautklinik, Kompetenznetz, Deutsche STD Gesellschaft; Klinischer HIV-Spezialist
  • Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß, RWTH Aachen, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik; Medizinethiker
  • Dr. med. Annette Elisabeth Haberl, HIV Center Frankfurt, Deutsche AIDS-Gesellschaft, Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte für die Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ), Kompetenznetz; Klinische HIV-Spezialistin
  • Rainer Jarchow, Fachbeirat Deutsche AIDS-Stiftung, Selbsthilfe; AIDS Aktivist
  • Prof. Dr. rer. nat. et med. Frank Kirchhoff, Universitätsklinikum Ulm, Institut für Virologie; Virologe
  • Dipl. päd. Silke Klumb, Deutsche AIDS-Hilfe; Selbsthilfe
  • Dr. med. Heidrun Nitschke, Gesundheitsamt Köln, Beratungsstelle zu sexuell übertragbaren Erkrankungen einschl. AIDS; Ärztin im öffentlichen Gesundheitswesen
  • Prof. Dr. med. Jürgen Rockstroh, Universität Bonn, Deutsche AIDS-Gesellschaft; Klinischer HIV-Spezialist
  • Prof. Dr. rer. pol. Dipl.-Kaufm. Rolf Rosenbrock, Wissenschaftszentrum Berlin, Forschungsgruppe Public Health; Sozialwissenschaftler
  • Professor Dr. med. Reinhold E. Schmidt, Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Immunologie und Rheumatologie; Klinischer HIV-Spezialist
  • Dipl. psych. Ulrike Sonnenberg-Schwan, Deutsche AIDS-Gesellschaft, AAWS (All Around Women Special), Wissenschaftlicher Beirat der EATG (European AIDS Treatment Group); Sozialwissenschaftlerin
  • Prof. Dr. med. Hans Jürgen Stellbrink, Infektionsmedizinisches Centrum Hamburg (ICH), Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte für die Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ), Deutsche AIDS-Gesellschaft, Kompetenznetz; Klinischer HIV-Spezialist
  • Prof. Dr. jur. Jochen Taupitz, Universität Mannheim, Institut für Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik; Gesundheitsrechtler / Medizinethiker
  • Dipl. soz. päd. Gaby Wirz, AIDS-Hilfe Baden-Württemberg; Selbsthilfe

(Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 08.02.2011)

Nationaler AIDS-Beirat neu konstituiert

Der nationale AIDS-Beirat ist heute in Berlin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Anlässlich der Neukonstituierung sagte Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler: „Die AIDS-Epidemie wandelt sich. Neue Forschungsergebnisse in der Prävention werden diskutiert und müssen bewertet werden. Die großen Fortschritte in der Behandlung ermöglichen heute ein Leben mit HIV über viele Jahre. Dies schafft neue Bedürfnisse, auf die die Gesellschaft reagieren muss. Ich hoffe, dass uns der Nationale AIDS-Beirat mit Anregungen und Impulsen bei der Anpassung unserer erfolgreichen HIV/AIDS-Bekämpfungsstrategie unterstützt.“

Der Nationale AIDS-Beirat besteht seit 1987. Als Beratungsgremium des Bundesministeriums für Gesundheit begleitet er die Weiterentwicklung der HIV/AIDS-Strategie mit fachlichem Rat. Die personelle Besetzung des Beirates spiegelt die Vielfalt und Komplexität seiner Aufgabenstellung wider.

Der Nationale AIDS-Beirat berät die Bundesregierung zu aktuellen gesellschaftlichen und medizinischen Fragestellungen zu HIV/AIDS. Er ist interdisziplinär mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Forschung, medizinische Versorgung, öffentlicher Gesundheitsdienst, Ethik, Recht, Sozialwissenschaften, sowie Personen aus der Zivilgesellschaft einschließlich der Selbsthilfe besetzt.

(Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit)

Nationaler AIDS-Beirat – Mitglieder (Stand 08.02.2011)

Nationaler Aids-Beirat: demnächst Neu-Konstituierung – Chance zu Neu-Start mit Aidshilfen- und Positiven-Interessenvertretung vertan (akt.)

Der Nationale Aids-Beirat, jüngst erst von Bundes-Gesundheitsminister Rösler aufgelöst, wird sich absehbar neu konstituieren – ohne Interessenvertretung von Deutscher Aidshilfe oder Menschen mit HIV. GIPA? Fehlanzeige.

Erst im Oktober 2010 hatte Bundesgesundheitsminister Rösler den im Dezember 1986 gegründeten Nationalen Aids-Beirat aufgelöst (siehe ‚Nationaler Aids-Beirat – quo vadis?‚). Nun zeichnet sich eine baldige Neu-Konstituierung ab.

Im neuen Nationale Aids-Beirat wird auch die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) vertreten sein. Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH, wurde persönlich als Mitglied benannt. Dies bestätigte die DAH auf Nachfrage.

Der ’neue‘ Nationale Aids-Beirat wird sich am 8. Februar 2011 mit seiner ersten Sitzung in Berlin konstituieren.

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Aktualisierung 06.01.2011, 17:30:
Silke Klumb ist (anders als in der ursprünglichen Fassung des Artikels formuliert) persönlich als Mitglied des ’neuen‘ Nationalen Aids-Beirats benannt, nicht als Vertreterin der Deutschen Aids-Hilfe, und ohne deren vorherige Einbindung (siehe Kommentar #3 & 5).
Damit sind weder der Dachverband der Aidshilfen in Deutschland noch Interessenvertreter von Menschen mit HIV und Aids im ’neuen‘ Nationalen Aids-Beirat vertreten.

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Es ist erfreulich, dass Aids-Organisationen wie Deutsche Aidshilfe und Aidshilfe Baden-Württemberg im neuen Nationalen Aids-Beirat vertreten sind. Dass Menschen mit HIV – explizit als Interessenvertreter von Menschen mit HIV, nicht als Vertreter von Aids-Organisationen – weiterhin nicht als Mitglieder benannt wurden, befremdet.
Die Bundesregierung versäumt es wieder einmal, das – von ihr selbst bereits 1994 unterzeichnete – GIPA-Prinzip (Menschen mit HIV aktiv an sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen) selbst umzusetzen.

Nationaler Aids-Beirat – quo vadis?

Der seit 1986 bestehende ‚Nationale Aids-Beirat‘ ist aufgelöst – und ein neuer wird derzeit berufen. Werden auch Menschen mit HIV beteiligt? Wird über, oder auch mit uns geredet?

Der ‚Nationale Aids-Beirat‘ konstituierte sich im Dezember 1986 zu Zeiten von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth. Sein Ziel war es, die Bundesregierung in Fragen der nationalen Aids-Politik zu beraten. 23 (später bis 35) Experten verschiedener Disziplinen waren Mitglieder des Beirats, unter ihnen u.a. Prof. Martin Dannecker, Prof. Rolf Rosenbrock, Jan Leidel (Leiter Gesundheitsamt Köln), Prof. Reinhard Kurth und (seit 1998) Prof. Doris Schaeffer.

Martin Dannecker erläuterte im Januar 1987:

„Der Nationale Aids-Beirat ist eine Gruppe von Personen, die über Aids arbeitet und die Aufgabe hat, das Bundesgesundheitsministerium zu beraten und Vorschläge zu machen – auch zur Prävention. Es sind vor allem Mediziner in diesem Kreis, Virologen, Infektologen …“

Die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags erläutern

„Der Nationale AIDS-Beirat besteht aus unabhängigen Sachverständigen, welche das Bundesministerium für Gesundheit bei Fragen bezüglich der Bekämpfung der Immunschwächekrankheit AIDS beraten. Rechtsgrundlage des Nationalen AIDS-Beirats ist die Koalitionsvereinbarung zu Beginn der 11. Legislaturperiode sowie ein Organisationerlass. Berufen werden die 23 Mitglieder des Beirats durch das BMG. Mitglieder können Personen aus allen relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen sein, welche durch ihre berufliche Tätigkeit oder durch besondere Erfahrung qualifiziert erscheinen.“

Seit dem Jahr 2000 fanden nur drei (!) Sitzungen des ‚Nationalen Aids-Beirats‘ (NAB) statt, zuletzt im September 2006.

Der bisher bestehende ‚Nationale Aids-Beirat‘ wurde Ende Oktober 2010 von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler aufgelöst. Zur Begründung gab Rösler an, „neue Entwicklungen und Herausforderungen in der HIV/AIDS-Bekämpfung haben auch Auswirkungen auf die Aufgaben und Anforderungen an den Nationalen AIDS-Beirat“.

Der Bundes-Gesundheitsminister beruft derzeit bereits Mitglieder für einen neuen ‚Nationalen Aids-Beirat‘. Zu den Mitgliedern soll u.a. Prof. Dominik Groß (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, RWTH Aachen) gehören.

Ob Gesundheitsminister Rösler auch Menschen mit HIV als Positiven-Interessenvertreter und -Experten in den neuen Nationalen Aids-Beirat beruft, ist nicht bekannt.
Eine Einbindung HIV-Positiver entspräche dem GIPA-Prinzip, Menschen mit HIV in die sie betreffenden Entscheidungen mit einzubeziehen – ein Prinzip, das von der Bundesregierung bereits 1994 auf dem Pariser Aids-Gipfel unterzeichnet wurde.

Aktualisierung 06.01.2011, 15:30 / 17:30:
Nationaler Aids-Beirat: demnächst Neu-Konstituierung – Chance zu Neu-Start mit Aidshilfen- und Positiven-Interessenvertretung vertan

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weitere Informationen:
Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste / Dr. Birgit Schröder 15.09.2010: Beratungsgremien bei der Bundesregierung und im Bundestag (pdf)
Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung
Paris Aids Summit – Paris Declaration
HIV&more 04/2010: Nationaler Aids-Beirat aufgelöst (pdf)
Spiegel 12.01.1987: Aids: Sex-Verbot für Zehntausende?
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