Vorratsdatenspeicherung gefährdet auch Aids-Beratung

In der kommenden Woche sollen die Gesetzentwürfe zu Vorratsdatenspeicherung & Co. in Bundestag behandelt werden. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung sowie zahlreiche potenziell betroffene Verbände (unter ihnen auch die Deutsche Aids-Hilfe DAH) riefen die Bundestagsabgeordneten dazu auf, den Gesetzentwürfen nicht zuzustimmen.

Auf einer Pressekonferenz machten die Verbände nochmals ihre Kritik deutlich – die sich neben Problemen für Journalisten (Quellenschutz) im Gesundheitsbereich z.B. auch mit Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient oder dem faktischen Wegfall anonymer Beratungsmöglichkeiten (auch in der Aids-Beratung) befasst.

Worum geht es? „Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Begriff aus dem deutschen Datenschutz- und Telekommunikationsrecht. Er bezeichnete ursprünglich die Speicherung von personenbezogenen Daten für eine spätere Verarbeitung, wobei der Verarbeitungszweck zum Zeitpunkt der Speicherung noch nicht klar feststeht.“ (AK Vorratsdatenspeicherung)

Dabei geht es inzwischen um weit mehr als ’nur‘ mein PC gehört mir: so würde z.B. im Aids-Bereich die gerade erst mühsam und mit viel Engagement und Kosten aufgebaute Aids-Beratung im Internet mindestens einen wesentlichen Rückschlag erfahren, wenn sie (aufgrund der Speicherung der Daten) nicht mehr anonym möglich wäre.

„Auch wenn der Inhalt der Gespräche oder der Chats geschützt bleibt, wirkt das Wissen um die Protokollierung abschreckend auf Ratsuchende – gerade dann, wenn es um sehr persönliche Themen wie Sexualität, Gesundheit oder Drogengebrauch geht“, betont die DAH in ihrer Pressemitteilung.
„Für der Aidshilfen bedeutet dies eine konkrete Gefährdung ihrer Arbeit im Online-Bereich. Die individuelle Beratung zu sensiblen Themen ist nur dann effektiv, wenn die Ratsuchenden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Online-Beratung vertrauen und sich darauf verlassen können, dass ihre Kontakte zu den Beraterinnen und Beratern anonym bleiben. Dies ist jedoch gefährdet, wenn die Speicherung der Kommunikationsumstände Rückschlüsse auf persönliche Problemlagen der Ratsuchenden zulässt.“.

Die Kritik an den Gesetzentwürfen wird immer lauter. Selbst die Bundesjustizministerin geht inzwischen davon aus, dass letztlich nach Massenklagen das Bundesverfassungsgericht über die Vorratsdatenspeicherung entscheiden wird. In bundesweiten dezentralen Demonstrationen soll am kommenden 6. November erneut auf die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung hingewiesen werden.
Und doch stehen die Beratungen im Bundestag unmittelbar bevor – die Abstimmung über die Gesetze wird bereits für den 9. November erwartet.

Nachtrag 5.11.: die Abstimmung im Bundestag scheint verschoben, zunächst soll eine erneute Behandlung im Rechtsausschuss erfolgen

Nachtrag 6.11.: Behandlung in zweiter und dritter Lesung im Bundestag ( = endgültige Entscheidung!) nun doch am Freitag, 9.11.

Nachtrag 9.11.: Berichte: Blog Off! von der Berliner Demonstration Demo statt Angst, simoncolumbus 10.000 demonstrieren
Der Herr Sch. vergreift sich in seinem Vergleich, netzpolitik.org fordert Schäuble, zurücktreten!

weitere Infos:
netzpolitik.org über die Anhörung im Bundestag zur Vorratsdatenspeicherung (21.9.2007)
Wortlaut der Anhörung (als pdf)
Internetseiten des AK Vorratsdatenspeicherung
netzzeitung: Ein Tag im Leben eines gläsernen Bürgers
vzbv: Vorratsdatenspeicherung ist eine Bedrohung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe

Kleine Kohorte

Aus dem Kompetenznetz HIV ist seit Wochen Erstaunliches zu vermerken: die HIV-Kohorte, die schon aufgrund von Datenschutz-Problemen in die Kritik geriet, soll drastisch verkleinert werden.

Derzeit umfasst die HIV-Kohorte nach mühevollem Start in den vergangenen Jahren jetzt die Datensätze von weit über 16.000 Patienten (andere Quellen sprechen von 14.000). Nun, so ist zu hören, soll sie auf ‚Empfehlung‘ von Gutachtern drastisch verkleinert werden – auf bald nur noch 8.000 Patienten. Auch die Zahl der beteiligten Zentren solle reduziert werden. Zudem solle die so entstehende ’neue Kohorte‘ zukünftig geschlossen sein – neue Patienten sollen nach Etablierung nicht mehr eingeschlossen werden.

Die ‚Eindampfung‘ der Kohorte mag Gründe haben, Gründe sowohl wissenschaftlicher als auch finanzieller Natur. Die Datensätze der über 16.000 eingeschleusten Patienten waren nicht alle von gleich guter Qualität. Doppelte Datensätze, Datensätze mit nur wenig Angaben und Ähnliches minderten die Qualität, schränkten die Auswertbarkeit ein. (Daten zur Kohorte Stand Dezember 2006 hier)

Dennoch – Fragen stellen sich. Die Kohorte sei das ‚Rückgrat des Kompetenznetzes‘, ist auf seinem Internetangebot zu lesen.
Die Größe der Kohorte (‚ein enormer Anteil der in Deutschland in Behandlung befindlichen HIV-Positiven‘) war bisher eines der gern für die Kohorte ins Feld geführten Argumente. Nun nicht mehr?
Und – eine geschlossene Kohorte wird für die Zukunft eine sich ständig verkleinernde Kohorte bedeuten. Patienten wechseln den Arzt, wechseln den Wohnsitz, beenden aus eigenem Entschluss die Teilnahme, versterben oder gehen dem ‚Followup‘ aus sonstigen Gründen verloren. Welche Relevanz können Aussagen aus einer kleineren, ständig schrumpfenden Kohorte haben?

Nebenbei – die kleine Schweiz hat seit 1988 (!) eine HIV-Kohorte, die (bei Kosten von jährlich ca. 3,5 Mio. sFr.) gute Studiendaten produziert. An 5 Universitäten und 2 Kantonsspitälern wurden bisher über 14.500 HIV-Positive in die Kohorte eingeschlossen (Bericht über die Swiss HIV Cohort als pdf hier, aktuelle Daten auf der Site der Kohorte unter ’state of the cohort‘)

Der Aufbau der deutschen HIV-Kohorte wurde seit Juni 2002 mit beträchtlichen öffentlichen Geldern finanziert.
Eine Reduzierung von über 16.000 Patienten auf 8.000 Patienten bedeutet eine Reduzierung auf weniger als die Hälfte. Wurden für über 8.000 Patienten Daten vergeblich eingegeben, Biomaterialien vergeblich abgenommen und eingelagert? Die Kosten, die vor Ort, bei Ärzten und in Kliniken, dafür entstanden, wurden ihnen erstattet. Mittel, die nun vergeblich investiert wurden?

Doch neben der Frage einer effizienten Verwendung öffentlicher Mittel stellen sich noch weitere Fragen. Scheiden die ‚weg-reduzierten‘ Patienten aus der Kohorte aus? Werden die Patienten, deren Daten in der Kohorte nicht mehr verwendet werden, über ihr Ausscheiden und/oder den neuen Status informiert? Werden Daten und Biomaterial der betroffenen Patienten sicher vernichtet? Und, die Fragen, die sich aus den Datenschutz-Problemen Ende 2006 ergaben stehen auch größtenteils noch im Raum …

Die Verkleinerung der deutschen HIV-Kohorte – ist sie ein Schritt zu einer neuen erfolgreicheren Zukunft? Oder wird hier ein einstiges vermeintliches Renommier-Projekt still und leise auf elegantem Weg einer baldigen Entsorgung entgegen geführt?

Pikanterweise ist zu hören, dass einige der auch an Kompetenznetz und HIV-Kohorte beteiligten Forscher parallel damit beschäftigt sein sollen, selbst (mit noch weniger Patienteninformation) eine eigene Kohorte aufzubauen – vermutlich nicht gerade ein Vertrauensbeweis in die ’neue‘ HIV-Kohorte.

Mein PC gehört mir

Immer mehr versucht der Staat, Überwachung und Kontrolle auszudehnen. Bürgerliche Freiheitsrechte werden immer weiter zurück gedrängt.

So fordert Innenminister Schäuble, die (unangekündigte) Durchsuchung von Computern über das Internet müsse Behörden wie dem Bundeskriminalamt gestattet werden. Selbstverständlich, beruhigen andere Minister, sollten ‚höchstpersönliche Bereiche‘ geschützt bleiben, und ungläubig fragt man sie ‚wie?‘.
Da überrascht es beinahe schon nicht mehr, dass auch Handys zur akustischen Raumüberwachung umfunktioniert werden können – durch Manipulationen der Sicherheitsbehörden. Abschalten hilft dagegen wenig – nur komplett Akku raus schützt.

Insgesamt alles ein „Grundrechteabbau in wenigen Akten“ – den Blogg Off schön illustriert hat.
Aber Gegenwehr formiert sich deutlich. So hat allein die Aktion ‚Stasi2.0-T-Shirt‘ dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung inzwischen über 11.000 Euro an Spenden eingebracht. Spendenmittel die auch für die 5.000 Verfassungsklagen gegen die Vorratsdatenspeicherung erforderlich werden könnten.

Nebenbei – riesige Datensammlungen über uns gibt es schon längst, von der Versicherungswirtschaft bis zu Google. Und kaum jemand kontrolliert, geschweige denn beschwert sich …

Was tun?
Hoffen auf die Politik? Wohl nur wenig. Die SPD schlägt sich, wenn auch mit Winden und Wenden, auf Schäubles Seite. Sie sei ja eigentlich für Online-Durchsuchungen, nur die Bedingungen, über die müsse man noch einmal reden, so SPD-Innenexperte Wiefelspütz.

Bleibt zuletzt vielleicht noch die Hoffnung auf das Verfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht sprach in seinem Urteil zu Kontostammdaten (Az. 1BvR 1550/03; 2357/04; 603/05) einen bemerkenswerten Satz, demzufolge eine Sammlung auf Vorrat von dem Grundrechteschutz unterliegenden personenbezogenen Daten mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre. Und auch die EU-Generalanwältin sprach sich bereits gegen eine Vorratsdatenspeicherung aus.

Und was hilft noch?
Sich
einmischen, z.B.
‚Nerdlobbyismus‘aktiv Kontakt zu Politikern aufnehmen, ein Modell, das zu funktionieren scheint…
… oder die Überwacher überwachen –
watch the watchers
… oder am 22. September teilnehmen an der Demonstration „Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn“ (bei der es auch einen schwul-lesbischen Block (Blog?) geben soll

Ein Geis wird kommen

Der arme Herr Sch.
Da macht er sich schon Sorge um die Sicherheit im Land. Macht Vorschläge, was man denn alles ändern könnte. Und dann das.
Alle prügeln sie auf ihn ein, kritisieren, nörgeln.
Selbst der Herr Beckstein, von dem man das so nicht erwartet hätte, meint diesmal sei der Herr Sch. zu weit gegangen.

Alle gegen Sch.?
Nein, nicht ganz.
Ein kleines Dorf …
Nein, aber immerhin ein Herr G.

Sie erinnern sich noch an Norbert Geis?
Ja, genau den.
Norbert Geis, der immer mal wieder gerne gegen Lesben und Schwule wettert, gegen Lebenspartnerschaften, gegen gegen gegen

Genau dieser Norbert Geis hat natürlich auch eine Meinung zur inneren Sicherheit. Und zu den Vorschlägen von Herrn Sch.
Freiheitsentzug ohne vorherigen Prozess?

Gezielte Tötung von Terrorverdächtigen?

Unterbringungsgewahrsam für ‚Gefährder‘?

Auch ohne Prozess?

Wie die Meinung von Herrn Geis hierzu ist – nun, fast bin ich versucht zu sagen ‚wie erwartet‘. Aber – lesen Sie selbst.

Denn Herr Geis hat dem Deutschlandfunk ein Interview gegeben zu den Vorschlägen von Herrn Sch. Dieses Interview hat der DLF dankenswerterweise auf seiner Website als Transskript bereit gestellt, und wer ihn lieber hören mag, für den bietet DLF auch das mp3 dazu.

PS.: Herr Geis ist weiterhin rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag

Onkel Kim

Der Wochenbeginn hat ja noch mehr zu bieten …

Viel mehr Gedanken als um Frau W. muss man sich wohl eher um Herrn S. machen.
Nein, heute nicht Herrn Zarkozy.
Heute eher ein einheimisches Gewächs.

Bisher gern mit ‚Stasi 2.0‚ verspottet, scheint hier etwas hochzukochen, das viel weiter reicht. Und, so absurd sich das anhören mag, ‚Stasi 2.0‘ erscheint mir langsam als fehl am Platz.
Nicht wegen Übertreibung, sondern wegen Verniedlichung. Die Mutationen gehen weiter.

Handy- und Internetverbot für Terror-Verdächtige, Bestrafung von Sympathisanten, Internierungslager und gezielter Todeschuss – das ist fast alles noch eine Dimension schärfer, ein noch größeres Kaliber als die bisher angedrohten Online-Durchsuchungen und co.

Wenn die Entwicklung so weiter geht, bekommen wir dann bald das Freiheits-Risiko ‚Pinochet 2.0‚? Oder gar ‚Kim Il Schäuble‚?

Ein heikler Punkt

Der Datenschutz-Skandal beim Kompetenznetz HIV/Aids ist immer noch nicht geklärt, strukturelle Probleme des Datenschutzes nicht gelöst – und doch wird nun auch eine europäische Harmonisierung gewünscht.

„Ein heikler Punkt ist immer wieder der Datenschutz. Hier ist es dringend an der Zeit, dass ein einheitliches europäisches Datenschutzkonzept geschaffen wird …“, schreibt das Kompetenznetz HIV/Aids in seinem neuen (übrigens laut Impressum von ‚publicis‘, einer großen auch Nestlé betreuenden PR-Agentur verantworteten) Newsletter.

Wohl wahr, möchte man ihm antworten, der Datenschutz ist wirklich ein wichtiges Thema. Gerade wenn man daran denkt, wie das Kompetenznetz HIV/Aids bisher mit dem Schutz von Patienten-Daten umgegangen ist.

Die Patienten, deren (nicht anonymisierte, sondern nur pseudonymisierte) Daten und Blutproben wie berichtet ohne deren Wissen, geschweige denn deren vorheriges Einverständnis ins Ausland geliefert wurden, sind bis heute offensichtlich nicht informiert worden.

Deutliche Probleme mit den Datenschutz bestehen selbst wenn man nicht so weit gehen mag wie die ‚Zeitschrift für sexuelle Emanzipation‘ „Gigi“ in ihrer Ausgabe Nr. 49. Dort berichtet der Autor des Artikels über derzeitige gesetzgeberische Planungen im Kontext von Barebacking (Infos dazu u.a. hier und hier), und versucht, die Datenschutz-Probleme des Kompetenznetzes HIV/Aids auch aus dem Blickwinkel zu beleuchten, welche „Schützenhilfe schließlich das Kompetenznetz HIV/Aids bei der Ausforschung HIV-Infizierter vielleicht unbeabsichtigt übernehmen könnte“. Nicht ganz von der Hand zu weisen, dieser Gedanke, denn, wie der Autor resümiert, schließlich „könnte auch die deutsche Justiz an diesem Datenpool interessiert sein, in dem ein Drittel der Positiven des Landes sich freiwillig und gutgläubig erfassen ließ.“

Auch wenn dieses Szenario überzogen erscheinen mag, es fragt sich doch, welche Hilfe sich das Kompetenznetz HIV/Aids von einem europäischen Datenschutzkonzept verspricht, wenn schon der eigene Umgang mit dem Thema so umstritten ist. Oder geht es hier doch eigentlich nur darum, eine ‚legale‘ Basis zu haben, um möglichst viele Patientendaten breit und vor allem auch international zu nutzen?

Schlimmer noch, wenn man die Datenschutz- Bestimmungen in Europa vergleicht, steht zu befürchten, dass eine etwaige Harmonisierung in Richtung des jetzt (nicht nur vom Kompetenznetz) geforderten europäischen Datenschutz-Konzeptes wieder einmal nur eine Harmonisierung hin zum kleinsten gemeinsamen Nenner wäre – und somit ein de facto Abbau des deutschen Datenschutz-Standards zu befürchten stünde.

Aber – geht es dem Kompetenznetz überhaupt um den Datenschutz, um den Schutz sensibler Daten HIV- Infizierter? Wenn man auf die Vorgänge um den jüngsten Datenschutz-Skandal blickt, kann man Zweifel bekommen.

Nein, ganz in Gegenteil, Ideologie vieler deutscher HIV-Forscher (die im Kompetenznetz teilweise an prominenter Stelle engagiert sind) scheint zu sein „Datenschutz behindert doch nur wichtige Forschung“. Wer sich für die Interessen der Patienten engagiert, kritisch nachfragt, bekommt gerne entgegen gehalten, er solle doch bitte die wichtigen Forschungsbemühungen nicht unnötig behindern.

Wessen Interessenlage hier im Vordergrund steht, dürfte klar sein. Die der Positiven scheinbar jedenfalls nicht …
Und – ein ‚Vorzeigeprojekt‘ jedenfalls, als das das Kompetenznetz HIV/Aids sich selbst bezeichnet, sieht anders aus …

Wachsam wie eine Eule

Schäuble legt nach: Wenn seine hysterischen Maßnahmen so nicht gehen, dann muss dafür halt das Grundgesetz geändert oder ergänzt werden. Schließlich geht es „um ernste Sachen“.

Und – eigentlich, ja eigentlich, warum nicht auch klammheimlich? Wenn die alle nicht wollen, machen wir’s eben so. Einfach So. Nicht möglich, wir sind doch in einer Demokratie?
Aber hallo …

So überraschte erst vorgestern die Bundesregierung mit der Mitteilung, dass Online-Durchsuchungen längst gang und gäbe sind: das Bundesamt für Verfassungsschutz durchsucht schon seit Sommer 2005 munter anderer Leute Computer, und der Bundesnachrichtendienst ebenfalls. Nicht einmal die Parlamentarische Kontrollkommission war hierüber informiert.
Nur zur Erinnerung: der Bundesgerichtshof hat im vergangenen Herbst erst das Bundeskriminalamt mit einem ähnlichen Vorhaben gestoppt.

Wie hübsch, dann auch noch nebenbei zu erfahren, dass die Vorratsdaten-Speicherung, erst jüngst beschlossen, früher kommt – nämlich schon ab 1. Januar 2008.

Zwar hat Schäuble inzwischen einen winzigen Schritt rückwärts gemacht und ein Moratorium in Sachen der Online-Durchsuchungen verkündet (vorläufige Untersagung). Aber es wird dringend Zeit, dem Thema mehr und breitere Aufmerksamkeit zu geben. Schließlich steht es auch um den Datenschutz von Patienten nicht immer zum Besten.
Wie gut, dass es da die Eule gibt:

Die Initiative ‚OwlContent‘ will das Thema Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wieder mehr ins Bewusstsein bringen.

Die Initiatoren: „Diese Initiative verfolgt den Zweck, in sympathischem Gewand (gewissermaßen im Federkleid eines Uhus) das Thema Datenschutz unter Weblogs populärer zu machen sowie einen Überblick über Beiträge zum Thema zu ermöglichen und damit das Bewusstsein der Öffentlichkeit gegen eine drohende umfassende Durchleuchtung des Bürgers durch Staat und/oder Wirtschaft zu schärfen.“

Jede/r kann mit seinen Datenschutz-relevanten Beiträgen auch beim Weblog des Projekts teilnehmen. Auch ondamaris ist dabei – und trägt deswegen seit gestern die Eule

Also – Eule, sei wachsam!

PS
Gerade heutzutage wird der gute alte Humboldt so gerne zitiert wird, mit seiner Aussage „ohne Sicherheit ist keine Freiheit“. Und soll damit gerne zum Zeugen für Verschärfungen und Freiheitseinschränkungen gemacht werden. Dazu gibt es hier einen schönen Text, der zeigt in welchem Kontext Humboldt dies sagte (und dass er damit wohl schwerlich zum Zeugen heutiger Verschärfungen zu machen ist).

MinisterMutation

Kann bitte mal jemand den Bundes-Innenminister auf Verfassungsmäßigkeit überprüfen?

Dass Menschen, die einst -innerhalb ihres politischen Horizonts, ihres Weltbilds- vernünftige, klar denkende Politiker waren, sich zu regelungs- und verfolgungs- wütigen Staatsbürokraten verändern, sobald sie Innenminister werden, diese Mutation war ja schon des öfteren zu bestaunen. Aber dermaßen hysterisch?

Früher gab es Zeiten, da mussten selbst Grundschul- Lehrer und Bademeister sich überprüfen lassen, ob sie auf dem „Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ stehen. Gesinnungs-Schnüffelei, schimpften viele damals. Dass manche oberste Staatsbedienstete besondere Pflichten haben, mochte ja angehen, aber doch nicht Bademeister …
Und heute? Ob Herr Sch. diese Prüfung von damals heute bestehen würde?

Wichtige grundlegende Rechte unserer Gesellschaft sind ihm nicht mehr viel wert, scheint es.
Die Unversehrtheit der Wohnung – na ja, aber ein wenig wollen wir doch in Ihrem PC schnüffeln, da ist ja wohl nichts gegen zu sagen, oder? Übrigens, Ihre Verbindungsdaten speichern wir dann gleich mal monatelang auf Vorrat, haben Sie doch sicher nichts gegen? Wer nichts zu verbergen hat, warum sollte sich der über solche Maßnahmen beschweren? Ach übrigens, die Unschuldsvermutung schaffen wir auch gleich mit ab …

Was halten Sie eigentlich von der Idee des Herrn Sarkozy (früherer Amtskollege, derzeit Präsidenten- Kandidat in Frankreich), ein ‚Ministerium für Nationale Identität‘ zu gründen? Wär‘ das nicht auch was für uns, Herr Sch.

Dass einige Menschen im Land meinen, mit seinen Maßnahmen und Vorschlägen wie eben jetzt der Abschaffung oder Einschränkung der Unschulds- Vermutung 1) gefährde der Herr Innenminister (und nicht nur der…) die Grundlagen unserer Demokratie, statt sie zu beschützen, das findet er nun erstaunlich. Eine „unerträgliche Diffamierung“ sei es, wenn man seine Vorschläge als Anschläge auf die Verfassung empfinde, ein „infames Spiel“.

Na, aber was sind sie denn sonst? Die Unschulds- Vermutung abzuschaffen dürfte wohl kaum mit dem Grundgesetz vereinbar sein … und zutiefst antidemokratisch.

Oder ist das ganze gar nur Theaterdonner – soll ablenken, damit die irritierte Bevölkerung nicht weiter über die gestern beschlossene Ausweitung der Speicherung von Telefondaten nachdenkt?

1) Die Unschuldsvermutung ist Teil des Rechtsstaats- Prinzips (Art. 20 Grundgesetz) und von Artikel 6 (2) der Europäischen Menschenrechts-Konvention. Es besagt, dass ein Beschuldigter bis zum rechtskräftigen Beweis des Gegenteils als unschuldig gilt und auch so behandelt wird. Es verbietet einer Strafe gleichkommende Maßnahmen schon im Vorgriff einer Verurteilung.

Wahlen in Cottbus wieder prüfbar

Einen kleinen Erfolg gibt es in Sachen Wahlcomputer zu vermelden: die Stadt Cottbus plant heute zu beschließen, den Kauf von Wahlcomputern rückgängig zu machen.

Wahlcomputer sind in Deutschland gemäß Bundeswahlgesetz zugelassen.
Und sie sind unsicher weil manipulierbar, wie mehrfach gezeigt wurde. Zudem bieten Wahlcomputer im Gegensatz zu den bisherigen schriftlichen Abstimmungsverfahren keine Möglichkeit, das Ergebnis nach Abschluss der Wahl zu überprüfen – es liegen keine Stimmzettel als Belege vor. Kritiker bezeichnen Wahlcomputer aus diesem Grund auch als ’nicht demokratietauglich‘.

Bereits im Herbst letzten Jahres hatte sich eine Petition gegen Wahlcomputer gewendet, über 45.000 Unterstützer/innen hatten sich der Petition angeschlossen. Die Bedenken werden nun dem Petitionsausschuss des Bundestags vorgetragen.

Der Cottbusser Stadtrat hatte eigentlich – nach erfolgreichen Versuchen bei bisherigen Wahlen (mit aus Köln ausgeliehenen Geräten) – beschlossen, 74 Wahlmaschinen des niederländischen Herstellers Nedap (Typ ESD1) zu kaufen.

Gegen den Einsatz von Wahlcomputern hatten sich mehrere Cottbusser Bürger (u.a. mit Unterstützung des Chaos Computer Clubs) gewandt, auch mit einem Einspruch, der jedoch vom Wahlprüfungsausschuss zurückgewiesen wurde.

Nun jedoch scheinen die Bedenken zu fruchten: die Cottbusser Stadtverordneten wollen auf ihrer Sitzung am heutigen Mittwoch beschließen, den geplanten Kauf rückgängig zu machen. Die Wahlcomputer seien nicht sicher genug, äußerte ein CDU-Stadtverordneter gegenüber der Presse.

Vorreiter beim Einsatz von Wahlcomputern ist derzeit Nordrhein-Westfalen und dort insbesondere Köln (570 eingesetzte Wahlcomputer). In den Niederlanden werden Wahlcomputer landesweit genutzt.
Inzwischen mehren sich jedoch die Bedenken gegen Wahlcomputer auch international. So plant Italien, auf den Einsatz von Wahlcomputern bald wieder zu verzichten.

Synonymisiert im Kompotenz-Netz

Früher – ja früher, da fingen Märchen noch mit „es war einmal“ an…..
Und Datenschutz war noch ein hehres Anliegen, ein Thema, das viele politisch denkende Menschen bewegte.

Und heute?
Ich wundere mich, welche (geringe) Bedeutung anscheinend Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Bewusstsein vieler nur noch haben.

Selbst Menschen, die noch vor einigen Jahren den Volkszählungs-Boykott mit organisierten, haben heute keine Bedenken, ihre privatesten Daten bereitwillig zur Verfügung zu stellen.
Selbst diejenigen, die noch vor wenigen Jahren hinter jedem Spiegel eine ‚Rosa Liste‘ vermuteten, sind heute mit persönlichsten Details im Netz zu finden.
Und auch ich selbst muss mich ja immer wieder selbst beäugen – wie viel Privates will ich von mir, z.B. in diesem Blog, preisgeben?

Das alles sind aber immer noch freiwillige, selbst entschiedene (und hoffentlich nicht nur unüberlegte) Preisgaben persönlicher Informationen.
Nun aber – werden selbst medizinische Daten Positiver unkontrolliert und ungenehmigt ins Ausland geliefert? Ohne Einwilligung, unter Umgehung des Datenschutzes? Für eine Studie, die Genom-Untersuchungen macht?
Ein interessanter Artikel auf gay-web zeigt, dass die Affäre noch lange nicht vorbei zu sein scheint. Sondern der weiteren, neutralen Aufarbeitung harrt.

Jetzt einfach im nachhinein einige Einverständnisse doch noch einholen, etwas die Formulare (der Einverständnis-Erklärung) aufhübschen, dann weiter wie bisher – das ist zu wenig.
Das wäre ein Herumdoktern an Symptomen, mehr nicht.
Zu viele Fragen sind noch offen, zu viele Probleme noch nicht befriedigend geklärt.
Erforderlich wäre ein offensives Angehen der bestehenden Probleme. Die zahlreicher zu sein scheinen, als einige offensichtlich wahrnehmen zu wollen bereit sind. Probleme, die z.B. reichen von einer (dann hoffentlich verständlichen) Patienten-Aufklärung über Konzept und Realität des Datenschutzes, die Klärung juristischer Fragen (z.B. Beschlagnahmeschutz) bis zur Klärung von Fragen von Doppel-Funktionen und Interessen-Konflikten.

Ein größerer Katalog, gewiss. Aber wohl der einzig saubere Weg, mit bestehenden Problemen umzugehen. Und zu vermeiden, dass an der nächsten Ecke (z.B. der nächsten Studie, internationalen Kooperation o.ä.) die nächste Krise auftritt.

Vor allem aber – nur ein offener Umgang mit der Situation, die nun einmal entstanden ist, kann eventuell das beeinträchtigte Vertrauen wieder herstellen, vielleicht eine neue Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit legen. Eine Zusammenarbeit, bei der dann PatientInnenrechte und Datenschutz selbstverständlich gewahrt und respektiert werden – und nicht ausgetrickst.
Dies wird wohl nur eine unabhängige Aufklärung der Vorgänge ermöglichen können.

Daten von Positiven wieder geschützt?

In Sachen des laxen Umgangs mit Patienten-Daten hat sich eine teilweise Lösung ergeben: Daten und Material sollen vernichtet bzw. zurückgesandt werden.

Das Kompetenznetz HIV plant (auch weiterhin), an internationalen Studien teilzunehmen. Hierzu sollten auch Daten deutscher HIV-Patienten an ausländische Forscher (in diesem Fall an die sogenannte Euro-CHAVI-Kohorte in der Schweiz) geliefert werden.
Deutsche Aids-Hilfe, Patienten-Beirat und Positiv e.V. hatten sich hiergegen gewandt. Der Grund: die Einverständnis-Erklärung, die die Patienten unterschrieben haben, deckt derzeit nur eine Verwendung in Deutschland ab. Der Datenschutz sensibler Daten HIV-positiver Patienten sei nicht gewährleistet.

Inzwischen teilte der Leiter des Kompetenznetzes HIV mit, die italienischen Stellen seien gebeten worden, dort vorhandene Daten zu löschen und das Material zu vernichten bzw. zurückzusenden. Blutproben sollen vernichtet oder ebenfalls zurückgesandt werden.
Für die zukünftige Fortsetzung und Erweiterung internationaler Zusammenarbeit soll die Patienten- Einverständniserklärung überarbeitet werden.

Bei einer Überarbeitung der Einverständnis-Erklärung könnte nun die Chance genutzt werden, auch weitere offene Fragen zu klären, die im Laufe der Diskussionen, aber auch im Rahmen einer Veranstaltung zum Kompetenznetz in der Berliner Aids-Hilfe erneut deutlich wurden. Hierzu zählen z.B. Fragen des Datenschutzes, aber auch der Verständlichkeit der Patienteninformation.

Laxer Umgang mit Patienten-Daten ?

Das Kompetenznetz HIV möchte an internationalen Studien teilnehmen, hier auch Daten und Biomaterial deutscher PatientInnen einbringen. Da die bisherige Einverständnis-Erklärung dies nicht zulässt, scheint man sich mit Tricksereien behelfen zu wollen.

Das Kompetenznetz HIV (1) plant, an internationalen Studien teilzunehmen. Hierzu sollen nun auch die Daten der Teilnehmer der HIV-Kohorten-Studie [immerhin etwa 14.000 Positive mit bis zu 400 Einzeldaten je Person, (3)] an ausländische Forscher und Studiengruppen weitergegeben werden – die Daten sollen in eine europäische Kohorte einfließen.
Allerdings – der Daten- (und Biomaterial-) Übermittlung ins Ausland haben bisher die Patienten (die ja für die Teilnahme und die Verwendung ihrer Daten und Biomaterialien eine Einverständnis-Erklärung unterschreiben müssen) nicht zugestimmt (in der derzeitigen Einverständniserklärung wird dezidiert von ‚deutschen Praxen und Kliniken‘ gesprochen).

Ärgerlich, dachte sich wohl das Netzwerk. Das jetzt bei jedem einzelnen der 14.000 PatientInnen nachzuholen, wird wohl recht zeit- und kostenaufwendig. Hätte man vorher dran denken können (an die Möglichkeit, auch mit ausländischen Forschern kooperieren zu wollen), hat man aber anscheinend nicht.
Wie bekommen wir das wieder hin, hat man wohl überlegt. Und ist Ende November auf einen ganz einfachen Trick verfallen – man nimmt den/die ausländischen Forscher, mit denen kooperiert werden soll, einfach in den Verein Kompetenznetz auf – dann müsste das doch gehen.

Nun ersetzt eine Aufnahme ausländischer Mitglieder keine Einverständniserklärung der Patienten, und ändert auch nichts daran, dass Daten und Bio-Material im Ausland verwendet werden sollen.

Nach der Deutschen Aids-Hilfe hat am Wochenende auch „Positiv e.V.“ (der Veranstalter der bundesweiten Positiventreffen) sich mit einem Protest an das Kompetenznetz gewendet. Darin wurde um Bestätigung gebeten, dass bisher keine Daten oder Biomaterialien ins Ausland geliefert wurden (2) und dies auch zukünftig nur mit Einverständnis der Patienten erfolgen wird. Notfalls müsse man, wissend um die mögliche Bedeutung einer Kohortenstudie, betroffenen Patienten den Rückzug aus der Studie empfehlen.

Wohlgemerkt, es geht nicht darum, eine an sich sicher sinnvolle deutsche Kohorten-Studie zu torpedieren. Auch nicht darum, ebenso sinnvolle internationale Forschungs-Kooperationen zu verhindern.

Wohl aber geht es um die Frage, wie hierzulande mit den sensiblen Daten von Tausenden HIV-Positiven (die Kohorte umfasst Daten zu einem Viertel aller Positiven in Deutschland) umgegangen wird. Es geht um die Frage, welche Bedeutung die Verantwortlichen den Einverständniserklärungen beimessen. Und um die Frage, welche Bedeutung für sie Datenschutz und das Recht der beteiligten Patienten auf informationelle Selbstbestimmung haben.

Es scheint, dass die Verantwortlichen des Kompetenznetzes mit ihrem trickreichen Umgehen der fehlenden Einverständnisse deutlich gezeigt haben, welche Bedeutung sie der Patienteninformation und -einverständniserklärung zumessen: eine äußerst niedrige. Eine lästige, leider wohl erforderliche Pflichtübung, die bei nächstbestem Anlass, und sei es mit umstrittenen Verfahrenstricks, ausgehebelt wird.

Bravo, mag man da nur noch zynisch sagen.
Wie soll man/frau da noch glauben, dass der Datenschutz funktioniert? Dass die Daten der Positiven beim Kompetenznetz gut aufgehoben sind? Dass die Daten als HIV-Patient sicher sind, wenn erst (statt „nur“ anderen Forschern) der Staatsanwalt vor der Tür steht?

Nachtrag: wer mehr über das Kompetenznetz, die Kohortenstudie und die derzeitigen Vorgänge erfahren möchte, kann sich informieren auf einer Veranstaltung in der Berliner Aids-Hilfe am 13.12.2006 um 18:30 Uhr.

Anmerkungen:
1) Das Kompetenznetz HIV ist eines von 18 deutschen Kompetenznetzen in der Medizin. In ihm sind Forscher, die in klinischer und praxisnaher Grundlagen-Forschung zu HIV/Aids arbeiten, zu einem Verbund zuzsammengeschlossen. Das Kompetenznetz HIV wird in bedeutendem Umfang vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.
2) Für die Bitte um die Bestätigung, dass bisher noch keine Daten ins Ausland geliefert wurden, gibt es konkreten Anlass. Nämlich die gelegentlich kolportierte Befürchtung, dies könnte längst passiert sein. Wir anders ließe sich erklären, dass die Teilnahme der deutschen Kohorte an einer internationalen Studie (COHERE) von ausländischen Forschern abgelehnt wurde, wie zu hören ist wohl auch mit Hinweis auf die Qualität der Daten? (Wer die Qualität der Daten beurteilen kann, muss ja doch wohl Einblick gehabt haben, könnte man vermuten?)
3) In der Kohortenstudie werden die Daten von derzeit ca. 14.000 HIV-positiven Patienten erfasst, die hierzu ihr Einverständnis erklärt haben. Erfasst werden u.a. „soziodemographische sowie fortlaufend detaillierte medizinische Daten“ (Newsletter 01/2006 des Kompetenznetzes).

Polizei MySpace?

MySpace plant, eine private Polizei gegen Sexualstraftäter einzuführen. Mit eigenen Datenbanken, ‚automatischer Pädophilenerkennung‘ und vorbeugender Fahndung.

Erst vor Kurzem habe ich ja geschrieben, warum ich plane mein MySpace-Profil wieder abzuschalten. Heute hat MySpace (via SpON) noch einen Grund nachgeliefert: MySpace hat sehr kurzfristig vor, Rasterfahndung in privater Hand aufzubauen.

MySpace hat Angst um seinen Ruf. In der US-Presse war es anscheinend zu mehreren Berichten gekommen, dass Pädophile versucht haben, MySpace als Forum für Kontaktanbahnungen zu benutzen.

Nichts fürchtet ein Forum wie MySpace, das gerade erst für viele Hunderte Millionen Dollar an Herrn Murdoch verkauft wurde, mehr als schlechten Ruf. Das schadet dem Image, und erst recht dem Börsenkurs (der Mutter Murdoch namens NewsCorp). Zudem lässt es die Nutzerzahlen erodieren, was wiederum weiterer Schaden ist.

Als Reaktion darauf hat MySpace nun vor, einen Site-interne Polizei einzurichten.
Die soll innerhalb von 30 Tagen eine Datenbank aller 550.000 wegen Sexualstraftaten verurteilten US-Amerikaner aufbauen. Für diese hauseigene Datenbank will MySpace erstmalig die (bisher getrennten) Daten aller Bundesstaaten zu einer integrierten Sexualstraftäter-Datenbank zusammenführen.
Alle Einträge in dieser neuen Datenbank sollen dann regelmäßig mit den MySpace-Profilen abglichen werden. Zudem soll die Datenbank als ‚vorbeugende‘ Identifizierungshilfe dienen.

Früher (zu Herolds Zeiten) nannte man das Rasterfahndung. Das war damals schon ziemlich eklig und vor allem umstritten, aber immerhin noch in staatlicher Hand, (vermeintlich) staatlich legitimiert und einer gewissen Kontrollmöglichkeit unterworfen.

Nun aber – Rasterfahndung elektronisch, und das ganze in privater Hand?
Erstmalig werden alle Daten in einer Datenbank zusammengeführt – und dann privat?
Irgendwelche MySpace-Mitarbeiter dürfen sich anmaßen Schnüffel-Privatstaat zu spielen?
Und das auch noch ‚vorbeugend‘, ohne konkreten ‚Tatverdacht‘? Wo bleibt die Unschuldsvermutung?
MySpace als privaten Schnüffel-Polizei?

Aber MySpace (bzw. wohl der ehrenwerte Herr Murdoch) treibt’s noch weiter.
Da könnten die Sexualstraftäter ja auf die Idee kommen, sich mit falschen Angaben anzumelden (oh, das werden wohl nicht nur die machen, wenn ich da an Gayromeo denke …). Also macht er in Washington Lobbyarbeit für ein Gesetz, das Sexualstraftäter zwingen soll, ihre Emailadresse zentral registrieren zu lassen und keine anonymen Emailadressen zu benutzen.
MySpace wird nebenbei (auch) zu einem Werkzeug Murdoch’scher konservativer Politik.

Es geht hier nicht darum, Sexualstraftaten zu verharmlosen. Aber es geht darum, wer macht Ermittlungen, Strafverfolgung (der Staat oder Private?). Es geht um Freiheitsrechte. Und um Polizei-Instrumente in privater Hand.

Jetzt noch mehr: MySpace ist nicht mehr my space …