Philosoph Daniel Bensaïd starb an den Folgen von Aids

Am 12. Januar 2010 starb der französische Philosoph Daniel Bensaïd – an den Folgen von Aids, wie ACT UP Paris heute mitteilte.

Es war eine sehr kurze Mitteilung, wohl die kürzeste seit dem Bestehen. ACT UP Paris teilte heute morgen einzig sechs Worte mit „Daniel Bensaïd est mort du sida“, nur gefolgt von dem bekannten Motto Silence = Mort (Schweigen = Tod). Mit dieser Aktion äußerte sich ACT UP Paris zum Tod des französischen Philosophen Daniel Bensaïd – und dazu, dass in allen wichtigen französischen Medien die Ursache seines Todes verschwiegen wurde.

Daniel Bensaïd 2008 (Foto: Wikipedia)
Daniel Bensaïd 2008 (Foto: Wikipedia)

Daniel Bensaïd starb am Morgen des 12. Januar 2010 in Paris im Alter von 63 Jahren. Er war französischer Philosoph und wichtige Person der französischen Studentenbewegung des Mai 1968. „Daniel Bensaïd war Professor der Philosophie an der Pariser Universität-VIII (Saint-Denis) und galt als eine der bedeutendsten kritischen Stimmen der französischen Linken.“ (Wikipedia). Daniel Bensaïd war seit vielen Jahren HIV-infiziert und in ärztlicher Behandlung.

Schweigen = Tod
Schweigen = Tod

ACT UP zeigte sich gegenüber dem französischen Schwulen-Magazin Tetu schockiert, dass in den Medienberichten über seinen Tod nur über eine „langandauernde Krankheit“ gesprochen wurde. Manche Medien wie die taz oder der britische Guardian sprechen gar von einem Krebs-Leiden. Man habe das Gefühl eines Zurück in die 1980er Jahre, als Familien Todesanzeigen schalteten ohne die Todesursache zu nennen, und als ACT UP-Mitglieder Anzeigen in der französischen Tageszeitung Libération schalteten, um das Schweigen zu brechen und die wahre Todesursache zu benennen.

ACT UP sprach von einer „Rückkehr der Scham“ für HIV-Positive und Aids-Kranke. Es gehe bei der Aktion nicht darum, das Sterben eines prominenten zu instrumentalisieren. Aber es gehe darum, die Rückkehr der Scham zu verhindern – und klar zu sagen, dass auch 2010, und auch in Europa, Menschen an den Folgen von Aids sterben.

weitere Informationen:
ACT UP Paris 16.01.2010 : Daniel Bensaïd est mort du sida
Le Monde 13.01.2010: Nécrologie: Daniel Bensaïd, philosophe, cofondateur de la Ligue communiste révolutionnaire
The Guardian 14.01.2010: Daniel Bensaïd obituary
taz 14.01.2010: Komplize der konkreten Utopie
tetu 16.01.2010: «Daniel Bensaïd est mort du sida.»
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Homophobie tötet – französische Kampagne wird fortgesetzt

„Homophobie tötet“ – eine französische Kampagne gegen Homophobie wird fortgesetzt, zum Jahresbeginn 2010 in Bordeaux.

Am 17. Mai 2009 stellte eine in Südfrankreich ansässige Gruppe (Collectif Contre l’Homophobie CCH, Montpellier) ihre erste Kampagne gegen Homophobie vor.

Die Kampagne wurde seit Frühjahr 2009 unter anderem in Montpellier, Nantes, St. Nazaire und den Départements Hérault und Somme gezeigt.

Nun hat sich auch die Stadt Bordeaux angeschlossen – 80 großformatige Plakate der Aktion sind an Straßenbahn-Haltestellen im Großraum Bordeaux (CUB Communauté urbaine de Bordeaux) zu sehen. Parallel fand zum Auftakt eine Konferenz zum Thema ‚Diskriminierungen in Bordeaux‘ statt.

Homophobie tötet - L'Homophobie tue (C) CCH
Homophobie tötet - L'Homophobie tue (C) CCH

„Homophobie tötet“ ist nicht die einzige Kampagne gegen Homophobie in Frankreich. Im Sommer 2009 war von der französischen Bildungs- und Forschungsministerin Valérie Pécresse eine landesweite Kampagne gegen Homophobie an Hochschulen mit 60.000 Plakaten gestartet worden.

weitere Informationen:
Centre Collectif contre l’Homophoibie CCH
Tetu 07.01.2010: Bordeaux s’affiche à son tour contre l’homophobie
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Frankreich: Wirbel um Aids-Empfehlungen (akt.)

Die französische Gesundheitsministerin widerspricht einer Empfehlung ihrer Aids-Experten, Therapie als Mittel der Prävention zu sehen. Nur Kondome schützen, meint die Ministerin.

Roselyne Bachelot-Narquin, die französische Gesundheitsministerin, hat ein Machtwort gesprochen. Sie wies eine Analyse des staatlichen Aids-Expertengremiums zurück, das antiretrovirale Therapie auch als Mittel der Prävention betrachtet hatte. Ein neuer Ausschuss soll nun eine ihr genehmere Position finden.

Roselyne Bachelot-Narquin, französische Gesundheitsministerin
Roselyne Bachelot-Narquin, französische Gesundheitsministerin

Hintergrund der Auseinandersetzungen ist die Frage, in wie weit durch wirksame antiretrovirale Therapie die Infektiosität gesenkt wird. Im Januar 2008 hatte die Eidgenössische Aids-Kommission EKAF mit einem Statement für Aufsehen gesorgt keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs“).
Inzwischen haben auch andere Organisationen die veränderten Realitäten anerkannt, so hatte auch die Deutsche Aids-Hilfe im April 2009 ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie u.a. zu dem Schluss kommt „Unsere bisherigen Safer-Sex-Botschaften werden durch diese Aussage sinnvoll und wirksam ergänzt; in der Prävention eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten.“

Ebenfalls im April 2009 hatte auch der unabhängige französische Nationale Aids-Beirat (Conseil national du Sida) eine umfangreiche Stellungnahme veröffentlicht (Avis suivi de recommandations sur l’intérêt du traitement comme outil novateur de la lutte contre l’épidémie d’infections à VIH). Darin kam das CNS u.a. zu dem Schluss, in hochwirksamer antiretroviraler Therapie liege ein hohes Potenzial hinsichtlich HIV-Übertragung und Prävention. Auch antiretrovirale Therapie haben ihren Platz in der individuellen Schutzstrategie. Das CNS empfahl zukünftige Kampagnen, die das Bewusstsein für frühzeitigere HIV-Tests und die Chancen moderner Therapien stärker betonen sollten.

Dem hat die französische Gesundheitsministerin nun in einer Stellungnahme (Recommandations du Conseil national du Sida concernant l’intérêt du traitement comme outil novateur de la lutte contre l’épidémie d’infections à VIH) einen Riegel vorgeschoben.

Roselyne Bachelot-Narquin wies dieser Analyse als unzutreffend zurück. Sie betonte, ausschließlich das Kondom biete einen maximalen Schutz gegen HIV und sexuell übertragbare Erkrankungen. Kondome sollten durchgängig bei Gelegenheitskontakten oder unbekanntem HIV-Status des Partners benutzt werden.

Die Gesundheitsministerin will nun eine neue Expertengruppe mit einer erneuten Stellungnahme beauftragen.

The Warning, eine französische Gruppe von Aids-Aktivisten, beklagte den Konservatismus der Gesundheitsministerin. Ihre Stellungnahme gehe an den Realitäten vorbei und ignoriere zum Beispiel eine steigende Zahl von Menschen, die es vorzögen, beim Sex keine Kondome zu benutzen. Bereits in einer früheren Stellungnahme hatte The Warning dem Gesundheitsministerium vorgeworfen, sich einer größeren Sicht auf die Prävention zu verschliessen und die Realitäten aus ideologischen Gründen zu verkennen.
Auch die Gruppe ’survivre au sida‘ kritisierte die Ministerin – anlässlich der Kürzungen des Budgets für den kommenden Welt-Aids-Tag wasche Roselyne Bachelot „ihre Hände in Unschuld“.

Nachtrag 21.09.2009: Mit der Stellungnahme der neu eingesetzten Expertengruppe wird nun zum Jahresende 2009 gerechnet.

weitere Informationen:
Aidsmap 08.05.2009: French ‘treatment as prevention’ statement urges campaign on benefits of HIV testing and treatment, but cautions against compulsory testing
Aidsmap 19.06.2009: Treatment as prevention rejected by French ministry of health
TheWarning 11.05.2009: VIH : la DGS ne connaît pas le sens de l’expression « Droits de l’homme et du citoyen »
lemegalodon.net 19.06.2009: Vidéo : Amputation de la Journée mondiale contre le sida : Roselyne Bachelot s’en lave les mains ?

Prof. Willy Rozenbaum, einer der Autoren der CNS-Empfehlungen, im Interview auf seronet 24.08.2009: Direction sexuelle assistée !

thewarning 17.09.2009: Avis du CNS sur le traitement comme outil de prévention : son président précise…
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Frankreich: Kampagne gegen Homophobie an Hochschulen

An Frankreichs Hochschulen startet eine neue Kampagne gegen Homophobie.

Die französische Bildungs- und Forschungsministerin Valérie Pécresse stellte am Montag in Paris offiziell eine neue Kampagne vor, mit der an französischen Hochschulen und Universitäten Homophobie thematisiert werden soll. Erstmals widmen sich damit staatliche Stellen in Frankreich im Universitätsbereich dem Thema Homophobie.

Die neue Kampagne, die sowohl Homophobie gegen Schwule wie auch gegen Lesben thematisiert, wurde vom Ministerium innerhalb eines Jahres gemeinsam mit LGBT-Gruppen in Frankreich entwickelt.

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Das Plakat mit dem jungen Mann sagt:

„Voici un garçon qui aime les garçons. Mais ce garçon qui aime les garçons n’aime pas les garçons qui n’aiment pas les garçons qui aiment les garçons. Cette phrase est compliquée, mais moins que sa vie d’étudiant homosexuel“. [übersetzt etwa: „Sehen Sie hier einen jungen Mann, der Männer mag. Aber dieser junge Mann der Männer mag mag diejenigen jungen Männer nicht, die nicht junge Männer mögen, die junge Männer mögen. Dieser Satz ist kompliziert, aber weniger kompliziert als sein Leben als schwuler Student.“ Text des Plakats mit der jungen Frau analog.]

Insgesamt sollen 40.000 Plakate während der Kampagne an Universitäten und Hochschulen eingesetzt werden. Weitere 20.000 Plakate will das Ministerium Studenten-Organisationen zur Verfügung stellen, die sich gegen Homophobie einsetzen wollen.

weitere Informationen:
Ministre de l’Enseignement supérieur et de la Recherche (Frankreich) 16.06.2009: Une campagne de lutte contre l’homophobie dans les universités
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Frankreich: Senat stimmt für Anerkennung ausländischer Lebenspartnerschaften

Der französische Senat hat dafür gestimmt, im Ausland geschlossene Lebenspartnerschaften in Frankreich anzuerkennen.

Der französische Senat (die zweite Kammer des französischen Parlaments) stimmte am Dienstag, 24. März 2009, einstimmig dafür, dass im Ausland abgeschlossenen Lebenspartnerschaften in Frankreich anerkannt werden sollten. Debattiert wurde unter dem Punkt „Rechts-Vereinfachung“.

Bisher werden im Ausland abgeschlossene Lebenspartnerschaften in Frankreich nicht anerkannt. Dies kann für die Betroffenen weitreichende Folgen haben, wenn z.B. steuerliche Vorteile nicht angewandt werden dürfen.

Hintergrund der bisherigen Nicht-Anerkennung ist, dass auch europaweit die Grundlagen für entsprechende gegenseitige Anerkennungen von Lebenspartnerschaften fehlen.

Merci à M.!

Weitere Informationen:
tetu 25.03.2009: Le Sénat vote la reconnaissance des pacs étrangers en France
Senat: Protokoll der Sitzung vom 24. März 2009
e-Ilico 25.03.2009: Le Sénat vote la reconnaissance des PaCS étrangers en France
PinkNews 26.03.2009: French Senate votes to recognise British civil partnerships
queer.de 26.03.2009: Frankreich will ausländische Homo-Ehen anerkennen
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Frankreich: ja, ich bin schwul – Minister Karoutchi outet sich (akt.)

Roger Karoutchi, Staatssekretär im Ministerrang für die Beziehungen zum Parlament, bestätigte am Freitag seine Homosexualität. Er sei glücklich, es gebe nichts zu verbergen.

Roger Karoutchi, 1951 in Casablanca geboren, ist Mitglied der UMP (früher des RPR) und seit 18. Mai 2007 Staatssekretär im Ministerrang für die Beziehungen zum Parlament (Secrétaire d’État chargé des Relations avec le Parlement).

Karoutchi betont „J’ai un compagnon et je suis heureux avec lui. Comme je suis heureux, je ne vois pas pourquoi il faudrait que je cache mon homosexualité“ (‚Ich habe einen Partner, und ich bin glücklich mit ihm. Ich bin glücklich, und ich wüsste nicht, warum ich meine Homosexualität verbergen sollte.‘).

Roger Karoutchi (Foto: rogerkaroutchi.info)
Roger Karoutchi (Foto: rogerkaroutchi.info)

Die Grundhaltung von Präsident Sarkozy habe ihm die Entscheidung, offen mit seiner Homosexualität umzugehen, leicht gemacht. Dieser lade seinen Partner zu privaten wie auch offiziellen Empfängen in gleicher Weise ein wie die Angehörigen anderer Minister.

Sarkozy habe ihn einmal in den Ferien eingeladen. Dabei habe er ihn gebeten auch seinen Partner mitzubringen, und auf sein (Karoutchis) Erstaunen habe Sarkozy bemerkt „Je te connais depuis trente ans. Je sais tout de toi, on n’en parle jamais. Ça suffit!“ (Ich kenne dich nun seit 30 jahren. Ich weiss alles von dir, auch wenn wir niemals darüber sprechen. Das reicht.“)

Das Interview für das Magazin ‚L’Optimum‘, in dem Karoutchi erstmals öffentlich über seine Homosexualität spricht, strahlt der französische Sender TF1 am 24. Januar erstmals aus.
Im Februar veröffentlicht Karoutchi ein Buch („Mes quatre vérités“), in dem er Medienberichten zufolge detaillierter über seine Homosexualität und seine Partnerschaft sprechen wird.

Nach dem Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë (öffentliches Coming Out 1998) ist Roger Karoutchi der zweite französische Spitzenpolitiker (und erstes Regierungsmitglied), der offen schwul ist.

weitere Informationen:
LeMonde online 23.01.2009 : Le ministre Roger Karoutchi révèle son homosexualité
Tetu 23.01.2009: Roger Karoutchi fait son coming-out
Karoutchis private Site rogerkaroutchi.info
Karoutchis Site als (früherer) Senator
Karoutchi im französischen Regierungs-Portal
tetu 26.01.2009: Roger Karoutchi préférait parler lui-même de son homosexualité
tetu 26.01.2009: GayLib salue le courage de Roger Karoutchi (GayLib ist der Name der Schwulengruppe der UMP)
tetu 25.03.2009: Pour Sarkozy, Karoutchi «n’aurait pas dû» faire son coming out
e-Ilico 25.03.2009: Karoutchi : Sarkozy attribue sa défaite à la primaire UMP à son coming out
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et – merci a un ami francais 🙂

Frankreich: Homoehe steuerlich anerkannt

In Frankreich hat die Steuerbehörde erstmals eine Homoehe steuerlich anerkannt – eine ausländische.

Erstmals haben die französischen Steuerbehörden eine Homoehe steuerlich anerkannt. Die beiden Männer kommen nun in den Genuss der gleichen steuerlichen Vorteile wie heterosexuelle Ehepaare.

Der Haken dabei: es handelt sich um ein niederländisches Paar, das seine Ehe in den Niederlanden geschlossen hat. Die beiden Männer leben seit Jahren im südfranzösischen Gers.

In Frankreich gibt es keine Homoehe, sondern den PACS (Pact civile de solidarité), ein zivilrechtlicher Vertrag, der im Gegensatz zur deutschen Lebenspartnerschaft auch von Heteros geschlossen werden kann (und auch in großem Umfang von Heteros genutzt wird).

Auch wenn homosexuellen Französinnen und Franzosen der Abschluss einer Homoehe weiterhin nicht möglich ist, erkennen die französischen Steuerbehörden nunmehr doch im Ausland geschlossene Homoehen an. Dies berichtet das österreichische Magazin Xtra! in seiner Ausgabe Oktober/November 2008.

Ein erfreulicher Entschluss der französischen Steuerbehörden, der jedoch nur für sehr wenige Ausnahmefälle Nutzen bringen dürfte.
Die nunmehr entstehende bizarre Situation, dass in Frankreich geschlossene schwule oder lesbische Lebenspartnerschaften von Franzosen schlechter gestellt sind als im Ausland geschlossene Homo-Ehen zeigt einmal mehr, wie dringend hier eine eu-weit einnheitliche Regelung und wechselseitige Anerkennung sinnvoll wäre.

Cruising-Ratgeber gegen Homophobie

Die Zahl an Überfällen auf Schwule scheint zuzunehmen. Besonders betroffen auch Cruiser, in Parks, auf Parkplätzen, aber auch bei Internet-Bekanntschaften. In Frankreich will nun ein neuer Cruising-Ratgeber praktische Tipps geben.

‚Alle drei Tage wird in Frankreich ein physischer Angriff gegen Schwule gemeldet‘, betont SOS Homophobie, und bietet seit kurzem eine neue praktische Hilfe: den ‚Guide gay de la drague‘, einen Cruising-Ratgeber.

Das besondere: der Ratgeber informiert insbesondere darüber, wie man sich sicherer Verhalten kann beim Cruisen, wie man Gewalt vermeiden kann, aber auch welche Vorsichtsmaßnahmen möglich sind. Zudem sind Informationen über sexuell übertragbare Krankheiten enthalten.

Der 36seitige Ratgeber wurde von SOS Homophobie unter Beteiligung zahlreicher weiterer Organisationen (Aides, Warning, FLAG, le SNEG, le Kiosque infos Sida, Act-up Paris, Centre LGBT Paris IDF, ADHEOS, Le Refuge, GAGL, Couleurs Gaies) erstellt. Er soll in ganz Frankreich verteilt werden, in Zusammenarbeit mit SNEG, der Vereinigung schwuler Unternehmen.

Der Guide gay de la drague steht zum Download zur Verfügung als pdf (in französischer Sprache).

Frankreich: Delanoe führt die Sozialisten nicht

Die französische Sozialistischer Partei wird nicht von Bertrand Delanoë geführt. Nach turbulenten Diskussionen zog er seine Kandidatur zurück. Am Donnerstag entscheidet nun die Basis zwischen den verbliebenen drei Kandidaten.

Auf ihrem 75. Parteitag, der vom 14. bis 16.11.2008 in Reims stattfand, wollten sich die französischen Sozialisten am Donnerstag, 20. November auf einen neuen Parteivorsitz einigen. Und konnten doch keine Einigung finden – nun entscheidet die Basis am 20.11.2008.

Für Nachfolge für den nicht mehr kandidierenden Francois Hollande gab es zahlreiche Interessenten und Kandidaten, darunter Martine Aubry (Bürgermeisterin von Lille), Ségolène Royal, Benoît Hamon sowie ursprünglich Bertrand Delanoë (Bürgermeister von Paris). Sie alle wollten die Sozialisten in die nächsten Präsidentschaftswahlen gegen Nikolas Sarkozy im Jahr 2012 führen.

Und es gab Streit, reichlich Streit. Vor allem um sie, um Ségolène Royal. Royal, die 2007 zwar achtbare Wahlergebnisse erzielte, aber die Präsidentschaftswahl im Mai 2007 doch deutlich gegen Nikolas Sarkozy verlor, zog Widerspruch und Proteste nicht nur des Partei-Establishments auf sich – obwohl sie bei einer Probe-Abstimmung der Parteimitglieder klar vorne lag.

Nach streitreichen Debatten war letztlich am Wochenende nur eines klar – Delanoë kandidiert nicht mehr. Am Donnerstag muss die Basis entscheiden – 233.000 Parteimitglieder haben dann die Wahl zwischen Royal, Aubry und Hamon. Delanoë rief unterdessen doch zur Unterstützung von Aubry auf.

Bertrand Delanoë, Bürgermeister von Paris, stellt sich selbst als ‚linken Reformer‘ und Pro-Europäer vor. Erst im vergangenen März war Delanoë deutlich als Pariser Bürgermeister wiedergewählt worden.

Bertrand Delanoe (Foto: bertranddelanoe.net)
Bertrand Delanoe (Foto: bertranddelanoe.net)

Der 58jährige Delanoë ist als Politiker seit November 1998 offen schwul. Damals erwähnte er seine Homosexualität in einer französischen Fernsehshow auf ‚M6‘- und brach eines der unausgesprochenen Gesetze, nämlich dass das Privatleben eines Politikers privat bleiben solle. Freunde hätten ihm von einem Coming-Out abgeraten, erzählte er 2004 in seiner Autobiographie ‚La vie, passionnément‘, aber ihm sei wichtig gewesen, selbst mit einem kleinen Schritt dazu beizutragen, dass andere weniger Last der Heimlichtuerei zu tragen hätten.

Delanoë ist selbst nicht in der Schwulenbewegung aktiv. In der Zeit seiner Bürgermeisterschaft wurde die finanzielle Unterstützung für das Pariser Schwulen- und Lesbenzentrum sowie einige Schwulen- und Lesben- sowie Aids-Aktions-Gruppen der Stadt deutlich erhöht. Er verfasste das Vorwort zum von Louis-George Tin herausgegebenen ‚dictionnaire de l’homophobie‘.

Delanoë, der betont er verstehe sich als Sozialist und Liberaler, unterstützt Forderungen nach gleichen Rechten für Schwule und Lesben, einer Homo-Ehe sowie einem Adoptionsrecht für Homosexuelle.

2001 wurde Delanoë als erster Sozialist zum Bürgermeister von Paris gewählt.  Am 5. Oktober 2002 war er Ziel eines homophoben Angriffs – während einer Kulturveranstaltung (‚Nuit blanche‘), deren Ehrenvorsitz er hatte, wurde er durch einen Messerstich im Bauchraum verletzt und verbrachte zwei Wochen im Krankenhaus. Der Täter wurde von der Polizei verhaftet; er bekannte er hasse Schwule.

Im August 2008 hatte Delanoë in einem Gespräch mit Le Monde angekündigt, er wolle sich als Parteivorsitzender der Sozialisten zur Wahl stellen.

Nachtrag 25.11.2008: mit 102 Stimmen Vorsprung zur ‚Siegerin‘ erklärt: Martine Aubry

Frankreich: Homosexualität darf als minderwertig tituliert werden

Darf ein Politiker öffentlich sagen, Homosexualität sei minderwertiger als Heterosexualität? Ja, entschied am heutigen Mittwoch das höchste Zivilgericht Frankreichs.

Christian Vanneste (Jahrgang 1947; Philosophie-Professor) ist seit März 1993 Deputierter (Nord) und Politiker der französischen Regierungspartei UMP (Union pour un Movement Populaire) aus dem Norden Frankreichs. 2004, während Debatten über französische Initiativen für ein Antidiskriminierungsgesetz und die Errichtung der französischen Antidiskriminierungsbehörde ‚Halde‘ (Haute autorité de lutte contre les discriminations et pour l’égalité), äußerte Vanneste gegenüber der Presse, Homosexualität sei minderwertiger als Heterosexualität, sie zu fördern sei gefährlich für die Menschlichkeit.

Wegen dieser Äußerung wurde Vanneste am 24. Januar 2006 vom Strafgericht in Lille zu 3.000 Euro Strafe sowie einem Bußgeld von 2.000 Euro an die drei klagenden Organisationen SOS-Homophobie, ACT UP Paris und SNEG (Syndicat national des entreprises gays) verurteilt. Das Berufungsgericht in Douai bestätigte dieses Urteil im 25. Januar 2007.

Der Cour de cassation, das höchster französische Zivilgericht, hob dieses Urteil nun am 12. November auf. Der Politiker habe mit seiner Äußerung die Grenzen der Meinungsfreiheit nicht überschritten.
Ein Parlamentarier sei Teil der nationalen Souveränität, seine Rede- und Meinungsfreiheit sei ein Grundbestandteil von Demokratie und Rechtsstaat, hatte Vanneste vor dem höchsten Zivilgericht vorgebracht.

Wenn auch mit der Äußerung Befindlichkeiten mancher homosexueller Personen verletzt worden sein könnten, überschreite ihre Äußerung doch nicht die Grenzen der Meinungsfreiheit, urteilte der Gerichtshof.

ACT UP Paris hatte schon 2005 mit einer Petition den Ausschluss von Christian Vanneste aus der UMP gefordert mit der Begründung, Homophobie sei keine Meinung.  Vanneste ist bereits häufiger mit homophoben Äußerungen aufgefallen. So hatte er z.B. 2004 Homosexualität als ‚eine Bedrohung für das Überleben der Menschheit‘ bezeichnet und geäußert, Homosexuelle seien schädlich für das Allgemein-Interesse.
Am Mittwoch äußerte Vanneste, er bedauere es, Homosexualität mit dem Wort ‚minderwertig‘ bezeichnet zu haben. Er habe ausdrücken wollen, dass Homosexualität weniger gut sei, weil sie nicht universell sein könne, nicht die ganze Welt könne homosexuell sein.

Die Rechtsanwältin der drei klagenden Organisationen, Caroline Mécary, erwägt inzwischen, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen.

[via tetu, LeMonde.fr]

Weitere Informationen:
Das Urteil des Gerichts in Lille vom 24. Januar 2006 (pdf)
nicht-offizielle Mitschrift (ACT UP Paris) von der Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 12. Dezember 2006 (dreiteilig) hier
Das Urteil des Berufungsgerichts in Douai vom 25. Januar 2007 (pdf)

Gefährliche Verpartnerung

Eine Verpartnerung zwischen einem Franzosen und einem Deutschen hat bizarre rechtliche Folgen – der Franzose hat sich in seinem Heimatland strafbar gemacht.

Über eine bizarre Konsequenz des Eingehens einer eingetragenen Lebenspartnerschaft berichtet das französische Schwulen-Magazin ‚Tetu‘ in seiner neuen Ausgabe: „verpartnert in Deutschland, verfolgt in Frankreich“.

Lionel D. ist Franzose, der seit fünf Jahren in Deutschland lebt. Er ist in Deutschland eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit seinem deutschen Freund Michael eingegangen. Wie es das Lebenspartnerschaftsgesetz in Deutschland auch ermöglicht, hat er den Namen seines Lebenspartners angenommen.

Die Probleme begannen, als Lionel D. zum französischen Konsulat in München ging, um nach der Verpartnerung seinen neuen Personenstand eintragen zu lassen. Der zuständige Beamte dort wies ihn darauf hin, dass er mit dem Wechsel seines Namens riskiert habe, nach französischem Recht wegen ‚usurpation d’identité‘ (etwa: Namens-Anmaßung) strafbar gemacht zu haben.

Auch in Frankreich ist das Institut einer Lebenspartnerschaft bekannt, auch zwischen Männern – der PACS (Pacte civile de de solidarité). Allerdings behalten hier beide Partner jeweils ihren eigene Namen.

Nach dem französischem Strafgesetzbuch wird das ‚Delikt‘ der ‚Namens-Anmaßung‘ mit bis zu fünf Jahren Gefängnis sowie einer Geldstrafe von 75.000 Euro geahndet.

Lionel D. hat inzwischen Anwälte eingeschaltet.

[via tetu]

Ein schönes Beispiel deutsch-französischer Freundschaft, möchte man denken …
… das bald zur Glosse zu werden droht, wenn sich jemand im einen Land strafbar macht, weil er im anderen (befreundeten) seine Rechte wahrnimmt.
Der Fall zeigt deutlich, wie rudimentär die europäische Zusammenarbeit in vielen Fällen immer noch ist.

Nachtrag 22.10.2008: Stellungnahme des LSVD auf Nachfrage:
„Der LSVD rechnet damit, dass es in dem von Euch geschilderten Fall (Lionel D.) zu keiner Verurteilung kommen wird. Die Angelegenheit wird nach französischem internationalen Privatrecht verhandelt.
Die Namensänderung im Rahmen einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft ist nur in der BRD gültig. In Frankreich wäre die Namensänderung nur gültig, wenn diese auch von einer Heimatbehörde vollzogen würde. Dafür müsste beispielsweise der Reisepass des französischen Partners geändert werden. Das werden die französischen Behörden aber nicht tun.
Lebenspartner, die ihren Namen geändert haben, müssen daher die Lebenspartnerschaftsurkunde immer bei sich führen, um den in Deutschland geltenden Namen unter Beweis zu stellen. Der ausländische Partner des
binationalen Paares hat in so einem Fall also gewissermaßen zwei Namen.“

Nachtrag 30.10.2008: Das französische Konsulat hat bestätigt, dass ‚der Fall Lionel D.‘ strafrechtlich verfolgt wird. Seine Anwältin hingegen ist der Ansicht, er könne von der französischen Justiz nicht wegen ‚usurpation d’identité‘ verfolgt werden, da die entsprechenden Bestimmungen auf den komkreten fall nicht anwendbar seien. Allerdings könne Lionel D. in Frankreich auch seinen in Deutschland rechtmässig übernommenen Namen nicht verwenden. Berichtet tetu.

Paris: Bareback-Party von ACT UP verhindert

Paris: Aktivisten der Aids-Aktionsgruppe ACT UP haben eine Bareback-Party in der Stadt mit Aktionen verhindert.

„Aids-Komplizen“, „Nein zum Bareback-Business“ oder „Hier zählt das Leben eines Schwulen nichts“ – mit provokanten Parolen und Rufen hat ACT UP Paris mit 15 Aktivisten am Samstag, 4. Oktober 2008 in Paris eine Bareback-Party verhindert.

ACT UP Paris protestiert vor dem Pariser Banque Club gegen eine Bareback-Party (Foto: ACT UP Paris)
ACT UP Paris protestiert vor dem Pariser Banque Club gegen eine Bareback-Party (Foto: ACT UP Paris)

Der ‚Banque Club‘ ist ein beliebter Club im 8. Arrondissement von Paris, der sich auf seiner Internetseite selbst als „underground sex area“ bezeichnet. Für den Abend des 4. Oktober war der gesamte Club für eine Bareback-Party reserviert. Für die Teilnahme an der Party war eine Anmeldung über das Internet erforderlich, ein Eintritt von 18,50 Euro wurde vorab erhoben – erst dann wurde die Adresse der Party-Location mitgeteilt.

Veranstalter der geschlossenen Party war die Internetseite ’squatNOk‘, ein französischsprachiges Internetangebot für Barebacker. Dieses ist seit Oktober 2008 ein völlig privates Portal, das -außer dem Info-Bereich zu STDs, Testmöglichkeiten etc.- nur nach Einladung mit Zugangscodes genutzt werden kann (1). Zukünftig solle alle zwei Monate eine solche Party stattfinden, hatten die Veranstalter vorab angekündigt.

ACT UP Paris forderte „alle Schwulen Paris‘ auf, ein Etablissement zu boykottieren, das auf eure Gesundheit pfeifft“. ACT UP wies darauf hin, dass der Banque Club Mitglied der SNEG ist und die französische Präventionsvereinbarung (siehe ‚Umsatz und Kondome‚) unterzeichnet hat. Schon in früheren Aktionen hatte sich ACT UP Paris gegen den Club gewandt, mit dem wiederholten Vorwurf hier würden nicht einmal Mindestanforderungen wie die Bereitstellung von Kondomen und Gleitgel erfüllt. Mit riskantem Sex dürfe kein Geschäft gemacht werden.

ACT UP Paris rief zum Boykott des betreffenden Clubs auf und kündigte an, auch zukünftig gegen Etablissements vorgehen zu wollen, die Bareback-Sex ermöglichen.

‚Das könnte die letzte Bareback-Party in einem Sex-Club in Paris gewesen sein‘, befürchete schon das französische  Homo-Magazin Tetu.

Anmerkungen:
(1) Auf der Site heißt es „A compter du 5 octobre 2008, le Squat NOK est devenu entièrement privé. Sans être coloc il est devenu impossible de voir la cour et pour demander une piaule il faut y avoir été invité par un autre coloc. Le coloc invitant devient responsable de ses invités.“

Aus den vorliegenden Berichten ist unklar, ob die Bareback-Party letztlich doch offen für jedermann war, oder (wie bei ähnlichen Anlässen in Deutschland inzwischen eher üblich) gezielt als Party nur für Menschen mit HIV deklariert.
Die Pariser ACT UP – Gruppe ist für ihre Radikalität und insbesondere für ihre von manchen als ’stalinistisch‘ empfundene Haltung in Sachen ‚Bareback‘ bekannt.
In diesem Fall scheint das Engagement der Gruppe grenzwertig. Nicht nur, dass (wieder einmal) undifferenziert bareback und unsafer Sex gleichgesetzt werden. ACT UP scheint in Frankreich manchmal nicht in der Lage zu sein zu unterscheiden zwischen aktivem Einsatz für Prävention und Gesundheitsförderung und dem berechtigten Anliegen mancher Menschen, ohne Kondom Sex mit einander zu haben (der auch dann unter manchen Umständen safer oder auch nicht-infektiös sein kann).
Die Frage bleibt, ob solche provokanten Aktionen auf berechtigte Anliegen aufmerksam machen und auf Probleme hinweisen – oder ob sie in eine Polarisierung und Eskalation neuer Verbote (und Abdrängen in noch schwerer erreichbare Räume) führen.
So wenig ein in unseren Sexleben schnüffelnder und herumregelnder Staat erstrebenswert ist, genauso wenig scheint ACT UP als selbsternannte aktivistische Gesundheitspolizei ohne jegliche Legitimation eine angenehme Alternative zu sein.

Fast mag man sich angesichts Pariser Verhältnisse freuen, dass Forderungen à la ‚Bareback-Parties verbieten‚ hierzulande bisher ’nur‘ von den Schwusos kommen.
An Orten, an denen schwuler Sex stattfindet, sollte die Bereitstellung des erforderlichen ‚Zubehörs‘ (sprich Kondome, Gleitgel, Handschuhe etc.) selbstverständlicher Kundendienst sein. Orte, die ihren Kunden diesen Service nicht bieten – könnten einfach zugunsten besserer Alternativen gemieden werden.
Letztlich ändert jedoch auch die best-funktionierende Präventionsvereinbarung nichts daran, dass jeder -erst recht jeder, der einen Ort schwulen Sex‘ besucht- selbst dafür verantwortlich ist, seine Schutz-Möglichkeiten, also z.B. Kondome, bei sich zu haben.
Andererseits sollten sich jene Wirte so manchen schwulen Etablissements auch hierzulande, die sich immer noch weigern, in ihren Unternehmen Kondome auszugeben, fragen, ob sie hier nicht nur ihren Communities und Kunden, sondern nicht letztlich auch sich selbst einen Bärendienst erweisen.

ex-Edvige: Dekret jetzt ohne personenbezogene Homo-Daten? (akt.)

Frankreichs Innenministerin Michèle Alliot-Marie scheint nach massiven Protesten einen Rückzieher zu machen. In der umstrittenen Datei ‚Edvige‚ wird überarbeitet und sollen zukünftig doch keine personenbezogenen Daten zu Homosexualität gespeichert werden. Ein neues Dekret soll in Kürze vorgelegt werden.

Am Donnerstag, 18. September kündigte Michèle Alliot-Marie, die französische Innenministerin, ein neues Edvige-Dekret an. Personendaten sollen demzufolge nicht mehr in der Datei ‚Edvige‘, sondern vor Ort in den Präfekturen gespeichert werden. Informationen zur Homosexualität sollen nur noch über Organisationen, nicht mehr über Personen gespeichert werden. Über die Speicherung von Daten zu HIV nach dem neuen Dekret wurde bisher nichts bekannt.

Bereits am Dienstag (9.9.) abends hatte sich die Entwicklung angekündigt. Sarkozy hatte angesichts der Proteste und Klagen gegen Edvige zu einem Krisentreffen in den Elysée-Palast gebeten. Zuvor hatten selbst Minister aus Sarkozys Kabinett Zweifel an Edvige geäußert (Verteidigungsminister Hervé Morin und Rama Yade, Staatsministerin im Auswärtigen Amt).

Am Wochenende 13./14.9. tauchten dann erste Spekulationen auf, ein neues Edvige betreffendes Dekret befinde sich bereits in konkreter Vorbereitung und werde kurzfristig vorgelegt. Diese neue Version werde keine Angaben mehr enthalten zu sexueller Orientierung und HIV-Status. Abgeordnete forderten u.a. statt eines Dekrets ein Gesetz für Edvige.

Innenministerin Alliot-Marie hatte ‚Edvige‘ eigentlich ohne große Debatten durchsetzen wollen. Bisher hatte die Regierung nur zugestanden, über Edvige sei unzureichend informiert worden. Inhaltliche Fehler oder Probleme hingegen waren bisher nicht zugestanden worden. Immer wieder rechtfertigte sie ihr Dekret.

Staatspräsident Sakozy hingegen wurde wegen der Proteste zunehmend unruhig und betonte am 11.9., er hoffe auf baldige klarstellende Entscheidungen in den nächsten Tagen. Er kommentierte, alles was (bei Edvige) für die Sicherheit Frankreichs nicht erforderlich sei, könne doch entfallen. Dies galt bereits als Anzeichen anstehender inhaltlicher Modifikationen.

Im Rahmen von Edvige sollten ursprünglich u.a. auch Daten zu sexueller Orientierung sowie Gesundheit (auch HIV-Status) gespeichert werden.

Die Proteste gegen Edvige gingen durch nahezu die gesamte französische Gesellschaft. Schwulen- und Lesbengruppen fürchteten neuer ‚Rosa Listen‘, Aids-Gruppen protestierten gegen die Speicherung von HIV-Daten.

Nach den immer stärker werdenden Protesten erklärte Alliot-Marie ihre Bereitschaft, Aufbewahrungszeiten mancher Daten zu verkürzen.

Für den 16. Oktober ist eine große Protest-Demonstration in Paris geplant.

Die französische Schwulenzeitschrift Tetu enthüllte inzwischen, dass Daten zu Homosexualität längst gespeichert werden …

Nachtrag 20.9.2008: Edvige heißt nicht mehr Edvige … (Le Monde über ex-Edvige, danke an M.!) und gespeichert werden sollen nun ’nur noch‘ die Daten von ‚Personen, die als Bedrohung für die öffentliche Ordnung gelten‘.
Nachtrag 23.9.2008: SOS Rassisme fordert, auch keine Daten zur ethnischen Abstammung zu speichern.
Nachtrag 29.9.2008: Edvige heißt nun EDVIRSP – doch Kritik bleibt
Nachtrag 01.10.2008: die Bewegung „Non à Edvige“ hält ihren Aufruf zur Großdemonstration am 16.10.2008 in Paris aufrecht
Nachtrag 10.10.2008: Mit der Vorlage von Edvirsp wird Edvige zurückgezogen, dies hat das französische Innenministerium klargestellt.
Nachtrag 20.11.2008: ‚Cette fois, ‚Edvige‘ est bien morte‘

Der zumindest halbe Rückzieher, den die französische Regierung nun macht, zeigt einmal mehr, wie sehr sich zivilgesellschaftliches Engagement auszahlen kann. Ausschlaggebend für diesen teilweisen Rückzug waren nicht zuletzt die massiven Proteste eines äußerst breit angelegten Bündnisses von Gewerkschaften über politische Gruppierungen bis zu Schwulen- und Lesbengruppen sowie Aids-Organisationen.

… und, sorry, (fast) alle Links zeigen diesesmal auf französischsprachige Seiten … themenbedingt …

Frankreich: UN soll Homosexualität entkriminalisieren

Rama Yade, die französische Staatsministerin für Menschenrechte, hat bestätigt, dass sie bei den Vereinten Nationen einen Antrag zur umfassenden Entkriminalisierung der Homosexualität einbringen will.

Rama Yade (c) Foto: www.diplomatie.gouv.fr
Rama Yade (c) Foto: www.diplomatie.gouv.fr

Bereits im Mai hatte die französische Staatsministerin für Menschenrechte und Äußere Angelegenheiten Ramatoulaye (genannt Rama) Yade bei einem Treffen mit Schwulenaktivisten in Paris angekündigt, Frankreich wolle eine EU-Initiative für eine umfassende Ent-Kriminalisierung der Homosexualität starten.

Yade hat sich oftmals als eigenwillige, selbstbewusste Vertreterin von Menschenrechten, besonders von Immigranten in Frankreich, erwiesen.

Nun kündigte Yade während einer Rede vor der 61. NGO-Jahreskonferenz am 3.9.2008 in Paris an, Frankreich wolle im Dezember einen Entwurf für eine entsprechende Erklärung in die UN-Vollversammlung einbringen. Die britische Regierung habe bereits ihre Unterstützung angekündigt.

Homosexualität wird derzeit nach Angaben der ILGA International Lesbian and Gay Organisation in mindestens 86 Staaten der Welt kriminalisiert (siehe ILGA Welltkarte der Rechte von Schwulen, Lesben und Transgender, jpg sowie Report ‚State Sponsored Homophobia‘, pdf).

Parallel plant Frankreich auch eine Initiative der EU gegen Gewalt gegen Frauen. Der Text eines Entwurfs hierzu soll in den nächsten Tagen den EU-Mitgliedsstaaten vorgelegt werden. Frankreich hat derzeit den EU-Vorsitz.

Wäre ich positiv …

„Wenn ich positiv wäre …“, mit diesem Motto hinterfragen Prominente in einer französischen Kampagne Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV und Aids.

Während der Welt-Aids-Konferenz in Mexico Stadt startet Aides, die französische Aidshilfe-Organisation, eine neue Kampagne gegen die Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV und Aids, gegen HIV-Phobie und Aids-Phobie

‚Si j’étais seropositif …‘, fragen Prominente in verschiedenen Konstellationen.An der Kampagne nehmen u.a. teil Peter Piot, UNAIDS Executive Director, und Kate Thompson, Cheffin von Civil Society Partnerships sowie Dr. Michel Kazatchkine, Direktor des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, und Dr. Julio Montaner, Präsident der International Aids Society.

„Wäre ich positiv, würdest du mich zu dir nachhause einladen?“, fragt z.B. Mette-Marit, 33jährige norwegische Kronprinzessin und seit 2006 UNAIDS-Sonderbotschafterin.

„Wenn Sie es wären …“, fordert die Site der Kampagne ‚Si j’étais seropositif‘ zum Nachdenken auf – und dazu, Solidarität auszudrücken und Diskriminierungen zurück zu weisen.

Aides Sarkozy 'Würden Sie mich wählen, wenn ich HIV-positiv wäre?' (c) Aides
Aides Sarkozy 'Würden Sie mich wählen, wenn ich HIV-positiv wäre?' (c) Aides

Die nun gestartete Kampagne ist die Fortsetzung einer bereits 2006 und 2007 durchgeführten Kampagne. 2006 hatten sich Basketballspieler der 15. französischen Meisterschaften gegen Diskriminierung engagiert.

2007 hatten u.a. die damaligen Kandidaten zur französischen Präsidentschaftswahl teilgenommen. Auf einem der Motive hatte Nicolas Sarkozy, heute französischer Staatspräsident, gefragt ‚Wenn ich positiv wäre, würden Sie mich wählen?‘ – mit dem Untertitel ‚Aids bekämpfen, nicht HIV-Positive’…

Die Aides-Kampagne scheint auch international begehrt – sie wurde inzwischen in Belgien (wallonischer und französischer Teil) sowie in Hongkong kopiert. Eine Übernahme von UNAIDS für China ist in Planung.

Frankreich: neue Rosa Listen auch für Schwule & Lesben, HIV-Positive?

In Frankreich wird eine Datenbank eingeführt, mit der ‚potenzielle Störer‘ überwacht werden sollen. Auch sexuelle Orientierung und HIV-Status werden gespeichert.

Der französische Inlands-Geheimdienst DCRI soll zukünftig Personen ab 13 Jahren (!) in einer Datenbank  speichern, wenn ihr Verhalten für die Zukunft eine mögliche Störung der öffentlichen Ordnung  befürchten lässt. Dabei soll die Speicherung von Fotos, Körper- und Wesensmerkmalen, Adressen und anderen Daten zulässig sein. Edvige, so soll die neue Datenbank heißen (Exploitation Documentaire et Valorisation de l’Information Genérale), wurde am 27. Juni mit einem Dekret angeordnet.  Unklar ist bisher, wer alles Zugang zu den Daten haben soll.

Die Maßnahme, die sich vor allem gegen die Gewalt von Jugendlichen in den Vorstädten richten soll, stößt auf Bedenken und Proteste. Die französische Datenschutzbehörde CNIL machte zahlreiche Einwände geltend. Doch Proteste kommen bei weitem nicht nur bei Datenschützern. Die Liga für Menschenrechte sprach von bereits einem ‚orwellschen Plan‘.

Schwulen- und Lesbenorganisationen beklagen insbesondere, dass auch Daten zur sexuellen Orientierung enthalten sein sollen. Zudem wird auch der HIV-Serostatus gespeichert.
Ein Vertreter des Innenministeriums hat mehrfach die Speicherung von sexueller Orientierung und HIV-Status bestätigt.

ACT UP Paris spricht von einem Rückfall in soziale Kontrolle wie in den 1950er Jahren und  beteiligt sich an von der Nichtregierungsorganisation RAS koordinierten breiten Protesten gegen Edvige (Unterstützung des Protest-Aufrufs gegen Edvige hier). Zu den Unterzeichnern des Protests gegen Edvige gehören u.a. Aides (franz. Aidshilfe) , Amnesty International Frankreich, Attac, zahlreiche Gewerkschafts-Abteilungen und zahlreiche Lesben-, Schwulen- und Transgender-Gruppen und SNEG (Vereinigung schwuler Unternehmen).

Dokumente:
Dekret Nr. 2008-632 über Edvige

Nachtrag 24.07.2008: Le Monde berichtet (auf frz.) „Edvige beunruhigt Homosexuellen-Menschenrechts-Organisationen“ und Tetu hat eine Direktorin des CNIL (eine Art Datenschutz-Behörde) im Interview: „Fichier Edvige: l’interview de la Cnil“
Nachtrag 25.7.: Michèle Alliot-Marie, französische Innenministerin, rechtfertigt die Speicherung von Daten zu Gesundheit und sexueller Orientierung
Nachtrag 03.09.2008: gegen Edvige formiert sich weiter der Widerstand. „Ein Regen an Einsprüchen vor dem Conseil d’Etat“, berichtet Tetu (der Conseil d’Etat ist das oberste französische Verwaltungsgericht). Alle Einsprüche zielen auf die Annulation des Dekrets, mit dem Edvige beschlossen wurde. Der Conseil d’Etat wird bis Ende Dezember 2008 über die Zulässigkeit des Dekrets für Edvige entscheiden.