Trendwende auf amerikanisch

In den Meinungsumfragen für die US-Wahlen am 7. November fallen die Republikaner immer weiter zurück, gehen die Demokraten in Führung. Leider aus zweifelhaften Gründen.

Galt vor der Sommerpause noch, dass ein knappes Behaupten der zugunsten der Republikaner erwartet wurde,vermuten einige Analysten inzwischen im Abgeordnetenhaus sowie im Senat einen Erdrutsch-Sieg der Demokraten.

Das Erstaunliche an dieser Entwicklung: der Stimmungsumschwung unter den Wählern ist nicht das Ergebnis einer Politik. Nicht auf den Irak-Krieg der Bush-Regierung ist der Umschwung zurückzuführen, nicht auf Bushs Innen- oder gar Außenpolitik, nicht auf seine Wirtschaftspolitik, auch nicht Iran- oder Nordkorea-Krise gaben den Ausschlag.

Entscheidend für den Stimmungswandel gegen die Republikaner ist scheinbar vielmehr in gravierendem Umfang ausgerechnet ein Schmierenstück – das Verhalten des schwulen Republikaner-Abgeordneten Foley, der inzwischen zurückgetreten ist, sowie der Umgang der Partei damit.

Die New York Times betont inzwischen (15.10.2006) den auffälligen Kontrast zwischen „outward homophobia and inner gayness“ bei den Republikanern, angesichts der großen Zahl offen und nicht offen schwuler Mitarbeiter und Abgeordneter in dieser Partei und der Parteipolitik in Sachen Homosexualität.

Die Affäre Foley – ein (in weiten Teilen schwulenfeindliches) Schmierenstück, das nicht für einen Umschwung in den Meinungsumfragen sorgt, sondern auch den Kern des Problems verdeckt.

Das eigentliche Problem sind Politiker, die nicht offen schwul sein können – aus welchen Gründen auch immer. Und Parteien, die immer noch nicht zu ihren schwulen (oder lesbischen) PolitikerInnen stehen wollen, aus eben dem Grund ihrer Homosexualität. Politiker, die aus gleichen Gründen nicht zu ihren KollegInnen stehen wollen. PolitikerInnen, die aufgrund ihres Schwulseins oder Lesbischseins beurteilt werden, nicht ihrer politischen Leistungen.

Wünschenswert wären politische Parteien, in denen die sexuelle Orientierung ihrer Mitglieder für die politischen Engagements nicht bedeutend ist (weder im Negativen noch im Positiven). Und das nicht nur in den USA …

Dass schwule Politiker anti-schwule Politik machen, wird das allerdings auch nicht wesentlich verhindern.

Fahrradsperre nachgehakt

Berlin ist eine fahrradfreundliche Stadt … ach das hatten wir ja schon. Aber nun gibt es Neuigkeiten.

Ich hab ja in den Perlen schon über die ominöse Sperre mitten auf dem Fahrradweg geschrieben (Kreuzung An der Urania / Kurfürstenstraße, für den der’s erleben möchte).

Ich hab inzwischen beim Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg per Email nach der Sinnhaftigkeit und etwaigen Behebung dieser Sperre gefragt und nach wenigen Tagen gestern eine Antwort erhalten.

Zunächst glaube ich an karabettistisches Talent des BA-Mitarbeiters, lese ich doch „Den geschilderten Radweg gibt es eigentlich nicht mehr“. Ah ja, und worauf fahre ich da gerade? Ist aber ein Missverständnis [auch wenn die Idee kabarettistischer Talente in den Bezirksämtern eine apparte Vorstellung wäre…].

Ich erfahre weiter, der Radweg „ist nur optisch noch erkennbar, wurde aber schon vor einigen Jahren als Radweg polizeilich abgeordnet. Der Radfahrer hat demnach die Fahrbahn zu benutzen“. [auch hübsch, ich dachte Abgeordnete sitzen im Roten Rathaus, sind nicht polizeilich und liegen auch nicht als Radweg in der Gegend. Verwaltungssprache ist was Schönes.]

Aber – es gibt Grund zur Hoffnung: „Vom Senat für Stadtentwicklung wurde jedoch für das Jahr 2007 der komplette Umbau des Verkehrsknotens An der Urania / Kurfürstenstraße eingeplant. Damit wird für den Radfahrer diese Radwegführung auch baulich so angelegt, dass er aus Richtung Charlottenburg kommend automatisch auf die Fahrbahn geleitet wird.“

Na immerhin – dann klärt sich das mit der Sperre. Schade nur, dass nicht statt der Weiterleitung auf die Fahrbahn ein Radweg eingeplant ist … aber das ist sicher wieder ein anderes Thema.

[Nachtrag 17.10.2007: anlässlich der Blogumstellung, beim erneuten Lesen des Artikels, bleibt anzumerken, bisher hat sich an der Kreuzung in Sachen Radweg nichts getan …]

Bonbons statt ‚dfg‘

Statt einem Vortrag über Porno stehe ich heute vor einem Stapel Bonbons.Torres03 Eigentlich – ja eigentlich hatte ich heute zum Symposium „Post Porn Politics“ in der Volksbühne gehen wollen. Die Lecture „Poor guys do it better“ hören, untertitelt „Ethnic gay pornography and class“. Vielleicht auch noch Bruce LaBruce mit seiner Presentation (und sicher rhetorisch gemeinten Frage) „But is it art?“.
„Poor guys“ ist jedoch leider auf morgen verschoben, den Ersatz-Vortrag über „Penis-Ersatz“ muss ich mir wirklich nicht antun, erst recht nicht für 6,-€ Eintritt.

Spontan fahre ich stattdessen zum Hamburger Bahnhof (für die nicht-Berliner Leser: der ehemalige Bahnhof ist seit 10 Jahren Museum für Moderne Kunst). Die Felix Gonzalez-Torres Retrospektive hatte ich mir doch eh ansehen wollen,warum nicht jetzt.

Gleich am Eingang: ein riesiges Quadrat goldfarben eingepackter Bonbons. Einige Besucher stehen irritiert davor, andere belustigt. Ein kleiner Junge nervt seine Mutter offensichtlich damit, eines der Bonbons zu wollen. „Halt den Mund, das ist Kunst“, höre ich sie sagen.

Felix Gonzalez-Torres, US-amerikanischer Konzept-Künstler, starb 1996 an den Folgen von Aids. Die NGBK, die einige seiner Werke schon Ende der 80er Jahre erstmals in Deutschland zeigte (im Rahmen der Ausstellung „Vollbild Aids“), veranstaltet eine umfassende Retrospektive.

Torres02Eine Vielzahl Arbeiten aus Werk- Gruppen erwarten mich: „candy pills“ neben „stacks“, Stapel von Postern in unlimitierter Auflage. Puzzle-Bilder, Lichterketten, Fotografien und Schrift-Arbeiten auf den Museumswänden.
Häufig: das Nebeneinander des Banalen und des Intensiven, des Alltäglichen und des Außerordentlichen, des Privaten und des Öffentlichen. Blutwerte und Krieg in einem fernen Land. In erschreckender, irritierender Dichte, Aufeinanderfolge.

Die Auseinandersetzung mit Aids ist dabei immer wieder Thema seiner Arbeiten, sei es in den Bonbon-Bergen, Fotografien oder Wort-Arbeiten. Die Geschichte hinter den Kunstwerken wird nicht erzählt, es bleibt Aufgabe des Besuchers sie sich zu erschließen.

Vielen Besuchern allerdings scheint das kaum zu gelingen, habe ich das Gefühl. Sie schlendern durch die Ausstellung, klauben Plakate zusammen und naschen Bonbons (auch der kleine Junge kommt bald doch noch auf seine Kosten) – nutzen jedoch kaum die in einem abgetrennten Bereich (dem „Archiv“) bereitgestellten Hintergrund-Informationen.

Torres04 So erfahren sie wahrscheinlich nicht, was hinter den Lichterketten steckt (O-Ton: ‚Das ist aber hübsch, wollen wir das bei uns auch so machen im Treppenhaus?‘). Nichts über die Explosion von Information und gleichzeitige Implosion von Bedeutung. Oder dass eine 60-Watt-Birne genau die gleiche Wärmemenge abstrahlt wie ein menschlicher Körper. Dass einer der Bonbon-Berge („untitled“, (Ross), 1991) zu Ausstellungsbeginn gut 79 Kilogramm wog, was dem Gewicht seines verstorbenen Lovers Ross entspricht.

Was für ein bezaubernder, metaphysisch anmutender Gedanke. Ich nehme ein Bonbon, mit dem Lutschen wird Ross, wird ein Stück von Gonzalez-Torres‘ Kunstwerk Teil von mir. Das Kunstwerk wird so einerseits immer weniger im Verlauf der Ausstellung – doch auch wieder nicht. Den Anweisungen des Künstlers folgend (‚endloser Vorrat‘) ist spätestens mit jeder neuen Ausstellung ein neuer Bonbon-Berg vorhanden.
Verschwinden und Unmöglichkeit des Verschwindens gleichzeitig.
Was für ein Umgang mit Trauer Erinnern Verlust.

Nachspiel: steht ansonsten eher „Bitte nicht berühren“ auf den Schildern im Museum, gern auch mit Ausrufezeichen, finde ich hier einen anderen Hinweis:

Torres01

Die Macht der Googles & Co.

Gestern hab ich ja schon über den Kauf von YouTube durch Google geschrieben (Milliarden für unsere Inhalte) und die Frage, wessen Inhalte an wen verkauft werden. Die Übernahme hat aber noch eine weitere Dimension – die der Macht.

Das Internet ist inzwischen ein Massenmarkt, längst kein Exotikum mehr. Etwa zwanzig Milliarden (!) US-$ werden allein in den USA dieses Jahr für Online-Werbung umgesetzt. Und um diese Märkte geht es, gerade auch bei den boomenden Online-Gemeinschaften und User-Content-Angeboten.

Google und YouTube zusammen haben allein im August 2006 in Deutschland 3,8 Millionen Menschen erreicht (Einzelbesucher, Besucher beider Sites nur einmal gezählt). Der nächstgrößte Wettbewerber MySpace (der gerade erst an seinen deutschen Seiten arbeitet und als Suchmaschine weltweit eben jenen Wettbewerber Google einsetzt) kommt in Deutschland gerade auf 1,3 Millionen Besucher im gleichen Monat. Auf den weiteren Rängen folgen Lycos Movie (1,2 Mio.) und Myvideo (0,88 Mio.; gehört zu 30% ProSiebenSat1).

Bei Online-Gemeinschaften hat Google durch die Übernahme von YouTube eine Marktpräsenz (nicht nur) in Deutschland erreicht, die kaum jemandem bewusst ist. Dies wird noch deutlicher, wenn die 1,5 Mio. Anwender, die blogger.com (das ebenfalls Google gehört) allein in Deutschland hat, noch dazu gerechnet werden.
Google ist längst nicht mehr „nur“ dominierend im Business der Suchmaschinen (und im Geschäft der dazugehörigen Werbung).

Google hat als Suchmaschinen-Betreiber inzwischen sogar geschafft, die Denkrichtung ‚umzudrehen‘: nicht mehr Google (bzw. sein Such-Algorithmus) richtet sich danach, wie Internetseiten gestaltet sind. Vielmehr ist es längst üblich geworden, sich bei der Seitengestaltung daran zu orientieren, wie Google sucht und bewertet.

Google setzt den Standard. Google wird zudem zu einem global agierenden Internet-Konzern mit Markt-Dominanz. Diese starke Position auch für die Zukunft zu sichern, das scheint der eigentliche Sinn des Kaufs von YouTube zu sein.
YouTube steht bisher für die „Demokratisierung des Fernsehens“, wie Medienkritiker schreiben. Die Entwicklung der Markt-Macht einiger Internetkonzerne könnte jedoch bald in Widerspruch zum Begriff „Demokratisierung“ geraten, gerade wenn sie auf ein Oligo- oder Monopol zuzulaufen scheint.

Und wie damit umgehen?
Zeit für Demokratisierung?

Dass nicht alles geht, dass auch die Welt des User-Content ein Gewissen kennt, zeigte jüngst gerade YouTube: von der NPD produzierte und dort eingestellte Sendungen wurden nach massiven User-Protesten bald wieder vom Server genommen.
Dies zeigt den Weg: User, wenn sie nur einer Meinung sind, haben Macht (analog zu Ralph Naders ‚Macht der Konsumenten‘). Während Konkurrenten von Google, Ebay & Co. schon aufgeben müssen, haben diejenigen, die wirklich Macht haben, dies bisher meist weder erkannt noch umgesetzt: die Nutzer ihrer Angebote.

Web 3.0 – das Web der User?

Heute ist ‚Coming Out Day‘ …

Am 11. Oktober, also heute, ist „Coming Out Day“, erfahre ich von schwulen US-Bloggern.

Bitte was?

Eigentlich mag ich es ja nicht glauben, recherchiere ein wenig, lese in anderen schwulen US-Blogs.

Tatsächlich, die Amis haben heute „National Coming Out Day“. Der Tag, erfahre ich in der US-Wikipedia, solle an den 11. Oktober 1987 erinnern, an dem 500.000 Menschen in einem Marsch auf Washington Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben forderten.

Naja ,wenn es den Tag der Muttersprache gibt, den Tag des Welt-Post-Vereins, den Tag des Öffentlichen Dienstes und den Tag der Poesie, warum dann nicht auch den Tag des Coming Outs.

Warum, allerdings, frage ich mich irritiert, wollen das dann auch die Schweizer feiern?

Zufällig ist allerdings heute auch der „International Day for Disaster Reduction“ (sagt mir die UNO, die für die ‚Internationalen Tage‘ zuständig ist). Diese Kombination ist nun doch Anlass zu Erstaunen, und ich frage mich besorgt, ob zwischen Coming Out und Desaster nun ein Zusammenhang besteht 😉

Milliarden für unsere Inhalte

Blogger, MySpace, YouTube – immer mehr interessieren sich große Konzerne für die bunte Welt des user-generated content. Was da jedoch für viel Geld verkauft wird, sind eigentlich wir selbst. Ohne gefragt zu werden, klar. Demokratie im Web 2.0 …

Für 1,65 Milliarden Dollar kauft Google YouTube. Bereits 2003 hatte Google auch Blogger, eine der weltweit größten Blogging-Platformen (auf der auch dieses Blog läuft [damals …]) übernommen. Und Medienzar Murdoch übernahm im Juli 2005 das Online-Angebot MySpace für 580 Millionen Dollar – damals ebenfalls ein Rekordpreis.

YouTube, jetzt von Google übernommen, ist eines dieser Internet-Angebote, die auch als Web 2.0 bezeichnet werden – Stichwort ‚user generated content‘. Der Anbieter stellt ein System bereit, das Inhalte verwaltet und publiziert, die Nutzer sorgen für die Inhalte (nicht mehr, wie im Web 1.0, der Anbieter).
Das heißt andererseits aber auch: was diese Übernehmer kaufen, ist eigentlich zweierlei: die „Hülle“, der Programmrahmen, den der Anbieter bereitstellt, und unsere Inhalte.

Was wären Blogger, YouTube, MySpace und Co. ohne unsere Inhalte?
Nicht viel mehr als ein leerer Schuhkarton!
Das was da für absurde Beträge verkauft wird, sind unsere Inhalte, sind wir! Sind unsere Texte, unsere Bilder, unsere Videos, unsere Inhalte.

Ob die Damen und Herren, die jetzt Milliarden einnehmen bzw. ausgeben sich schon einmal überlegt haben, was ihre tollen Internetangebote wert sind, wenn wir plötzlich einmal keine Lust mehr haben sollten, darauf unsere Inhalte zu posten? Etwa, weil wir plötzlich mit Werbung zugeballert werden? Oder plötzlich Teile von Angeboten gebührenpflichtig werden? Über beides denkt Google in Sachen YouTube bereits nach, wie Googles Nordeuropa-Chef im Spiegel-Online-Interview bestätigt. Oder weil es uns nicht gefällt, dass wir rundum in unserem Surfverhalten ausspioniert werden, um die Werbemethoden zu verfeinern und die Werbeeinnahmen zu steigern? Oder gar, weil es uns irgendwann nicht mehr gefällt, dass einige wenige Unternehmen ganze Marktsegmente im Internet dominieren? Schließlich, Microsoft hat schon ein Image-Problem…

Irgendwie, wird mir immer bewusster, klemmt dieses tolle Web2.0 – Modell. Wir machen die Inhalte, und andere Leute setzen die Regeln, verdienen prächtig an unseren Inhalten.
Kann es das sein?
Wollen wir nicht langsam mal gefragt, beteiligt werden?
Ist die Tatsache, dass ich unentgeltlich eine Plattform bekomme, meine Gedanken Fotos Videos etc. ins Internet zu stellen es wert, dass andere über meine Inhalte verfügen, damit Geld verdienen?
Oder brauchen auch diese Modelle eine andere Form von Nutzer-Beteiligung, von Demokratie?

Monopoly der Bücher – im Namen des Herrn

Die Frankfurter Buchmesse, gerade zuende gegangen, lässt mich noch einmal über Bücher und den Buchmarkt nachdenken.

Eigentlich habe ich ja (statt einer Literatur-Mail ) lieber ein Buch in den Händen. Emails sind etwas Praktisches, aber nicht „das Lesevergnügen“. Und auch Hörbücher probiere ich ab und zu ganz gerne aus, merke aber immer wieder, was für ein Unterschied es ist zu lesen oder vorgelesen zu bekommen. Am liebsten nehme ich also doch ein ‚echtes‘ Buch zu Händen. Nur in Büchern kann ich mich, wenn ich sie mag, richtig ‚verkriechen‘, sie fühlen, ganz abtauchen.

Das Kaufen der Bücher wird allerdings immer mehr zur „Glaubenssache“, und zwar im wahrsten Sinn des Wortes, leider.
Wenn ich in Berlin durch die City West gehe, oder in einem der Shopping Center bin – Bücher kauft man irgendwie immer häufiger (wenn man genauer nach dem Eigentümer des Geschäfts schaut) bei den katholischen Bischöfen.

Die Konzentration im Buchhandel schreitet munter voran, und einer der muntersten Player dabei scheint ausgerechnet die katholische Kirche zu sein:

Am 17. August 2006 haben Hugendubel und Weltbild bekannt gegeben, gemeinsam die Buchhandelsholding DBH zu bilden.
Damit ist ein Imperium entstanden, das u.a. die Buchhandelsketten Hugendubel, Weltbild, Weltbild plus, Jokers, Wohlthat und einige kleinere Buchhändler umfasst. Der Verlagsgruppe Weltbild gehören zudem u.a. 50% an der Verlagsgruppe Droemer Knaur und 25% an buecher.de. Hugendubel ist zudem zu 49% Eigentümer des größten Schweizer Buchhändlers Orell Füssli.

Dieses Konglomerat ist inzwischen der größte Buch-“Händler“ in Deutschland. Und als würde das noch nicht reichen, hat Weltbild – die am aggressivsten wachsende Mediengruppe in Deutschland – inzwischen angekündigt, zukünftig auch in Supermärkten Bücher zu verkaufen. Ein erster Test-Shop in einem Discounter wurde bereits im Sommer eröffnet.

Gesellschafter von Weltbild sind 14 katholische deutsche Diözesen sowie die Soldaten-Seelsorge Berlin.
Thalia, die Nummer 2 der Buch-“Händler“ in Deutschland, ist eine 75%ige Tochter der Douglas Holding.

Und wenn Sie nun antworten, ’na, ich kauf meine Bücher ja bei 2001′, und dabei denken, die sind doch immer noch ein wenig alternativ – weit gefehlt. Ende September verkauften die bisherigen Eigentümer (Lutz Kroth, Wolfgang Müller & Walter Treumann) das Unternehmen an Michael und seinen Bruder Rainer Kölmel.
Kölmel? Ja, genau der Kölmel, der nach der Insolvenz (andere sagen Milliarden-Pleite) seiner Kinowelt-Gruppe wegen Untreue und Insolvenzverschleppung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde – und die Firma kurz darauf in Leipzig statt München wiederbelebte.

Bleibt bald nur noch die Auswahl zwischen wenigen riesigen Buchhandelsketten, von denen die größte die katholische Kirche ist? Ich glaube ich muss mal wieder zu der kleinen Buchhandlung bei mir um die Ecke gehen …

Literatur-Mail

Heute geht die Frankfurter Buchmesse zuende. Und – habe Sie sich auch wieder gefragt, wann Sie zuletzt ein Buch gelesen haben?

Ja, das wäre schön, mal wieder ganz in Ruhe ein schönes Buch lesen! Wenn man nur genug Zeit hätte … Schon mit dem geplanten Englisch-Kurs hat’s ja nicht geklappt, aus Zeitmangel. Wie soll da noch Zeit für Lesen sein?

Wie wär’s, beides zu kombinieren?
Und dann noch recht zeitsparend? Sie brauchen nur wenige Minuten täglich …

Geht nicht?
Na – vielleicht ja doch.

Das Internet-Angebot DailyLit bietet einen erstaunlichen Service: englischsprachige Literatur per Email, in kleinen Häppchen. Täglich eine E-Mail, mit einem „Lese-Happen“, der ca. 5 Minuten Zeit benötigt.

Dieser Service, der übrigens zudem noch kostenlos ist, hat eine erstaunliche Auswahl zu bieten (die zudem noch ständig erweitert wird). Da findet sich Dante Aligheri neben Jane Austen, die „Wuthering Heights“ neben „Don Quichote“. Der Politik-Interessierte erfreut sich vielleicht am „Kommunistischen Manifest“, Philosophie-Begeisterte am „Tao Te King“, und selbst Jahreszeitliches wie „A Christmas Carol“ von Charles Dickens gibt’s als E-Maiul-Häppchen-Literatur. Über 200 titel sind inzwischen verfügbar, eine Erweiterung geplant.

Der Service funktioniert sehr unkompliziert: auf dailylit.com suchen Sie sich mit der Suchfunktion einen Titel aus, geben an wann und wie häufig Sie Ihrer Literatur-Email bekommen wollen, nennen Ihre Email-Adresse und los geht’s – täglich kommt eine Mail, der Lesespaß auf Englisch kann beginnen.

Und ist das ganze legal? In den USA anscheinend ja, alle Bücher sind nach Angaben des Site-Betreibers im public domain. Na dann! Auf ans E-Mail-Lesen!

Kriminalisierung von Positiven in Europa

Vor einigen Tagen habe ich ja bereits über die Kriminalisierung von Positiven, über ein Urteil in Deutschland, Verfolgungsversuche der Krankenkassen und die drastische Situation in Großbritannien geschrieben.

Nun befasst sich auf dem „Eigth International Congress on Drug Therapy in HIV Infection“, einem der wichtigsten HIV-Kongresse in Europa, ein ganzer Workshop mit dem Thema.
Im Verlauf des Kongresses, der vom 12. bis 16. November 2006 in Glasgow stattfindet, wird es ein Satelliten-Symposium unter dem Titel „Criminalisation of HIV Transmission: The implications for clinical services, confidentiality and doctor-patient relations, national policy“ geben.

Einen guten Überblick über den derzeitigen Stand der Kriminalisierung von Positiven in Europa (Datenbasis 2004) gibt die Untersuchung „Criminalisation of HIV transmission in Europe – A rapid scan of the laws and rates of prosecution for HIV transmission within signatory States of the European Convention of Human Rights“ auf den Seiten von gnp+, dem Global network of people living with HIV/Aids.

Republikanischer Sex-Chat

Kurz vor den anstehenden Wahlen am 7. November erschüttert u.a. ein Sex-Skandal die Partei der ‚Republikaner‘. Der Abgeordnete Mark Foley (Rep) chattete in sexuell eindeutiger Weise mit Minderjährigen.

Wer schon immer einmal wissen wollte, wie ein 52jähriger Politiker mit einem 16jährigen Büro-Jungen chattet, der findet hier eine Dokumentation eines Chats aus dem Jahr 2003.

In der US-Presse wird der Chat des Politikers zu einem großen Skandal aufgeblasen – oft mit deutlich anti-schwulen Untertönen. Gern vergessen wird dabei, dass z.B. in beinahe allen (bis auf 2) US-Bundesstaaten bereits Teenagern ab 16 Jahren (mit elterlichem Einverständnis) die Heirat erlaubt ist. Das Alter erster sexueller Aktivitäten dürfte auch in den USA noch niedriger liegen …

Übrigens, US-Präsident Bush zeigte sich „angeekelt“ vom Verhalten seines Parteifreundes. Foley selbst, der u.a. Vorsitzender eines Gremiums des Repräsentantenhauses war, das sich für missbrauchte und vermisste Kinder einsetzt, erklärte inzwischen seinen Rücktritt.

Fundamentalisten in Deutschland

Fundamentalisten – dabei denken Sie sicherlich zuerst an „islamische Fundamentalisten“.
Aber, es gibt sie auch im Christentum. Christliche Fundamentalisten, Menschen die glauben, die Antworten auf alle Fragen (auch des heutigen Lebens) seien in der Bibel zu finden. Und es gibt sie zunehmend auch in Deutschland.

Ganz vorne mit dabei im Reigen christlicher Fundamentalisten: die Kreationisten.
Sie sind gegen die Evolutionstheorie, glauben nicht, dass der Mensch sich aus dem Affen entwickelt habe (nach Darwin, „Die Entstehung der Arten“). Gott habe die Welt erschaffen, nicht nur im religiösen Sinn, sondern ganz real.

Die Kreationisten, eine Bewegung, die in den USA längst breit Fuß gefasst hat, sind in den letzten Jahren zu einer starken Kraft geworden. Lehrpläne von Schulen werden beeinflusst, „Museen“ der Schöpfungsgeschichte entsprechend der Lesart der Kreationisten gebaut. Bis in höchste Regierungskreise hat die Bewegung Unterstützer. In den letzten Jahren werden Kreationisten auch in Europa aktiv.

ErdmaennchenZunehmend promoten die Kreationisten dabei eine Variante ihrer Überzeugung, die sie „intelligent design“ nennen. Gott habe die Welt erschaffen, lehren sie. Versuchen, so genannte Mikro- Evolution von so genannter Makro- Evolution zu unterscheiden. Einige, die zentralen Teile der Natur seien keine „zufälligen Ereignisse“ (wie nach Darwin), sondern Teil einer bewussten Schöpfung, eines göttlichen Plans.
Diese Volte hat einen Hintergrund: Kreationismus an Schulen zu unterrichten ist in den USA verboten. Ein „wissenschaftlicher Anstrich“ musste her … oder: Religion (hier: fundamentalistische Religion) wird als „Wissenschaft“ verkauft, um sie besser in der Gesellschaft durchsetzen zu können.
Schöner Nebeneffekt: indem sie sich einen „wissenschaftlichen Anstrich“ geben, beanspruchen sie auch, mit Naturwissenschaften auf einer Ebene zu stehen.

Auch in Deutschland findet dieses Gedankengut zunehmend Ausbreitung, selbst im Schulwesen. „Wort und Wissen“ – diese Organisation ist eine der wichtigsten im Bereich Kreationisten hierzulande.
Die August Hermann Franke Schule in Gießen unterrichtet z.B. im Biologie-Unterricht neben der Evolutionstheorie auch ‚intelligent design‘, verwendet ein (für den Unterricht nicht zugelassenes) Schulbuch von Kreationisten – und das in einer staatlich anerkannten (Privat-) Schule.
Die staatliche Schulaufsicht Hessens fühlt sich für ‚intelligent design‘ nicht zuständig, die Schule sei ja zugelassen. Die Eltern würden sich ja freiwillig für die Schule entscheiden.
Selbst deutsche Politiker wie Anette Schavan begrüßen die von Kreationisten begonnene Debatte – und spannen sich so, bewusst oder unbewusst, vor den Karren einer fundamentalistischen christlichen Bewegung.

Was wollen die Kreationisten?
Die Bibel ist wahr, ist ihre Überzeugung. „Schöpfung ohne Kompromisse“, wie der Titel einer Kreationisten-Konferenz deutlich macht. Wer Darwin zustimme, rufe den Zorn Gottes hervor. Ziel des ‚intelligent design‘ sei eine mit dem Christentum verträgliche Wissenschaft, erklärt einer ihrer Vertreter.
Ein Beispiel, was das nach ihrer Vorstellung heißt: ‚Die Welt ist 6.000 Jahre alt. Stern und Planeten sind dabei etwas jünger als die Erde – denn in der Bibel steht, Gott habe die Erde am ersten, Sterne und Planeten jedoch am vierten Tag erschaffen.‘

Es geht nicht darum, hier Kreationisten durch Berichte aufzuwerten, Aufmerksamkeit zu schaffen, oder sie Darwin in Frage stellen zu lassen. Wohl aber geht es darum, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, wenn diese Bewegung auch hier Fuß fasst.

War nicht erst die Trennung von Wissenschaft und Religion eigentlicher Beginn der modernen Naturwissenschaften, der Aufklärung, der modernen Gesellschaften?

Naturwissenschaft erklärt das ‚wie‘, nicht das ‚warum‘. Ist die Suche nach dem ‚warum‘, nach dem Sinn (des Lebens) ein Grund für die Erfolge der Kreationisten und ihres modernen Kindes, des ‚intelligent design‘? (Dabei, selbst die katholische Kirche kann heute Gott und Darwin gut miteinander vereinbaren. Einer ihrer Ansätze: der Körper mag wie von Darwin postuliert entstanden sein, die Seele des Menschen ist göttlicher Natur.)

Darwin ist eine, ist die Grundlage der modernen Naturwissenschaften – hinter den Kreationisten steht damit auch ein Angriff generell auf wissenschaftliche Sichtweisen, auf die moderne Gesellschaft.

Kreationismus – das steht für ein fundamentalistisches Weltbild, das eine Generalabrechnung auch mit Homosexuellen, modernem Frauenbild beinhaltet – mit überhaupt allem, was die moderne Gesellschaft ausmacht.

Die eigentliche Gefahr ist der christliche Fundamentalismus, sind dessen Folgewirkungen für das Demokratieverständnis unserer Gesellschaft.

Die Trennung von Religion und Naturwissenschaft ist das Fundament der modernen aufgeklärten Gesellschaft – ein Fundament, das wir nicht auf’s Spiel setzen sollten.

Oder wollen wir wieder zurück zu mittelalterlichem Denken, zu einer Gesellschaft, in der alles, was nicht mit christlichem Denken verträglich ist, nicht zulässig ist? Eine Gesellschaft, in deren fast logisch anmutender Konsequenz eine Inquisition steht?

Nachtrag 2.10.06: ein sehr umfassender Artikel von David Thorstad über ‚intelligent design‘ findet sich beim geschätzten etuxx

Watergate in Polen

Werden die Kaczynskis auch für breite Teile der polnischen Öffentlichkeit jetzt demaskiert, in ihrer wahren Politik sichtbar?
Fast scheint es so.

Parlamentarier der polnischen Regierungspartei ‚PiS‘, die derzeit nicht die Mehrheit im Parlament hat, versuchten eine Parlamentarierin (Renata Beger, Samaa Obrona) einer anderen Partei zum Überlaufen zu überreden – u.a. mit Versprechen eines Staatssekretärs-Postens und finanziellen Zusagen.

Dummerweise wurde der Politiker der PiS dabei gefilmt, der Beitrag kurz darauf im polnischen Fernsehen (Privatsender TVN) gesendet.
Gespräche über eine neue Regierungskoalition unter Leitung Jaroslaw Kaczynskis platzten daraufhin endgültig.

Inzwischen kommt es vor dem Parlamentsgebäude zu massiven Protesten gegen die Kaczynski-Regierung – aktuelle Fotos der polnischen LGBT-Press gibt’s
hier.

Der Sejm, das polnische Parlament, wird demnächst auf Antrag einer Oppositionspartei über seine Selbstauflösung diskutieren.

Bereits in der Vergangenheit war es zu zahlreichen
Protesten auch bei Kaczynski-Besuchen in Berlin und selbst Mahnungen der EU gekommen.

Hoffnungen? Auf eine Zeit ohne zumindest einen der „doppelten Lottchen“? Oder wird’s danach noch Bauernpartei-schlimmer?

Land des Lächelns

Nach dem Militärputsch in Thailand am 19. September entwickelt sich die politische Lage in Thailand derzeit nicht zum Vorteil, leider.

Zwar ist der Putsch ruhig, ohne Blutvergießen verlaufen, ja von weiten Teilen der Bevölkerung (wie auch schwule thailändische Blogger berichten) begrüßt worden.
Inzwischen aber ist eine Militärregierung an der Macht, die sich in bester Orwell’scher Neusprech-Tradition ‚Rat für die Reform der Demokratie‘ nennt – und als erstes die Gewaltenteilung abgeschafft, Legislative, Exekutive und Judikative an sich gezogen hat. Dazu ein Versammlungsverbot erlassen hat (auch wenn Versammlungen gegen den Militärputsch demonstrierender Studenten wohl in Bangkok bisher toleriert wurden).

Ein neuer ‚ziviler‘ Regierungschef solle am Mittwoch bestimmt werden, hieß es am Wochenende. Wie zivil aber kann eine Regierung sein, die von Militärs eingesetzt ist, die jeglicher demokratischer Legitimation entbehrt?

Der Befehl der Militärs, Thailand solle ein ‚Land des Lächelns‘ bleiben, die Soldaten sollten, besonders wenn sie um Fotos gebeten werden, lächeln, wird da nicht reichen…

Thailand ist eines der (wenigen) Länder Asiens mit einer gewissen demokratischen Tradition. Bleibt zu hoffen, dass Bevölkerung, König und Militär den Weg zurück zu dieser Tradition finden …

Zarenzeit ?

Seit ich Sabines Blog über Dänemark und die Dänen lese, lerne ich ja vieles Wissens- und manchmal auch Staunenswertes über unseren Nachbarn im Norden.

Jetzt allerdings gibt’s wahrlich Bizarres aus Dänemark zu berichten: Die Zarenwitwe, 1928 verstorben, wird auf ihre nun wohl allerletzte Reise geschickt, nach St. Petersburg, an die Seite des Zaren.

Maria Fjodorowna, Mutter des russischen Zaren Nikolaus I., war eine Tochter des dänischen Königs Christian IX. In der Zeit nach der russischen Revolution entkam sie 1919 nach England, kehrte bald darauf nach Dänemark zurück, wo sie 1928 starb und in Roskilde (nicht nur Sitz eines bedeutenden Musik-Festivals, sondern auch Ruhestätte dänischer Könige) beigesetzt wurde.

Nun wird ihr Sarg tatsächlich mit offiziellen Feierlichkeiten nach St. Peterburg überführt, und – als ob das allein nicht schon absurd genug wäre – auf der selben Route wie ihre damalige Reise zur Hochzeit mit dem russischen Thronfolger.
Die halbe dänische Regierung (!) nahm am Auftakt der Feierlichkeiten teil, zusammen, selbstredend, mit über 40 Verwandten der Romanows.
Pikante Bei-Note: Bedingung des dänischen Königshauses für die Zustimmung zur Überführung war, dass der Sarg nicht geöffnet und keinerlei DNA-Proben entnommen werden dürfen…

Ich erspare mir alle Kommentare, frage mich nur, ob die dänische Regierung nichts Wichtigeres zu tun hat. Und wundere mich wieder einmal über unsere liebenswerten Nachbarn im Norden …

… und hoffe gleichzeitig, dass die lieben Niederländer uns von irgendwelchen Nachlassenschaften aus Doorn verschonen mögen.