USA: Übersicht zu HIV-Kriminalisierung in den Bundesstaaten

Das ‚Center for HIV Law and Policy‘ hat eine Übersicht veröffentlicht, in der aktuell zusammengestellt ist, in welchen US-Bundesstaaten Gesetze und andere Maßnahmen angewendet werden, um Menschen mit HIV zu kriminalisieren. Angegeben wird nicht nur die Art der kriminalisierenden Maßnahme, sondern z.B. auch welches Verhalten kriminalisiert wird.

Chart: State­‐by‐State Chart of HIV­‐Specific Statutes and Prosecutorial Tools, Center for HIV Law and Policy (2012) (pdf)

Dominikanische Republik: neues Gesetz kriminalisiert HIV

Die Dominikanische Republik hat ein neues Gesetz verabschiedet. Gesetz Nr. 135-11 (‚HIV/AIDS Law) vom 7. Juni 2011 garantiert HIV-Positiven Grundrechte auf der Karibik-Insel – kriminalisiert aber die HIV-Übertragung. HIV-Positive, die von ihrem Status wissen und ihre Sexpartner/innen nicht vor Sex über ihren HIV-Status informieren, riskieren nach Art. 78 eine Strafe zwischen zwei und fünf Jahren Haft. Für absichtliche HIV-Übertragung drohen nach Art. 79 20 Jahre Haft.

Alliance 20.06.2012: Controversial Aids Law passed in Dominican Republic

Aids-Hilfe beider Basel: Kriminalisierung ist kontraproduktiv

Kriminalisierung sei aus Sicht der Prävention kontraptroduktiv, betont Franziska Reinhard, die neu gewählte Präsidentin der Aids-Hilfe beider Basel:

„Eine einseitige Schuldzuweisung ist in der Regel sowieso falsch. Normalerweise braucht es für ungeschützten Geschlechtsverkehr immer zwei. … Aus Sicht der Prävention hilft eine Kriminalisierung nicht weiter und ist eher kontraproduktiv.“

Franziska Reinhard ist neu gewählte Präsidentin der Aids-Hilfe beider Basel. Sie arbeitet rein ehrenamtlich ohne Bezüge.

Die neu gewählte Präsidentin der Aids-Hilfe Schweiz, Doris Fialla, hatte erst am Jahresanfnag mit ihren Bezügen für Diskussionen gesorgt (die anschließend von 50.000 auf 30.000 sFr gekürzt wurden). Zudem waren Darstellungen der Aids-Hilfe Schweiz von ‚Positive [als] armen, ausgegrenzten leidenden Menschen mit HIV/AIDS, die sich verstecken müssen, ihre Stellen verlieren und eine ungleich hohe Selbstmordrate haben‘ auf Proteste gestossen.

Tageswoche.ch 08.06.2012: Aids Hilfe – «Kriminalisierung hilft nicht weiter»

New York: Speichel HIV-Positiver ist kein „gefährliches Instrument“ …

Der Speichel eines HIV-Positiven ist kein „gefährliches Instrument“. Dies hat das Berufungsgericht von New York am 7. Juni 2012 entschieden, wie das ‚Center for HIV Law and Policy‘ berichtet..

Der Entscheidung kommt große Bedeutung zu: auf der Bewertung des Speichels als „gefährliches Instrument“ basierte eine Verurteilung eines HIV-positiven Mannes wegen schwerer Körperverletzung. Die Verurteilung von David P. zu 10 Jahren Haft wurde aufgehoben, das Berufungsgericht ordnete eine Neu-Verhandlung des Falles an. David P. sitzt seit seiner Verurteuilung 2006 (!) im Gefängnis Sing-Sing in Haft.

Speichel oder jede andere Körperflüssigkeit oder -teil seien niemals ein „gefährliches Instrument“ und damit keine Grundlage, um jemanden unter dem Recht von New York der schweren Körperverletzung anzuklagen, stellte das Berufungsgericht von new York nun fest.

Die Deutsche Aids-Hilfe betont zur Frage der HIV-Übertragbarkeit

„In Speichel, Tränen und Urin sind nur sehr wenige HIV-Viren enthalten. Eine Übertragung über diese Körperflüssigkeiten ist deswegen ausgeschlossen. Außerdem ist das Virus außerhalb des Körpers nur sehr kurz überlebensfähig und kann durch Reinigungsmaßnahmen zuverlässig abgetötet werden.“

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The Center for HIV Law and Policy 07.06.2012: State vs. Plunkett: New York Court of Appeals Says HIV+ Man’s Saliva Is Not a “Dangerous Instrument”
The Center for HIV Law and Policy 07.06.2012: People v. Plunkett, New York Court of Appeals, June 7, 2012

Wien: HIV-positive Frau freigesprochen – wegen Viruslast unter der Nachweisgrenze nicht infektiös (akt.)

Einen 46-jährige HIV-positive Frau war am 1. Juni 2012 vor dem Wiener Landgericht angeklagt wegen „vorsätzlicher Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“. Viruslast unter der Nachweisgrenze – sie wurde freigesprochen.

Die Frau hatte mehrfach Sex mit Männern ohne Benutzung von Kondomen. Alle hätten gewusst, dass sie HIV-positiv ist, sie habe nichts versteckt, verteidigte sich die Frau. Sie weiß seit einer Operation 1999 von ihrer Infektion und hat damals direkt mit antiretroviraler Therapie begonnen. Zudem sei ihre Viruslast aufgrund erfolgreicher Therapie seit 10 Jahren unter der Nachweisgrenze, sie sei davon ausgegangen, somit nicht mehr infektiös zu sein:

„Ich bekenne mich schuldig, dass ich mit Personen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt habe. Aber ich war der Ansicht, dass ich nicht infektiös bin.“

Ihr auf HIV-Therapie spezialisierter Arzt bestätigte dies Presseberichten zufolge. Es sei kein Gdeheimnis, dass gut behandelte HIV-Positive als praktisch nicht mehr infektiös zu gelten hätten, eine Übertragung ausgeschlossen sei.

Die Frau wurde freigesprochen; man könne in diesem Fall nicht von einem Vorsatz ausgehen, so die Richterin Martina Krainz. Das Urteil ist noch nicht nicht rechtskräftig.

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weitere Informationen:
derstandard.at 01.06.2012: Ungeschützer Sex: Freispruch für HIV-Positive
vienna.at 01.06.2012: Prozess: Freispruch für HIV-Positive trotz ungeschütztem Sex mit mehreren Männern
oe24.at 01.06.2012: HIV-Positive hatte Sex mit mehreren Männern – Prozess: 46-Jährige seit Jahren in Behandlung – Gericht sah keinen Vorsatz.
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Schweiz: neues Epidemiegesetz verabschiedet – keine Anklage HIV-Positiver mehr wegen „vorsätzlicher oder fahrlässiger Verbreitung einer gefährlichen übertragbaren menschlichen Krankheit“ (akt.3)

HIV-Positive können zukünftig in der Schweiz nicht mehr (wie bisher möglich) wegen „vorsätzlicher oder fahrlässiger Verbreitung einer gefährlichen übertragbaren menschlichen Krankheit“ angeklagt werden.

Der Schweizer Nationalrat hatte der Revision des Epidemiegesetzes schon am 8. März 2012 mit 119 zu 40 Stimmen zugestimmt. Heute (1. Juni 2012) stimmte nun auch der Ständerat der Revision zu („Revision des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG) (BBl 2011 311)“).

In der Folge wird §231 des Schweizer Strafgesetzbuches revidiert; der neue Text soll lauten „Wer vorsätzlich aus gemeiner Gesinnung eine gefährliche übertragbare menschliche Krankheit verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft.“ Dies solle zukünftig nur noch für Fälle von Bioterrorismus gelten. Für HIV kann dieser Paragraph zukünftig nicht mehr angewandt werden.

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Aktualisierung
01.06.2012, 17:30: Die DAH weist in ihrer Meldung darauf hin, dass „die Veränderung des Gesetzes allerdings nicht die Abschaffung der Strafbarkeit von tatsächlichen oder potenziellen HIV-Übertragungen [bedeutet], die nach wie vor als Körperverletzung geahndet werden können. Die zusätzliche Anwendung des Epidemiegesetzes hat bisher aber häufig zu einem höheren Strafmaß geführt.“
02.06.2012, 10:00: Am 12. Juni 2012 findet noch eine abschliessende Bereinigung der Differenzen des Epidemiegesetzes zwischen Nationalrat und Ständerat statt. (Dank an Michèle für diesen und weitere Hinwiese!)

15.06.2012, 09:30: Die Aids-Hilfe Schweiz weist auf folgende Termin-Verschiebung hin: „Beschluss zum neuen Epidemiengesetz verschoben
Nachdem der Nationalrat in der Frühjahrssession die Totalrevision des Epidemiengesetzes beraten und damit eine Änderung von Art. 231 StGB (Übertragung einer gefährlichen menschlichen Krankheit) beschlossen hat, debattierte auch der Ständerat über das Epidemiengesetz und ist dem Vorschlag des Nationalrats weitgehend gefolgt.
Eine Differenzbereinigung, welche auf den 12. Juni im Nationalrat vorgesehen war, wurde auf die Herbstsession verschoben. Deshalb können wir erst nach Abschluss dieses Verfahrens definitiv sagen, wie der Artikel in Zukunft genau lauten wird. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass der einvernehmlich ungeschützte Sexualkontakt, d.h. wenn die Sexualpartnerin oder der Sexualpartner über die HIV-Infektion Bescheid weiss, nicht mehr strafbar sein wird.“

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weitere Informationen:
DAH 09.03.2012: Schweiz: HIV-Übertragung soll nicht mehr nach Epidemiengesetz bestraft werden
Sitzungsprotokoll der Nationalratssitzung vom 8.3.2012
HIV Justice Network 0ß9.03.2012: Switzerland: New Law on Epidemics only criminalising intentional transmission passed in lower house
DAH 01.06.2012: Schweiz: HIV-Übertragung wird nicht mehr nach Epidemiegesetz bestraft
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Vier Jahre Haft für HIV-positive Frau in München (akt.)

Die HIV-positive Frau, die seit gestern vor dem Landgericht München 1 stand, ist von der siebten Strafkammer heute zu vier Jahren Haft wegen schwerer sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden.

Die 40-jährige HIV-positive aus Nigeria stammende wurde wegen fahrlässiger und vorsätzlicher Körperverletzung angeklagt. Sie soll ohne Benutzung von Kondomen mit einem Mann Sex gehabt haben. Zudem wurde ihr vorgeworfen, einem Arbeitskollegen bei einem Streit in einer Schulküche im September 2011 die halbe Unterlippe weg gebissen zu haben.

Weder ihr Sexpartner noch der Arbeitskollege wurden mit HIV infiziert.

Medienberichten zufolge wurde zu Gunsten der Angeklagten ihr Teilgeständnis berücksichtigt.

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Süddeustche München 31.05.2012: HIV-infizierte Frau verurteilt – Vier Jahre Haft nach Bissattacke

München: 40-jährige HIV-Positive angeklagt (akt.2)

Eine 40-jährige HIV-positive aus Nigeria stammende Frau steht sei Mittwoch, 30. Mai 2012 vor dem Landgericht München I. Sie wird wegen fahrlässiger und vorsätzlicher Körperverletzung angeklagt. Sie soll ohne Benutzung von Kondomen mit einem Mann Sex gehabt haben.

Zudem, so wird ihr vorgeworfen, soll sie einem Arbeitskollegen bei einem Streit in einer Schulküche im September 2011 die halbe Unterlippe weg gebissen haben.

Die Frau bedauerte die Tat vor Gericht, sie schäme sich. Sie habe aus Notwehr gehandelt. Auch ihr Verhalten gegenüber ihrem Freund bezeichnete sie als Fehler; damals habe sie auf Gott vertraut. Mit ihrem Freund habe sie nicht über HIV gesprochen, weil sie sich nicht sicher gewesen sei, ob er bei ihr bleiben würde.

Das Urteil soll ist am Donnerstag, 31. Mai 2012 ergehen ergangen: ondamaris 31.05.2012: Vier Jahre Haft für HIV-positive Frau in München

Die Deutsche Aids-Hilfe fordert “Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“, ebenso die “Deklaration von Oslo über die Kriminalisierung von HIV“. Diese betont

“Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Kriminalisierung der Nichtoffenlegung der HIV-Infektion, der potenziellen Exposition und der nicht vorsätzlichen Übertragung von HIV mehr Schaden anrichtet, als dass sie der öffentlichen Gesundheit und den Menschenrechten nutzt.”

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Aktualisierung
31.05.2012, 10:30: Presseberichten zufolge ist der Mann nicht mit HIV infiziert. Ob die Frau antiretrovirale Medikamente nimmt, ist aus den Berichten nicht ersichtlich.

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weitere Informationen:
SZ München 30.05.2012: HIV-infizierte Frau nach Attacke vor Gericht
Welt online 30.05.2011: HIV-positive Frau beißt Kollegen die Lippe ab
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Dank an A. für den Hinweis!

USA: HIV-Positiver zu 20 Jahren Haft wegen Vergewaltigung verurteilt

Ein 28-jähriger HIV-positiver Mann aus Waterford (Region New York) ist zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, seine ehemalige Freundin vergewaltigt zu haben. Zudem wurde ihm versuchte Infektion seiner Ex-Freundin mit HIV vorgeworfen; diesen Vorwurf bestritt er in der Verhandlung vehement.

Ob die Frau infiziert wurde, ist bisher nicht klar. Ob der Mann antiretrovirale Medikamente nahm, wird im Bericht nicht erwähnt.

Nach Entlassung aus der Haft wird er als Sexualstraftäter registriert und muss sich 25 Jahre lang einer Nach-Strafvollzug-Überwachung unterziehen.

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The Saratogian 17.05.2012: Man sentenced to 20 years in prison for raping his ex-girlfriend, attempting to infect her with HIV

USA / Ohio: drei Jahre Haft für Sex ohne Kondom

Ein 23-jähriger seit Geburt HIV-positiver Mann aus Ohio wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, mit einer Frau Sex ohne Benutzung von Kondomen gehabt zu haben, obwohl er seit seinem 15. Lebensjahr von seiner HIV-Infektion wusste. Medienberichte erwähnen, die Frau sei ‚erkrankt und in diesem Kontext habe der Mann von seiner HIV-Infektion berichtet; ob eine HIV-Übertragung stattfand, ist aus dem vorliegenden Bericht ebenso unklar wie ob der Mann antiretroviral behandelt wird.

Vindy.com 18.05.2012: HIV-positive man sentenced to three years for assault
POZ 21.05.2012: Ohio Man With HIV Gets Three Years for Unprotected Sex

GNP+: Griechische Polizei und Gesundheitsbehörden verletzen Menschenrechte und medizinische Vertraulichkeit

Als Teil eines von der Regierung autorisierten Vorgehens gegen Hunderte von nicht lizenzierten Bordellen in ganz Griechenland sind Prostituierte verhaftet und gezwungen worden zu HIV-Tests, und sehen sich nun Strafanzeigen ohne Rückgriff auf ein ordnungsgemäßes Verfahren ausgesetzt, zudem wurden sie öffentlich in den Medien identifiziert.

Als Ergebnis dieser Maßnahmen werden Frauen angeklagt unter dem Vorwurf vorsätzlicher schwerer oder gefährlicher Körperverletzung, nur weil sie HIV-positiv sind. Es gibt keinen Beweis für Gefährdung oder Übertragung auf andere, noch ist es klar, ob auch nur eine dieser Frauen ihren HIV-Status vor diesem Test kannte. Sie stehen vor weiteren Anklagen für Vergehen im Zusammenhang mit angeblicher illegaler Prostitution.

Diese Aktionen der griechischen Polizei und des Ministeriums für Gesundheit und KEELPNO [1] verletzen die grundlegenden Menschenrechte. Sie stehen auch im Widerspruch zu grundlegenden Prinzipien der öffentlichen Gesundheit der informierten Zustimmung und des freiwilligen Zugangs zu Dienstleistungen.

Wir schließen uns der UNAIDS-Presseerklärung und dem offenen Brief der EATG an in ihre Forderung an die griechischen Behörden, ihre Maßnahmen im Hinblick auf evidenzbasierte Programme zu überprüfen und ein günstiges rechtliches Umfeld zu schaffen, das für alle Menschen einschließlich SexarbeiterInnen und ihre Kunden, Menschen, die Drogen nehmen, Migranten und Asylbewerber den Zugriff auf freiwillige und vertrauliche HIV-Prävention, Behandlung, Pflege und Support-Services ermöglicht, so dass sie HIV-Infektionen vermeiden können oder ein gesünderes Leben führen können, falls sie HIV-positiv sind.

Das Global Network of Sex Work Projects (NSWP) hat sich für die Achtung der Rechte von Frauen, Männer und Transgender SexarbeiterInnen seit 1992 eingesetzt, darunter gegen die obligatorische Registrierung und Prüfung von Sexarbeiterinnen. „Wir fordern, dass die griechische Regierung die nicht gerechtfertigte Verfolgung dieser Frauen stoppt und das erzwungene Testen von Sexarbeiterinnen beendet, die aufgrund des Vorwurfs der Sexarbeit verhaftet wurden“, sagt Ruth Morgan Thomas, Global Coordinator von NSWP. „Es ist Zeit, derartige diskriminierende Strafverfolgung und medizinische Verhaltensweise, welche die grundlegenden Menschenrechte von SexarbeiterInnen verletzen, zu beenden.“

GNP + hat seit langem für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte aller Menschen mit HIV und die Beseitigung von rechtlichen und politischen Hindernisse für die HIV-Pflege befürwortet. „Solche diskriminierenden Anwendung des Strafrechts und der Polizeibehörde sind kontraproduktiv und ineffizient für die HIV-Prävention und stigmatisiert zusätzlich eine bereits marginalisierte Gruppe“, sagt Kevin Moody, GNP + Internationaler Koordinator und CEO. „Wir fordern für die griechische Regierung und die Polizeibehörden, die obligatorische HIV-Tests und die Verletzung der Geheimhaltungspflicht zu stoppen und wirksamere Maßnahmen zu erwägen, um die Gesundheit, Würde und das Wohlbefinden von Menschen mit HIV zu fördern.“

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[Presseerklärung von GNP+ und NSWP; Übersetzung ondamaris; Original-Text siehe unten]

siehe auch:
ondamaris 08.05.2012: Griechenland: HIV-Zwangstests bei Prostituierten

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Violation of human rights and breaches of medical confidentiality by the Greek Police and Health Authorities

The Global Network of People living with HIV (GNP+) and the Global Network of Sex Work Projects (NSWP)

As part of a Government authorised crackdown on hundreds of unlicensed brothels around Greece, sex workers are being arrested, submitted to forced HIV testing and facing criminal charges without recourse to due process, as well as being publically identified in the media.

As a result of these actions women are to face prosecution on charges of intentionally causing grievous bodily harm merely because they are HIV positive. There is no proof of exposure or transmission to others nor is it clear that any of these women knew their HIV status prior to this test. They are facing further charges for misdemeanours related to alleged illegal prostitution.

These actions of the Greek Police and the Ministry of Health and KEELPNO[1]violate fundamental human rights. They also contravene fundamental public health principles of informed consent and voluntary access to services.

We join UNAIDS (press statement) and others (EATG open letter ) in urging the Greek authorities to review their actions with a view to adopting evidence-based programmes and an enabling legal environment that supports all people—including sex workers and their clients, people who use drugs, migrants and asylum-seekers—to access voluntary and confidential HIV prevention, treatment, care and support services so that they can avoid HIV infection or live a healthier life if HIV-positive.

The Global Network of Sex Work Projects (NSWP) has campaigned for the respect of female, male and transgender sex workers rights since 1992, including opposing the mandatory registration and testing of sex workers. /“We demand that the Greek government stop the unjust prosecution of these women and end the forced testing of sex workers arrested on sex work related charges,“/ says Global Coordinator of NSWP, Ruth Morgan Thomas. /“It is time to end such discriminatory law enforcement and medical practices, which violate the fundamental human rights of sex workers.“/

GNP+ has long advocated for the promotion and protection of human rights of all people living with HIV and for the removal of legal and policy barriers to HIV care. /“Such discriminatory use of the criminal law and police authority is counterproductive and ineffective to HIV prevention efforts and further stigmatizes an already marginalized group,“/ says GNP+ International Coordinator and CEO, Kevin Moody. /“We call for the Greek government and police authorities to stop mandatory HIV testing and breaches of confidentiality, and consider more effective measures that promote the health, dignity and well being of those living with HIV/.“
[1]
*Hellenic Centre for Disease Control and Prevention *

Griechenland: HIV Zwangstest bei Prostituierten (akt.)

HIV Zwangstest seit Ende April 2012 in Griechenland ohne Einwilligung des/der Betroffenen möglich: Die griechischen Gesundheitsbehörden KEELPNO führen nun in Zusammenabreit mit der griechischen Polizei vermehrt Zwangs-HIV-Tests durch bei Personen, die in legalen sowie illegalen Bordellen arbeiten, sowie bei Prostituierten auf dem Straßen-Strich und bei Drogengebraucher/innen. Das Gesundheitsministerium Griechenlands verlangt eine Intensivierung der Zwangstests bei legalen und illegalen Prostituierten.

Bereits seit September 2011 führen mobile Teams der griechischen Gesundheitsbehörden KEELPNO mit Einverständnis der Prostituierten Tests auf HIV, Hepatitis B und C sowie Tuberkulose durch. Hierbei wurde bei den untersuchten Gruppen ein deutlicher Anstieg festgestellt.

Erst jüngst war das Verhalten der Staatsanwaltschaft und Polzei Griechenlands international in die Kritik geraten, als diese Photos und Daten von elf HIV-positiv getseteten Prostituierten online stellte (siehe ondamaris 2.5.2012: Mittelalter à la grecque ? – griechische Polizei stellt HIV-positive Frauen öffentlich an den Pranger).

Eine internationale Petition wendet sich an den griechischen Präsidenten Lucas Papademos und fordert ihn auf, die HIV Zwangstest s zu beenden.

Eule (Symbol der Athena) auf der Akropolis (Foto: wpopp)
Eule (Symbol der Athena) auf der Akropolis (Foto: wpopp)

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Aktualisierung
11.05.2012, 12:00: UNAIDS zeigte sich besorgt über die jüngsten Vorgänge in Griechenland und fordert Griechenland auf, die Rechte von Sexarbeiter/innen sowie ihren Kunden zu achten und für umfassende und auf Freiwilligkeit basierende HIV-Programme einzusetzen. „There is no evidence that punitive approaches to regulating sex work are effective in reducing HIV transmission among sex workers and their clients.“

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EMG 05.05.2012: Warning signs of HIV+ ‚explosion‘ date back to early 2010, health ministry admits
change.org: To the Prime Minister of Greece: Stop the forced testing and outing of sex workers
Prof. Matthew Weait 05.05.2012: Greek brothel arrests
UNAIDS 10.05.2012: UNAIDS calls on Greece to protect sex workers and their clients through comprehensive and voluntary HIV programmes

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JungeWelt 07.08.2012: »Sie wurden als ›biologische Bomben‹ bezeichnet«

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Österreich: ein Jahr Haft für HIV-Positiven – „Hier geht es rein um die Gefährdung!“

Ein 31-jähriger HIV-positiver Mann stand am 2. Mai 2012 in Innsbruck vor Gericht. Er habe Ende 2011 fünf Frauen sowie ein ungeborenes Kind gefährdet. Er wurde zu einem Jahr Haft verurteilt, davon zehn Monate bedingte Haft.

Der Mann nahm einem Pressebericht zufolge erfolgreich antiretrovirale Medikamente, er sei ’nicht ansteckend‘ habe ihm seine Klinik gesagt. Allerdings habe er im Zusammenhang mit einer Scheidung sowie dem Tod seiner Mutter die Medikamente abgesetzt.

„Hier geht es rein um die Gefährdung“, begründete der Richter das Urteil. Keine der Frauen wurde mit HIV infiziert.

Tiroler Tageszeitung 03.05.2012: Aids-Kranker hatte Sex ohne Kondom

Mittelalter à la grecque ? – griechische Polizei stellt HIV-positive Frauen öffentlich an den Pranger

Hat Athen mitten in der Krise nun den Pranger wieder entdeckt? Diesmal in der ‚modernen‘ Kombination Aids, Prostitution – und Internet und Polizei?

Elf Frauen, jede mit Namen, Geburtsdaten und Photos – öffentlich als an Aids erkrankt bezeichnet, im Internet, auf einer offiziellen Seite, einer Seite der griechischen Polizei …

Was ist geschehen?

„Aids-Angst in Athen“ oder „Aids: Behörden suchen Freier“ titeln die Medien. Den Hintergrund, ja Anlass für aktuelle Berichte liefert – die griechische Polizei und Staatsanwaltschaft.

Etwa einhundert nicht registrierte Prostituierte haben die Behörden in Athen festgenommen, auf dem Straßenstrich und in illegalen Bordellen. Sie wurden auf  Veranlassung der griechischen Gesundheitsbehörden (KEEL.PNO) mit mobilen Tests auf HIV untersucht – ob freiwillig, darüber sagen die Medienberichte nichts. Elf von ihnen wurden HIV-positiv getestet.

Und  nun sucht die Staatsanwaltschaft Athen nach Freiern, die Sex mit diesen Frauen hatten. Dazu ordnete sie an (!), Bilder dieser Frauen zu veröffentlichen (!) – im Internet (!).

Um ‚die Kunden zu warnen‘, wie es heißt – und vielleicht auch, um etwaige Kunden nicht nur zu einem HIV-Test zu bewegen, sondern auch zu einer Anzeige zu motivieren. Die Frauen hatten den Berichten zufolge gestanden, Sex ohne Kondome gehabt zu haben.

So finden sich seit dem 1. Mai 2012 nun auf einer offiziellen Internetseite der Athener Polizei (hier; ergänzt um eine Pressemitteilung) 22 Fotos – jede der elf Frauen ist in einer Ganzaufnahme sowie einer Gesichts-Aufnahme zu sehen. Alle elf Frauen werden nicht nur in je 2 Photos gezeigt, auch ihr voller Name sowie Geburtsort und Geburtsdatum werden genannt. Das Ganze unter dem Titel „Bekanntmachung der Veröffentlichung von Photos von elf Frauen, die einer Gesundheitskontrolle zufolge AIDS haben“.

Griechische Medien berichten seit einigen Tagen breit über die Verhaftungen und HIV-Tests – und auch deutsche Medien greifen das Thema inzwischen auf.

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Erschüttert sehe ich erste Meldungen. Recherchiere ein wenig [danke, A.!]. Stoße bald auf die Internetseite der griechischen Polizei, die die Photos von elf Personen mit Namen und Geburtsdaten veröffentlicht.

Bin erschüttert, fassungslos.

Geht’s noch?

Mittelalter in Zeichen des Internets?

Pranger à la grecque?

Haben die Frauen keinerlei Persönlichkeitsrechte?

Gibt es keinen Datenschutz?

Oder waren sie etwa mit der Veröffentlichung ihrer Photos  und Daten einverstanden?

Hat irgend jemand die Freier gezwungen, beim Sex auf die Benutzung von Kondomen zu verzichten?

Oder haben die Freier – und nicht die Prostituierten – vielleicht eher selbst nach „Sex ohne“ (Kondom) verlangt?

Werden die Freier jetzt eigentlich auch öffentlich an den Pranger gestellt? Mit Foto und Geburtsdaten? Weil sie ohne Kondome zu benutzen Sex mit Prostituierten hatten?

Niemand darf wegen seiner HIV-Infektion an den Pranger gestellt werden.

Dies gilt für jeden Menschen – unabhängig u.a. auch von seiner Tätigkeit, unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus.

Im Umgang mit Medien erleben Menschen mit HIV schon seit Jahren oft genug keinen Respekt – und erwarten ihn doch, selbstverständlich.

Respekt, Sensibilität –  gerade von staatlichen Stellen sollte ihn jeder Mensch  mit HIV erwarten dürfen. Und nicht das Gegenteil – öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.

Oder rechtfertigt Aids hier – wieder einmal – jedes Mittel?

Wenn wir dies ohne Protest hinnehmen – befinden wir uns bald wieder im Mittelalter.

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Pranger im Folter-Museum Freiburg (Foto: Flominator)
Pranger im Folter-Museum Freiburg (Foto: Flominator)

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siehe auch
The Times That Belong To Us 03.05.2012: Greek brothel arrests
DAH 06.05.2012: Hilflos gefangen in den Netzen der Huren?

Bahrain: neues Gesetz für HIV-Kriminalisierung geplant

Das Königreich Bahrain plant ein neues Gesetz, das die HIV-Übertragung kriminalisiert. Bei ‚absichtlicher HIV-Übertragung‘ drohen zehn Jahre Haft.

Die neue Regelung ist Bestandteil eines Gesetzes, das einem Pressebericht zufolge „die Rechte von HIV- und Aids-Patienten in Bahrain schützen soll“ und auch Diskriminierung von HIV-Positiven, insbesondere im Arbeitsbereich, behandelt.

Die Regierung des Königsstaats  Bahrain geht gegen Protestbewegungen und Menschenrechtsorganisationen seit Monaten gewaltsam vor. Erst vor kurzem hatte ein umstrittenes Formel-I-Rennen im Umfeld von Protesten, Verletzten und einem Toten für traurige Aufmerksamkeit gesorgt.

Im Bahrain direkt benachbarten Staat Qatar (Katar) hat Ende 2011 der Fernsehsender Al Jazeera hat einem südafrikanischen Journalisten gekündigt – vermutlich aufgrund seiner HIV-Infektion.

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Khaleej Times 18.04.2012: New law to help curb spread of HIV, AIDS

Österreich: OLG-Graz: Sex zwischen Hiv-Positiven ist nicht strafbar – Anklage zurückgewiesen

Ein Grazer Staatsanwalt wollte die staatlichen Safer Sex Regeln und Sex zwischen Hiv-Positiven kriminalisieren. Das Landesgericht und das Oberlandesgericht haben seine Anklage jedoch zurückgewiesen. Das Rechtskomitee LAMBDA (RKL), Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente Frauen und Männer, begrüßt die Verwerfung der absurden Anklage.

Der unbescholtene Mann ist Hiv-positiv. Die Staatsanwaltschaft (StA) Graz hat gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil ihn ein anderer Hiv-positiver Mann beschuldigt, ihn mit Hiv angesteckt zu haben. Tatsächlich hatte der Mann mit diesem anderen Mann vor Jahren einvernehmlichen sexuellen Kontakt, jedoch entsprechend den vom Gesundheitsministerium und den Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln, also mit Sexualpraktiken, bei denen eine Ansteckung so gut wie ausgeschlossen ist (Oralverkehr ohne Ejakulation in den Mund).

Erpresst und angezeigt

Der mehrfach wegen Gewalt-, Suchtgift- und Vermögensdelikten vorbestrafte Anschuldiger hat die Anzeige, in der er ungeschützten passiven Analverkehr behauptete, erst Jahre nach dem sexuellen Kontakt erstattet und erst nachdem der Beschuldigte nicht bereit war, seine erheblichen finanziellen Forderungen zu erfüllen. Zudem hat er selbst in seiner Einvernahme angegeben, anderweitig sexuelle Kontakte (zB in Sexkinos) gehabt zu haben und hatte er im Internet flüchtige sexuelle Kontakte („Sexdates“) gesucht mit einem Profil, auf dem angegeben war: „Safer Sex: Niemals“. Darüber hinaus ist dieser Mann nach seinen eigenen Angaben heroinsüchtig, und war daher, außer dem sexuellen noch anderen Übertragungswegen für eine Hiv-Infektion ausgesetzt.

Das gegen den Anschuldiger (wegen des Verdachts der schweren Erpressung) eingeleitete Strafverfahren wurde „wegen der widerstreitenden Aussagen“ sogleich nach Einvernahme der beiden Männer eingestellt. Nicht jedoch das Verfahren gegen den unbescholtenen der beiden Männer. Diesen klagte die Staatsanwaltschaft Graz an: wegen des Verdachts der Gefährdung durch übertragbare Krankheiten (§ 178 Strafgesetzbuch). Auch zwischen Hiv-positiven seien ungeschützte Sexualkontakte strafbar und Oralverkehr sei auch ohne Ejakulation in den Mund strafbar, so die Staatsanwaltschaft, entgegen den staatlich propagierten Safer Sex Regeln.

Staatsanwalt kriminalisierte Safer Sex

Das Landesgericht für Strafsachen Graz hat die Anberaumung einer Hauptverhandlung verweigert und die absurde Anklage zurückgewiesen, weil eine Verurteilung des Mannes nicht nahe liege. Sex zwischen Hiv-Positiven sei nicht strafbar und die Staatsanwaltschaft habe nicht einmal versucht zu klären, ob der Anschuldiger zum Zeitpunkt des Sexualkontakts bereits Hiv-positiv gewesen sein könnte. Zudem seien sehr wohl die unterschiedlichen Ansteckungswahrscheinlichkeiten bei Anal- und Oralverkehr zu berücksichtigen. Der Staatsanwalt erhob Beschwerde. Das Oberlandesgericht Graz bestätigte jedoch die Zurückweisung der Anklage (OLG Graz 16.02.2012, 8 Bs 40/12m).

„Nach unerfreulichen Vorfällen der jüngsten Zeit sind wir über die grundvernünftigen Entscheidungen der Grazer Richter hocherfreut“, sagt der Präsident des RKL und Rechtsanwalt des Angeklagten Dr. Helmut Graupner, „UNAIDS und die EU-Grundrechteagentur fordern im übrigen seit Jahren die Beseitigung derartiger Straftatbestände“.

(Pressemitteilung RK Lambda)