Kau mal wieder Gummi …

Aus fernen Landen erreichte uns diese innvovative und graphisch besonders gelungene Darstellung einer völlig neuen Präventions-Botschaft:

Kau Gummi
Kau Gummi

Wie das Kauen von Gummi zur (sexuellen) Sicherheit beitragen könnte, hat sich der Redaktion zwar bisher noch nicht erschlossen, aber wir erwarten in Bälde erste Studien des bemühten ‚Science Institute of Ivory Tower‘ …

Und – Dank an TWIMC 🙂

Wäre ich positiv …

„Wenn ich positiv wäre …“, mit diesem Motto hinterfragen Prominente in einer französischen Kampagne Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV und Aids.

Während der Welt-Aids-Konferenz in Mexico Stadt startet Aides, die französische Aidshilfe-Organisation, eine neue Kampagne gegen die Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV und Aids, gegen HIV-Phobie und Aids-Phobie

‚Si j’étais seropositif …‘, fragen Prominente in verschiedenen Konstellationen.An der Kampagne nehmen u.a. teil Peter Piot, UNAIDS Executive Director, und Kate Thompson, Cheffin von Civil Society Partnerships sowie Dr. Michel Kazatchkine, Direktor des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, und Dr. Julio Montaner, Präsident der International Aids Society.

„Wäre ich positiv, würdest du mich zu dir nachhause einladen?“, fragt z.B. Mette-Marit, 33jährige norwegische Kronprinzessin und seit 2006 UNAIDS-Sonderbotschafterin.

„Wenn Sie es wären …“, fordert die Site der Kampagne ‚Si j’étais seropositif‘ zum Nachdenken auf – und dazu, Solidarität auszudrücken und Diskriminierungen zurück zu weisen.

Aides Sarkozy 'Würden Sie mich wählen, wenn ich HIV-positiv wäre?' (c) Aides
Aides Sarkozy 'Würden Sie mich wählen, wenn ich HIV-positiv wäre?' (c) Aides

Die nun gestartete Kampagne ist die Fortsetzung einer bereits 2006 und 2007 durchgeführten Kampagne. 2006 hatten sich Basketballspieler der 15. französischen Meisterschaften gegen Diskriminierung engagiert.

2007 hatten u.a. die damaligen Kandidaten zur französischen Präsidentschaftswahl teilgenommen. Auf einem der Motive hatte Nicolas Sarkozy, heute französischer Staatspräsident, gefragt ‚Wenn ich positiv wäre, würden Sie mich wählen?‘ – mit dem Untertitel ‚Aids bekämpfen, nicht HIV-Positive’…

Die Aides-Kampagne scheint auch international begehrt – sie wurde inzwischen in Belgien (wallonischer und französischer Teil) sowie in Hongkong kopiert. Eine Übernahme von UNAIDS für China ist in Planung.

Abstinenz macht krank

Demnächst (vom 3. bis 8. August 2008) findet die weltgrößte Aids-Konferenz in Mexico City statt, die XVII International Aids Conference. Abstinenz, auch dort wieder von der US-Regierung unter Bush hochgehalten, hat als Aids-Präventions-Prinzip vollkommen versagt.

Die Welt-Aids-Konferenz naht. Und mit ihr eine Flut von Medien-Berichten über Aids. Eines der Themen wird darin auch immer wieder sein, ob Abstinenz als Präventionsstrategie taugt.

In Deutschland ist zwar recht einhellige Meinung „Wir setzen nicht darauf, den Jugendlichen Enthaltsamkeit zu empfehlen“ (BZgA-Direktorin Pott 2007 in der SZ). Aber sexuelle Abstinenz (Enthaltsamkeit) ist auch in Europa und Deutschland eine gelegentlich (nicht nur aus katholischen Kreisen) ernsthaft geforderte Strategie (wenn auch manchmal verbrämt als ‚freiwillige‘ ‚Verminderung des sexuellen Verlangens‘).

Sexuelle Abstinenz als Mittel der Aids-Prävention?
In der Theorie vielleicht ja, könnte man denken – wer keinen Sex hat, kann sich (sexuell) auch nicht infizieren.
In der Praxis: nein. Abstinenzprogramme scheitern nicht nur, sie schaden auch noch der Gesundheit.

Ein Artikel auf der US-Site TheBody fasst den Stand in Sachen Abstinenz-Debatte gut zusammen:
AIDS-Präventions-Programme, die sich darauf beschränken, nur Abstinenz bis zur Ehe zu predigen, sind eine gigantische Geldverschwendung. Sie sind kontraproduktiv und sie gefährden potenziell die Gesundheit.

Nur ein Beispiel dafür:
Eine von der SZ genannte Studie kommt zudem zu dem Ergebnis, dass Menschen in der ‚Abstinenz-Gruppe‘ mehr Sex haben. In Communities, in denen sexuelle Enthaltsamkeit gepredigt wurde (in den USA gerne mit einem entsprechenden ‚Versprechen‘) war dem TheBody-Bericht zufolge die Häufigkeit sexuell übertragbarer Erkrankungen (wie Syphilis, Tripper etc.) signifikant höher als in anderen Gruppen.

Zudem, so der lesenswerte Bericht, zeigen Studien, dass Nur-Abstinenz – Programme sexuelle Stereotype befördern, ebenso antischwule Einstellungen und eine Ignoranz HIV gegenüber.

Nachdem über eine Milliarde US-Dollar für Abstinenz-Programme ausgegeben worden seien, gebe es keine einzige wissenschaftliche Studie in einem seriösen peer-reviewed-Journal (peer review ist ein Verfahren der Qualitätsssicherung in wissenschaftliche Fachpublikationen), das zeige, dass Abstinenz jungen Menschen helfen könne gute und gesunde Entscheidungen in Sachen Sex zu treffen.

Die Bush-Regierung fordert (auch im PEPFAR-Programm, siehe ‚USA: Ende des Einreiseverbots zeichnet sich ab‚) weiterhin, dass im Rahmen von Aids-Programmen, die sie unterstützt, Abstinenz als eine wirksame Aids-Präventions-Strategie eine zentralen Bedeutung haben müsse. Im Gegenteil, Bush fordert eine Ausweitung der Abstinenz-Programme um weitere 28 Millionen Dollar.

Nachtrag
06.01.2009: ‚Voreheliche Abstinenz erweist sich als unwirksam‘, berichtet CDC/NPIN über die Ergebnisse einer großen Feldstudie.

Kondomautomat an Schulen

Sollen an staatlichen Schulen Kondom-Automaten aufgestellt werden? Ja, meint der brasilianische Gesundheitsminister.

Brasilien zeigt, wie Prävention pragmatisch gestaltet werden kann: der brasilianische Gesundheitsminister Jose Gomes Temporao kündigte an, 400 Kondom-Automaten an staatlichen Schulen installieren zu lassen.
Bereits seit 2003 werden Kondome an Brasiliens Schulen verteilt. Das brasilianische Präventions-Motto „faca com camisinha – Mach was du willst, aber mach es mit Kondom“ kommt so auch in die schulische Praxis …

Kondom-Automaten an staatlichen Schulen sind in Deutschland immer wieder Gegenstand leidenschaftlicher Debatten:
2003 z.B. protestierte die katholische Kirche, als an allen Oberschulen im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf (als erstem und einzigem Bezirk in Berlin) Kondom-Automaten aufgehängt wurden, das sei „ein falsches Signal“.
In Hamburg hingegen hatten 2004 Schulleiter und Lehrer (!) massiv gegen den Vorschlag protestiert,  Kondomautomaten an Schulen aufzustellen. Begründung damals: dann gebe es ja für die Schüler keine Hemmschwelle (!) mehr, Kondome zu kaufen.

In Bayern hingegen gilt ganz klar: keine Kondom-Automaten an Schulen. „Ein verzerrtes Bild menschlicher Sexualität wie auch eine einseitige mechanische Darstellung menschlichen Sexualverhaltens sind zu vermeiden. Auch deshalb hat das Aufstellen von Kondomautomaten in den Schulen zu unterbleiben.“ („Richtlinien für die AIDS-Prävention an bayrischen Schulen“, 15.03.1989; als pdf hier)

Herausforderung Prävention

Im folgenden als Dokumentation eine Rede, die Klaus-Peter Hackbarth, Vorstandsvorsitzender der Aids-Hilfe NRW e.V., aus Anlass des CSD-Empfangs 2008 am Samstag,5. Juli 2008 in Köln hielt:
:

Herausforderung Prävention

Rede von Klaus-Peter Hackbarth zum CSD-Empfang 2008, Köln

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Preisträger,
liebe Freunde und Freundinnen,

wir, die Aidshilfen und unsere Mitstreiter in der schwulen Selbsthilfe arbeiten gemeinsam daran, dass möglichst wenige Menschen sich mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten infizieren. Dabei stehen wir immer wieder vor neuen Herausforderungen in der Präventionsarbeit. Beispielsweise die steigende Zahl der HIV-Neudiagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben, lassen uns aufhorchen. Und die Präventionsbotschaften werden nicht einfacher: Die veränderten HIV-Übertragungsrisiken bei erfolgreich anti-viraler Therapiepr, so eine Schweizer Empfehlung, fordern eine noch individuellere und differenziertere Beratung. Und die vermeintliche Abnutzung alter, aber immer noch gültiger Präventionsbotschaften sowie eine sich ständig verändernde schwule Szene fordern uns heraus, d.h. erfordern kontinuierliche Fortbildung und Kreativität im Sinne auch von „Prävention muss sich immer wieder neu erfinden, um attraktiv zu bleiben“.

Neben der so genannten Verhaltensprävention – also der Ermutigung zum Safer Sex – stand für uns die Verhältnisprävention stets im Zentrum unseres Handelns, also auch der Aufbau von Strukturen zur Stärkung der schwulen Community. Man könnte auch von einem „Gemeindemodell“ sprechen, das es aufzubauen gilt und in dem sich der schwule Mann in seinen sozialen, funktionalen und kulturellen Beziehungen mit anderen wieder findet.

Ist uns dies gelungen? Oder müssen wir uns eingestehen, dass es statt einer funktionierenden schwulen Gemeinde nur die Fassade potemkinscher Dörfer zu bestaunen gibt?

Wie wird heute schwules Leben wahrgenommen? Durch immer coolere Szene- und Fetischpartys?. Durch die wachsende Zahl sauberer, aber bloß nicht zu cleaner, schwulen Saunen? Oder lediglich als Gruppe, die in Deutschland immer noch am meisten von HIV und Aids bedroht ist?

Findet schwules Leben jenseits dessen also noch statt? Oder zerstreut sich unsere schwule Gemeinde z.B. in die unendlichen Weiten des World Wide Web? Unsere Kneipenszene scheint sich auszudünnen und schwule Vereine klagen zunehmend über Mitgliederschwunde. Wenn ich den vielen Stimmen aus der Szene Glauben schenken darf, reduziert sich das Engagement der allermeisten auf die Suche nach Sexdates.

Aber: Ist das wirklich so? In der Tat hat sich ein neues „Aktivierungsfeld“ aufgetan, ein neues „Gemeindezentrum“ schwulen Lebens scheint zu entstehen. Und hier findet tatsächlich ein ausgesprochenes Gemeinschaftsleben statt. Nur heißen die Zusammenschlüsse hier nicht mehr Vereine, sondern Clubs. Da gibt’s den Eisenbahnerclub, den Bartmännerclub, den Club „schwul mit Hunden“ (NB: Rosa Königs-Pudel-Besitzer?), den Club für schwule Marokkaner oder den Club „schwuler tauchen“ (NB: Suche nach dem verschollenen Penisfisch?). Eine kleine Auswahl erstaunlich vieler Aktivitäten neben den viel zitierten „nur Sexdates“.
(NB: Wenn ich bedenke, wie sehr wir uns immer gegen die so genannten rosa Listen ausgesprochen haben, ist es doch interessant, welche Informationen wir heute bereitwillig den blauen Seiten [gleich GayRomeo] anvertrauen.)

Die Aidshilfen hier in NRW haben dieser Entwicklung und den Angeboten des „schwulen Internets“ bereits Rechnung getragen. Angestoßen von unserer Herzenslust-Kampagne bieten verschiedene Projekte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Kooperation mit schwulen Kontaktportalen eine umfangreiche Gesundheitsinformation an. Ähnlich wie in der Vor-Ort-Arbeit in schwulen Kneipen, Bars oder Saunen, können wir online bei Fragen zu HIV, Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten Auskunft geben, also dort wo schwule Männer heute Kontakte knüpfen – wofür auch immer.

Wer also nicht ins Internet geht, bekommt scheinbar weniger vom schwulen Leben mit. Daher ist es unser Anliegen, insbesondere auch ältere schwule Männer an das Internet heran zu führen. Auch diese Gruppe sollte nach wie vor im Fokus unserer Präventionsarbeit stehen; insbesondere auch, weil sie von HIV weiterhin besonders betroffen sind. Wir bemerken gerade hier oft Vereinsamungstendenzen, die durch die Abnahme lebensbejahender Aussichten in die Zukunft – nach dem Motto „Für was oder wen soll ich mich schützen?“ – für eine HIV-Infektion anfälliger werden. Wir sollten versuchen ältere Schwule mehr untereinander und mit jüngeren in Kontakt zu bringen. Hierfür bietet sich das Internet doch geradezu an.

Unser Ziel muss sein, reale Welt und virtuelle Realität nicht weiter auseinander driften zu lassen, sondern zusammenzubringen. Etwa in dem wir, die Aidshilfen und auch die Mitgliedorganisationen des Schwulen Netzwerks, uns verstärkt in dieses Spektrum von „Gemeindeleben“ einklinken z.B. durch Angebote regionaler realer Stammtische, die sich im Internet zusammen finden oder durch politische Onlineplattformen und ähnliches. Wir möchten weiterhin soziale Unterstützung für viele bieten, so dass ein Wir-Gefühl entstehen kann und aktive Teilhabe ermöglicht wird.

(NB: Das so etwas „klappen kann“ mag folgendes Beispiel belegen: Als das Fußball-EM-Spiel Kroatien-Deutschland stattfand, war ich in Frankfurt. Auf der Suche nach einem schwulen Biergarten mit Großbildschirm nutzte auch ich das Onlineportal. Ein schwuler Biergarten war mir deshalb wichtig, weil ich das Spiel gemeinsam mit Schwulen und Lesben erleben wollte. Gesucht, gefunden. Der besondere Flair hierbei ist: Nur in einem schwulen Biergarten wagen es Jungschwuppen während des Spiels ihre beste Freundin anzurufen, um für das morgige Frühstück Prosecco zu bestellen, während in Basel unser Michael Ballack vom Portugiesen Ronaldo böse gefoult wird und die tobende Menge eine rote Karte und mindestens einen Elfmeter fordert. Prosecco ist manchem halt wichtiger; und das ist auch gut so!)

Ich habe es bereits erwähnt, dass Schwule in Deutschland auch als die Gruppe wahrgenommen wird, die am meisten von HIV und Aids betroffen ist. Darauf dürfen wir uns nicht reduzieren lassen!
Wir wollen als Bürger dieses Landes wahrgenommen werden, die, wie andere auch, zum Zusammenleben ihren Beitrag leisten: in Vereinen, im Sozialenwesen, in der Kultur oder schlicht als Wirtschaftsfaktor.

Ein anderes Phänomen ist unsere Geschichtsvergessenheit. Ich bin sehr darüber erstaunt (besser erschrocken), dass viele der unter 35-jährigen schwulen Männer und auch lesbischen Frauen nicht mehr die Bedeutung des Rosa oder Schwarzen Winkels kennen und das damit verbundene KZ-Grauen. Viele wissen nicht, dass die Entkriminalisierung schwuler Lebensweisen durch die Abschaffung des Paragrafen 175 StGB erst Anfang der 90ziger Jahre vollzogen worden ist.
Personen der neuen deutschen Schwulenbewegung, die mir persönlich sehr wichtig sind, wie etwa Rosa von Praunheim oder der an Aids verstorbene Kölner Jean-Claude Letiste, werden über kurz oder lang zunehmend in Vergessenheit geraten.
Nur – dieses Vergessen kann nicht gut sein, so der verstorbene belgische Schriftsteller Jean Améry: „Niemand kann aus seiner Geschichte austreten. Man soll und darf die Vergangenheit nicht auf sich beruhen lassen, weil sie sonst auferstehen und zu einer neuen Gegenwart werden könnte.“ (Ende des Zitats).

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich es nicht verstehen kann, wie auch heute noch Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben die schwule Community als „Triebbündel“ bezeichnen dürfen oder wie jüngst passiert ein Fußballlehrer Homosexualität mit Pädophilie gleichsetzt. Es ist auch ein Angriff auf unsere Persönlichkeitsrechte und ich erwarte von anderen Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben den klaren und eindeutigen Widerspruch dagegen.

Zur Stärkung und zur Sicherung einer dauerhaften liberalen und akzeptierenden Haltung gegenüber schwul-/lesbischen Lebensweisen ist es aus meiner Sicht unabdingbar, dass die bisherigen Strukturen im schwul-lesbischen Gemeinwesen nicht nur gefestigt sondern weiter ausgebaut werden. Wir sind noch zu weit entfernt von einer substantiellen Akzeptanz von Schwulen und Lesben in diesem Land; und ich meine das hier ohne „Wenn und Aber“, d.h. die Konstruktion einer Gleichstellung mit heterosexuellen Lebensgemeinschaften – und das schließt die Abschaffung bestehender Sondergesetze mit ein.

Hier ist der Staat besonders gefordert: Die lang andauernde Kriminalisierung unter dem § 175 hat u.a. auch bewirkt, dass bis weit in die 90ziger Jahre – und zum Teil bis heute – keine bzw. wenige Strukturen im Jugendhilfe und vor allen Dingen im Altenbereich aufgebaut werden konnten. Hier gilt es Wiedergutmachung zu leisten! In diesem Zusammenhang erneuern wir unsere Forderung an die Landespolitik, die ARCUS-Stiftungsinitiative für schwule und lesbische Selbsthilfe nicht nur ideell zu begleiten, sondern auch mit einem nennenswerten Beitrag für das Gründungsvermögen auszustatten.

Auch das erscheint mir nicht ausreichend, sondern analog zu den Entschädigungsleistungen aus NS-Unrecht gegenüber den jüdischen Organisationen, den politisch Verfolgten und gegenüber den Zwangsarbeitern sind alle staatlichen Ebenen gefordert – also auch Bund und Kommune.
Liebe Freunde und Freundinnen, nehmt diesen Appell mit in euere Kreise und Städte!. Seid stolz auf das, was ihr seit und fordert selbstbewusst dass ein, was unser gutes Recht ist!

Lassen Sie mich noch einige Worte sagen zum Thema „HIV-Prävention in der Krise?“ Zurzeit herrscht zum Teil ein Klima der Skandalisierung bezogen auf die steigende HIV-Neuinfektionsrate seit 2001. 2.750 Neu-Diagnosen im Jahr 2007, 2001 waren es 1.440 Neu-Infektionen. Wie kann das nach 25 Jahren Präventionsarbeit und nachhaltiger Kondomwerbung geschehen?
Das Robert-Koch-Institut bestätigt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich das Safer-Sex-Verhalten in den Zielgruppen verändert habe. Somit ist denen zu widersprechen, die eine zunehmende Sorglosigkeit vor allem bei homosexuellen Männern unterstellen.

Richtig ist vielmehr, dass die jetzt vom RKI erfassten Infektionen zum Teil lange vor ihrer Erhebung stattgefunden haben. Darüber hinaus hat sich die Testbereitschaft von schwulen Männern deutlich erhöht. So bieten auch die Aidshilfen zunehmend Testberatung und HIV-Schnelltests an, damit Männer besser auf ihren aktuellen Serostatus reagieren können. Wir erteilen all denen eine Abfuhr, die fordern, die Prävention müsse die „Zügel anziehen“, um die Neuinfektionsrate wieder zu minimieren, erst recht jenen, die hier nach strafrechtlichen Mitteln schreien. So kann – und wird – die Prävention niemals erfolgreich sein.

(Unser) Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat in diesem Zusammenhang gesagt: „Man muss die Grenzen der Prävention immer im Auge behalten!“ (Zitatende) – und wir ergänzen: „Denn eine Prävention, die sich nicht begrenzt, wird unmenschlich, gar diktatorisch.“. Gemeinsam mit unseren Mitstreitenden in der schwulen Selbsthilfe, der Deutschen AIDS-Hilfe und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und mit allen engagierten ehrenamtlichen Mitarbeitern werden wir weiterhin in der Präventionsarbeit sehr erfolgreich sein – und auch das ist … meine Damen und Herren … gut so!

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.

Carla Bruni: nackt für safer sex

Frau Bruni ist seit kurzem die neue Gattin von Herrn Sarkozy.
Frau Bruni hat früher gemodellt.
Von Frau Bruni gibt es aus ihren jüngeren Jahren Nacktphotos, eines davon, eine vor 15 Jahren entstandene schwarz-weiß-Aufnahme, kommt am 10. April in New York zur Versteigerung.

Herr Sarkozy ist inzwischen Staatspräsident Frankreichs.

Und erzürnt darüber, dass seine ‚first lady‘ nackt in britischen Zeitungen abgebildet ist.
Passt das ‚Zarkosy‘ nicht zu seiner Vorstellung von ‚nationaler Identität‚?

Und Carla Bruni selbst sagt, sie sei „sehr sehr wütend“.

Michael Comte, Photograph des in Frage stehenden Photos, versteht die Aufregung nicht. Das Photo sei für ein Aids-Präventionsprojekt entstanden.

„Das Bild ist schön und eigentlich harmlos. Carla Bruni ließ diese Fotografie unentgeltlich für das Projekt Safer Sex machen“, sagte er gegenüber dem Schweizer Fernsehen.

schneller als vorgestellt

Die 12. Münchner Aidstage (zu Gast in Berlin) wurden am Freitag, 14.3.2008 mit Reden von Bundes-Justizministerin Zypries, DAH-Geschäftsführer Pinzón und der ehemalige RKI-Präsident Kurth eröffnet.

Dr. Hans JägerIn seiner Begrüßung betonte Dr. Hans Jäger, Präsident der „12. Münchner Aids-Tage – zu Gast in Berlin“, die HIV-Prävention ändere sich derzeit „schneller, als wir es uns vorgestellt haben.“ Neben dem aktuellen Beschluss der EKAF, der im Verlauf des Kongresses häufig und kontrovers diskutiert wurde, erwähnte er auch den Bereich der gesellschaftlichen Situation von Menschen mit HIV und Aids. Auch hier spiegele sich der (nicht nur medizinische) Fortschritt, so biete die Allianz neuerdings eine Lebensversicherung für HIV-Positive an, ein deutliches Abbild drastisch gesteigerter Lebenserwartungen mit HIV („Versicherungsmathematiker sind Realisten …“).

Brigitte Zypries, Bundesministerin der JustizBundesjustizministerin Brigitte Zypries hielt die erste der drei Eröffnungsreden. Sie habe die Einladung gerne angenommen, da Aids ja -neben allen medizinischen und gesundheitspolitischen Fragen- auch eine „juristische, und das heißt vor allem auch eine gesellschaftspolitische Herausforderung“ sei.
Sie wies -angesichts auch der gerade stattfindenden Debatten um die Folgen des EKAF-Statements beinahe prophetisch- darauf hin, „erfolgreiche Aids-Bekämpfung hängt auch davon ab, dass hier in Berlin politisch die richtigen Weichen gestellt werden.“ Zypries forderte, Prävention „offen und offensiv“ anzugehen

Luis Carlos Escobar Pinzón, Bundesgeschäftsführer Deutsche AidshilfeDr. Luis Escobar Pinzón, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) wies auf die Veränderungen in den Paradigmen hin. Damit Prävention glaubwürdig und erfolgreich sein kann, müsse sie sich an aktuellen Forschungsergebnissen orientieren. Daher arbeite die DAH an „differenzierten Risikominimierungsstrategien“. Bei der neuen Kampagne „Ich weiss was ich tu“ werde das Internet eine zentrale Rolle spielen.
Er betonte, das Leben mit HIV werde sich auch in den kommenden Jahren entspannter werden. Deswegen müsse Aidshilfe den Mut haben, sich von einer nicht mehr sachgerechten Dramatisierung der HIV-Infektion zu verabschieden. Wesentlicher sei eine wirksame HIV-Prävention, die sich an der Wirklichkeit des Lebens mit HIV orientiere.

Dr. Reinhard Kurth, Präsident RKI a.D.Dr. Reinhard Kurth, bis November 2007 Leiter des Robert-Koch-Instituts (RKI), erinnerte an die heftigen Auseinandersetzungen um die Richtung der Aids-Politik, die er und das RKI an der Seite der damaligen Gesundheitsministerin Rita Süssmuth gegen die von Strauß und Gauweiler propagierte Linie geführt habe. Der damals verankerten Richtung der deutschen Aids-Politik sei es auch zu verdanken, dass in Deutschland heutzutage im Vergleich sehr niedrige Neu-Diagnosezahlen vorliegen, „um die uns die Nachbarländer beneiden“. Kurth zeigte sich „sehr vorsichtig in der Unterstützung der EKAF“ und ihres derzeit diskutierten Statements.

Neue Wege sehen – neue Wege gehen!

Als Dokumentation die Haltung der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) in Sachen des EKAF-Statements („keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„):

Der Delegiertenrat der DAH hat in seiner Sitzung vom 7. bis 9. März 2008 in Abstimmung mit dem Vorstand folgenden Beschluss gefasst:

Neue Wege sehen – neue Wege gehen!

Die HIV-Prävention wird einfacher, also komplexer

Die Reaktionen auf die Botschaft der EKAF in der Schweiz haben eine grundlegende Debatte über realistischere Risikoeinschätzung und die Infektiösität von Menschen mit HIV und AIDS forciert.

Die nunmehr öffentlichen Informationen können für Menschen mit HIV und AIDS eine konkrete Erleichterung und Verbesserung ihrer Lebenssituation und -Perspektiven bedeuten, weil sie den Abbau irrationaler Ängste ermöglichen. Sie entlasten serodiskordante Paare unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und erleichtern in allen Zusammenhängen den Umgang mit HIV und AIDS.

Somit können Stigmatisierung und Diskriminierung – auch in juristischer Hinsicht – vermindert und Solidarität gefördert werden.

Zudem werden unsere bisherigen Präventionsbotschaften sinnvoll und wirksam ergänzt.

Auf der Grundlage des im Leitbild formulierten Menschenbildes ist es Ziel der DAH, Menschen dazu zu befähigen und ihnen zu ermöglichen informiert, selbst bestimmt und verantwortungsvoll mit den Risiken von HIV und AIDS umgehen zu können.

„Deshalb setzen wir in unserer Arbeit auf das verantwortliche Handeln vernunftbegabter, einsichts- und lernfähiger Menschen wissen aber zugleich um die Grenzen der Prävention.“

Wir werden daher weiterhin und verstärkt niedrigschwellige und umfassende Informationen zur Verfügung stellen, um kompetentes und differenziertes Risikomanagement zu ermöglichen.

Die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung gewinnen auch für die Prävention an Bedeutung. Die DAH sieht daher dringenden Bedarf, die bisherige Datenlage durch intensivere Forschung zu verbessern.

Gerade hier spielt die AIDS-Hilfe eine entscheidende Rolle, da sie in der Lage ist, solche Ergebnisse und deren Auswirkungen auf die Lebenssituation ihrer Zielgruppen zu interpretieren und in lebenspraktisches Risikomanagement umzusetzen.

Die DAH muss diese Informationen in ihrer Arbeit aufgreifen und umsetzen – beispielsweise im Internet, den Printmedien, der Aufklärungs- und Beratungsarbeit vor Ort und in ihren Präventions-Kampagnen (aktuell die Kampagne „Ich weiß, was ich tu“).

Diese Haltung gilt es konsequent gegenüber der Öffentlichkeit und unseren Kooperationspartnern einzunehmen und zu vertreten

Berlin, 08.03.2008

Nachtrag 16.11.2008:
Über Ergänzungen zur Haltung im Rahmen der Diskussionen und Bedenken zur EKAF-Veröffentlichung seitens der AG Prävention berichtet koww.

ein schweizer Meilenstein

Der „erste Salon Wilhelmstrasse“ stand unter dem Titel “Positiv und negativ : Wie leben HIV-diskordante Paare heute?”. Ein thematisch breit besetztes Podium diskutierte unter Moderation von Holger Wicht über Chancen und Risiken des Statements der Eidgenössischen Aids-Kommission “keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs“. Ein Bericht.

Roger Staub, BAG SchweizRoger Staub, Leiter der Sektion Aids im Schweizer Bundesamt für Gesundheit und Mitgründer der Aidshilfe Schweiz, skizzierte nochmals die wesentlichen Punkte des (im übrigen in der Kommission einstimmig zustande gekommenen) EKAF-Statements und betonte dabei, unter den dort genannten Bedingungen sei die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung „viel kleiner als 1 : 100.000“.
Staub betonte, der Fortschritt des Statements der EKAF liege vor allem auch darin, dieses Konzept jetzt auch zitier- und öffentlich verwendbar gemacht zu haben. Eine Zitierbarkeit, die wie später nochmals deutlich wurde, weit über den medizinischen Bereich hinaus ragt – gerade Gerichte und Verteidiger von HIV-Positiven benötigen zitierfähige Belege dafür, dass die Beurteilung der Infektiosität sich unter bestimmten Umständen verändert hat.
Der oft geäußerten Kritik, ob man das denn überhaupt und jetzt sagen dürfe, ob das Statement notwendig gewesen sei, entgegnete Staub „wenn es heute zu früh ist, wann ist es denn dann an der Zeit?“ Das Wissen um die Situation sei seit langer Zeit bekannt, werde von Ärzten verwendet, nun müsse man ehrlich an die Öffentlichkeit gehen. Es habe genügend Gelegenheit gegeben, dem Statement entgegen stehende Fälle zu publizieren.

Dr. Gute, FrankfurtDr. Gute ist ein HIV-Behandler aus Frankfurt. Er behandelt u.a. den Positiven, der gerade dabei ist als ‚Frankfurt patient‘ in die HIV-Diskussion einzugehen. Dieser lebt seit Jahren in einer sexuell monogamen Beziehung mit seinem HIV-infizierten und erfolgreich therapierten Partner. Dennoch hat eine HIV-Übertragung stattgefunden, wie mit phylogenetischen Untersuchungen gezeigt wurde zwischen den beiden Beteiligten (nicht mit einem etwaigen Dritten). Der Fall soll in den nächsten Wochen in einer virologischen Fachzeitschrift publiziert werden.
Dr. Gute betonte, auch er schätze das Risiko einer HIV-Übertragung durch einen erfolgreich therapierten HIV-Positiven (bei Abwesenheit von STDs) als „sehr sehr niedrig“ ein, aber es sei eben nicht ’null‘, wie gerade dieser Fall zeige.
Staub betonte in einer Replik, der Frankfurter Fall zeige nichts. Das EKAF-Statement gehe ja davon aus, dass genau solche Fälle nicht ausgeschlossen seien (wohl aber ihr Risiko drastisch reduziert sei). An der Gültigkeit des Statements der EKAF ändere dieser Fall nichts.

Prof. Martin DanneckerWarum sind die Reaktionen auf das Statement der EKAF und die potenziellen Folgen für die Situation der Positiven so heftig? Endlich sei in Fachkreisen schon länger bekanntes ‚Herrschaftswissen‘ veröffentlicht worden, betonte Prof. Martin Dannecker. Er wies darauf hin, dass die Menschen bisher gewohnt seien, HIV-Positive als Opfer wahrzunehmen. Und „aus dieser Rolle entlässt man eben niemanden gerne“.
In den vergangenen Jahren sei zudem nie thematisiert worden sei, dass es eben um „safer“ Sex (mit dem „r“) gehe – die auch bei Kondomen bestehende Unsicherheit sei ein tabuisiertes Thema, das nun jedoch wieder ans Tageslicht komme.

Für wen und in welchen Situationen könnte das EKAF-Statement anwendbar sein? Diese Frage beschäftigt derzeit viele. Dannecker kritisierte hierzu die „Engführung der Diskussion auf Paare“. Die Folgen des EKAF-Statements seien verhandelbar zwischen halbwegs vernunftbegabten Menschen – und nicht nur in sexuell monogamen Partnerschaften.
Dannecker monierte eine aus dem Statement der EKAF sprechende Einmischung der Medizin. Dass ein Kondomverzicht erst nach intensiver Beratung Beider durch den Arzt erwogen werden könne, bringe ein Mißtrauen des Arztes dem Patienten gegenüber zum Ausdruck, zudem sei dies ein unzulässiger Eingriff in das Binnenverhältnis des Paares.
Zukünftig, so Dannecker, könne es zu einem „paradoxen Sexualisieren“ kommen – im Vergleich zu einem vermeintlich HIV-Negativen mit all den Risiken negativen Serosortings könnte der HIV-Positive, der erfolgreich therapiert ist, zu einem attraktiven Sex-Partner werden.

Die Deutsche Aids-Hilfe hat bisher in den Diskussionen um das Statement der EKAF noch nicht Position bezogen, bemüht sich um eine noch in Erarbeitung befindliche gemeinsame Stellungnahme mit Robert-Koch-Institut (RKI) und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Bernd Aretz Er sei erstaunt und erzürnt über den Umgang der Aidshilfe mit der aktuellen Situation, stieg Bernd Aretz in die Beleuchtung der Reaktion der Aidshilfen ein. Es scheine „verloren gegangen [zu sein], dass wir nicht die Regierung sind“. Die Aidshilfe sei ein politischer Verband, doch wo vertrete er derzeit die Interessen der HIV-Positiven?
Auch Martin Dannecker kritisierte, dass die Deutsche Aids-Hilfe immer noch nicht Position bezogen habe. Stehe dahinter die Angst um die staatlichen Mittel, an deren Tropf man zu hängen glaube?

Die Podiumsdiskussion sowie die anschließenden Fragen und Beiträge aus dem Publikum machte deutlich, das das EKAF-Statement sich als ein Meilenstein in der Geschichte von Aids erweisen könnte – ein Meilenstein, der Hoffnungen, aber auch Ängste auslöst.

Die Diskussion zeigte die Bruchlinien, um die herum sich die Diskussionen derzeit bewegen. Bruchlinien, die auch in Symposien und Veranstaltungen der folgenden Tage diskutiert wurden und die Diskussionen der kommenden Wochen bestimmen werden. Bruchlinien, die Etiketten tragen wie ‚Null Risiko oder Risiko-Minimierung?‘, ‚Frankfurt patient‘ oder ’neue Wege in der Prävention‘.

Im Verlauf der Diskussionen konnte man den Eindruck gewinnen, die DAH sei ein wenig gefangen – und verliere hierüber vielleicht ihre Fähigkeit, eine eigenständige Position zu finden und auch nach außen zu vertreten. Gefangen nicht nur in ihrem Gefühl, es ihren Auftrag- und Geldgebern ‚recht machen‘ zu wollen, sondern auch in ihrem Bemühen, mit allen Beteiligten (RKI, BZgA) zu einem Konsens-Paper zu kommen. Vielleicht hätte man mehr Mut zu eigener Position gefunden, wäre bereits bekannt gewesen, dass die BZgA diesen Konsens zu dem Zeitpunkt schon aufgekündigt, eine eigene BZgA-Presseerklärung vorbereitet hatte, die am nächsten Tag herausgegeben wurde.

play zone – safer sex in Britain

In zahlreichen Städten Deutschlands wird versucht mithilfe freiwilliger Präventionsvereinbarungen (Selbstverpflichtungen wie safety4free in Berlin, einem Projekt von ManCheck) das Praktizieren von safer sex an Orten mit der Möglichkeit zu sexuellen Kontakten zu erleichtern.

Einen ähnlichen Weg gehen nun auch die Briten: ‚play zone‘ ist der Name einer neuen Kampagne, die als Pilotptojekt für London und Brighton vom britischen Department of Health (DoH) finanziert wird.

Im Zentrum des Projekts ‚play zone‘ steht eine art ‚code of conduct‘ (Verhaltenscodex) für schwule Saunen und andere Orte, an denen Sex zwischen Männern stattfindet.

Mit diesem Kodex sollen sich schwule Saunen, Bars und andere Einrichtungen dazu verpflichten, eine ’safere‘ Umgebung für ihre Gäste bereitzustellen. Hierzu gehören in jedem Fall gratis verfügbare Kondome und Gleitgel. Dazu erhalten die Unternehmen ein Handbuch, das ihnen helfen soll, ihren Betrieb hinsichtlich sexueller Gesundheit sowie Hygiene zu optimieren.
Zudem werden unentgeltliche Schulungsmaßnahmen angeboten. In ihnen können Mitarbeiter zu Themen wie Partydrogen, Alkoholkonsum, HIV, sexueller Gesundheit und PEP (post-Expositions-Prophylaxe) weitergebildet werden.

‚play zone‘ wurde entwickelt von Präventions-Experten des Terrence Higgings Trust (THT) und ist Teil des britischen HIV-Präventions-Programms. Das DoH stellte 20.000£ zur Verfügung und finanziert zusätzlich für die Pilotphase für den Zeitraum von einem Jahr eine Personalstelle eines Projekt-Mitarbeiters.

Mitte Februar wurde das Projekt in London begonnen. Gegen Jahresende soll eine Bewertung der Zwischenergebnisse erfolgen, um danach über eine etwaige Ausweitung auf weitere britische Städte zu entscheiden.

vorwärts nimmer, rückwärts immer? (akt.)

Die Schweizer Aids-Kommission EKAF hat mit ihrer Stellungnahme in Sachen Infektiosität bei wirksamer anti-HIV-Therapie breite Diskussionen ausgelöst. Inzwischen liegt auch eine Stellungnahme deutscher Organisationen vor.

Am 26. Februar trafen sich in Berlin in den Räumen der Deutschen Aidshilfe Vertreter unter anderem der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, des Robert-Koch-Instituts und der Deutschen Aidshilfe. Am Tag des Treffens wurde eine vorher vorbereitete Stellungnahme verabschiedet und veröffentlicht.
Eine weitere Stellungnahme, die sich detaillierter mit dem Statement der EKAF auseinandersetzt, soll als Ergebnis ihres Treffens in den nächsten Tagen folgen.

Schon der Titel der gemeinsamen Presseerklärung soll ganz offensichtlich zeigen, wo es langgehen soll: . „Die bewährten Präventionsbotschaften zum Schutz vor HIV/Aids gelten nach wie vor“, so lautet der Titel.

„Safer Sex, also Kondomnutzung“ sei weiterhin „die zentrale Botschaft“. Alles andere sei „kontrovers diskutiert“, „nur unter vom Arzt kontrollierten Bedingungen“. Für Männer die Sex mit Männern haben, gebe es „keine vergleichbaren Daten“. Man befürchte ein Verstehen „fälschlich als Entwarnung“.

Erste Positivenvertreter drücken bereits kurz nach Erscheinen der Pressemitteilung ihr Entsetzen aus und fordern zu Protestbriefen auf.

Die Pressemitteilung setzt safer Sex und Kondombenutzung gleich. Fast provokativ, als deutlichen Ausdruck eines beherzten „so aber nicht“ könnte man das nach den Veröffentlichungen aus der Schweiz verstehen.
Eine Gleichstellung (safer Sex = Kondombenutzung), als habe es die Studien, die Stellungnahme der EKAF nicht gegeben. Kaum ein Wort davon, dass zusätzlich zur Benutzung von Kondomen unter bestimmten Umständen auch andere Möglichkeiten des safer sex bestehen könnten. Nicht der geringste Anschein davon, mit der Situation (die ja längst ‚draußen‘, bei den Menschen vor Ort ist) kreativ präventiv umzugehen. Kein Wort von Information, informierter Entscheidung, Risikomanagement.

Noch einen Tag zuvor (am 25.2.) hatte eine BZgA-Vertreterin erklärt „Die durch die EKAF-Veröffentlichung angeregte Diskussion ist tatsächlich für einen Teil der Betroffenen relevant und dies sollte auf gar keinen Fall in den aktuellen Diskussionen vernachlässigt werden“ (in einem Blog-Kommentar auf welt-aids-tag.de hier). Abgesehen davon, dass EKAF für alle Positiven relevant ist (mit wohl unterschiedlichen Konsequenzen), ist von diesem „auf keinen Fall vernachlässigen“ schon einen Tag später offensichtlich keine Rede mehr.

Im Gegenteil, munter wird an einem Rollback gestrickt. „Die allgemeine Gefährdungslage ist grundsätzlich unverändert …“ heißt es in der Pressemitteilung pikanterweise bei dem Versuch, die Situation von HIV in Deutschland zu beschreiben – fast als hätte Bundesinnenministerium eine Terrorwarnung herausgegeben.

Eine Pressemitteilung, bei der zudem die Frage auf die Zunge kommt, ob es die selbe Deutsche Aidshilfe ist, die diese Rede (‚Betroffene zu Beteiligten machen‚) gehalten hat und die nun diese Pressemitteilung mit unterzeichnet.

Viele Menschen mit HIV werden angesichts dieser Pressemitteilung vermutlich fassungslos reagieren. Nicht nur, dass sie, ihre Situation in der Pressemitteilung mit keinem Wort erwähnt werden. Nein, nur wenig verhohlen scheint wieder durch der Gedanke „ach, hätten die doch weiter geschwiegen“, denn dann wäre die Präventionswelt ja noch heil.

Nun wissen wir also, wo die Damen und Herren RKI, BzGA und wohl auch DAH weiter langgehen wollen: auf breit ausgetretenen Wegen, ja nichts Neues wagen. Hoffentlich wachen sie nicht irgendwann überrascht, schockiert vor kondomisierten Gemüsen auf, die sich dennoch mit HIV infiziert haben …

Wie die Deutsche Aidshilfe nun noch auf den Gedanken kommen kann, sie sei eine Interessenvertretung der Menschen mit HIV und Aids, erscheint grotesk. Ihr Verhalten wird die DAH wohl manchem Positiven erklären müssen, soll Czajkas Rede nicht als vereinzeltes Irrlicht erscheinen, das schnellstens wieder gelöscht wurde.
Und Positive sollten sich Gedanken machen, wer denn ihre Interessen vertritt .
..

„Die bewährten Präventionsbotschaften zum Schutz vor HIV/Aids gelten nach wie vor“
gemeinsame Pressemitteilung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, des Robert-Koch-Instituts und der Deutschen Aids-Hilfe vom 26. Februar 2008 (als pdf hier)

Nachtrag 03.03.2008: am 14.3. wird es zu einem weiteren Treffen kommen, bei dem laut DAH um „einen Entwurf einer ‚deutschen‘ Erweiterung der Präventionsbotschaften“ gehen soll.

Sind Kondome wirklich sicher?

In der Rubrik „Satire am Sonntag“ heute ein Gastbeitrag zum Thema Sicherheit (der Verfasser ist der Redaktion bekannt):

—NUR FÜR FACHPUBLIKUM — NICHT FÜR LAIEN — NUR FÜR FACHPUBLIKUM — NICHT FÜR LAIEN –

RESTRISIKO KATALOGISIERUNGS INSTITUT

(„Gelebte Statistik – garantierte Sicherheit“)

UND

Besorgnis-Zentrale für gesellschaftliche Absicherung

(„SICHER IST NIE SICHER GENUG!“)

Die aktuelle Debatte zu neuen Präventions-Empfehlungen aus der Schweiz macht eine Konzentration auf Kernfragen der HIV-Prävention notwendig: Sind die Präventionsbotschaften sicher? Können wir Experten wirklich den einfachen Menschen vertrauen, dass sie die komplexen Safer-Sex-Regeln 100%ig verstehen und anwenden, so wie wir das wollen? Unsere neue Reihe widmet sich diesen und anderen Fragen. Demnächst erscheinen:Viren im Zwölffingerdarm: die XXL-Gefahr“

´Küssen: geil und safe`? – Placebo-kontrollierte Studien beweisen: Küssen ist nicht geil“

Neues aus der Pipeline: „Phobo-Vir“ und „Moralin S“ erfolgreich als Präventionsantagonisten“

Sind Mückenstiche wirklich „safe“? Der letzte Beweis fehlt!“
Hier ein paar Leseproben aus dem ersten Bulletin:

Sind Kondome wirklich sicher?

von Privat-Dozentin Memelchen v. Hindenburg, PPPD (hc mult.), Bad Müller-Thurgau

Der seit Jahren verbreitete und scheinbar bewährte Slogan „Kondome schützen vor HIV und Aids“ gehört auf den Prüfstand! (…)

Den ahnungslosen Endverbrauchern in denZielgruppen wird mit dieser unzulässig vereinfachten Botschaft suggeriert, sie wären in der Lage, sich durch die Verwendung dieses technischen Hilfsmittels „selbständig“ und „eigenverantwortlich“ vor einer HIV-Infektion schützen zu können – und zwar einfach so, ohne offizielle Schulung und ohne Überprüfung ihrer bio-psycho-sozialen Eignung. Das ist unverantwortlich! (…) Die Schutzwirkung eines Kondoms hängt vom äußerst komplexen Interagieren vieler Faktoren ab.(…) Alltägliche Fehlerquellen wie die richtige Aufbewahrung eines Kondoms: geschützt vor Hitze, Kälte, Sonneneinstrahlung, mechanischer Beanspruchung (drücken, reiben, knicken, usw.) sind eine Herausforderung. Können Menschen, die auf der zügellosen Suche nach „Sex“ sind, diese Vorschriften überhaupt erfüllen? (…)

Haltbarkeitsdatum und Bedienungsanleitung sind im setting-typischen Halbdunkel kaum zu entziffern. Und überhaupt: wie sollen illiterate, sozial deprivierte, sehbehinderte oder gar migrantische Menschen das lesen können? (Und was heißt eigentlich „Reservoir“?!?) (…)

Und die Risiken in der Anwendung: zu kleiner Penis, zu großer Penis, gar kein Penis – lauter Fehlerquellen!!! (…) Kondome können bersten, reißen, platzen, abrutschen, sie können löchrig, zerknittert oder porös, zu dünn, zu dick, zu alt sein. Und erst die Gleitmittel! (…)

Auch die Fingernägel: spitz, scharf, brüchig, rissig, schlecht lackiert – Risiko, Risiko, Risiko! (…)

Und wird während des „Aktes“ tatsächlich oft genug der korrekte Sitz des Kondoms überprüft?

(…) Die technische Sicherheit sollte zwar durch das Norm-Gütesiegel garantiert sein. Aber: wer kontrolliert die Kontrolleure? (…) Und seien Sie mal ehrlich: wissen Sie, welches Gütesiegel das richtige ist: „DIN 061.19-96“, oder „ISO 44187-safe“, oder „EN 600:1996“? (und: haben Sie jemals ein Kondom vor der Verwendung daraufhin begutachtet?) (…)

Fazit:

Fachlich gesehen ist es zwar richtig, dass Kondome schützen können, aber die Bedingungen für eine hinreichend sichere Anwendung sind so komplex, dass die Informationen darüber auf dem Weg zum Endverbraucher verloren gehen würden. (…)

Darum gilt: Kondome gehören in Expertenhand!

Der gewöhnliche Homosexuelle kann uns nicht garantieren, die notwendige Sorgfalt beim Umgang mit dieser komplexen Präventionstechnik aufzubringen. (…)

Die Summe der Restrisiken ist daher zu hoch, als dass wir jedem erlauben dürften, damit selbständig und unkontrolliert umzugehen. (…)

Schließlich geht es um Sicherheit und Gesundheit unserer Menschen!“

Betroffene zu Beteiligten machen

Im folgenden angesichts der großen Bedeutung der Rede und der Aktualität des Themas (zumal hins. des EKAF-Beschlusses und der Reaktionen) auch hier dokumentiert eine Rede, die Maya Czajka, Vorstandsmitglied der Deutschen Aids-Hilfe, anlässlich eines Parlamentarischen Abends am 14. Februar 2008 in Berlin gehalten hat:

„Betroffene zu Beteiligten machen“

Rede von Maya Czajka,Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.
anlässlich des Parlamentarischen Abends zum Thema
„Erfolge in der klinischen Forschung im Bereich HIV/AIDS: Die Dualität von Prävention und Forschung“

Parlamentarische Gesellschaft Berlin, 14. Februar 2008 (Es gilt das gesprochene Wort.)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Caspers-Merk,
sehr geehrter Herr Friedrich,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde!

Ich danke Ihnen, Herr Baars ganz herzlich, dass Sie unserer Einladung nach Berlin gefolgt sind und uns diese engagierten Eindrücke aus der journalistischen Perspektive eines professionellen Beobachters, der auch persönlich beteiligt ist, gegeben haben.

Ihnen, Herr Prof. Dr. Brockmeyer und Herr Prof. Dr. Rockstroh danke ich für Ihre allgemeinen und wissenschaftlichen Impulse.

Ich bin im Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe neben der Sexindustrie auch für den Themenbereich „sexuelle Gesundheit“ zuständig. Mit dem Thema meines Referates, das mir mehr oder weniger in den Mund gelegt wurde, bin ich nicht ganz glücklich, weil die Betroffenenrhetorik häufig zu Stigmatisierungen führt und Betroffene eben nicht beteiligt. Und eigentlich war es ja auch – vor 25 Jahren eher so: Betroffene haben sich selbst zu Beteiligten gemacht – und daran hat sich bis heute im Wesentlichen nichts geändert.

Das Thema unseres heutigen Abends – die Dualität von Prävention und Forschung – ist aktueller denn je:

Wie wichtig es nämlich ist, dass die von einer HIV-Infektion bedrohten und betroffenen Menschen und ihre Communities beteiligt sind, zeigt beispielhaft die kontroverse Diskussion über die Auslegung eines Interviews mit dem HIV-Spezialisten Dr. Hans Jäger im Focus im Dezember 2007 sowie eine Stellungnahme, die die Schweizer Eidgenössische Kommission für Aids-Fragen am 30. Januar veröffentlicht hat.

Ich werde im Verlauf meines Vortrages diese Kommission noch häufiger erwähnen und Sie dann aber nicht mehr mit diesem langen Titel, sondern nur noch mit dem Kürzel EKAF behelligen.

Die EKAF also kam in ihrer Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass – unter bestimmten, von ihr klar definierten Bedingungen – „eine HIV-infizierte Person unter funktionierender antiretroviraler Therapie das HI-Virus nicht über Sexualkontakte weitergibt“.

Damit keine Missverständnisse entstehen oder jemand denkt, er oder sie habe sich gerade verhört, sage ich es noch einmal und etwas pointierter:

Der ungeschützte vaginale Sexualkontakt mit einer HIV+ getesteten Person, die unter erfolgreicher ART steht, ist weniger infektiös als geschützter vaginaler Sex mit einer HIV+ Person mit nachweisbarer Viruslast.

Noch einmal ganz deutlich: die folgenden drei Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein:

Die ART wird vom Patienten konsequent eingehalten und durch den behandelnden Arzt regelmäßig kontrolliert.

Die Viruslast unter dieser Therapie liegt seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze.

Es bestehen keine Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern.

Die Reaktionen der Medien, aber auch einzelner Mitgliedsorganisationen und Präventionsprojekte unseres Verbandes sowie von Medizinern und Gesundheitspolitikern, reichen von „Tabubruch“, „blankem Entsetzen“ „Gefühl der Erleichterung“, „Normalisierung“, „Entstigmatisierung“ bis hin zu der Einschätzung, dass man mit dieser vielleicht vorschnellen und international noch nicht abgestimmten Botschaft der HIV-Prävention einen Bärendienst erwiesen hätte.

Die Debatte zeigt dabei sehr anschaulich, dass Prävention keine Sache ist, die sich nebenbei aus Forschungserkenntnissen selbst generiert.

Deshalb beschäftigen sich DAH und BZgA seit z.T. über 25 Jahren so intensiv mit dem Thema Prävention.

Emotional gesehen, hätten wir als DAH uns sicher eine andere Form der Veröffentlichung des EKAF- Papiers gewünscht. Uns wäre es in gewisser Weise lieber gewesen, uns in Bezug auf eine Modifikation und Differenzierung der eingeübten Präventionsbotschaften nicht bewegen zu müssen.

Die mit der Thematik notwendige Auseinandersetzung und die öffentliche Diskussion ist nämlich – für uns – genau wie für alle anderen Akteure – schwierig, kompliziert und von vielen Unwägbarkeiten begleitet.

Rational gesehen aber begrüßen wir die Veröffentlichung der EKAF jedoch sehr und freuen uns ausdrücklich über die Bewegung, die nun in die Präventionsdebatte kommt.

Denn: was tabuisiert ist, kann nicht gestaltet werden!

Die Auseinandersetzung um die EKAF-Stellungnahme stellt insofern einen Paradigmenwechsel in der Beurteilung einer chronischen Infektionserkrankung dar, als erstmals öffentlich und eindrücklich klargestellt wird, dass die bisherige Risikoeinschätzung in der Gesellschaft über die Ansteckungsgefahr, die von HIV-Infizierten ausgeht, eher Mythos als Realität ist.

Die häufig genug eher hysterisch und völlig überzogen geäußerten Ängste haben in den letzten 25 Jahren zu einer noch immer ungebrochenen Stigmatisierung von Menschen mit HIV in allen Lebensbereichen geführt.

Herr Baars hat uns in seinem Vortrag dafür Beispiele aus der Arbeitswelt gegeben, und die DAH und ihre Mitgliedsorganisationen könnten die von ihm begonnene Liste sehr lang werden lassen…

Sie würde reichen über die Erlebnisse vieler HIV+ Menschen im Umgang mit Behörden und Institutionen, über Erfahrungen bei Fortbildungen in den Arbeitsagenturen, über solche mit etwa Zahnärzten und Chirurgen sowie natürlich auch hin zu den Erfahrungen, die Menschen mit HIV massenweise machen, wenn sie sich bei der Anbahnung von Sexualkontakten und/oder Beziehungen als positiv outen.

Die Stellungnahme der EKAF bedeutet nun vordergründig zuerst einmal eine wesentliche Erleichterung und Ent-Ängstigung von Menschen, die in diskordanten Partnerschaften leben.

Sowohl für den HIV-negativen Part, weil die Ängste vor Ansteckung auf ein wesentlich realistischeres Maß reduziert werden können, aber auch für den HIV-positiven Part, der in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle massive Ängste hat, den/die HIV-negative(n) Partner(in) anzustecken.

Nicht zu unterschätzen sein dürfte jedoch der indirekte Effekt sowohl auf der gesellschaftlichen Ebene als hoffentlich auch auf die Justiz.

Diese drei Aspekte waren maßgebliche Motivation für die Erarbeitung der EKAF-Stellungnahme.

Die EKAF hat sich in ihrer Diskussion um die Implementierung der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihre praktische Arbeit von dem ethischen Grundsatz leiten lassen, Menschen an den Stellen zu entlasten, an denen sie verantwortlich entlastet werden können.

Und ganz genau dies wird die DAH auch tun.

Nach dem bisherigen Stand der Forschung und der Diskussion gelten allerdings die bisherigen Präventionsbotschaften, die aufgrund ihrer Einfachheit so erfolgreich sind – für die Sexualkontakte weiter, die eben genau nicht unter den von mir oben genannten und zuvor von der EKAF definierten Bedingungen stattfinden.

Wir werden uns entsprechend schon bald für Deutschland dazu äußern, in welchen Situationen wir in der Prävention unsere Botschaften modifizieren müssen – ähnlich wie die Schweizer Kolleginnen und Kollegen es getan haben und wir werden – im Verein mit dem Kompetenznetzwerk, dem RKI, der BZgA und Behandler/innen in der übernächsten Woche bei einem Arbeitstreffen wahrscheinlich separate und sehr differenzierte Botschaften für Oralverkehr, Vaginalverkehr und Analverkehr zu diskutieren haben…

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die DAH heute noch keine abschließende Position zu diesem Thema veröffentlichen wird.

Vorab aber erlaube ich mir, hier einige grundsätzliche Gedanken zur Debatte zu äußern:

Die aufgeregten und teilweise sehr persönlich geführten Auseinandersetzungen um die Stellungnahme der EKAF zeigen einmal mehr, in welchem Spannungsfeld sich Prävention befindet:

Sie folgt der Public-Health-Logik:

Ihr Ziel ist die Reduktion (oder Stabilisierung) der Zahl von Neuinfektionen. Sie ist nicht am Einzelschicksal interessiert und sie muss individuelle Neuinfektionen in Kauf nehmen.

Sie kann – will sie erfolgreich sein – auch gar keiner anderen Logik folgen.

Die aktuelle Diskussion der EKAF-Empfehlung und der ihr zugrunde liegenden wissenschaftlichen Arbeiten wird jedoch von einem Blick auf das Einzelschicksal diktiert: Jede Neuninfektion MUSS verhindert werden!

Präventionsbotschaften, die auf dieser Haltung der 100%igen Risikoreduktion basieren, sind jedoch aus leicht nachvollziehbaren Gründen auf der Populationsbasis von vorneherein zum Scheitern verurteilt:

Auf HIV bezogen hieße eine 100-Botschaft schlicht: Keinen Kontakt zwischen Häuten, Schleimhäuten oder gar Körperflüssigkeiten – mit anderen Worten: gar keinen Sex mehr! Oder nur in einem Ganzkörperkondom.

Beides hält dem Leben nicht stand.

Die Public-Health-Sicht und die Sicht auf das Individuum bedingen zugegebenermaßen ein unauflösliches ethisches Dilemma, das sich zwar – wie schon gesagt – nicht auflösen, sich jedoch dahingehend „verkleinern“ lässt, als dass das vertretbare Restrisiko diskutiert und vereinbart werden muss.

In diesem Sinne hat die DAH stets ihre Präventionsbotschaften entwickelt und diese NIEMALS als 100% sicher (safe) definiert, sondern IMMER als safer (also risikominimierend).

Und rückblickend haben sich die noch vor wenigen Jahren aufs heftigste attackierten – weil Vielen viel zu laschen (sprich: verantwortungslosen) – Präventionsbotschaften der Deutschen als erheblich effektiver, lebensnäher und umsetzbarer erwiesen, als die deutlich restriktiveren Ansätze wie „No lips under the hips“ oder die Abstinenz-Kampagne der amerikanischen Bundesregierung) etwa. Selbst wenn (oder gerade weil?) wir in Deutschland in unseren Präventionsbotschaften ein höheres Maß an Restrisiko akzeptiert haben, hat sich über die Jahre herausgestellt, dass wir besser als die allermeisten Industrienationen in der Lage waren, die Prävalenz auf einem sehr niedrigen Niveau zu halten.

Der aktuelle Diskurs zeigt auch, wie schwierig es ist, Prävention, Entstigmatisierung und Antidiskriminierung zusammen zu bekommen.

Antidiskriminierung aber ist eine wesentliche Voraussetzung für gelingende Prävention (bzw. für nicht gelungene, wie die Entwicklung in Osteuropa sowohl im Bereich HIV und Aids, als auch im Bereich der Drogenpolitik zeigt).

Damit unsere Prävention in Deutschland weiterhin glaubwürdig ist, müssen wir mit dem wissenschaftlichen Fortschritt und ihren neuen Erkenntnissen mithalten: Wie immer in der Forschung zeigt sich auch im Feld von HIV/AIDS, dass Forscher und Wissenschaftler die gleichen Ergebnisse zum Teil sehr unterschiedlich interpretieren:

Persönliche Überzeugungen, der politische Kontext, gesellschaftliche, wissenschaftliche Tabus, der (wissenschaftliche) Mainstream als solcher, der Grad der Abweichung der Ergebnisse bzw. der Interpretation der Autoren vom Mainstream etc. markieren wesentliche Aspekte dabei.

Hier spielen Menschen mit HIV/AIDS bzw. die AIDS-Hilfe eine wichtige Rolle: Nicht nur, dass sie aus ihren Perspektiven die Ergebnisse valide interpretieren können und müssen, sie bereichern die wissenschaftliche Debatte mit ihren Perspektiven und tragen so dazu bei, dass Bodenhaftung in die Debatte kommt.

Gerade die in die praktische Anwendung gehende Interpretation von Ergebnissen aus der Transmissionsforschung, der Therapieforschung und der Epidemiologie sind ohne die Expertise derjenigen, die es direkt betrifft, kaum wirklich sinnvoll möglich.

Auch nach 25 Jahren HIV/AIDS und einer vergleichsweise sehr deutlichen Kommunikation über Sexualität und Sexualpraktiken scheinen nämlich selbst altgediente Forscher und HIV-Spezialisten immer noch nicht begriffen zu haben, wie Sexualität funktioniert – was zu aus unserer Sicht manchmal absurden Studienplanungen und Interpretationen von Ergebnissen beiträgt.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel:

Es ist derzeit nahezu unmöglich, belastbare Aussagen zum passiven Analverkehr zu treffen. Den Forschern scheint (noch) nicht klar zu sein, wie das anatomisch vonstatten geht. So hat die jüngste zu diesem Thema veröffentlichte Studie von der Viruslast in den Sekreten des Zwölffingerdarms auf die Ansteckungswahrscheinlichkeit beim Analverkehr geschlossen – eine der Absurditäten, von denen vorhin die Rede war.

Beispiel mit Zwölffingerdarm!!!

Vor fast 20 Jahren – 1989 auf der IV. Welt-AIDS-Konferenz in Montreal – haben sich erstmals HIV-Patienten erfolgreich in die Forschung eingemischt. ACT UP und andere Aktivistengruppen aus den USA hatten die Konferenz gestürmt und mit ihrer National AIDS Research Agenda erstmals massiv Einfluss auf die HIV-Forschung genommen, die bis dahin weder ein klares Ziel noch eine klare Struktur oder gar übergreifende Fragestellungen gehabt hat.

Heute darf man sagen: Die aktuelle HIV-Forschung wäre ohne die kontinuierliche und mit hoher Expertise erfolgte und erfolgende Einmischung der Selbsthilfe in die Forschung nicht denkbar.

So werden Patientenvertreter im Rahmen der Medikamentenzulassung in den USA und der EU mittlerweile angehört. Sie haben in der Vergangenheit – damals, als noch jedes neue Medikament sofort und direkt Leben rettete – erfolgreich Lobbyarbeit dafür betrieben, den Zulassungsprozess zu verkürzen sie betreiben inzwischen erfolgreich Lobbyarbeit dafür, den Zulassungsprozess wieder zu entschleunigen und fordern mehr und längere Studien um die Risiko-Nutzen-Relation neuer Substanzen besser einschätzen zu können.

Sie haben die Forschung an Lipodystrophie initiiert, haben dafür Sorge getragen, dass im HIV-Bereich keine Placebo-kontrollierten Medikamentenstudien mehr durchgeführt werden, und sie versuchen seit Jahren die Forschung zu Therapiestrategien zu beleben.

Sowohl in der Grundlagenforschung (etwa an der Frage, wie die so genannten „Elite-Controller“ – das sind Menschen mit HIV, die auch nach 20 und mehr Jahren keinerlei Zeichen einer Krankheitsprogression zeigen – es schaffen, trotz HIV-Infektion und ohne Medikamenteneinnahme nicht an HIV zu erkranken und eben keinen Immundefekt zu entwickeln), als auch in der klinischen Forschung und auch in der Impfstoffforschung haben Menschen mit HIV und ihre Vertreter Einfluss auf die Forschungsfragen genommen.

Und nicht zu vergessen: Sie haben sich selbst für die Forschung zur Verfügung gestellt!

Um diese Motivationen allerdings aufrechterhalten zu können, ist neben der Partizipation auch die Transparenz der Forschung für Menschen mit HIV/AIDS notwendig und wichtig:

Deshalb führt die DAH im Rahmen des Kompetenznetzes HIV/AIDS ein Projekt durch, das den Dialog zwischen Wissenschaftlern und Menschen mit HIV und AIDS ermöglicht.

Wir sind zudem an Entscheidungen über künftige Forschungsprojekte beteiligt, damit diese auch einen Nutzen für die Betroffenen haben können.

Zudem hat die DAH ein Projekt initiiert, das die Möglichkeiten und Grenzen von Prävention in der Arztpraxis erforscht.

Dem Kompetenznetz HIV/AIDS wird von seinem internationalen Gutachtergremium bescheinigt, dass man ihm wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse verdankt, die wegweisend für Innovationen in Prävention, Diagnostik und Therapie sind.

Entsprechend freuen wir uns selbstverständlich über den Zuwendungsbescheid des Bundesforschungsministeriums für eine weitere Unterstützung des Hauptprojekts – der Kohortenstudie – bis 2010.

Allerdings muss aus unserer Sicht kritisch angemerkt werden, dass die Bundesregierung die Erfahrungen anderer großer Kohortenstudien außer Acht zu lassen scheint: Eine solche Kohorte wie die unseres Kompetenznetzes – die einen so hohen Output verspricht wie kaum eine andere HIV-Kohorte weltweit – kann das nur leisten, weil sie von ihrer Struktur (Daten, die prospektiv erhoben werden und Biomaterialien, die ebenfalls prospektiv erhoben werden) her in der Lage ist, die „Erkenntnislöcher“ abzudecken, die aus historischen Gründen in den meisten älteren Kohorten naturgemäß bestehen bleiben müssen.

Was vor 10 oder 20 Jahren kein Gegenstand der Forschung oder der Projektionen war – etwa weil seinerzeit niemand damit gerechnet hat, dass Menschen mit HIV 30 Jahre und mehr mit Therapie leben können und eine nahezu normale Lebenswartung haben – ist in die meisten älteren Kohorten im Nachhinein nicht einzubauen.

Solch riesige Datenmengen, wie sie in der Kompetenznetzkohorte erhoben werden, stellen naturgemäß hohe Anforderungen an alle Beteiligten und selbstverständlich auch an die Geldgeber.

Aus anderen Kohorten ist jedoch bekannt, dass der Vorlauf – d.h., die Zeit, die vergeht, bis die Kohorte „rundläuft“ und die notwendigen Fehler gemacht worden sind, mehrere Jahre beträgt.

Insofern hat die zu knappe Finanzierung der Kompetenznetzkohorte und der zu kurze Atem des BMF eine wesentliche Reduktion des möglichen wissenschaftlichen Outputs der Kohorte verursacht, die auch auf der Ebene der mit HIV lebenden Menschen direkt Konsequenzen zeitigen wird.
Nicht heute oder morgen, aber wir werden in einigen Jahren genauso schmerzhaft an diese vergeudeten Chancen erinnert werden, wie wir heute schmerzhaft an die Limits der älteren und alten Kohorten stoßen.

Hier würden wir uns mehr Weitblick und langen Atem wünschen – sprich: eine solidere Finanzierung der Kompetenznetzkohorte, die die jüngst erfolgte, sehr drastische Reduktion der Patientenzahl um die Hälfte wieder aufhebt.

Neben den bereits geäußerten Kümmernissen sind wir allerdings auch besorgt darüber, dass dem Forschungsverbund weitere deutliche Einschnitte bevorstehen: Neben der Kohorte sind im Kompetenznetz Forschungsgruppen zusammengeschlossen, die für eine Belebung der deutschen HIV-Forschung und für eine bessere Verschneidung der Grundlagen- mit der klinischen Forschung sorgen.

Mit der derzeitigen Finanzierung wird nicht nur die Kohorte drastisch in ihren Möglichkeiten beschnitten, darüber hinaus fallen über 20 inhaltliche Forschergruppen aus der Förderung heraus.

Die Deutsche AIDS-Hilfe wird sich dessen ungeachtet zusammen mit dem Patientenbeirat weiterhin dafür einsetzen, dass zentrale Fragen auf der Tagesordnung bleiben: wie z.B.:

• Wann ist der richtige Startzeitpunkt für eine Therapie?
• Welche Medikamentenkombination ist in welchen Situationen die Günstigste für mich?
• Wann sollte eine Therapie umgestellt werden und auf welche Kombinationen?
• Kann ich frühzeitig einen Zugang zu Therapie haben usw.
• Hinzu kommen eine Fülle von Fragen psychosozialer Natur oder Fragen zu den Übertragungswegen

Für den diesen zuletzt genannten Aspekt will ich Ihnen ein Beispiel geben:

Die bereits zu Beginn thematisierte Stellungnahme der EKAF zur Übertragungswahrscheinlichkeit beim ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem/einer HIV-Positiven bezieht sich auf heterosexuellen, vaginalen Geschlechtsverkehr. Für hetero- bzw. homosexuellen Analverkehr – der ja per se infektiöser ist, als Vaginalverkehr – gibt es keine Aussagen.

Unsere eigenen Recherchen haben ergeben, dass man dazu zwar Aussagen treffen kann, diese aber aufgrund der vorliegenden Datenlage sehr unklar und komplex sind.

Ein internes Beratergremium hat den Vorschlag gemacht, diese Frage im Kompetenznetz zu beforschen, und zwar sowohl im Rahmen einer in die Kohorte implementierten Beobachtungsstudie, als auch über eine diese Beobachtungsstudie begleitende weiterführende Grundlagenforschung etwa zu Viruslast im Analkanal. Sie erinnern sich an das Zwölffingerdarm-Phänomen zu Beginn meines Vortrages…

Daten dazu wären in etwa einem, eineinhalb Jahren zu generieren und sehr wohl geeignet, die derzeit laufende Debatte an der Stelle ihrer größten wissenschaftlichen Unschärfe zu verbessern.

Denjenigen von Ihnen, die jetzt sämtliche Felle der Prävention davon schwimmen sehen kann ich beruhigend versichern:

Die BZgA und DAH sind sich einig:

Auf der Kampagnen-Ebene werden wir an unseren bisherigen Safer-Sex-Botschaften festhalten.

Nur: die neuen Forschungserkenntnisse gestalten unsere vereinten Präventionsbemühungen komplexer und eben auch schwieriger. Wir werden daher unsere Botschaften gerade in der Individualkommunikation erweitern müssen.

Unseren Zielgruppen im Zeitalter des Internets Erkenntnisse vorenthalten, ist sowieso unmöglich.

Unabhängig von der Fragestellung, ob es ethisch überhaupt vertretbar wäre, unseren Zielgruppen neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorzuenthalten – etwa weil wir befürchteten, sie könnten nicht verantwortlich genug mit diesen Feststellungen umgehen:

Ein kleiner Teil unserer Zielgruppen bastelt sich seine eigenen Risikominimierungstrategien – und zwar unabhängig von den Präventionsbemühungen von DAH und BZgA und ein noch kleinerer Teil sicherlich auch leider jenseits von Sinn und Verstand (oder anders formuliert: teilweise durchaus mutwillig und wissentlich, fast immer jedoch begleitet von fatalen Fehleinschätzungen).

Und das, meine Damen und Herren, nennt man dort, wo ich herkomme: das Leben!

Und auch hier gilt: Was verschwiegen oder tabuisiert wird, kann nicht gestaltet werden.

Die „Präventions-Erweiterungsbotschaften“ aus der Schweiz werden derzeit aus allen möglichen anderen als unseren Quellen gespeist und mit haufenweise „stiller Post“-Effekte weiter getragen, verfremdet und verfälscht.

Die DAH muss daher neue Erkenntnisse sowohl im Internet als auch in ihrer Beratungs- und Aufklärungsarbeit vor Ort rasch aufgreifen und sie zielgruppengerecht kommunizieren.

Auch dies bedeutet für uns, uns und unsere Zielgruppen zu beteiligen.

Im Moment entwickeln wir in Zusammenarbeit mit der BZgA und dem Bundesgesundheitsministerium unsere erste bundesweite HIV-Präventions- und Gesundheitskampagne für Männer, die Sex mit Männern haben.

Der Slogan der Kampagne heißt „Ich weiß was ich tu“.

Diese Kampagne werden wir Ihnen bald vorstellen. Sie wird den von mir kurz geschilderten Veränderungen und Herausforderungen Rechnung tragen und partizipativ angelegt sein: Unsere Kampagne wird HIV-Positive gleichwertig neben HIV-Negativen und Männern, die ihren Serostatus nicht kennen, in die Prävention einbeziehen.

Es hat sich nämlich längst gezeigt, wie weitsichtig wir schon vor 25 Jahren waren: Das Modell der Verbindung von Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unter Einbindungen der von HIV Betroffenen und Bedrohten gilt bis heute international als wegweisend und maßgeblich für die deutschen, vergleichsweise niedrigen HIV-Infektionszahlen.

Vor allem HIV-positive schwule Männer haben sich seit den 1980er Jahren an der Prävention beteiligt. Auch Frauen und Männer zum Beispiel mit Migrationshintergrund, drogengebrauchende Menschen oder Anbieterinnen und Anbieter sexueller Dienstleistungen sind seit Jahren Akteure in der Prävention: in unseren Mitgliedsorganisationen und Präventionsprojekten vor Ort, in unseren Netzwerken, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Bundesgeschäftsstelle in Berlin oder als Ehrenamtlerinnen in den Vorständen und der Vor-Ort-Arbeit.

Bei dieser Erfolgsgeschichte fragt man sich völlig zu Recht, wieso die HIV-Zahlen steigen. Und auch völlig zu Recht dürfen Sie von mir dazu eine Stellungnahme erwarten:

Ich will die aktuellen HIV-Zahlen nicht beschönigen: Es ist richtig, dass der Großteil des Anstiegs der HIV-Neudiagnosen bei schwulen und bisexuellen Männern zu verzeichnen ist. Und es ist leider auch wahr, dass es seit 2001 einen kontinuierlichen Anstieg der Diagnosezahlen in dieser Gruppe gibt.

Wir müssen allerdings die Diagnosen von den Infektionen unterscheiden und damit die oft behauptete Dramatik der Entwicklung relativieren:

Ca. 50 Prozent der Neudiagnosen sind Neuinfektionen, die zu 50 Prozent von Menschen „gesetzt“ werden, die sich in der ersten, hochansteckenden Phase ihrer HIV-Infektion befinden, in der ein HIV-Antikörpertest – nicht der Viruslasttest, der normalerweise in einer solchen, ersten Beratungssituation noch gar nicht gemacht wird! – in aller Regel noch negativ ausfällt.

Die restlichen 50 Prozent sind Infektionen, die zum Teil schon Jahre zurückliegen oder z.B. auf verbesserte Diagnose- und Meldeverfahren und unsere Testkampagnen zurückzuführen ist.

Daher führen die Aidshilfen Testkampagnen bei schwulen Männern durch und bieten seit kurzem auch Schnelltests an, um auch die zu erreichen, die nicht zum Arzt oder ins Gesundheitsamt gehen. Solche Kampagnen wollen wir ausbauen. Wir werden auch den Weg intensivieren, zunehmend über andere sexuell übertragbare Krankheiten (STDs) aufzuklären, denn wir wissen, dass das Vorliegen von STDs (z.B. Syphilis, Herpes) die Übertragung von HIV fördert.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass eine erhöhte Inanspruchnahme von HIV-Tests – etwa im Rahmen von lokalen so genannten Testkampagnen oder im Rahmen der bereits erwähnten MSM-Kampagne „Ich weiß was ich tu“ wahrscheinlich auch erst einmal zu einem Anstieg der Neudiagnosen führen werden, weil diese Kampagnen – wie sich international zeigt – in der Lage sind, die Dunkelziffer in den von HIV am intensivsten betroffenen Szenen schwuler Männer zu reduzieren.

Dessen ungeachtet: Die Menschen haben wieder mehr Sex und weniger Angst vor HIV und AIDS bzw. sie haben (manchmal risikobehaftete) Mechanismen entwickelt, trotz dieser Angst ihre Sexualität zu leben.

Dies ist auch ein Erfolg der klinischen Forschung und der hochwirksamen Therapie.

Die Krankheit Aids wandelt sich von der akuten, tödlichen Bedrohung hin zu einer mehr oder weniger schweren, chronischen Erkrankung.

Um sie zu bekämpfen und um die Ausbreitung des HI-Virus zu stoppen nutzen wir die neuen Forschungserkenntnisse und Therapiestrategien für unsere Präventionsprogramme.

Und dies geht gut und erfolgreich eben nur mit der Beteiligung der bedrohten und betroffenen Menschen und nicht gegen sie, denn schlussendlich entscheidet sich im gelebten Leben, ob eine Präventionsbotschaft umgesetzt, gelebt und langfristig wirksam werden kann.

Diese Maxime bleibt aus unserer Sicht solange nötig, bis entweder eine Impfung oder die Heilung in Sicht sind.

Wenn wir uns jetzt die Zeitspanne vergegenwärtigen, die wir quasi „bedienen“ müssen, wenn wir Menschen in Bezug auf ihr sexuelles Leben begleiten bzw. beraten, dann sprechen also über ein Intervall, das ein ganzes sexuelles Leben umfasst. Und auch und gerade hier besteht dringender Forschungsbedarf:

Wir wissen nämlich nicht, wie es sich mit der realen Schutzwirkung unserer Präventionsbotschaften über einen Zeitraum von 30, 40 oder mehr Jahren verhält:

Die Präventionsbotschaften von DAH und BZgA sind untersucht und gut geeignet, das Pro-Kontakt-Risiko zu minimieren – wie gesagt: zu minimieren, nicht auszuschließen.

100prozentige Sicherheit gibt es nicht!

Was aber tun wir mit dem gut bekannten statistischen Phänomen des kumulativen Risikos, das begründet annehmen lässt, dass die ohnehin „nur“ relative Schutzwirkung über die Zeit nachlässt.

Es erreichen uns zunehmend Berichte, wonach sich Menschen, die glaubhaft versichern, sich trotz der 100prozentigen Befolgung der Safer-Sex-Botschaften mit HIV angesteckt zu haben.

Dies sind Phänomene, die derzeit in der Forschung leider (noch) nicht adressiert werden. Dem jedoch mit immer mehr desselben zu begegnen, ist nicht verantwortungsvoll, sondern im Gegenteil: es ist kurzsichtig.

Wir benötigen unbedingt zusätzliche Risikominimierungsstrategien, um der Herausforderung der HIV-Infektion langfristig so erfolgreich begegnen zu können, wie DAH und BZgA dies in den letzten 25 Jahren tun konnten.

Derzeit ist das Kondom (noch) der Goldstandard der HIV-Prävention.

Wie jedoch bei der HIV-Therapie längst und mehrfach geschehen, verändert sich dieser Goldstandard, wenn effektivere und mit weniger Nebenwirkungen behaftete Therapiemöglichkeiten vorhanden sind.

Gleiches sollte auch für die Prävention gelten – wobei Nebenwirkungen in diesem Sinne auch Anwendungshürden etwa auf der Verhaltensebene oder auch Anwendungsfehler sind.

Es gibt daher keinen Grund, vor Botschaften zurückzuschrecken, die die Kondom-Maßgabe zu ergänzen in der Lage sind und/oder ohne Kondom eine mindestens genauso hohe Schutzwirkung erreichen, als die Anwendung eines Kondoms – also besser sind, als der derzeitige Status Quo.

Das Prinzip der Beteiligung der Community ist Teil der Lösung und Teil eines verantwortlichen Umgangs mit der Infektion und nicht, wie immer noch manche meinen, Teil des Problems.

Die Beteiligung wird für uns auch in Zukunft einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren in den Veränderungsprozessen bleiben: Mit HIV infizierte und von dem Virus besonders bedrohte Menschen zu informieren, sie in ihrem Selbstbewusstsein und ihren Handlungskompetenzen zu stärken, ihnen Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen und ihnen Lösungs-Strategien für eine gelingende Risikominimierung aufzuzeigen, dies wird auch in den kommenden Jahren unsere Aufgabe sein.

In diesem Sinne freut sich die Deutsche AIDS-Hilfe auf die weitere enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihnen allen.

Uns allen wünsche ich heute Abend – vielleicht auch erst nach der Stärkung durch das Büfett – erkenntnisreiche Begegnungen und interessante Gespräche.

Von unserer Seite dazu beitragen werden meine Vorstandskollegin Frau Urban, Mitglieder unseres Delegiertenrates, der Geschäftsführer der Bundesgeschäftsstelle und unsere Referentinnen und Referenten.

Und selbstverständlich stehe auch ich Ihnen gleich für Gespräche zur Verfügung.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns: guten Appetit

Infektiosität unter Therapie: Reaktionen (akt.)

Keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs“ – der Beschluss der Eidgenössischen Aids-Kommission hat ein vielfältiges Echo hervorgerufen, unter Schwulen, bei Aktivisten und in der Presse.

Basis – was sagen die Schweizer?:
Der originale Text der EKAF ist zu finden hier als pdf. Dank Mike Barr (hier)und Michael Petrellis (hier) gibt es nun auch eine Übertragung in englischer Sprache (html).

Lesenswerte Feedbacks sind in einem Forum von Prof. Vernazza zu finden. Liste aller Artikel von Prof. Vernazza.
Der Artikel “HIV-infizierte Menschen ohne andere STD sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie sexuell nicht infektiös” (Pietro Vernazza, Bernard Hirschel, Enos Bernasconi, Markus Flepp, alle Eidgenössische Kommission für Aidsfragen, Fachkommission Klinik und Therapie des Bundesamts für Gesundheit (BAG) steht als pdf online in deutscher Sprache hier, in französischer Sprache hier.
Prof. Vernazza hat zudem zwei Artikel zum Thema verfasst: “Die HIV-Prävention wird einfacher – also komplexer!”, und “HIV-Therapie wirkt auch präventiv“.
Prof. Hirschel geht in einem Interview (in französischer Sprache) auf die Frage ein, wie weit sich die Daten auch auf die Frage der Superinfektion übertragen ließen.
Prof. Hirschel auf der CROI im Interview über den EKAF-Beschluss:
http://www.aidsmeds.com/articles/hiv_condoms_virus_2151_14010.shtml (knapp 15 min. Video) sowie in einem Interview auf TheWarning.

Reaktionen in den Medien:
Die NZZ berichtet u.a. ‚Konsequent therapierte HIV-Infizierte nicht mehr infektiös‘ und ‚Neue Lage – neue Rechtsprechung?‘
Tagesanzeiger (CH): ‚Debatte um HIV-Ansteckung‘, ‚Die Botschaft zur Prävention von HIV bliebt dieselbe‘, ‚Ungeschützter Sex trotz HIV‘, ‚Aids-Kommission verteidigt sich‘.
Swissinfo (CH): ‚Gute Nachricht für Minderheit von HIV-Positiven‘
Mit detaillierten Informationen besticht wie so oft der HIV Report (Ausgabe 01/2008).
Die Welt fragt in einem recht differenzierten Artikel ‚Ist Safer Sex überflüssig?‘.
‚Safer Sex kein absolutes Gebot mehr?‘ fragt die FAZ.
Ärzteblatt: ‚Kontroverse um Safer Sex.. ‚ und ‚Kritik am Schweizer okay …
In einen leider fachlich nicht völlig korrekten Artikel berichtet die taz.
Reaktion der Katholischen Nachrichten.
Interessante Diskussionen entspannen sich zu einem Artikel auf queer.de.

Reaktionen aus Selbsthilfe und Aidshilfe und Selbsthilfe:
Die Schweizer Positivenvereinigung LHIVE begrüßte die Stellungnahme der EKAF. Michèle Meyer im Interview: ‚der Weg in eine Normalität
Stellungnahmen der Aids-Hilfe Düsseldorf, Aids-Hilfe Köln, Aids-Hilfe Wuppertal.
Michael schriebt dazu hier und hier im Welt-Aids-Tag-Blog.
Das Netzwerk positiv sagt „Danke Pietro Vernazza“.
Neue Wege sehen – neue Wege gehen!“ – die Haltung der Deutschen Aidshilfe.

offizielle und offiziöse Reaktionen:
Mitteilung ‚Die Botschaft zur Prävention von HIV bleibt dieselbe‘ auf gib-aids-keine-chance.de (eine Seite der BZgA)
Stellungnahme des RKI (dort auf pdf klicken) sowie weiteres in den FAQ (dort letzte Frage unten)
Dr. Hamouda, Leiter der Aids-Abteilung im Robert-Koch-Institut (RKI), äußerte sich u.a. im Tagesspiegel (‚Können HIV-Infizierte auf Kondome verzichten?‘) und in der FAZ (‚Safer Sex kein absolutes gebot mehr?‘). Zudem hat das RKI eine Stellungnahme veröffentlicht.
WHO: ‚HIV therapy does not eliminate transmission risk‘

weitere Reaktionen:
Das UN Integrated Regional Information Network berichtet, und die WHO betont, eine erfolgreiche Therapie eliminiere nicht das Transmissionsrisiko.
aidsmap behandelt das Thema in mehreren Artikeln, berichtet über die Schweizer Beschlüsse und weist u.a. darauf hin, dass nicht nachweisbare Viruslast im Blut nicht gleichbedeutend mit keine Infektiosität sei.
Interessant in diesem Kontext auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das antiretrovirale Therapie bei der Beurteilung der (deutlich gesenkten) Infektiosität und strafrechtlichen Konsequenzen behandelt (Link auf den Seiten des LSVD).

Auch die USA hat die Diskussion erreicht:
Walter Armstrong ist ein langjähriger Aids-Aktivist (u.a. ACT UP) und war lange Jahre Herausgeber des US-Positiven-Magazins ‚POZ‘. Seinen Kommentar zu dem Schweizer Beschluss und Reaktionen in San Francisco darauf hat Michael Petrellis in seinem Blog dokumentiert: Ex-POZ-Editor: SF Strangles Gay Hopes From Swiss Study.
Michael dokumentiert auch die Stellungnahme von Dr. Paul Bellman, New York „Public Debate Needed on Swiss Study“.
Und (ebenfalls bei M.Petrellis) Dr. Joseph Sonnabend nimmt Stellung.

Dank an Michael für Unterstützung bei der Link-Sammlung …

keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs

Die Schweizer „Eidgenössische Kommission für Aidsfragen“ (EKAF) hat inzwischen ihren mit Spannung erwarteten Beschluss publiziert zur Frage, wie es mit der Infektiosität von HIV-Positiven bei erfolgreicher antiretroviraler Therapie aussieht.

Dort heißt es:

Die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen (EKAF) hält auf Antrag der Fachkommission Klinik und Therapie des Bundesamts für Gesundheit, nach Kenntnis der wissenschaftlichen Fakten und nach eingehender Diskussion fest: Eine HIV-infizierte Person ohne andere STD [sexuell übertragbare Erkrankungen, d.Verf.] unter einer antiretroviralen Therapie (ART) mit vollständig supprimierter Virämie (im Folgenden: ‚wirksame ART‘) ist sexuell nicht infektiös, d.h., sie gibt das HI-Virus über Sexualkontakte nicht weiter, solange folgende Bedingungen erfüllt sind:
– die antiretrovirale Therapie (ART) wird durch den HIV-infizierten Menschen eingehalten und durch den behandelnden Arzt kontrolliert;
– die Viruslast (VL) liegt seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze (d.h., die Virämie ist supprimiert);
– es bestehen keine Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern (STD).“

Die EKAF teilt auch dezidiert mit, warum sie diesen Text publiziert: „Die EKAF will Menschen mit und ohne HIV-Infektion Ängste nehmen und dadurch einem Teil der etwa 17.000 in der Schweiz lebenden HIV-infizierten Menschen ein weitgehend ’normales‘ Sexleben ermöglichen“.

Die EKAF beziffert auch das konkrete Risiko: „Das Risiko einer HIV-Übertragung beim Sex ohne Kondom unter vollständig supprimierter Viruslast ist deutlich geringer als 1:100.000. Das verbleibende Restrisiko lässt sich zwar wissenschaftlich nicht ausschließen, es ist aber nach Beurteilung der EKAF und der beteiligten Organisationen vernachlässigbar klein.“

Die Schweizer Positivenvereinigung LHIVE begrüßte die Stellungnahme der EKAF.

Der Artikel „HIV-infizierte Menschen ohne andere STD sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie sexuell nicht infektiös“ (Pietro Vernazza, Bernard Hirschel, Enos Bernasconi, Markus Flepp, alle Eidgenössische Kommission für Aidsfragen, Fachkommission Klinik und Therapie des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ) steht als pdf online in deutscher Sprache hier, in französischer Sprache hier.

Die bisher zum Thema Infektionsrisiko unter Therapie widersprüchlichen Signale sind damit um eine klare Stimme aus der Schweiz reicher und bestätigen frühere Meldungen, dass das Transmissionrisiko unter HAART vernachlässigbar klein sei.
Und die Österreicher, die vor einer Mogelpackung warnten? Hier ticken die Uhren wohl immer noch anders …

Nun steht die Frage im Raum, wann die deutsche Gesundheitspolitik (und wie) auf die eindeutigen Schweizer Aussagen reagiert.
Zudem ist zu hoffen, dass diese nun fundiert vorgetragene Position auch in der deutschen Rechtsprechung Berücksichtigung findet.

Nachtrag 01.02.2008:
zwei interessante Artikel von Prof. Vernazza zum Thema: „Die HIV-Prävention wird einfacher – also komplexer!“ (pdf), und „HIV-Therapie wirkt auch präventiv„.