Polizei MySpace?

MySpace plant, eine private Polizei gegen Sexualstraftäter einzuführen. Mit eigenen Datenbanken, ‚automatischer Pädophilenerkennung‘ und vorbeugender Fahndung.

Erst vor Kurzem habe ich ja geschrieben, warum ich plane mein MySpace-Profil wieder abzuschalten. Heute hat MySpace (via SpON) noch einen Grund nachgeliefert: MySpace hat sehr kurzfristig vor, Rasterfahndung in privater Hand aufzubauen.

MySpace hat Angst um seinen Ruf. In der US-Presse war es anscheinend zu mehreren Berichten gekommen, dass Pädophile versucht haben, MySpace als Forum für Kontaktanbahnungen zu benutzen.

Nichts fürchtet ein Forum wie MySpace, das gerade erst für viele Hunderte Millionen Dollar an Herrn Murdoch verkauft wurde, mehr als schlechten Ruf. Das schadet dem Image, und erst recht dem Börsenkurs (der Mutter Murdoch namens NewsCorp). Zudem lässt es die Nutzerzahlen erodieren, was wiederum weiterer Schaden ist.

Als Reaktion darauf hat MySpace nun vor, einen Site-interne Polizei einzurichten.
Die soll innerhalb von 30 Tagen eine Datenbank aller 550.000 wegen Sexualstraftaten verurteilten US-Amerikaner aufbauen. Für diese hauseigene Datenbank will MySpace erstmalig die (bisher getrennten) Daten aller Bundesstaaten zu einer integrierten Sexualstraftäter-Datenbank zusammenführen.
Alle Einträge in dieser neuen Datenbank sollen dann regelmäßig mit den MySpace-Profilen abglichen werden. Zudem soll die Datenbank als ‚vorbeugende‘ Identifizierungshilfe dienen.

Früher (zu Herolds Zeiten) nannte man das Rasterfahndung. Das war damals schon ziemlich eklig und vor allem umstritten, aber immerhin noch in staatlicher Hand, (vermeintlich) staatlich legitimiert und einer gewissen Kontrollmöglichkeit unterworfen.

Nun aber – Rasterfahndung elektronisch, und das ganze in privater Hand?
Erstmalig werden alle Daten in einer Datenbank zusammengeführt – und dann privat?
Irgendwelche MySpace-Mitarbeiter dürfen sich anmaßen Schnüffel-Privatstaat zu spielen?
Und das auch noch ‚vorbeugend‘, ohne konkreten ‚Tatverdacht‘? Wo bleibt die Unschuldsvermutung?
MySpace als privaten Schnüffel-Polizei?

Aber MySpace (bzw. wohl der ehrenwerte Herr Murdoch) treibt’s noch weiter.
Da könnten die Sexualstraftäter ja auf die Idee kommen, sich mit falschen Angaben anzumelden (oh, das werden wohl nicht nur die machen, wenn ich da an Gayromeo denke …). Also macht er in Washington Lobbyarbeit für ein Gesetz, das Sexualstraftäter zwingen soll, ihre Emailadresse zentral registrieren zu lassen und keine anonymen Emailadressen zu benutzen.
MySpace wird nebenbei (auch) zu einem Werkzeug Murdoch’scher konservativer Politik.

Es geht hier nicht darum, Sexualstraftaten zu verharmlosen. Aber es geht darum, wer macht Ermittlungen, Strafverfolgung (der Staat oder Private?). Es geht um Freiheitsrechte. Und um Polizei-Instrumente in privater Hand.

Jetzt noch mehr: MySpace ist nicht mehr my space …

Abgeordnete (etwas) transparenter

Mit Transparenz (z.B. in Sachen Einkünfte) haben’s einige Abgeordnete ja nicht so sehr. Ihr Abstimmungsverhalten allerdings wird nun etwas leichter überschaubar.

Bereits zur Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hab ich ja über Kandidatenwatch geschrieben. Inzwischen gibt es diese Form der Transparenz nicht nur für (einzelne) Wahlen und deren Kandidaten, sondern auch ständig, im Verlauf der gesamten Wahlperiode – für die Mitglieder des Deutschen Bundestags.

Auf Abgeordneten-Watch kann jedermann/frau Fragen an seine Abgeordnete/n stellen. Eine elektronischer Online-Sprechstunde mit allen 614 Bundestagsabgeordneten, bei der jede/r Interessierte den gesamten Dialog mitlesen kann.
Aber nicht nur das. Abgeordneten-Watch ermöglicht auch, einige zusätzliche Informationen über Abgeordnete einzuholen (die auch schon im Bundestags-Handbuch publiziert sind), sowie – besonders interessant – das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten zu verfolgen.

Die Möglichkeit, etwas über das Abstimmungsverhalten zu erfahren, besteht natürlich nur bei namentlichen Abstimmungen im Bundestag. In diesem Fall allerdings bietet Abgeordneten-Watch dann (bei von der Redaktion als wichtig erachteten Abstimmungen) Informationen zum Abstimmungsverhalten bezogen auf die jeweilige Abstimmung, und dazu bei den Abgeordneten, wie sie sich bei bestimmten Abstimmungen verhalten haben.

Das kann durchaus interessant sein, so erfahre ich hier z.B., dass von den Berliner Bundestagsabgeordneten Renate Künast (Grüne) für das Antidiskriminierungsgesetz gestimmt hat, jedoch gegen die Mehrwertsteuer-Erhöhung. Gregor Gysi (Linke) hingegen stimmte gegen die MWSt-Erhöhung, aber auch gegen das Antidiskriminierungsgesetz.

Wer sich daraufhin (oder aus anderem Anlass) an eine/n Abgeordnete/en mit einer Frage wenden möchte – dafür bietete Abgeordneten-Watch eine direkte Funktion. Die Startseite hierfür zeigt zudem an, wieviele Fragen der/m Abgeordneten bisher in dieser Legislaturperiode gestellt, wieviel davon von ihr/ihm beantwortet wurden.

Eine weitere Form von Transparenz, die nützlich erscheint. Sollte der ärgerliche Antragsentwurf in Sachen ‚fahrlässige HIV-Verbreitung‚ es jemals bis in den Bundestag schaffen, wird sich hoffentlich doch eine Fraktion finden lassen, die auf namentlicher Abstimmung besteht. Dann werden wir ja sehen, wer tatsächlich für mehr Repression stimmt …

Aber auch für andere Abstimmungen dürfte dieses Tool eine sinnvolle Sache sein … wie ich mir überhaupt bei so manchem vermeintlich demokratisch legitimierten Gremium ein wenig mehr Transparenz wünsche …

Warum ich Myspace verlasse

Seit Ende August 2006 bin ich mit einem Profil (und zeitweise Blog) auch auf Myspace. Nun werde ich mein Myspace-Profil wieder löschen – aus mehreren Gründen.

Nach hundert Tagen auf Myspace ziehe ich eine insgesamt eher negative Bilanz. Aus persönlichen Erfahrungen, zu denen eher politische Gründe hinzu kommen.

Auf der positiven Seite: ich habe eine meiner Lieblings-Gruppen der 90er Jahre [Bel Canto, damals von der Rigo empfohlen :-)] wiedergefunden. Einen netten Franzosen (elektronisch) kennen gelernt, einige andere Bekannte auf Myspace wiedergetroffen. Eine nette auch persönliche Bekanntschaft, die sich leider unter seltsamen Umständen bald darauf wieder verflüchtigt. Einige nette neue Musikmacher kennen gelernt.

Auf der negativen Seite: immer mehr bekomme ich im Laufe der 100 Tage das Gefühl, für viele besteht Myspace nur aus einem Wettbewerb, möglichst viele Verlinkungen als so genannte „Freunde“ zu haben. Täglich mehrere Anfragen von den teilweise abstrusesten Profilen, die „mein Freund“ werden wollen [sorry, aber was ich mit einer Gruppe evangelikaler Hetero-Väter in Michigan gemeinsam habe, erschließt sich mir nun wirklich gar nicht, und ich möchte es auch nicht ausprobieren]. Dazu massenweise ebensolche ‚Freund‘-Anfragen von irgendwelchen Bands und Liedermachern. Darunter ist dann ab und an auch eine interessante Entdeckung (wie Tommy Finke), aber letztlich empfinde ich die massenhaften Band-Anfragen bald nur noch als Werbe-Müll.

Im Resume der persönlichen Erfahrungen: für mich steht der Zeitaufwand, den Myspace erfordern würde, in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen. Noch unproduktiver und zeitraubender als Gayromeo ;-).

Dazu kommt, aber das ist eher ein Neben-Grund, dass Myspace mich nicht gerade in liebenswerte Gesellschaft bringt: Myspace ist zentraler Baustein in der Internetstrategie des konservativen Medien-Zaren Rupert Murdoch (der Myspace für einige hundert Millionen Dollar übernommen hat). Der Murdoch, der mit Hetz- und Propagandasendern der Rechten prächtig Geld verdient (schon mal Fox News gesehen? Oder die ‚New York Post‘ gelesen?). Und in dessen Reich ich nicht unbedingt gratis-Inhalte-Lieferant (oder Konsumenten- und Marketing-Futter) sein möchte. [Nicht, dass Google, Hoster meines Blogs, nun gerade unkritisch zu sehen wäre. Aber das ist eine andere Geschichte…]

Im Ergebnis nach hundert Tagen: Myspace war ein interessantes Experiment, bei dem ich einiges über die Welten und Funktionsweisen einer der Facetten des Web 2.0 kennen gelernt habe.
Beinahe gleichzeitig habe ich damals auch das Bloggen begonnen. Und auf das werde ich mich zukünftig konzentrieren … adieu Myspace, und auf ein weiteres auf meinem Blog Ondamaris

Wie alt ist Ihre Mail?

Schreiben Sie noch Briefe? Selten, stimmt’s? Das meiste erledigen wir heute per Email. Emails sind innerhalb weniger Jahre eine Selbstverständlichkeit geworden, haben sich in unserem Alltag eingenistet als wären sie immer schon dort gewesen. Und doch – Emails sind noch recht jung, sie werden in diesen Tagen gerade 35 Jahre alt.

Wir befinden uns in den Urzeiten des Internet. Noch kurz vorher waren Computer einzelne, riesige und isoliert existierende Schränke. Einer ‚Kommunikation‘ zwischen diesen Dingern wurde nur untergeordnete Bedeutung beigemessen, Dialoge fanden noch über Lochkarten statt.

Bis die US-Luftwaffe begann, das so genannte ArpaNet entwickeln zu lassen – den Ur-Vater des Internet, schon damals mit einer Struktur paketvermittelter Netze.
Ab Ende der 1960er Jahre wurde das ArpaNet nach einigen Fehlschlägen im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums realisiert – zunächst begonnen mit der Vernetzung von Rechnern in vier Forschungeinrichtungen. 1)

Aber irgendetwas fehlte, wie einige findige Forscher bald feststellten. Zwar konnten Computer bald Daten untereinander austauschen – aber sie selbst nicht. Nachrichten von einem zum anderen – das wäre etwas.

Der US-Forscher Ray Tomlinson machte sich an die Arbeit, ‚erfand‘ ein Format zum Austausch von Daten. Aber wie sollte er kenntlich machen, an wen die Nachricht gehen sollte? Wie sollte das, was bei Briefen die Post-Adresse war, im elektronischen Netz aussehen?
Eigentlich bräuchte man ja keine physikalische Adresse, sondern nur den Namen und die Organisation, beides sinnvoll verknüpft.
Bei der Suche, wie beides sinnvoll verknüpft werden könnte, stieß Tomlinson auf das bisher im elektronischen Datenverkehr nahezu ungebräuchliche @. Und baute daraus die erste Email-Adresse: tomlinson@bbn-tenexa.

Da fehlt doch was? Ja, stimmt. Die Endungen! Die aber kamen erst später hinzu, als die Zahl der beteiligten Institute so gross wurde, dass ein weiteres ‚Sortier-Kriterium‘ erforderlich wurde, diese durch die heute populären Endungen .com, .gov oder .de unterschieden wurden.

Die erste Email wurde von Tomlinson Ende 1971 (im November oder Dezember, da sind sich die Geschichtsschreiber des Internet nicht einig) geschrieben – vor 35 Jahren.

Nur zur Erinnerung: der erste ‚PC‘, heute ebenfalls eine Selbstverständlichkeit, wurde erst 1981 von IBM auf den Markt gebracht, und der Siegeszug des World Wide Web, heute nur noch als www bekannt, begann erst 1991.
Inzwischen hat die Email längst einen Siegeszug um die Welt hinter sich, täglich gehen Abermillionen Emails rund um den Erdball auf den Weg, ist die Email zur am weitesten verbreiteten Anwendung im Internet geworden..

Wie schnell man neue Technologien und Verfahren als selbstverständlich nimmt …

Und warum sind Emails heute (oft) weiterhin kostenfrei? Weil Ray Tomlinson und seine Kollegen niemals versuchten, ihre Erfindung zu kommerzialisieren – sonst würden Email heute wohl Porto kosten.

1) Nebenbei, der beliebte Internet-Mythos, das ArpaNet sei entwickelt worden als einem Atomkrieg widerstehendes Netzwerk hat sich als Illusion erwiesen …

Regierung plant Gesetz gegen ‚fahrlässige Verbreitung von HIV‘

Was gestern noch wie ein Märchen klang, kann morgen schon Wirklichkeit sein … leider aber auch ein Alptraum, denn die Bundesregierung plant anscheinend ein Gesetz gegen die ‚fahrlässige Verbreitung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten‘.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 2. Dezember, dass die Regierungsparteien (CDU/CSU und SPD) sich auf einen Entschließungs-Antrag zur Strafbarkeit der fahrlässigen Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten geeinigt haben. Der Antrag sei inzwischen an die zuständigen Bundestags- Ausschüsse überwiesen worden.

Dem Antrag 1) zufolge soll geprüft werden, ob entsprechende Erfahrungen Österreichs und der Schweiz (zur Strafbarkeit der fahrlässigen HIV-Verbreitung) auch für Deutschland nutzbar gemacht werden können.
Ziel seien dabei (zunächst?) nicht die jeweiligen Sexualpartner, sondern die Betreiber von Internet-Sexagenturen sowie Betreiber von Sex-Parties. Gesucht werden laut Antrag „handhabbare Regelungen zur Eindämmung der kommerziellen Angebote von ungeschütztem Sex“. Nach einem Zeitraum von 2 Jahren, in dem die Wirksamkeit von Selbstverpflichtungen geprüft werden soll, werden Vorschläge für eine rechtliche Regelung gefordert.

Parallel wird in dem Antrag auch gefordert, dass ‚Anbieter von Orten sexueller Begegnung‘ Kondome, Gleitgel sowie safer-sex-Informationen bereit legen und vollständig „auf Werbung und Unterstützung für ungeschützten Geschlechtsverkehr“ verzichten.

Der Antrag geht dabei teilweise von Vorurteile und falschen Annahmen aus, so z.B. wenn dort formuliert wird „besonders beunruhigend ist eine Zunahme an Infektionen mit primär resistentem HI-Virus“. Hierzu sagt das Robert-Koch-Institut im Gegenteil „es ist keine Zunahme der Übertragungshäufigkeit resistenter HIV zu verzeichnen und bisher auch keine Zunahme der Übertragung mehrfach resistenter Viren“ (Epidemiologisches Bulletin Nr. 47 vom 24. November 2006).

Bereits im Entwurf zum Aids-Aktionsplan der Bundesregierung hatte es entsprechende Hinweise auf derartige Bemühungen gegeben, wenn auch verharmlosend mit dem Hinweis, entsprechende Bemühungen sollten erst weiter verfolgt werden wenn …

Mit dem nun publik gewordenen Vorhaben mehren sich die Anzeichen, dass auch in Deutschland ein Rollback zu law and order in der Aids-Politik droht, vermehrt mit juristischen Maßnahmen (auch) gegen Positive vorgegangen werden soll.

Bemühungen, auf freiwilliger Basis die Möglichkeiten und Bedingungen von safer sex in Szene-Einrichtungen zu verbessern (safer environment Ansatz), wie sie z.B. auch die Initiative safety4free Berliner Wirte und Partybetreiber zusammen mit ManCheck geht, werden so brüskiert.

Ganz abgesehen von der Frage, ob es nicht auch legitime Formen des ungeschützten Sex geben mag, zeigt die Initiative erneut, dass die Bundesregierung bei der Aids-Bekämpfung den Weg des Stärkens der Kompetenz des Individuums und des eigenverantwortlichen Handelns (Risikomanagement) verlässt zugunsten zusätzlicher repressiver Maßnahmen.

DAH-Empfang Ulla Schmidt
Nebenbei, wie nett, dass Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt beim Jahresempfang der DAH zu diesem Regierungsvorhaben kein Wort verloren hat …

Anmerkung:
1) Sollte jemand sich an seinen Abgeordneten wenden wollen: Der Antrag wurde eingereicht von den Abgeordneten Jens Spahn, Wolfgang Zöller, Annette Widmann-Mauz, Peter Albach, Norbert Barthle, Dr. Wolf Bauer, Maria Eichhorn, Dr. Hans-Georg Faust, Hubert Hüppe, Max Straubinger, Hermann-Josef Scharf, Willi Zylajew, Hartmut Koschyk, Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Peter Friedrich, Elke Ferner, Carola Reimann, Dr. Wolfgang Wodarg, Olaf Scholz, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD.

(gepostet 2.12., 21:28, ergänzt 3.12. 12:40)

DAH diskutiert Leitbild

Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) plant, ihre Grundsätze, Werte und Haltungen in einem Leitbild zusammen zu fassen. Bis zum 28. Februar 2007 findet die Diskussion darüber online statt.

Von welchen Grundsätzen, Haltungen und Werten wird die Arbeit der DAH getragen? Dies klar zu formulieren und damit auch die eigene Position zu bestimmen ist Ziel eines Leitbilds, dass der Verband sich geben will. Hierzu hat der Vorstand der DAH eine Programmkommission eingesetzt, die sich in mehreren Treffen und Diskussionen intensiv mit den Grundlagen und Zielen der Arbeit der DAH beschäftigt hat.

Auf dieser Grundlage ist ein Entwurf zu einem Leitbild erarbeitet worden, der am 13. Oktober zur Diskussion freigegeben wurde.

Die Diskussion über den Entwurf dieses Leitbilds (in 13 Leitsätzen) findet vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 ausschließlich online statt auf dem Internetangebot der DAH unter dieser Adresse.

Für die Teilnahme an der Diskussion ist eine einmalige Registrierung erforderlich (z.B. als hauptamtlicher oder ehrenamtlicher Mitarbeiter einer Mitgliedsorganisation der DAH oder als sonstiger Engagierter).

Über andere Seiten im Iran

Auf den Iran wird ja gerne eingeprügelt. Fortschritte werden dabei gern übersehen – Fortschritte auch in der Aids-Bekämpfung.

Der Iran wird in hiesigen Medien gern als Quelle allen (oder vielerlei) Übels gesehen, als Unterstützer von des Terrors verdächtigten Einrichtungen und Organisationen, als expansionistische Mittelmacht, als potenzielle Atommacht mit ideologischem Bedrohungspotenzial usw.

Dabei wird gern übersehen, dass nicht alles im Iran so schwarz ist. Zum Welt-Aids-Tag möchte ich gern auf einen Aspekt der Aids-Bekämpfung im Iran hinweisen.

Der Direktor der Aids-Organisation der Vereinten Nationen UNAIDS, Peter Piot, bezeichnet den Iran (in einem Interview in der FAZ vom 28.10.2006) als „Musterland“. Und wem jetzt ob des unerwarteten Urteils der Atem stockt, für den hier im O-Ton Piots Begründung:

„Im Iran gibt es eine wachsende Zahl junger Menschen, die Drogen injizieren. Das Rauschgift stammt aus dem Nachbarland Afghanistan und ist beliebt, weil es billig zu haben ist. Die Gefängnisse im Iran sind voll mit jungen Drogenkonsumenten. Die Regierung im Iran geht allerdings pragmatisch mit dem Problem um: In allen Provinzen werden Methadon-Programme angeboten, auch in den Gefängnissen. Spritzen und Nadeln werden ausgetauscht. Und überall stehen Kondome unentgeltlich zur Verfügung. Ich wünschte, alle Länder der Region wären dazu bereit.“
(Piot weist im weiteren Verlauf des Interviews auch darauf hin, dass es weiterhin schwer sei, im Iran offen über Sex zwischen Jugendlichen oder zwischen Männern zu sprechen.)

Wenn ich mich daran erinnere, wie die Situation (nicht nur) in hiesigen Knästen aussieht, was Spritzentausch, Nadeln oder auch nur Kondome angeht, kommen mir ganz seltsame Gedanken …

Nicht, dass ich den Iran verteidigen möchte – erst recht nicht in Fragen im Kontext Proliferation / Atomwaffen. Aber eine differenzierte Sicht (auch beim Thema Iran) ist doch immer wieder angebracht, statt einseitiger ‚Verteufelungen‘ oder schwarz-weiß-Malereien.

http://www.unicef.de/trackback.html

Denken und Gedenken

Am 1. Dezember ist wie jedes Jahr wieder ‚Welt-Aids-Tag‘. Viele Menschen mit Roten Schleifen stehen auf den Straßen, viele nehmen an Lichtermeer und Trauerzug teil, Freiwillige sammeln Geld für den Kampf gegen Aids, Benefizze füllen die Säle und die Fernsehsender senden Filme über HIV und Aids, die viele von uns schon oft gesehen haben. ‚Same Procedure as every year‘, mag man/frau fast denken.

‚Lichtermeer‘ und ‚Trauerzug‘ sind eine bewegende Veranstaltung. Hunderte, Tausende von Menschen mit Kerze in der Hand, überwiegend besinnlich-ruhige Stimmung, viele offensichtlich bewegt. Die Dimension von Aids, die sich in der Kategorie ‚Menge‘ ausdrückt, die ein Stück weit veranschaulicht, wie viele Freunde, Lover, Partner, Mitstreiter wir an den Folgen von Aids bereits verloren haben, wird hier eindrucksvoll deutlich, beinahe nachempfindbar.

Und doch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Warum nur an einem Tag im Jahr, warum diese Stille ansonsten?
Ist es nicht eigentlich, frage ich mich manchmal, nur noch ein jährlich wiederkehrendes Ritual, das zelebriert wird, aber dabei ist seinen Inhalt zu verlieren? Das dazu dient, das eigene (persönliche und kollektive) Gewissen zu beruhigen, eine Beruhigungspille, die aber kaum mehr einem Bedürfnis zu entspringen scheint, sich z.B. bewusst zu machen, wie groß die Verluste (auch wieder: individuell und kollektiv) waren und sind?

Die Aids-Mahnmale, sind sie nicht, eh schon selten genug vorhanden, kaum noch mehr als – zudem dann oft schwul dominierte – Kranz-Ablegestellen? Die Gedenk-Formen längst fade ’same procedures‘ geworden?

Wie wird denn ansonsten -wenn nicht gerade Welt-Aids-Tag ist- in dieser Stadt, in diesen Szenen an die infolge von Aids Verstorbenen gedacht?
Einzig eine rote Schleife aus Stahl, mitten auf einer der belebtesten Kreuzungen Berlins, trostlos platziert auf einem Flecken, für den der Name ‚Platz‘ sicher ein Euphemismus wäre – ist das eine adäquate Form des Gedenkens? Wollen wir so erinnern, gedenken?

Aids-Schleife Berlin
Sind all die verstorbenen Partner, Lover, Liebhaber, Freunde, all die nicht mehr lebenden Weggefährten, Mit-Aktivisten, sind all sie uns nicht mehr wert als einmal im Jahr ein Trauerzug und ansonsten ein tristes Stück Stahl auf einer noch tristeren Kreuzung?

„Du weißt doch,“ bemerkte jüngst ein Freund lakonisch mir gegenüber, „diese Stadt ist ‚arm aber sexy‘. Vielleicht drückt sie ihre Armut in diesen tristen Denkmälern aus‘.“

Bemühungen, eigene passende Formen von Trauer und Gedenken zu finden, zu experimentieren, auch öffentlich, waren früher gängig und sind heute (wieder) eine Rarität geworden. Geht damit nicht auch eine (Re-)Privatisierung der Trauer, des Sterbens einher? An Aids wird nicht mehr öffentlich gestorben, sondern still und leise, und weitgehend unbemerkt im Privaten.

Versuchen wir nicht eigentlich längst, in unserem Alltag diese Zeiten des Horrors, überhaupt das ganze Thema Aids möglichst weit hinter uns zu lassen, zu vergessen, verdrängen – und zu neuem (altem) Spaß zurückzukehren?

Und hat uns dabei nicht längst ein (zumindest partieller) Gedächtnisschwund befallen? Um einer neuen Amüsiersucht Platz zu schaffen?

Wer will sich wirklich noch (mehr als einmal im Jahr zum Welt-Aids-Tag vielleicht) all der bekannten und unbekannten Menschen erinnern, die an den Folgen von Aids gestorben sind? Gedenken an die vielen Träume die ungeträumt, Utopien die ungedacht, Projekte die unrealisiert blieben und bleiben werden?
Machen wir uns die Löcher, die gerissen wurden, überhaupt noch bewusst?
Merken wir noch, wie viel uns genommen wurde? Was alles nicht stattfindet, weil diese Menschen viel zu früh gegangen sind?

Manchmal frage ich mich, ob dieses Vergessenwollen nicht beinahe wie ein zweiter Tod ist …

Aids-Stele Köln
Die Aids-Stele in Köln – auch noch nicht die schönste aller denkbaren Lösungen, aber allemal anmutender als eine Blech-Schliefe auf einer tristen Kreuzung …

Was ist ein Blog wert?

Es gibt für alles einen Wert. Stimmt. Nur, dass die meisten Menschen mit Wert meinen: Geld. Materieller Wert? Immaterielle Werte?

So haben auch Blogs anscheinend einen Wert. Klar, für mich hat mein Blog einen recht hohen Wert, und die Blogs einiger Freunde und Bekannten (siehe rechts „Lieblings-Blogs“) haben für mich auch einen hohen Wert …

Aber die Amis sind uns natürlich wieder einmal voraus, Blogs sind – klar, wer hätte anderes erwartet – auch „was wert“. Echte Taler. Blogs kann man anscheinend monetarisieren:


My blog is worth $28,227.00.
How much is your blog worth?

Die ermittelten Dollar-Werte basieren auf den Technorati-Zahlen zu Verlinkungen. Diese wurden „monetarisiert“ anhand einer einfachen Umrechnung: AOL hat jüngst Weblogs Inc. für 40 Mio.$ übernommen. Die hier gelisteten Blogs hat ein findiger Kopf auf ihre ‚conversation‘ (i.e. Verlinkung und Kommentierung) untersucht und daraus eine Art ‚Geld-Faktor‘ errechnet. Den dann auf das eigene Blog angewendet, ergibt das nun obiges Zahlenspielchen.

Also – wer bietet mit? Bin ich käuflich?

… und Dank dem pantoffelpunk für den Hinweis in seinem Blog …

Na dann Gesundheit …

Die Berliner Aids-Hilfe hat ein neues Plakat:

Gesundheit Plakat BAH

Nun sind Plakate ja was Schönes, gerade wenn hübsch gestaltet und ein netter Männerkörper drauf ist. Aber – was will mir dieses Plakat sagen?

Unter dem Motto „Wissen schafft Klarheit“ fordert es zum HIV-Test auf, weist auf ein diesbezügliches Angebot der BAH hin.

Klarheit soll hier ja offensichtlich über den eigenen HIV-Status geschaffen werden. Und dann? Soll sich der als positiv getestete Mensch danach dann als nicht mehr gesund fühlen? Oder warum diese Überschrift? Frag ich mich nun ratlos …

Über Solidarität und Wegsehen

Kann Wegsehen solidarisch sein? Ist ein kritischer Blick in den eigenen Szenen okay? Erwünscht? Nestbeschmutzung?

Gerade nach meinen Posts mit Kritik an Maneo und jüngst zur Finanzierung des Switchboards Mann-O-Meter aus Mitteln der HIV-Prävention wurde ich mehrfach angemaunzt, das sei „unsolidarisch“, ich könne doch nicht „unsere eigenen Projekte“ so angehen.

Die Frage der Solidarität. Keine neue Frage, sondern eine immer wieder gestellte, eine Frage, vor der auch ich selbst immer wieder stehe.

Natürlich empfinde ich Solidarität, mit einzelnen Menschen oder Gruppen, mit Szenen oder Projekten.

Aber wie weit geht Solidarität? Oder, anders herum gefragt, wann wird aus echter Solidarität falsch verstandene Solidarität, die z.B. nur noch aus einem Mäntelchen des Wegsehens, Problemverschweigens und Weiter-Sos besteht?

Wenn (aus Steuergeldern finanzierte) öffentliche Mittel an einer Stelle nicht optimal eingesetzt scheinen, während sie an anderer Stelle händeringend fehlen, ist ein Wegsehen dann solidarisch?
Wenn Projekte sich, z.B. aufgrund technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen wie leichter und breiter Verfügbarkeit von Internet-Zugängen, überlebt haben, der Grund, aus dem heraus sie geschaffen wurden, schlichtweg weggefallen oder zumindest verändert ist, ist dann ein „(dennoch) weiter so“ solidarisch?
Wenn ganze Gruppen von Menschen, die vom gleichen Problem genauso, wenn möglich sogar intensiver, tiefgreifender ‚betroffen‘ sind, wenn diese Menschen von geförderten Projekten ignoriert werden, ist es dann solidarisch wegzusehen, zu tun als sei nichts geschehen, als habe man nichts bemerkt?

Ist es nicht viel solidarischer, ab und an selbst (bevor es andere tun) einen kritischen Blick zu riskieren, zu überlegen wo sich Situation, Ziele, Prioritäten verändert haben, und wie wir bzw. „unsere“ Projekte darauf reagieren können?

Und, nebenbei, wenn ich „außerhalb unserer Szenen“ ungerechtfertigte Mittelverwendungen, manchmal -verschwendungen kritisiere, muss ich dann nicht die selben Prinzipien auch „innen“ anwenden? Wäre ein Schweigen aus falsch verstandener Solidarität nicht nur verlogen, scheinheilig, und damit das, was wir anderen (gern ‚Berufspolitikern‘, ‚Funktionären‘ etc.) gerne vorwerfen?

Ich mein ja nur …

Und an die, die mich fragten, wieso machst du dir überhaupt über so’n Mist Gedanken: in Sabines Blog fand ich gerade heute einen schönen Gedanken, der zu diesem Thema passt: „Democracy is run by those who participate. It’s as easy as that and means that a lot of capable, intelligent, and thoughtful people will never ever show up in anything remotely connected with politics. They may have many reasons for this, and some of them may even be valid on a larger scale – but if this form of governance is to survive it’s just not enough to complain.“
Genau darum geht es: Demokratie heißt sich einmischen, kritisch mitdenken, aktiv werden … ein Schritt dabei ist m.E., seine Meinung zu äußern, öffentlich zumachen, zur Diskussion zu stellen …

Viel Empfängnis im E-Werk

Am vergangenen Donnerstag (23.11.) fand wieder einmal der Jahresempfang der DAH statt, diesmal unter dem Namen „Welt-Aids-Tags-Empfang“. Es wurde vieieiel geredet …

DAH-Empfang 2006 01

Reden Reden Reden
Abends irgendwann nach sieben. Der Saal ist gut besetzt bis in die hinteren Reihen.
Es tritt auf – Ulla Schmidt, Bundesgesundheitsministerin. Macht, was ihr Job ist. Hält eine Rede, die viel hinterher „toll“ oder „doch ganz gut“ finden. Wohl auch weil sie sich für das ‚unermüdliche Engagement der DAH‘ bedankt und für das Jahr 2007 eine Mittel-Aufstockung des Aids-Etats um 3 Mio. € ankündigt.DAH-Empfang 2006 02
Sie spricht viel über die tolle erfolgreiche Aids-Politik der Bundesregierung, der NGOs, über die anstehende Bremer Konferenz im März 2007 [die den innovativen Titel ‚Verantwortung und Partnerschaft – gemeinsam gegen Aids‘ tragen soll] und kommt zu dem Schluss, dass der ‚Kampf gegen HIV und Aids unvermindert fortgesetzt werden muss‘.

Irgendwie denke ich, bei mir wäre diese Rede nicht mal in den Briefkasten gekommen – der hat nämlich einen Aufkleber „keine Werbung“. Und ich werde angesichts all der ungesagten Themen und Fragen [nichts z.B. zum neuen Aids-Aktionsplan] den Gedanken nicht los, früher hätte sich irgend ein ACT UP protestierend eingemischt, heute hingegen sitzen alle brav im Anzug, klatschen und fühlen sich gebauchpinselt ob der ministeriellen Aufmerksamkeit.

Weiter geht’s schon mit Reden.
Ein Vorstandsmitglied der DAH kommt in seiner Rede zu der sicherlich bedeutenden Einschätzung einer „Solidarität, die – so meine ich – unteilbar ist“.

Frau Pott (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BzgA) schließt sich an mit einer Rede à la „wir sind gut und freuen uns darüber“. Den Zustand der Zusammenarbeit von BzgA und DAH beschreibt sie analog zum Heranwachsen eines Kindes, von Streits in Kindertagen über pubertäre Flegeljahre bis zu einer „jetzt erwachsenen Zusammenarbeit“ – Matthias und ich schauen uns belustigt an, na – dann ist die DAH ja wohl jetzt im Zustand handzahmer Banalität angekommen? Klingt so eine Ohrfeige? Ah ja, dann ist die Aufsässigkeit der DAH ihrer Ansicht nach ja anscheinend erfolgreich weg-subventioniert – auf gute Zusammenarbeit!

Die m.E. einzig bemerkenswerte Rede hält der Geschäftsführer der DAH, Dr. Luis Carlos Escobar Pinzón, der über alles gegenseitige Lob hinweg auch kritische Gedanken und Worte findet. Endlich einmal darauf hinweist, dass die DAH nicht nur für die Primärprävention da sei, sondern ihre Rolle auch im Engagement für Menschen mit HIV und Aids sehe [z.B. ’negativ bleiben und positiv handeln ist für uns untrennbar‘], engagiert gegen Diskriminierung und Repression. Der auch auf das gerade nach Kabinettsbeschluss von Einstellung bedrohte Heroin-Modellprogramm hinweist und betont, dass die DAH hier protestieren und sich für die Fortsetzung der Heroin-Vergabe an Schwerstabhängige einsetzen werde.

Der DGB schläft
Lustig wird’s nochmal nach dem netten Buffet mit anregenden Plaudereien. Eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Chronisch versteckt – HIV am Arbeitsplatz“ (Walter Riester / SPD, Wolfgang Heller / ILO, Jürgen Sendler / DGB, Prof. Stephan Letzel / Dt. Ges. für Arbeitsmedizin, Benno Fürmann / Schauspieler und Stefan Jäkel / Pluspunkt).
DAH-Empfang 2006 03
Einige mehr oder weniger bekannte Positionen werden ausgetauscht. Stephan Jäkel (Pluspunkt) gelingt es, die Situation von Positiven im Arbeitsleben mehrfach gut auf den Punkt zu bringen. Klar zu machen, dass i.d.R. nicht Positive in der starken Position des ersten Schritts eines offenen Umgangs mit HIV am Arbeitsplatz sind, vielmehr die Arbeitgeber, Gewerkschaften und Betriebsräte hier (auch) in der Pflicht seien.

Überhaupt, die Gewerkschaften. Lustig war’s wieder mit ihnen. Immerhin, Herr Sendler (DGB Bundesvorstand) bekennt, das Thema HIV und Arbeit sei im DGB ‚bisher viel zu klein angegangen worden‘, kündigt an, der DGB habe sich vorgenommen, das nun zu ändern. „Nun“. Immerhin – wir schreiben nicht das Jahr 1986. Auch nicht das Jahr 1996. Sondern das Jahr 2006.

Anzuerkennen ist, dass der DGB angesichts dieser peinlichen Situation überhaupt kommt, und mit Bundesvorstand. Aber – wie lange wollen sie noch warten, um wach zu werden?

Nachtrag
Die ‚Promis‘ der Veranstaltung wie auch der Vorstand des Vereins sind, wie zu hören ist, in Maseratis vorgefahren worden. Irgendwie frage ich mich, Promis in Maseratis vor Blitzlicht-Gewitter karren lassen, ist es jetzt das, was die DAH unter Professionalisierung versteht?
Oder was soll mir das sagen? Aber vielleicht ist es der Deutschen AIDS-Hilfe auch nur gelungen, ihre Position zum Thema Selbsthilfe auf eindrückliche Weise zu verdeutlichen.
Mit ist plötzlich so seltsam zumute …

Einer von elf Fußballern ist schwul – und gefährdet …

Wenn, rein nach Statistik, wirklich einer von elf Fußballspielern schwul ist – wo sind die dann alle? Fast unsichtbar – denn das Klima im Fußball ist teils extrem schwulenfeindlich …

Spätestens mit der WM haben auch viele Schwule und einige Lesben mehr ihre Liebe zum Fußball entdeckt, waren auf public viewings, Fanmeilen oder in Berlin gar ‚gay viewings‘. Und auch unter den Fans gibt es bei beinahe jedem Bundesliga-Verein inzwischen eine schwule oder (seltener) schwul-lesbische Fangruppe, von den ‚Hertha-Junxx‘ über die ‚HSV-Coolboys‘ bis zu den ‚SchalkeKerlzz‘ (ganz zu schweigen von den leider nur dritte-Liga – ‚St. Pauli Queerpass‘). Selbst im offiziellen Liga-Betrieb gibt es mit den Münchner Streetboys unter dem Namen ‚Team München‘ inzwischen eine schwule Mannschaft (in der Kreisklasse).

Aber wie sieht es unter Fußball-Spielern aus? Insbesondere unter Profi-Fußballern?
Offiziell gibt es keinen einzigen offen schwulen Profi-Fußballer in Deutschland. Schwule Spieler schweigen und verschweigen lieber, verschweigen ihr Leben, ihr Schwulsein, ihren Partner – wie z.B. Antiteilchen berichtet. Entsprechend schwierig und langwierig (zwei Jahre) gestalteten sich die Recherchen zu einem Artikel über schwule Profi-Fußballer – und doch, es fanden sich einige, die unter Wahrung ihrer Anonymität Auskünfte gaben.

‚Einer von elf Fußballern ist schwul‘, so titelt „Rund- das Fußballmagazin“ seine am 22. November erscheinende Dezember-Ausgabe. Unter dem Titel „Ein Outing wäre mein Tod – warum homosexuelle Fußball-Profis gefährlich leben“ berichtet das Magazin über schwule und lesbische FußballspielerInnen und Homophobie im Profi-Fußball.

Das Magazin begleitet den Artikel in der Dezember-Ausgabe mit einer Themenwoche „Homosexualität und Homophobie im Spitzenfußball“ . Darin wird online zwischen dem 22. und 29. November unter anderem berichtet über den (inzwischen verstorbenen) einzigen offen schwulen Spitzen-Schiedsrichter John Blankenstein, lesbische Spielerinnen in der Frauen-Fußballbundesliga oder Homosexualität und Homophobie im italienischen Profi-Fußball.

Einige Links zu schwul-lesbischen Fußball-Aktivitäten:
Hertha Junxx
Queerpass St. Pauli
Rainbow Borussen
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HIV-Prävention in Zeiten knapper Kassen

„Neue Konzepte in der HIV-Prävention“ fordert die Koalitionsvereinbarung des neuen rot-roten Senats – und stellt keine zusätzlichen Mittel bereit. Da gilt es zu fragen, wofür werden HIV-Senatsmittel bisher eingesetzt? Und – sind sie effizient (gegen HIV wirksam) eingesetzt?

Im rot-roten Entwurf zum Koalitionsvertrag 2006-2011 findet sich im „Bereich 15: Gesundheit“ der Hinweis, neue Ansätze in der HIV-Prävention sollten unterstützt werden: „In den letzten Jahren hat die Zahl von Neuinfektionen mit dem HIV wieder zugenommen. Um dieser Entwicklung entgegen steuern zu können, sind neue Konzepte der Prävention für spezifische Zielgruppen zu entwickeln und durchzuführen, insbesondere zur Ansprache von jungen Homosexuellen sowie von schwulen und bisexuellen Migranten.“
Ein begrüßenswerter, sicher auch erforderlicher Beschluss – nur dass hierfür (angesichts der bekannten Berliner Finanzsituation wenig überraschend) keine neuen Mittel zur Verfügung stehen. Woher sollen Mittel für neue Präventionskonzepte kommen?

HIV-Prävention bei Schwulen wird in Berlin von mehreren Stellen gemacht, u.a. der Berliner Aids-Hilfe, Pluspunkt und Mancheck. Die Projekte widmen sich dabei teils verschiedenen Aufgaben.
Es gibt HIV-Projekte in Berlin, die dabei vor allem gute Vor-Ort – Präventionsarbeit zu machen scheinen. Ihr Problem: sie sind gar nicht weiter ausbaubar sind unter derzeitigen Umständen, wie ich auf einer Podiumsdiskussion lerne. Die Zahl der Freiwilligen, die als DarkAngel oder Freiwilligenteams vor Ort in den Bars, Saunen und Sexparties über HIV und STDs informieren, kann gar nicht weiter aufgestockt werden – das Geld fehlt, um ihre Betreuung, Weiterbildung und Unterstützung durch die (wenigen) hauptamtlichen Mitarbeiter sicherzustellen. Kurz und knapp gesagt: eine gute vor-Ort-Arbeit wird dadurch massiv eingeschränkt, dass die nötigen Mittel für die Betreuung fehlen.

Neue Wege in der HIV-Prävention, wie sie jetzt wieder die Koalitionsvereinbarung fordert, aber keine neuen Mittel – eine Zwickmühle, ein unlösbar scheinender Widerspruch.
Aber auch eine erneute Aufforderung, die vorhandenen Ressourcen möglichst wirksam einzusetzen. Oder anders ausgedrückt: Wenn wir schon nicht genügend Geld in den Aids-Töpfen haben, wer fragt dann eigentlich einmal nach, welches Geld wofür und vor allem wie effizient ausgegeben wird? Wofür gibt Berlin überhaupt Geld aus im Rahmen der HIV-Prävention?

Ich beginne zu suchen, und wundere mich: ich habe anscheinend eine bedeutende Berliner HIV-Präventions-Einrichtung vergessen: Mann-O-Meter. Erstaunt reibe ich mir die Augen, die machen HIV-Prävention? Noch nie was davon gemerkt.
Mann-O-Meter (MoM), das schwul-lesbische Switchboard, wird aus Mitteln der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbaucherschutz im „HIV-Topf“ gefördert. Über den LABAS (ab 2006 über den DPW) erhält MoM derzeit wohl etwa 200.000€ aus den HIV- Präventionsmitteln des Landes. Gemäß MoM- Jahresbericht 2005 machten diese Labas-Mittel 48,67% der gesamten Mittel des Projektes aus (der Rest u.a. Mittel für Maneo, Spenden u.a.)

Das erstaunt mich nun noch mehr. Wenn ich in einem ersten Ansatz Mittel und Engagement ungefähr gleichsetze, heißt das dass Mann-O-Meter etwa mindestens zur Hälfte ein HIV-Präventionsprojekt ist? Hab ich da was verpasst?
Ich studiere weiter die Website und die Jahresberichte von MoM. Ja, laut Satzung sind Zweck des Vereins u.a. ‚der Ausgrenzung von Menschen mit HIV und AIDS zu begegnen‘ und ‚Unterstützung von Positiven und AIDS-Kranken‘.
Und die Realität? Auch hier hat der Jahresbericht viele blumige Details zu vermelden, liest sich fast als sei MoM tatsächlich ein Aids-Projekt. Der Internetauftritt von MoM hingegen ist zu HIV/Aids schon spärlicher.
Aber ich bleibe zunächst beim Jahresbericht. Wieviele Menschen nutzen denn MoM? Unter all den vielen, erstaunlich vielen Nutzern fallen unter dem Punkt „Info-Vermittlung 8,84% = 1.440 Besucher und Anrufer zu „HIV/AIDS/STD“ auf (bei weit über 16.000 gesamt Besuchern und Anrufern, denn alle MoM-Bereiche von ‚anonym‘ über ‚Theke‘ und ‚Gruppen‘ bis ‚Maneo‘ werden getrennt per Strichliste erfasst und dann addiert). Bei der Gruppenraumbelegung finden sich allerlei Gruppen, jedoch nichts zu Aids, und von den 712 psychologische Beratungen (davon 408 im MoM) ist auch nicht angegeben, ob einige von ihnen auch zu Aids stattfanden.

[Nebenbei, es ist eine etwas kurios anmutende Methode, die Nutzerzahl durch Addition von Strichlisten der einzelnen Bereiche zu ermitteln: ich war am vergangenen Montag im MoM, um mit Bastian Finke über meine Erfahrungen mit Maneo zu sprechen. Ich fragte zunächst am Beratungscounter nach Bastian, bestellte dann in der Wartezeit ein Wasser am Tresen und sprach anschließend im Maneo-Büro mit Bastian. Zwischendurch war ich auch noch ‚anonym‘ an den Infomaterial- Auslagen. Bin ich nun als insgesamt 4 Besuchskontakte gezählt worden? Wie gut dass ich nicht auch noch nach dem Gruppenraum gefragt hat – das hätte ja die Statistiken arg verfälscht…]

8,84% der Besuchskontakte zu HIV/Aids – und zu beinahe 50% aus HIV-Mitteln finanziert, das ist ein seltsamer Kontrast. Mein Staunen über das vermeintliche HIV-Präventionsprojekt Mann-O-Meter wird größer. Und ich frage mich: warum werden Senats-Mittel aus dem Bereich „HIV-Prävention“ in hohem Umfang für ein Switchboard ausgegeben, das kaum HIV-Prävention zu machen scheint? Wären die wenigen HIV-Mittel, die verfügbar sind, nicht an anderer Stelle effizienter (gleich gegen HIV wirksamer) eingesetzt?

Wohlgemerkt, es geht hier nicht darum, ob das Projekt Mann-O-Meter sinnvoll ist. Aber es geht darum, die für HIV-Prävention und Aids-Bekämpfung vorgesehenen Landes-Mittel möglichst effizient genau für diesen Zweck einzusetzen.
Ein schwul-lesbisches Switchboard mag weiterhin seinen Sinn haben (auch wenn hier sicher die Frage im Raum steht, inwiefern sich z.B. durch Internet etc. veränderte Umfeldbedingungen ergeben haben), und es kann begrüßenswert sein, dieses aus Senatsmitteln zu fördern. Aber bitte doch aus einem Fördertopf für schwul-lesbische Projekte, nicht aus den eh schon sehr ausgezehrten Aids-Fördermitteln.

Wenn ich mir überlege, wie viel ein vor-Ort-Projekt zur HIV-Prävention mit 200.000€ jährlich und geschickter Kombination von hauptamtlicher Betreuung / Qualitätssicherung und ehrenamtlicher vor-Ort-Arbeit bewegen könnte – das würde schon einige der in der Koalitionsvereinbarung angemahnten ’neuen Ansätze in der Prävention‘ ermöglichen …

Zivilcourage zeigen

Zivilcourage ist nicht jedermanns Sache. Oft stehen Angst und andere persönliche Gefühle im Weg. Möglichkeiten, mit Gewalt im öffentlichen Raum umzugehen, kann man jedoch lernen – und dann anderen helfen.

Bei dem (vermutlich) antischwulen Gewaltüberfall, dessen Zeuge ich vor einigen Wochen wurde, hat mich eines besonders geärgert: kaum war auch nur der Anflug einer Bedrohung spür- bzw. hörbar, verschwanden alle Mit-Besucher dieses nächtlichen Cruising-Ortes (sämtlich erwachsene Männer über 30 Jahre) schwuppdiwupp flugs in den Büschen und waren nicht mehr auffindbar, auch nicht auf Rufe zu helfen (bis auf einen jungen Mann, der zurück kam und gottseidank ein Handy hatte). Niemand kam auf die Idee, dem Opfer zu Hilfe zu kommen – geschweige denn die Täter zu stellen.

Feigheit? Mangelnde Zivilcourage?

Überfall
Ich finde dieses Verhalten nach Jahrzehnten schwuler Emanzipation, nach Jahren voller CSDs, Straßenfeste und sonstigem öffentlichem Ringelpietz beschämend. Nein, eigentlich bin ich stinksauer.
Warum kommt niemand auf die Idee, dass das Opfer vielleicht Hilfe braucht? Warum kommt niemand auf die Idee, zumindest den Notruf zu verständigen, damit Hilfe kommen kann? Warum stellt sich niemand als Zeuge zur Verfügung? Warum können die Täter unbehelligt, unerkannt abziehen?

Sicher, auch mir war mulmig, als ich den Überfall bemerkte. Als ich nach meinem ‚Zwischenruf‘ „Was soll das?“ registrierte, wie einer der beiden Täter mich fixierte. Angst, kommt er jetzt auf dich zu? Das Opfer, auf dem Boden liegend, schreiend „ich kann nichts mehr sehen!“ bringt mich schnell dazu, zu ihm zu laufen – gottseidank, die Täter verziehen sich. Leider auch alle anderen ‚Gäste‘ …

Zivilcourage, Mut ist nicht jedermanns Sache. Und niemand will (und soll) sich selbst gefährden. Aber ein Opfer einfach so liegen lassen?

Wie man mit Gewaltsituationen konstruktiv umgeht, kann man/frau lernen!

Die Berliner Polizei (und sicher, für die auswärtigen LeserInnen, auch viele andere Polizeien im Land) bietet zahlreiche Maßnahmen zur Kriminalprävention an, insbesondere auch Seminare, in denen man und frau lernen kann, mit Aggression und Gewalt im öffentlichen Raum adäquat umzugehen. Solche Veranstaltungen gibt es (wie andere Unterstützungsmöglichkeiten und Informationen) auch speziell für Schwule und Lesben.
[nb.: Die Polizei war nicht immer unser Freund und Helfer, ich weiß … Aber mit Gewaltsituationen umgehen zu können ist eine Fähigkeit, die Schwulen und Lesben im Alltag gut gebauchen können.]

Auch das von mir ja kritisch gesehene Überfall-Telefon führt gelegentlich (2mal im Jahr) kurze Veranstaltungen zu Umgang mit antischwuler Gewalt durch, so wieder am 20.11.2006 „Umgang mit Aggression und Gewalt im öffentlichen Raum“ (Maneo, 19:00).