Wieviel Betroffenheit braucht es für die Arbeit in Aidshilfe

Mein politischer Ziehvater in Aidshilfe war Hans Hengelein, der erste HIV-Referent der Deutschen Aids Hilfe. Beschwerden darüber, dass ich mich nicht in die Opferrolle begeben habe, mich von Aidshilfen nicht klientelisieren ließ und dem sozialarbeiterischen Blick oder den angeblichen Präventionsnotwendigkeiten meine Erfahrungen und die Teilnahme an Diskursen entgegengesetzt habe, sind an ihn zu richten. Seine Erfahrungen aus der Krüppelbewegung, die im Alltag mit Widrigkeiten zu leben hat, von denen der gewöhnliche Homosexuelle sich keine Vorstellung macht, waren für mich ebenso hilfreich, wie Gespräche mit meinen schwerstbehinderten Freundinnen und Freunden aus meinem beruflichen Alltag als Fachanwalt für Sozialrecht.
Für meinen aidspolitischen Werdegang waren die Aidshilfen in Frankfurt und Marburg entscheidend mit ihrem unbedingten Anspruch auf Selbstbestimmung, sei es nun bei Drogengebrauch, Sexarbeit, schwulem oder positivem Leben oder aber auch bei der einfachen Frage, ob man dem gemeinen Homosexuellen, wie übrigens damals schon bundesweit vielen Mitarbeitern der Aidshilfe, den Zugang zum Test ermöglichen sollte oder dem Bundeskonsens entsprechend ihm die Mündigkeit dafür absprechen und tunlichst ein Testverbot verhängen sollte.
Unser Herzblut galt nicht nur den Szenen, denen wir individuell zugehörten sondern denjenigen, denen es in der Aidskrise am Dreckigsten ging. Sie zu ermutigen, unter dem Dach der Aidshilfe Selbsthilfe zu betreiben, wie das bei J.E.S. sehr schön gelungen ist, war uns allen ein gemeinsames Anliegen, Frauen und Männern, schwul, heterosexuell und vereinzelte Transgender.

Gegen die Stellenbesetzung des HIV Referates mit einer HIV-positiven Frau gab es es aus Reihen der Aidshilfen Kritik. Diese Stelle müsse der Epidemiologie folgend von einem schwulen Mann besetzt werden. Anmerkung dazu: auch das wäre keine Repräsentanz des schwulen Lebens in Form eines Abbildes sondern ein winziger Ausschnitt aus einer Vielfalt schwuler Lebensstile.
Bei einer Stellenbesetzung spielen Fragen der fachlichen und sozialen Kompetenz eine zentrale Rolle. Deren Beurteilung unterliegt dem Einstellungsgremium und ist als Personalentscheidung nicht zu erörtern.

Interessant für den Verband ist die Frage, stimmt der Einwand, in das Positivenreferat gehöre eine schwule Leitung?   Die Fragen, die dort zu bearbeiten sind, sind erst einmal nichts Geschlechtsspezifisches. Kriminalisierung der HIV -Infektion, Arbeiten und Altern mit HIV, sexuelle Umgangsformen, soziale Not. In den großen Themen sind es dann die Differenzierungen, die bedeutsam werden. Sexuell stellt sich die Welt für einen schwulen positiven Mann völlig anders dar als für eine heterosexuelle Frau. Gay Romeo, eine Szene mit einem großen Anteil von Männern, die sich auch auf positive Partner einlassen, können heterosexuell infizierten Menschen auf ihrer einsamen Insel nur vorkommen wie der erste Besuch des selbstversorgenden Einsiedlers im Berliner KaDeWe. Fragen des Coming out und going public stellen sich für Frauen mit kleinen Kindern anders dar, als für den allein lebenden schwulen Mann. Auch wenn scheinbar der Betreungsalltag der Aidshilfen mit einem hohen Anteil infizierter Frauen das zu widerlegen scheint, finden Frauen nur schwer den Weg zur Aidshilfe. Sie wird immer noch als schwul und drogenaffin wahrgenommen, wobei man den der schwulen Aidshilfe heute wenigstens zugesteht, sie könnte ihren Job auch für eine heterosexuelle Welt gut erbringen. Auch wenn ich in Aidshilfe, nicht nur der Epidemiologie folgend, dem Schwulen und dem Drogengebrauch eine zentrale Bedeutung zuerkenne und das auch will, ändert das nichts daran, dass im infizierten Leben, die Rahmenbedingungen für Heterosexuelle für einen selbstbewussten und selbstverständlichen Umgang mit der Infektion deutlich schlechter sind. Das liegt an der epidemiologischen Verteilung, die die Vereinzelung fördert.
Welche Betroffenheit braucht es in Aidshilfe?
Macht es einen Unterschied, ob man nun schwul, lesbisch oder im scheinbaren Niemandsland des Transgender groß geworden ist,. Erfahrungen psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt zu verarbeiten hat? Der Möglichkeiten der Schädigungen oder Biografien mit erhöhter Verletzungsgefahr bestehen viele. Sie eint der Bruch in den Biografien. Dazu gehört der Zwang, Wertesysteme zu überprüfen und teils zu verwerfen, das Selbstbild zu verändern, zu erweitern, Genauso wie ich von einem guten Psychologen erwarte, dass er nachfühlen kann, was Schmerz, Wut und Trauer sein können, erwarte ich in der Aidshilfe das Nachfühlen können des Andersseins. Auch wenn dies auf der Oberfläche sozialen Handelns nicht immer sichtbar ist, ist Empathie doch immer spürbar, leider auch die fehlende. In Bereichen, die in das Leben anderer Menschen hineinwirken, wünsche ich mir Menschen, die Brüche für sich bearbeitet und kreativ genutzt haben, die Leben als etwas Dynamisches betrachten und eher ein halb volles als ein halb leeres Glas vor sich sehen. .

Wie viel Selbsthilfe braucht es darin?
Anfang der neunziger während meiner Mitarbeit im ersten mehrheitlich offen positiv lebenden Vorstand der DAH war das Positivenreferat neu zu besetzen.Wir hatten damals konzeptionellen Diskussionsbedarf und dies auch mit den Verteter_innen einer Gruppe eines Tagungshauses tief in den Wäldern kommuniziert – auch um sie in den Diskurs einzubinden. Kurz danach setzte eine kleine Kampagne ein, in der uns vorgeworfen wurde, wir mäßen der Stelle keine Bedeutung bei, wollten sie vielleicht sogar abschaffen, sie müsse sofort besetzt werden. Da meldete sich eine Selbsthilfe zu Wort, die nicht sehen wollte, dass auch wir Selbsthilfe waren. Nach der Erfahrung müsste man die Frage vielleicht anders stellen? Welche Selbsthilfe braucht es darin? Und da gibt es für mich heute nur eine Antwort drauf, wir brauchen eine Vielfalt von Menschen und Erfahrungen, die respektvoll an den Diskursen teilnehmen, von der Selbsterfahrungsgruppe , bis zu den öffentlich exponierten Gestalten.

Wie viel Epidemiologie braucht es darin?
Bei Fachstellen wünsche ich mir eine besondere Nähe zum Arbeitsfeld. Das Schwulenreferat und die Ich Weiss Was ich Tu Kampagnenabteilung sind zu Recht mit Männern besetzt, die das schwule Leben kennen. Vom Drogenreferat erwartet man billigerweise Erfahrungen im Umgang mit berauschenden Substanzen, in der Migration die Erfahrung damit, wie es sich anfühlt, als zugewandert und fremd etikettiert zu werden und auch das Positivenreferat darf nicht beliebig besetzt sein. Erfahrung in Selbsthilfe ist unverzichtbar. Ob dies in positiver, schwuler Selbsthilfe, in Krüppelbewegung oder Migrationszusammenhängen ist, halte ich nicht für entscheidend. Die Erfahrung des Behindert- Werdens ist das Prägende.

Auch wenn Personalentscheidungen der öffentlichen Diskussion entzogen sein sollten, so sei doch eine kleine Lobhudelei gestattet. Ich begrüße ausdrücklich, dass es der Deutschen Aids Hilfe gelungen ist, mit Heike Gronski eine seit vielen Jahren durch einen sexuellen Kontakt infizierte Frau für die Stelle der Positivenreferentin zu gewinnen. Damit wird gegen manches lange gehegte falsche Urteil deutlich, dass die Aidshilfen auch für Hetereosexuelle mit Fragen und Unterstützungsbedarf beim Leben mit HIV und Aids offen stehen. Heike hat weitreichende Erfahrungen in Selbsthilfe, Aidshilfe auf lokaler und Landesebene und im Knüpfen von Netzwerken. Bei ihrer beruflichen Biografie befürchte ich nicht, dass beim Detailblick auf die großen Themen schwule Männer, Migranten oder Drogen gebrauchende Menschen nun zu kurz kommen, erhoffe mir aber, dass die Situation infizierter Frauen und heterosexueller Männer stärker in den Blick gerät.

Ich wünsche ihr viel Erfolg und eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Aidshilfen und der Selbsthilfe darin.

Inhaftierte Drogenkonsumenten haben ein Recht auf Gesundheit!

Anlässlich der Justizministerkonferenz am 9.11.2011 in Berlin fordert die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) von den Justizministern der Bundesländer, inhaftierte Drogenkonsumenten nicht weiter vom Menschenrecht auf den bestmöglichen erreichbaren Gesundheitszustand auszuschließen.

„Sorgen Sie dafür, dass auch im Gefängnis sterile Spritzbestecke, Kondome und Gleitgel zugänglich sind und dass Gefangene eine geeignete Substitutionsbehandlung erhalten können“, heißt es in einer Unterschriftenaktion unter dem Titel „Drogen und Menschenrechte“. Knapp 1.000 Menschen haben den Aufruf unterzeichnet. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat die Unterschriften gestern dem Büro der Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) übergeben.

„Es ist ein Skandal, dass in Deutschland Menschen von hoch wirksamen Methoden zum Schutz ihrer Gesundheit ausgeschlossen werden“, sagt DAH-Vorstandsmitglied Carsten Schatz. „Politische Scheuklappen führen dazu, dass Drogenabhängige sich mit HIV und Hepatitis C infizieren. Die Justizminister der Länder stehen in der Pflicht, diese menschenverachtende Praxis so schnell wie möglich zu beenden!“

Die Verteilung von sterilen Spritzbestecken gibt Drogenkonsumenten die Möglichkeit, sich vor Infektionen zu schützen. Die Substitutionsbehandlung, bei der die Droge unter medizinischer Kontrolle durch ein geeignetes Medikament ersetzt wird, verhindert darüber hinaus noch viele weitere gesundheitliche Risiken. Beide Maßnahmen retten nachweislich Leben. Doch die allermeisten Menschen in Haft haben keinen Zugang dazu.

Sterile Spritzbestecke gibt es bislang nur in einem deutschen Gefängnis, der JVA Berlin-Lichtenberg für Frauen. Die Utensilien werden drogenabhängigen Häftlingen vorenthalten, obwohl ein groß angelegter Modellversuch in Deutschland und Erfahrungen in anderen Ländern gezeigt haben, dass aus der Spritzenvergabe kein Gefahr für das Personal der Justizvollzugsanstalten erwächst. Eine Substitutionsbehandlung ist zwar in manchen deutschen Gefängnissen möglich, bleibt aber für die meisten Inhaftierten unerreichbar. Nur wenige der 185 deutschen Haftanstalten stellen eine anonyme Kondomvergabe sicher.

Experten schätzen, dass mindestens 30 Prozent der Gefangenen in Deutschland wegen Drogendelikten oder Beschaffungskriminalität einsitzen und dass die meisten von ihnen auch in Haft Drogen konsumieren. Bei einer Befragung von 1.582 Gefangenen gaben mehr als 20 Prozent an, gelegentlich oder immer Nadeln mit anderen Häftlingen gemeinsam zu benutzen. Das Risiko einer Übertragung des HI-Virus und des Hepatits-C-Erregers HCV ist dabei extrem hoch: Knapp zwei Prozent der Gefangenen, die intravenös Drogen konsumieren, sind HIV-positiv, 50,6 Prozent HCV-positiv.

Zu den 954 Unterzeichnern der Resolution „Drogen und Menschenrechte“ zählen Expertinnen und Experten aus vielen namhaften Organisationen, darunter Prof. Dr. Jürgen Feest (Leiter des Strafvollzugsarchivs an der Universität Bremen), Jürgen Heimchen (Vorsitzender des Bundesverbandes der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit e.V.), Marco Jesse (Vorstand des JES-Bundesverbandes e.V.), Dr. Ingo Ilja Michels (Projektleiter Central Asia Drug Actions Programme der EU), Maximilian Plenert (Sprecher des Bundesnetzwerks Drogenpolitik bei Bündnis ’90/Die Grünen), Prof. Dr. Heino Stöver (Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung der Fachhochschule Frankfurt am Main, ISFF), Cornelius Wichmann (Vorstandsvorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e.V.) und Prof. Dr. Henning Schmidt-Semisch (Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen).

(Pressemitteilung DAH)

Sigrun Haagen und Matthias Hinz zu neuen Ehrenmitgliedern der Deutschen Aids-Hilfe ernannt

Auf ihrem Jahresempfang 2011 hat die Deutsche Aids-Hilfe DAH am gestrigen 4. November Matthias Hinz und Sigrun Haagen zu Ehrenmitgliedern ernannt.

Sigrun Haagen ist unter anderem Gründungsmitglied des Bundesweiten Netzwerks der Angehörigen von Menschen mit HIV und AIDS und seit vielen Jahren auch aktiv in der Vorbereitung der ‚Positiven Begegnungen‘.
Sie lebt im Sauerland, und arbeitet seit vielen Jahren im Vorstand eines ambulanten Hospizvereins (DIE BRÜCKE – Sterbe- und Trauerbegleitung e.V.).

Matthias Hinz war auf vielen Ebenen in der DAH aktiv (vom Mitarbeiter bis zum Mitglied des Delegiertenrats) und u.a. auch Mitglied von positiv e.V., dem (zusammen mit dem Waldschlößchen) Organisator der Bundesweiten Positiventreffen. Einer seiner grundlegenden Gedanken (aus der Zeit der Diskussion zum Leitbild der DAH):

„Der Wunsch, Infektionen und Krankheit zu verhindern, der Wunsch, Gesundheit und Leben zu erhalten, mögen für uns zwar die Motivation unseres Handelns sein, aber: Ziele unserer Arbeit, „Leitsterne“ von Aids-Hilfe können sie nicht sein. Warum nicht? Weil die AH-Arbeit auf Werten basiert, die wichtiger sind als unsere Wünsche, auf Werten, die uns einen handlungsleitenden Rahmen setzen – sowohl begrenzend als auch motivierend. Der oberste dieser Werte ist die Autonomie, die Selbstbestimmung des Menschen, in der sich seine Freiheit und seine Würde ausdrücken. Diese Selbstbestimmung zu achten und sie zu fördern ist in meinen Augen die wichtigste Aufgabe der Aids-Hilfe …“.

DAH-Vorstandsmitglied Carsten Schatz bei der Laudatio auf Matthias Hinz
DAH-Vorstandsmitglied Carsten Schatz bei der Laudatio auf Matthias Hinz
DAH Ehrenmitglied Matthias Hinz
DAH Ehrenmitglied Matthias Hinz
DAH-Vorstandsmitglied Sylvia Urban bei der Laudatio auf Sigrun Haagen
DAH-Vorstandsmitglied Sylvia Urban bei der Laudatio auf Sigrun Haagen
DAH Ehrenmitglied Sigrun Haagen
DAH Ehrenmitglied Sigrun Haagen

Nationaler AIDS-Beirat und Deutsche AIDS-Hilfe fordern Rücknahme geplanter Kürzungen bei der HIV-Prävention

Am Donnerstag 20.10.2011 wird im Bundestag über Kürzungen bei der Prävention im Bereich HIV/Aids und andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) verhandelt.

Die Bundesregierung plant zurzeit, die Mittel im Jahr 2012 von 13 auf 12 Millionen zu reduzieren. Der Nationale AIDS-Beirat (NAB) und die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) fordern den Bundestag auf, diese Kürzungen zurückzunehmen.

Folgendes Votum des NAB hat das Bundesministerium für Gesundheit am Mittwoch veröffentlicht:

„Der NAB betrachtet mit großer Sorge, dass die finanziellen Mittel für die HIV/STI-Prävention reduziert werden sollen. Deshalb fordert der NAB den Bundestag auf, die für 2012 geplanten Kürzungen im Haushaltstitel HIV/STI-Prävention zurückzunehmen und das Budget mindestens in bisheriger Höhe aufrechtzuerhalten. Angesichts der Komplexität der Präventionsaufgaben und der Erweiterung um den Schwerpunkt STI-Prävention führt eine Kürzung zu einer massiven Einschränkung der Angebote und gefährdet auf Dauer die bisherigen Präventionserfolge. Einsparungen im Bereich der Präventionsarbeit werden künftig durch Mehrkosten in der Versorgung mit weit höheren Beträgen bezahlt werden müssen.“

Dazu DAH-Vorstandsmitglied Tino Henn:

„Auf Erfolgen darf man sich nicht ausruhen, sondern wir müssen darauf aufbauen! Wer bei der Prävention nachlässt, riskiert die Gesundheit und das Leben von Menschen.“ (Siehe auch Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe vom 11.8.2011.)

Der Nationale AIDS-Beirat ist ein Beratungsgremium des Bundesministeriums für Gesundheit. Er begleitet die Politik der Bundesregierung im Umgang mit HIV/Aids mit Stellungnahmen und Vorschlägen. Die Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe, Silke Klumb, ist Mitglied im NAB. Die Deutsche AIDS-Hilfe ist der Dachverband von rund 120 Aidshilfe-Organisationen.

(Pressemitteilung DAH)

Deutsche AIDS-Hilfe wählt neuen Bundesvorstand

Die Deutsche AIDS-Hilfe hat am Samstag auf ihrer Mitgliederversammlung in Neumünster turnusgemäß einen neuen Bundesvorstand für die nächsten drei Jahre gewählt.

Dem fünfköpfigen Führungsgremium gehören nun an:

  • Tino Henn (Starnberg/Essen, Inhaber und Vorsitzender Geschäftsführer der Bruno Gmünder Media Group)
  • Winfried Holz (Berlin, Referatsleiter in der Verwaltung des Deutschen Bundestags)
  • Manuel Izdebski (Geschäftsführer der AIDS-Hilfe im Kreis Unna)
  • Carsten Schatz (Geschäftsführer des Berliner Landesverbandes der Partei Die Linke)
  • Sylvia Urban (Supervisorin, Vorstandsmitglieder der AIDS-Hilfe Dresden)
Der neue Vorstand (v.l.n.r.): Winfried Holz, Sylvia Urban, Carsten Schatz, Tino Henn, Manuel Izdebski (Foto: Holger Wicht)
Der neue Vorstand (v.l.n.r.): Winfried Holz, Sylvia Urban, Carsten Schatz, Tino Henn, Manuel Izdebski (Foto: Holger Wicht)

Tino Henn, Winfried Holz, Carsten Schatz und Sylvia Urban gehörten dem DAH-Vorstand bereits in den vergangenen drei Jahren an. Der Münchener Hansmartin Schön trat aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder an.

Der neue Vorstand will in den kommenden drei Jahren neben der HIV-Prävention einen besonderen Schwerpunkt darauf legen, über das Leben mit HIV in Zeiten der Kombinationstherapien zu informieren und damit der Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV entgegenzuwirken.

Dazu sagt DAH-Vorstand Carsten Schatz: „Durch die heute verfügbaren Therapien kann man lange und gut mit HIV leben. Die Medikamente senken zugleich die Übertragungswahrscheinlichkeit erheblich. Viele Menschen setzen die HIV-Infektion aber immer noch mit schwerer Krankheit und Tod gleich und haben teilweise irrationale Infektionsängste. Um Angst und Ausgrenzung von HIV-Positiven zu vermindern, ist es heute besonders wichtig, ein realistisches Bild vom Leben mit HIV zu vermitteln. Die Deutsche AIDS-Hilfe wird sich verstärkt dafür einsetzen, die Strafbarkeit der HIV-Übertragung in Deutschland abzuschaffen. Die Kriminalisierung bürdet Menschen mit HIV einseitig die Verantwortung auf und schadet damit auch der Prävention.“

Die Mitgliederversammlung in Neumünster entschied außerdem über zwei neue Ehrenmitgliedschaften. Auf dem Jahresempfang der Deutschen AIDS-Hilfe am 4. November in Berlin würdigt der Verband mit der Ehrenmitgliedschaft den HIV/Aids-Aktivisten Matthias Hinz sowie Sigrun Haagen, Gründungsmitglied des Bundesweiten Netzwerks der Angehörigen von Menschen mit HIV und Aids.

Die Deutsche AIDS-Hilfe ist der Dachverband von von 119 Aidshilfe-Organisationen, Präventions- und Versorgungsprojekten.

(Pressemitteilung DAH)

Deutsche AIDS-Hilfe fordert Papst zur Umkehr auf

Anlässlich seines Besuches in Deutschland fordert die Deutsche AIDS-Hilfe Papst Benedikt XVI. auf, endlich von seiner kontraproduktiven und menschenfeindlichen Sexual- und Kondompolitik abzurücken.

Der Pontifex hat leider noch immer Berührungsängste. (Fotomontage: DAH)
Der Pontifex hat leider noch immer Berührungsängste. (Fotomontage: DAH)

„Mit dem Kondomverbot verleiten Papst und Kirche Millionen Gläubige dazu, ihre Gesundheit und ihr Leben zu gefährden“, sagt DAH-Vorstandsmitglied Tino Henn. „Ihre dogmatische moralische Position ist ihnen dabei wichtiger als das Schicksal der betroffenen Menschen. Eine verantwortungsbewusste Kirche würde anerkennen, dass Sexualität ein Bedürfnis des Menschen ist, das auch gelebt wird – und auf die Möglichkeit hinweisen, sich und andere zu schützen.“

Stattdessen behauptet der Papst sogar, Kondome würden die Verbreitung von HIV/Aids nicht verhindern, sondern fördern. Das ist falsch und zynisch. „Die katholische Kirche handelt mit dieser Haltung nicht nur gegen das christliche Gebot der Nächstenliebe, sondern auch gegen das Menschenrecht auf den bestmöglichen erreichbaren Gesundheitszustand“, sagt DAH-Vorstand Henn.

Besonders fatal wirkt sich diese Politik in den Weltregionen aus, in denen HIV besonders stark verbreitet ist. In vielen Ländern betreibt die Kirche zugleich vorbildliche Einrichtungen zur Behandlung und Versorgung von HIV-Positiven und Aidskranken. Die bittere Ironie dabei: Viele der Patientinnen und Patienten hätten sich ohne das Kondomverbot gar nicht erst infiziert.

Zugleich diskreditiert die katholische Kirche Menschen, die nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Sexualität auf Fortpflanzung zu reduzieren. Wer anders lebt als der Vatikan es wünscht – zum Beispiel Schwule und Lesben oder Geschiedene – wird schuldig gesprochen und zum Sünder gestempelt. Papst und Kirche treten weltweit gegen die Rechte sexueller Minderheiten ein. Das trägt zu Ausgrenzung und schweren psychischen wie auch physischen Verletzungen bei, zum Beispiel zu Hassverbrechen gegen Homosexuelle und erhöhten Selbstmordraten bei homosexuellen Jugendlichen.

Aus der Gesundheitswissenschaft wissen wir außerdem: Wer sich wegen seiner Sexualität schuldig fühlt, hat oft nicht genügend Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, um sich wirkungsvoll vor HIV zu schützen. Das kommt zum Beispiel zum Tragen, wenn es darum geht, den Wunsch nach Kondomgebrauch gegenüber dem Partner auch durchzusetzen. Frauen haben es in dieser Frage oft besonders schwer. Wer sich infiziert hat, steht dann aufgrund katholischer Sexualmoral erst recht als Sünder beziehungsweise Sünderin dar.

Die Deutsche AIDS-Hilfe hat sich darum dem Bündnis „Der Papst kommt!“ angeschlossen und ruft zur Demonstration unter dem Motto „Keine Macht den Dogmen!“ auf (Donnerstag, 22.9.2011, 16 Uhr, Potsdamer Platz, Berlin). DAH-Pressesprecher Holger Wicht wird die Kundgebungen gemeinsam mit der Radiomoderatorin Frauke Oppenberg moderieren.

Den Papst selbst laden wir zugleich zum Dialog ein. Ganz im Sinne christlicher Nächstenliebe wünschen wir uns seine Unterstützung bei einem Ziel, das uns alle einen sollte: Gesundheit und Wohlbefinden für so viele Menschen wie möglich.

(Pressemitteilung der DAH)

„Menschenrechte von inhaftierten Drogengebrauchern achten – Gesundheit und Leben schützen!“

Die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) möchte ein Zeichen für eine bessere gesundheitliche Versorgung von Menschen in Haft setzen – und hat dazu eine Unterschriften-Aktion gestartet.

Die DAH erläutert:

„Inhaftierte in Deutschland sind bislang von vielen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz ausgeschlossen. Unter anderem werden ihnen Möglichkeiten vorenthalten, sich vor HIV und Hepatitis zu schützen. Das ist ein Skandal und steht im Widerspruch zum Menschenrecht auf den besten erreichbaren Gesundheitszustand.“

Die DAH hat hierzu einen Aufruf gestartet. Dieser hat zum Ziel

„Alle Inhaftierten müssen die Möglichkeit haben, ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer zu schützen! Wir fordern daher:
– Vergabe steriler Spritzen in Haft
– die umfassende Möglichkeit der Substitutionsbehandlung in Haft
– anonyme Zugänglichkeit von Kondomen und Gleitgel“

Die DAH strebt eine Zahl von mindestens 1.000 Unterzeichnern des Aufrufs an. Die Unterschriften sollen anlässlich der Justizministerkonferenz am 9. November 2011 in Berlin den Justizministern der Länder überreicht werden.

Weitere Informationen zum Aufruf und Möglichkeit, diesen mitzuzeichnen / zu unterstützen auf der Internetseite ‚Drogen und Menschenrechte‘.

Kürzungen bei der Prävention fordern einen hohen Preis

Die Bundesregierung will im Jahr 2012 bei der Prävention im Bereich HIV/Aids und andere sexuell übertragbaren Infektionen (STI) kürzen.

Der entsprechende Haushaltstitel soll von 13 auf 12 Millionen Euro reduziert werden. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Angelika Graf (SPD) hervor. Zudem soll die „HIV/Aids-Bekämpfung in Zusammenarbeit mit Osteuropa“ wegfallen, bei der 2011 bereits drastisch gekürzt worden ist (von 1,1 Millionen im Jahr 2010 auf 250.000 Euro). Auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Zuschüssen an Drogen- und Suchthilfe, soll gespart werden.

Dazu erklärt Tino Henn, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH): „Kürzungen gefährden die Erfolge der Prävention in Deutschland. Wer bei der Prävention nachlässt, riskiert die Gesundheit und das Leben von Menschen. Die Kürzungen sind zudem auch ökonomisch kurzsichtig: Für die Einsparungen von heute zahlen wir später bei der Versorgung von Kranken einen hohen Preis.“

Die deutsche HIV- und STI-Prävention ist sehr erfolgreich. Durchgeführt wird sie vor allem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Deutschen AIDS-Hilfe mit ihren mehr als 120 Mitgliedsorganisationen. Die Zahl der Neuinfektionen hat sich bei etwa 3.000 pro Jahr stabilisiert. In fast allen anderen europäischen Ländern liegt die Infektionsrate deutlich höher.

Besonders erschreckend ist aus Sicht der Deutschen AIDS-Hilfe das Ende der „Deutsch-Ukrainischen Partnerschaftsinitiative zur Bekämpfung von HIV/Aids“. Dazu sagt Sergiu Grimalschi, DAH-Referent für Internationales:

„Die Ukraine steht mit ihrer HIV-Epidemie noch immer vor immensen Herausforderungen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit jetzt zu beenden, ist verantwortungslos und gefährdet die Fortschritte bei den Maßnahmen gegen die HIV/Aids-Epidemie. Die weiter laufende Unterstützung der Ukraine mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kann diesen Verlust nicht ausgleichen.“

Die Ukraine ist das Land mit der höchsten Neuinfektionsrate in Europa, nach Schätzungen sind bis zu 1,3 Prozent der Bevölkerung HIV-positiv. Im Rahmen der Partnerschaftsinitiative hat Deutschland die Ukraine bei ihren Maßnahmen gegen HIV/Aids in den letzten drei Jahren mit 2,85 Millionen Euro unterstützt. Staatliche deutsche Einrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen halfen mit Know-how und ihren Erfahrungen im Bereich der Prävention sowie der Versorgung von Menschen mit HIV/Aids.

Das Land machte in dieser Zeit große Fortschritte: Die ukrainische „Gib AIDS keine Chance“-Kampagne war erfolgreich, zudem wurde sichergestellt, dass Menschen mit HIV/Aids eine angemessene Behandlung erhalten. Auch die Möglichkeit der Substitution von Heroinkonsumenten konnte gesichert werden. Die deutsch-ukrainische Zusammenarbeit wurde 2010 positiv evaluiert und alles sprach für eine Fortsetzung.

(Pressemitteilung der DAH)

Hans-Peter Hauschild zum Gedenken

Am 3. August 2003 starb Dr. Hans-Peter Hauschild in Berlin. Hauschild, 1954 geboren, war u.a. Geschäftsführer der Frankfurter Aids-Hilfe und Mitglied im Bundesvorstand der Deutschen Aids-Hilfe. Hans Peter Hauschild gilt u.a. als “Mit-Erfinder” des Konzepts der strukturellen Prävention, das bis heute tragender Gedanke der Aids-Prävention in Deutschland ist.
Hans-Peter Hauschild ist in Berlin auf dem Alten St. Matthäus Kirchhof beigesetzt
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Die Deutsche Aids-Hilfe hat am 15. Juli 2011 den Hans-Peter-Hauschild-Preis für besondere Verdienste um die strukturelle Prävention ausgelobt.

Als Dokumentation und Hintergrund die Rede, die Bernd Aretz am 16. November 2003 bei der Frankfurter Trauerfeier für Hans-Peter Hauschild hielt:

Frankfurt Trauerfeier Hans-Peter Hauschild

Als wenn das beliebig wäre, was wir sexuell geworden sind! Das, worauf wir abfahren, ist die Handschrift unserer Seele. Bei jedem ist das eine ausgesprochen persönliche Sache. Nichts davon ist zufällig oder marottenhaft, wetterte Hans Peter in der Frankfurter Regenbogenpost gegen eine Safersex Party, auf der selbst das Küssen verboten war, von Anderem ganz zu schweigen. Hans Peter war mit der Positivengruppe zu einer Jack Off Party nach Amsterdam gereist, zu Fortbildungszwecken. Das sollte später noch Ärger bereiten, weil ein hiesiger schwuler Mann meinte, der finanzierenden Behörde anzeigen zu müssen, dass weder der Antrag noch die Reiseabrechnung dem Anlass entsprochen hätten.

Wir erinnern HPH: Kurzgeschoren, Schnurbart, enge Lederjeans, einen Mann, der offensichtlich und selbstverständlich schwul lebte, nicht nur nach Feierabend. Man musste ihn schon so nehmen, wie er war, ganz und kompromisslos. Wenn die Verhältnisse nicht so waren, wie sie seinem Erkenntnisstand als notwendig erschienen, mussten sie halt geändert werden. Da mochte der Rest der Welt denken, was er wollte, HIV durfte nicht verhindern, dass der Einzelne das Glück und seine sexuellen Grenzerfahrungen und Überschreitungen in Würde und Respekt suchen und möglichst auch finden konnte. Das Klima war nicht gut dafür.

Tätowierung Infizierter wurde gefordert, Internierung uneinsichtiger Prostituierter, die ihren Beruf nicht aufgeben wollten, eine harte Verelendungs- und Vertreibungspolitik gegenüber Junkies und Ausländern geführt. Infizierten Frauen wurde das Recht auf Schwangerschaft abgesprochen. Nicht nur Heterosexuelle suchten das Heil in der Phantasie der Zerschlagung schwuler Szene und Schließung der Orte der Lust.
Hans Peter war berufen, als eine der Leitfiguren dagegen anzukämpfen. Er kommt aus der Tradition der Flüchtlinge, die ihre bisherigen engen räumlichen Grenzen und emotionalen Bindungen verließen, um in Würde und selbstbestimmt leben zu können – ungewiss ob sie ihr Ziel erreichen, aber ohne eine andere Alternative als die der Selbstaufgabe. Ein widriger Weg, auf dem man lernt, dass ein Treck nicht an jeder roten Ampel halt machen darf. Der Anführer eines solchen Zugs muss die Zauberkunst beherrschen, das unmöglich Scheinende in erreichbare Nähe zu rücken, den Transport der Schwachen und Kranken sichern, die Mitziehenden ermutigen und mit den jeweiligen Landesherren um lebbare Bedingungen und um Räume feilschen. Da darf man keine Angst vor Tod und Teufel haben, vor Gott schon eher. So ein Weg ist nicht ohne Auseinandersetzungen, Missverständnisse, Brüche aber auch nicht ohne Halt in der Gemeinschaft und nicht ohne Charisma zu gehen.

Mein Blut bekommt Frau Helm nicht, verkündete er und wandte sich damit gegen den Alleinvertretungsanspruch der Medizin, die er damals durch die universitäre Einladung Michael Kochs, des Gauweiler Intimus in Sachen Zwangsmaßnahmen nach Frankfurt in der seuchenrechtlichen Ecke sah. Dem setzte er das Gesundheitskonzept der Weltgesundheitsorganisation entgegen, das Gesundung in engem Zusammenhang mit würdigen Lebensbedingungen und Selbstbestimmung der Betroffenen sieht.

Mitgründung der Aids-Hilfe Frankfurt, Aufbau einer Infrastruktur wie Beratungszentrum und Switchboard, Kochen auf der Station 68, Regenbogenpost und Radio, Veranstaltungen zu sachlichen Fragen wie auch die ethische Auseinandersetzung um Aids, Räume der Trauer aber auch des Feierns, politische Aktionen und Demonstrationen gehörten zum Alltag.
Wir haben hier gemeinsam in der Nikolai Kirche die erste von vielen Trauerfeiern erlebt. Ihm war wichtig, dass viele auch an der Gestaltung beteiligt waren, das Gemeinschaftserleben gegen die Vereinzelung zu fördern.
Gemeinsames Plakatmalen gegen das Gefühl der Ohnmacht. Und Papiere wurden produziert, Bündnisse geschlossen, Aktionen geplant. Mit obdachlosen Jugendlichen gemeinsam wurde ihrem Anliegen, eine Bleibe zu erhalten, dem der Aids-Hilfe für eine Krankenwohnung und dem der Schwulenbewegung nach einem Kulturhaus durch eine halbstündige Sperrung der Hauptwache Donnerstags zum Berufsverkehr Nachdruck verliehen. Genehmigt war das Ganze nicht, aber die Absprache mit der Polizei, dass wir das Krankenbett und die Rollstühle wieder beiseite schieben, sobald der freundliche Fotograf der Rundschau mit seinen Aufnahmen fertig sei, funktionierte.

Das Switchboard, dessen Realisierung er bei ungesicherter Finanzierung durchsetzte, obwohl er wusste, dass ihn das seine Stellung als Geschäftsführer der Aids-Hilfe kosten könne- und auch hat – war ihm ein besonderes Anliegen. Hier wurde heiß diskutiert. Seine Feststellung, der Infizierte sei nicht dafür verantwortlich, dass die Infektion nicht weitergegeben werde, wurde als Freibrief missverstanden. Er wollte die gemeinsame bewusste und informierte Entscheidung. Für Bedingungen, in denen die möglich war, kämpfte er. Nach Frankfurt in Berlin im Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe.
Er preschte immer wieder vor, mit einer ungeheuren Präsenz in den Medien, auch mit vorher nicht abgestimmten Plänen und Projekten. Wenn es gar nicht anders ging, schaffte er einfach Fakten. Heiße Diskussionen waren unvermeidlich. Sie wurden immer wieder mal unterbrochen, wenn er seine Stundengebete verrichtete. Und er litt, wenn wir seinen Visionen nicht folgten, andere; bescheidenere, angepasstere Vorstellungen von Grenzüberschreitungen und Glück hatten. Aushaltbar war das nur durch den Respekt gegenüber seiner Ernsthaftigkeit, seiner Glaubwürdigkeit, und durch seine Begeisterungsfähigkeit. Er besuchte die Aidshilfen, kirchliche Veranstaltungen, pflegte Kontakte zu Wissenschaft und Politik, diskutierte, versuchte zu überzeugen und zu verführen. Er trieb seinen Verband, sich der persönlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu stellen, Gesicht zu zeigen, Farbe zu bekennen und die Seele bloßzulegen. Ohne ihn, seine Ideen, seine Triebhaftigkeit und seinen Fleiß wäre die Bewegung nicht geworden, was sie ist. Sie ist untrennbar mit seinem Gesicht verbunden, dass auch folgerichtig auf einem der Plakate der Deutschen Aids-Hilfe Schwule Vielfalt / Schwule Solidarität abgebildet ist.

Er beschreibt, dass seine Entfremdung zur Deutschen Aids-Hilfe begann, da sie sich nicht ernsthaft in die Diskussion über die Veränderungen im Gesundheitswesen einmischte. Mir hat er mal erzählt, daneben sei es aber auch so, dass er das verbreitete egoistische Beharren darauf, dass es kein größeres Elend gebe, als in der Bundesrepublik als schwuler Mann mit Hiv infiziert zu sein, nicht mehr ertrage.

Vor zehn Jahren schrieb er: Weil die soziale Not weltweit zunimmt, muss Aids-Hilfe eine Anwältin der Schwachen sein. Sie soll aufzeigen, dass speziell die Homo-„Gemeinde“ in eine reiche Manageretage und einen Kartoffelkeller verarmender Schamexistenzen zerfällt. Sie muss die Verfolgung von Junkies wirksamer bekämpfen als bisher.

Denn wenn schwulen Männern nur ein Bruchteil dessen angetan würde, was auf den Bahnhofsklos als schaurige Spitze eines Eisbergs juristisch zugefrorener Behördenherzen sichtbar wird, hätten wir längst die Rathäuser gestürmt.

Zu Situation von Flüchtlingen schrieb er vor fünf Jahren: Nur wenige MigrantInnen sind Hiv-infiziert, und mit Aids schafft niemand die Tort(o)ur einer Einreise aus der armen Welt nach Deutschland. Fast alle dieser wenigen erfahren erst nach ihrer Flucht oder Einreise in Deutschland von ihrer HIV-Infektion. Die Anzeichen häufen sich, dass auch viele erst hier krank werden, weil die Duldungsbedingungen so würdelos sind , weil der tägliche Stress durch Kontrollen und Absagen den Alltag perspektivlos macht und Angst zur Grundstimmung wird. Wer verbessert die Strukturen des Strandens, des Ankommens in dieser Gesellschaft, damit sie nicht das Aids-Vollbild auslösen?

Wie wird sich die „Positivenbewegung“ verhalten? Und dies nicht nur in Sonntagsreden auf Bundesversammlungen von Menschen mit Hiv und Aids, sondern als gelebter Widerstand, der eben darum effektiv sein könnte, weil in Deutschland so viele Betroffene aus gutem Haus kommen und gehobene Positionen einnehmen. Oder zucken letztlich alle mit den Achseln angesichts dessen, dass die gesellschaftlichen Strukturen heute Aids-Prävention zu einem Kastenprivileg machen?

Hans Peter fehlt.

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Zahlreiche Texte von Hans-Peter Hauschild sowie weitere Informationen sind auf seiner Internetseite zu finden.

Heike Gronski neue HIV-Referentin der Deutschen Aids-Hilfe

Heike Gronski wird neue HIV-Referentin der Deutschen Aids-Hilfe. Sie wird ihre neue Aufgabe ab 1. August 2011 wahrnehmen.

Heike Gronski war zuvor seit 1998 Mitarbeiterin der Aids-Hilfe Bonn. Sie war dort u.a. zuständig für die Bereiche Frauen und Aids und Beratung, Betreuung und Begleitung für Menschen mit HIV/Aids. Sie war an den Vorbereitungen der Bundespositivenversammlungen 2002 (Bielefeld) und 2004 (Kassel) beteiligt.

Heike Gronski (Foto: Aids-Hilfe NRW)
Heike Gronski (Foto: Aids-Hilfe NRW)

Die Position des HIV-Referenten / der HIV-Referentin der Deutschen Aids-Hilfe war vakant geworden, nachdem der bisherige HIV-Referent Dr. Stefan Timmermanns am Jahresanfang 2011 die Deutsche Aids-Hilfe verlassen hat. Timmermanns hat inzwischen eine Stelle als als Dozent an einer Fachschule für Sozialpädagogik angenommen.

Die DAH hatte mit einer Ausschreibung eine/n neue/n HIV-Referenten/in gesucht. Bis zur Neubesetzung der Stelle hatten Silke Eggers (Referentin für soziale Sicherung und Versorgung) und andere Fachreferenten die Aufgaben des Fachreferenten für Menschen mit HIV übernommen.

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Heike Gronski im Interview der Aids-Hilfe NRW 2010: „In allem das Positive suchen!

Politischer Deklaration der Vereinten Nationen zu HIV/Aids 2011 fehlt Entschlossenheit

Zum Abschluss des „Hochrangigen Treffens“ der Vereinten Nationen wird heute eine Politische Deklaration zu HIV und Aids beschlossen.

Dazu erklären das Aktionsbündnis gegen AIDS und die Deutsche AIDS-Hilfe:

Die vom UNO-Generalsekretär erhobenen Forderungen nach Null neuen Infektionen, Null Diskriminierung von Menschen mit HIV/Aids und der am meisten von HIV bedrohten Gruppen und Null Aids-Toten sind realistisch und in absehbarer Zeit umsetzbar. Unsere Erwartung war, dass die versammelten Regierungsvertreterinnen und -vertreter die geeigneten Strategien formulieren würden, um diese Ziele zu erreichen. Gemessen an diesen Erwartungen und an den Herausforderungen der globalen Aids-Epidemie ist die Erklärung dieser Verantwortung nicht gerecht geworden.

Gleich zu Beginn der Deklaration bestehen die Mitgliedstaaten darauf, die vereinbarten Prinzipien und Ziele nur so weit zu realisieren, wie sie mit der nationalen Gesetzgebung übereinstimmen. Viele Länder haben aber noch immer rechtliche Bestimmungen, die Bevölkerungsgruppen wie sexuelle Minderheiten oder vom Verkauf sexueller Dienste lebende Menschen unterdrücken. Dadurch werden nicht nur die Menschenrechte verletzt, sondern auch die Prävention und Behandlung von HIV schwerwiegend behindert.

Das Dokument hält fest, dass alle wissenschaftlich bestätigten Ansätze der Prävention zu unterstützen sind. Anders als in den Erklärungen von 2001 und 2006 fehlt die Bezugnahme auf strukturelle und soziale Benachteiligungen, die es Menschen erschwert, sich vor einer Übertragung von HIV zu schützen oder die Folgen von HIV zu mildern. Einerseits wird die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen bekräftigt, andererseits fehlen jegliche Aussagen zu sexuellen und reproduktiven Rechten. Einerseits wird der Zugang zu sterilem Spritzbesteck erwähnt, andererseits werden die sozialen Hintergründe auch hier völlig ausgeblendet.

Das schon 2006 gesetzte Ziel, allgemeinen Zugang zu Prävention, Behandlung, Pflege und Unterstützung zu erreichen, wird nun für 2015 anvisiert. Die dafür notwendige Finanzierung steht jedoch in den Sternen: die formulierten Verpflichtungen reichen jedenfalls nicht aus. Die afrikanischen Länder werden an ihre Zusagen erinnert, 15% ihrer jährlichen Haushalte für Gesundheit bereitzustellen. Auch die Industriestaaten hatten sich bereits 1970 darauf verpflichtet, ihre Mittel für die Entwicklungshilfe auf 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Die Deklaration mahnt jedoch nur die Länder, die dieses Ziel in den letzten Jahren bekräftigt haben, wie die Europäische Union. Der Globale Fonds wird als unverzichtbares Instrument zur Finanzierung des allgemeinen Zugangs erwähnt.

Mit 15 Millionen Menschen, die bis 2015 Behandlung benötigen, wird der Bedarf zwar benannt, der Weg zur Deckung dieses Bedarfs bleibt aber vage. Um den Zugang zu erschwinglichen Medikamenten zu sichern, unterstützt die Deklaration die volle Nutzung der im TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation festgehaltenen Schutzklauseln, die nicht durch zusätzliche Freihandelsabkommen untergraben werden sollen. Damit könnten Generika produziert werden. Brasilien und Thailand haben diese rechtlichen Möglichkeiten bereits erfolgreich genutzt, auch gegen wirtschaftlichen und politischen Druck. Ob andere Länder diese politische Stärke und Unabhängigkeit entwickeln, wird sich zeigen müssen.

„Auch nach 30 Jahren sind wir weit davon entfernt, Aids zu besiegen! Die Anstrengungen dürfen nicht nachlassen, wenn es wirtschaftlich und politisch schwieriger wird“, sagt Joachim Rüppel, Sprecher für das Aktionsbündnis gegen AIDS. Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe, ergänzt: „Neue Herausforderungen brauchen neue und entschlossene Antworten – in der Erklärung finden wir diese Innovation und Entschlossenheit nicht.“

(Pressemitteilung der DAH)

UN-Versammlung in New York: HIV ohne Tabus entgegentreten

In New York beginnt heute die wichtige Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Thema HIV/Aids. Für die Deutsche AIDS-Hilfe sind Vorstandsmitglied Carsten Schatz und Geschäftsführerin Silke Klumb mit der deutschen Delegation nach New York gereist.

Dazu erklärt Carsten Schatz: „In New York müssen wichtige Weichen gestellt werden. Die Weltgemeinschaft muss endlich dafür sorgen, dass alle Menschen Zugang zu Prävention, Therapie, Versorgung und Beratung haben. Wir wissen nach 30 Jahren sehr genau, wie wir HIV wirkungsvoll begegnen können. Blockaden darf die Welt nicht weiter akzeptieren.“

Weltweit haben nach Angaben von UNAIDS rund 9 Millionen Menschen, die dringend eine HIV-Therapie benötigen, keinen Zugang zu den lebensrettenden Medikamenten. In vielen Ländern auf allen Kontinenten scheitert Prävention noch immer daran, dass sich die Regierungen weigern, Homosexualität und intravenösen Drogenkonsum zu thematisieren. Das gilt vor allem für totalitäre Länder und solche, in denen es keine klare Trennung zwischen Staat und Religion gibt. Hoch wirksame Maßnahmen wie Spritzenvergabe oder Drogenkonsumräume werden nicht einmal in Erwägung gezogen.

DAH-Vorstand Carsten Schatz: „Die Welt muss in New York deutlich machen: Tabus kosten das Leben und die Gesundheit von Millionen Menschen. Auch die Strafbarkeit der HIV-Übertragung in vielen Ländern schadet der Prävention, weil sie Menschen dazu bringt, ihre Infektion zu verschweigen und die Verantwortung einseitig den HIV-Positiven zuweist. In die Abschlusserklärung der UN-Versammlung gehört ein klares Bekenntnis gegen Stigmatisierung sowie für lebensweisenazeptierende Aufklärung und die Strategie der Risikominimierung für Drogenkonsumenten.“

In New York treffen sich bis zum Freitag hochrangige Vertreter der UN-Nationen unter dem Titel „UNite for Universal Access“. Zehn Jahre nach der ersten Versammlung dieser Art wird eine neue Erklärung unterzeichnet werden, die wegweisend sein soll für den internationalen Umgang mit der HIV-Epidemie.

(Pressemitteilung der DAH)

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Hinweis ondamaris:
Die UN-Vollversammlung zu HIV/Aids („High Level Meeting on AIDS“) wird im Internet live übertragen auf ‚United Nations Webcast‘ (Television / Webcast / Kanal 3 wählen).

Deutsche AIDS-Hilfe zum 1. Mai: An die Arbeit, Frau von der Leyen!

Zum Tag der Arbeit am 1. Mai fordert die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) die Bundesregierung, Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf, die Situation von Menschen mit HIV im Erwerbsleben zu verbessern. Die DAH bietet allen Akteuren ihre Unterstützung an und informiert über das Thema unter www.aidshilfe.de in einem umfassenden Online-Dossier.

„Rund zwei Drittel der Menschen mit HIV in Deutschland stehen im Erwerbsleben“, sagt DAH-Vorstand Sylvia Urban. „Trotzdem herrscht bezüglich HIV an den meisten Arbeitsplätzen das große Schweigen. Viele HIV-Positive trauen sich nicht, offen mit ihrer Infektion umzugehen, weil sie mit Ausgrenzung und Diskriminierung rechnen müssen – bis hin zur rechtswidrigen Kündigung. Maßnahmen auf Bundesebene sind überfällig!“

Schon mit einfachen Maßnahmen könnte die Bundesregierung die Situation von Menschen mit HIV im Job erheblich verbessern.

HIV/Aids muss zum Beispiel im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) explizit als Diskriminierungsmerkmal benannt werden. HIV-Positive hätten somit eine sehr viel bessere Rechtsgrundlage, um sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Andere Länder sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. So schützt zum Beispiel Großbritannien ausdrücklich auch chronisch Kranke vor Diskriminierung.

Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zum Thema HIV im Arbeitsleben aus dem Juni 2010 sind in Deutschland noch nicht umgesetzt worden. Deutschland ist als Mitglied der ILO verpflichtet, darüber im Bundestag zu beraten. Das muss jetzt geschehen!

Auch Arbeitgeber können die Situation von HIV-positiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erheblich verbessern, zum Beispiel indem sie deren Situation im Betrieb thematisieren, Unterstützung anbieten und Ansprechpartner benennen.

Hier stehen zugleich die Gewerkschaften in der Pflicht: Sie können auf solche Maßnahmen hinwirken und selbst Unterstützung und Aufklärung anbieten.

Aufklärung über HIV ist der Schlüssel, denn der Grund für Diskriminierung sind meist irrationale Ängste. Kollegen haben Angst, sich zu infizieren, Arbeitgeber fürchten um das Image ihrer Firma oder glauben, HIV-Positive seien weniger leistungsfähig. Informationen und offene Gespräche machen deutlich, dass diese Ängste in aller Regel unbegründet sind.

(Presseerklärung Deutsche Aids-Hilfe)

„Mit Spaß und Geduld viel bewegt“

Anlässlich des beruflichen Wechsel von Dirk Meyer zur Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sprach Dr. Guido Schlimbach [Pressesprecher der Aids-Hilfe NRW, d.Hg.] mit dem scheidenden Landesgeschäftsführer.

Guido Schlimbach: Dirk, die Nachricht, dass Du im Frühjahr 2011 nach 18 Jahren Tätigkeit als Geschäftsführer die AIDS-Hilfe NRW verlässt, hat im Landesverband großes Aufsehen erregt. Viele konnten sich nicht vorstellen, dass ein „Urgestein“ wie Du von der Aidshilfe lassen könnte. In der Tat ist Deine Biografie eng mit der Aidshilfe verbunden: Du warst Gründungsmitglied der AIDS-Hilfe im Kreis Unna, dort auch Vorstandsmitglied, Geschäftsführer der AIDS-Hilfe Bonn, Mitglied im Landesvorstand NRW, seit 1992 Landesgeschäftsführer, einige Jahre Mitglied im Bundesvorstand und im Delegiertenrat der Deutschen AIDS-Hilfe und vor fünf Jahren außerdem ein halbes Jahr Interimsgeschäftsführer des Bundesverbands. Hast Du alles erreicht oder warum verlässt Du nun die Aidshilfe?

Dirk Meyer: Ich habe im Laufe vieler Jahre fast alle Facetten, die unser Verband auf allen Ebenen zu bieten hat, mit Spaß und manchmal auch mit Sorge erlebt und bearbeitet. Da ist es sicher legitim, noch einmal einen Sprung zu machen und das Spielfeld zu wechseln, um in der eigenen Arbeit eine neue Perspektive zu gewinnen. Dass das in meinem Falle jetzt passiert, ist vielleicht ein Zufall, das hätte auch nach zehn oder 15 Jahren schon erfolgen können. Dass dies damals nicht geschehen ist, zeigt, dass mir meine Arbeit Spaß gemacht hat und für mich immer interessant war. Es wurde mir quasi nicht leicht gemacht, mich nach einem anderen Betätigungsfeld umzuschauen. Da mich immer fasziniert hat, was wir als Aidshilfe sowohl hier in NRW als auch bundesweit bewegen konnten, habe ich mich nie aktiv umgesehen. Der Weggang jetzt nach 18 Jahren fällt mir dementsprechend schwer, denn es ist immer noch spannend, was wir hier machen. Mein Bauchgefühl riet mir aber, etwas Neues zu wagen. Es reizt mich, meine Erfahrungen und mein Know-how aus dem Landesverband jetzt an anderer Stelle, wenn auch im gleichen Thema, einzubringen.

Guido Schlimbach: Du hast in der Aidshilfearbeit Wesentliches von Beginn an mitgestaltet. Wenn Du auf die Anfänge schaust, was ist immer noch aktuell und was hat sich verändert?

Dirk Meyer: Ein ganz zentraler Punkt hat sich nicht geändert. Aidshilfe hat bis heute einen politischen Anspruch. Als gesundheitliche Selbsthilfeorganisation haben wir zwar sehr spezifisch, sehr interessegeleitet für bestimmte Gruppen von Menschen gearbeitet: für Minderheiten, die Menschen mit HIV und Aids, schwule Männer, Drogen konsumierende Menschen, Frauen in deklassierten Lebenssituationen, Sexworker und so weiter. Andererseits aber auch mit einem klaren politischen Anspruch. Ich würde sogar sagen mit einem großen gesellschaftlichen „Drang in die Mitte“. Dieses Spannungsfeld habe ich schon 1985 erlebt, als wir uns im Kreis Unna getroffen haben, um die Aidshilfe zu gründen. Als politische Menschen, die zum Beispiel aus der Schwulen- oder der Drogenarbeit kamen, hatten wir eine klare Zielsetzung. Und die gilt trotz aller Veränderung im Kern bis heute. Aidshilfe ist eine lebendige, politische Selbsthilfeorganisation, die sich immer noch an den offenen Fragen reibt, nach den Interessen von Minderheiten und Diskriminierung fragt, immer orientiert auf die Gesellschaft als Ganzes. Wir haben uns nie mit unseren „Randthemen“ in die Ecke stellen lassen. Bis heute drängen wir damit in die Mitte der Gesellschaft und scheuen dabei auch keine Konflikte. Geändert hat sich natürlich, dass wir uns nicht mehr wie in den Anfangsjahren so direkt mit Sterben und Tod auseinandersetzen müssen. Die Sonne, die über unserer Arbeit schien, war oft von dunklen Wolken verhangen, auch wenn wir uns nie am möglichen Sterben unserer Mitstreiterinnen und Mitstreiter orientiert haben, sondern am Leben. Dennoch hat uns das Erleben von Sterben und Tod tief geprägt, auch mich ganz persönlich. Die Einstellung zum Thema HIV und Aids hat sich geändert, der Umgang ist in den letzten Jahren normaler geworden. Daraus hat sich natürlich auch viel Neues ergeben, auch für die Arbeit in den Aidshilfen.

Dr. Dirk Meyer, neuer Referent im Aids-Referat der BZgA (Foto: Aids-Hilfe NRW)
Dr. Dirk Meyer, neuer Referent im Aids-Referat der BZgA (Foto: Aids-Hilfe NRW)

Guido Schlimbach: Am Anfang stießen Aidshilfen in der Gesellschaft auf erhebliche Widerstände? Wie habt Ihr das geschafft, gegen diese Widerstände anzugehen?

Dirk Meyer: Mit einer herzerfrischenden Naivität! Wir haben einfach unser Ding gemacht und wir sind auf die vermeintlich verkrusteten Strukturen, also auf die Menschen in den Kreis- und Stadtverwaltungen, aber auch in der Landespolitik, zugegangen. Wir haben uns das Recht genommen, für uns und unser Thema zu sprechen. Wir waren die Expertinnen und Experten in eigener Sache und sind sehr selbstbewusst aufgetreten, was die andere Seite offenbar positiv beeindruckt und verblüfft hat. Wir konnten daher, anstatt uns lange mit verwaltungstechnischen Dingen aufzuhalten, den wahren Themen widmen und der Frage, wie man diese am besten löst. Unser Selbstbewusstsein haben wir aus unseren Erfahrungen in der Schwulen-, der Frauenbewegung oder in der Drogenarbeit mitgebracht. Vielleicht hätten wir nicht so viel Erfolg gehabt, wenn wir vorher mehr darüber nachgedacht hätten, wie wir auftreten müssten. Offenbar war seinerzeit die Gesellschaft schon in der Lage, dieses offensive Auftreten zu akzeptieren. Dass der Staat uns etwas zugetraut hat, uns Kompetenzen abgegeben und das auch finanziert hat, macht das deutlich. Wahrscheinlich hat dieses günstige Zeitfenster es ermöglicht, in Deutschland Strukturen zu schaffen, die für die Aidshilfearbeit bis heute wichtig sind.

Guido Schlimbach: Du hast Dich in all den Jahren ja nicht nur ehrenamtlich engagiert, Du hast Deine berufliche Karriere auf diese Karte gesetzt, hast Deinen Beruf als Lehrer aufgegeben, um Dich voll auf Aidshilfe zu konzentrieren. Worin bestand für Dich persönlich die Herausforderung, diesen Weg einzuschlagen?

Dirk Meyer: Ich wollte Gesellschaft mitgestalten. Ich wollte meine eigenen Erfahrungen, das Private, aber auch das Wissen, wie Gesellschaft mit Minderheiten, etwa mit schwulen Männern, umgegangen ist, politisch sehen und damit arbeiten. Ich konnte Energie daraus ziehen und sagen: Das lasse ich mit mir nicht machen! Da war ich sicher auch Kind meiner Zeit. Und weil ich damals schon Strukturalist war, wusste ich, dass ich das nicht allein kann. Da musste ich Mitstreitende finden, um Mehrheiten zu organisieren und diese politisch umzusetzen. Diese Herausforderung hält für mich bis heute an.

Guido Schlimbach: Eine oft bemühte Formulierung besagt, dass Aidshilfe das einzige Konstrukt ist, in dem die im Grunde disparaten Gruppen von schwulen Männern, Frauen und Junkies gemeinsam etwas auf die Beine gestellt hätten. Wie hast Du das erlebt, wie diese Gruppen gemeinsam ihre Ziele verfolgt haben und gemeinsam etwas entwickeln konnten?

Dirk Meyer: Das lief ja nicht ohne Konflikte ab. Es ging aber gut, weil wir zu allererst bereit waren, das Anderssein der Anderen zu akzeptieren, gut, vielleicht auch zunächst nur zu tolerieren. Ohne schwule Männer jetzt zu idealisieren, aber aufgrund ihrer eigenen Diskriminierungserfahrungen können sie das vielleicht besser als andere Männer, zumal sie Akzeptanz ja auch immer für sich einfordern. Diese Einstellung haben wir in den Anfängen der Aidsarbeit auf andere übertragen. Das war mit den Junkies und den politisch engagierten Frauen nicht immer leicht und sicher oft konfliktbeladen, es hat aber nie dazu geführt, dass wir uns getrennt haben. Hier und da führten die Konflikte dazu, dass in einzelnen Aidshilfen eher schwule Prävention oder eher Drogenarbeit gemacht wurde, aber insgesamt hat es uns zusammen gehalten. Manchmal denke ich, dass die Sehnsucht der Schwulen, in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen und wertgeschätzt zu werden, uns dazu gebracht hat, in der Akzeptanz mit scheinbar disparaten Gruppen in der Aidshilfe anzufangen und die Konflikte auszuhalten.

Guido Schlimbach: Bei Dir führte die Akzeptanz ja dann dazu, dass Du Dich auch in der Junkie-Selbsthilfe engagiert hast. Du bist ja immer noch im Vorstand von JES NRW.

Dirk Meyer: Als Landesgeschäftsführer habe ich mich auch immer als Interessenvertreter der besonders von HIV bedrohten Gruppen in NRW verstanden. Nicht nur qua Amt, sondern weil ich mich aufgrund der politischen Auseinandersetzungen und der persönlichen Nähe solidarisch erkläre. Mich bewegt die Frage, welche Stellung Drogenkonsumierende mit und ohne HIV in der Gesellschaft und in Aidshilfen haben und wie ihre Interessen vertreten werden. Dass ich mich hier besonders engagiert habe, liegt auch daran, dass ich so furchtbar neugierig bin. Ich wollte wissen, wie Junkies mit Ausgrenzung und Rollenzuweisung umgehen. Ihre Lebensweisen kennenzulernen, war für mich immer eine intellektuelle und emotionale Herausforderung. In allen Bereichen wollte ich mitdenken und mitgestalten. Ich wollte Strukturen aufbauen, damit die Menschen ihre eigenen Interessen vertreten und in die gesellschaftliche Diskussion einbringen können. Politisches Interesse und Solidarität lagen bei mir immer eng beieinander.

Guido Schlimbach: Wenn wir auf die Zielgruppen unseres Verbands schauen, ist in den letzten Jahren eine neue Gruppe hinzugekommen, die der Migrantinnen und Migranten, die wir mehr und mehr in den Focus unserer Arbeit genommen haben. Das verlief nicht immer reibungslos.

Dirk Meyer: Die Diskussionen mit Junkies und mit Frauen liefen ja auch nicht reibungslos. Wir dürfen das Miteinander der Gruppen auch nicht schönreden. Selbst die Vertretung der Interessen von Menschen mit HIV in Aidshilfen ist nicht konfliktfrei. Die ersten Aidshilfen wurden ja im Grunde ohne Menschen mit HIV gegründet. Natürlich waren wir Selbstorganisation und Selbsthilfe, aber zunächst mal, um uns zu schützen, um einen Umgang mit dem Thema zu finden. Eine direkte Konfrontation mit der Infektion fand erst später statt. Insofern ist die Auseinandersetzung mit Migration nicht leicht, aber mit Blick auf die Vergangenheit, auch nicht originär schwer. Auch hier sollten wir möglichst ohne Vorbehalt auf die Menschen zugehen und sie zunächst einmal akzeptieren, wie sie sind, ohne etwas schönzureden.

Guido Schlimbach: Die AIDS-Hilfe NRW ist der größte Verband innerhalb der Deutschen AIDS-Hilfe. Wir werden von außen als stark angesehen, nicht zuletzt aufgrund unserer 42 Mitgliedsorganisationen. Dennoch, wie haben wir es geschafft, dass das Land Nordrhein-Westfalen seine Verantwortung erkannt und Aidshilfe und Aidsprävention so nachhaltig gefördert hat?

Dirk Meyer: Das wäre in der Tat wert, einmal wissenschaftlich erforscht zu werden. Sicher liegt es an den Menschen, die hier an verschiedenen Stellen über viele Jahre gearbeitet haben. Die Aidshilfe hat ihre Forderungen immer mit einer fachlichen und Interessen geleiteten Klarheit, aber auch immer verbindlich und fair formuliert. Das hat uns einen guten Ruf eingebracht und für das Land Nordrhein-Westfalen zu einem kompetenten und verlässlichen Partner werden lassen, ohne, dass wir uns verkaufen oder anbiedern mussten. Letzteres lag natürlich auch daran, dass unsere Vorstandsmitglieder immer aus unseren Mitgliedsorganisationen und Zielgruppen kamen. Wir wollten nie einen Parteienproporz im Landesvorstand haben, sondern Menschen aus der Verbandsarbeit und der Selbsthilfe, die ihre Interessen autonom mit einbrachten. So hat HIV- und Aidsprävention über die Jahre hinweg in allen Fraktionen und durch alle Koalitionen den hohen Stellenwert beibehalten.

Guido Schlimbach: Die andere Besonderheit der AIDS-Hilfe NRW ist die hohe Anzahl an recht unterschiedlichen Mitgliedsorganisationen. Wie hält man so einen lebhaften Haufen zusammen?

Dirk Meyer: Mit viel Geduld! Mit einem Verständnis dafür, dass sich Aidshilfearbeit von unten nach oben entwickelt. Ich komme ja aus einer ländlichen Aidshilfe und habe erfahren, wie sich das alles ganz im Kleinen entwickelt. Prävention entsteht kommunal. Das heißt, praktische Aidshilfearbeit entwickelt sich in der Kommune, in der örtlichen Szene. Dies muss wertgeschätzt und darf nicht als Störfaktor erlebt werden, auch wenn darin schon viele Unterschiede und damit viele Konflikte enthalten sind. Wenn man das als Stärke begreift, ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, gemeinsam etwas umzusetzen, sich auszutauschen und gemeinsame Interessen zu entdecken und zu formulieren. Vor allem im Ruhrgebiet lässt sich gut beobachten, wie Nachbarschaft untereinander gelebt wird: Eigenheiten individuell gestalten, im Großen aber gemeinsam etwas bewirken. Davon hat die AIDS-Hilfe NRW viel übernommen. Die Mitgliedsorganisationen haben vielfach erkannt, dass gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Umbrüche nur gemeinsam angegangen werden können. Das ist ein großer Wert, der meines Erachtens unseren Verband ausmacht.

Guido Schlimbach: Du hast jetzt manche Stärken des Verbands benannt. Hat er auch Schwächen?

Dirk Meyer: Die größten Stärken stellen sich manchmal auch als Schwächen heraus. Es soll ja vorkommen, dass bei einem differenzierten Verband mit seinen Strukturen und seinen umfangreichen Angeboten das Wesentliche, die ursprüngliche Motivation aus dem Blick gerät. Wenn Aidshilfe nicht darauf achtet, sich immer neu zu erfinden, wenn sie im alten Trott verweilt, ohne auf ihre Motivation zu schauen, dann wird die Stärke der Differenzierung auch zur Schwäche. Dann wird dieser Koloss Aidshilfe auch angreifbar. Ich sehe aber, dass wir uns dieser möglichen Schwäche bewusst sind. Die Kolleginnen und Kollegen hier in der Landesgeschäftsstelle und die verschiedenen Vorstandsmitglieder haben über die Jahre diese Selbstvergewisserung immer wieder eingefordert und lebhaft miteinander diskutiert. Dabei kam manches auf den Prüfstand, von manchem haben wir uns auch gelöst, andere Herausforderungen kamen hinzu, ohne, dass die Ursprungsidee, warum Aidshilfe überhaupt entstanden ist, aus dem Blick geriet.

Guido Schlimbach: Lass uns einen Blick in die Zukunft werfen. Du warst ein wesentlicher Motor unseres Leitbildprozesses und hast als Mitglied der Programmkommission und des Delegiertenrates der Deutschen AIDS-Hilfe auch an deren Leitbild mitgearbeitet. Wie siehst Du die Perspektiven der Aidshilfe in diesem Land, wo liegen die zukünftigen Schwerpunkte?

Dirk Meyer: Die AIDS-Hilfe NRW wird ein munterer, dynamischer, lebensfroher Verband bleiben, der mit den Konflikten innerhalb der eigenen Reihen gut umgehen und immer wieder neue Lösungen finden wird. Natürlich besitze ich keine Glaskugel, in der ich die Zukunft voraussehe. Ich bin mir aber sicher, dass die AIDS-Hilfe NRW weiterhin selbstkritisch auf alle Entwicklung schauen und auch reagieren wird. Auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren wird der Verband im Bereich der Prävention Wesentliches beitragen und politischen Schmerzthemen wie Drogenkonsum, Kriminalsierung und Ausgrenzung nicht ausweichen. Die Gesellschaft wird sich ganz sicher nicht so schnell zum Positiven hin verändern, dass unsere Arbeit überflüssig würde.

Guido Schlimbach: Auf die Frage, welche Eigenschaft Du bei anderen am meisten schätzt, hast du einmal geantwortet, Eigensinn. Ist das ein Programm für Dirk Meyer?

Dirk Meyer: Das ist tatsächlich mein Programm, ja. Damit korrespondiert aus meiner Sicht die Fähigkeit des Seinlassens. Wir sollten den Anderen zu allererst in seinem Sein lassen und nicht versuchen, ihn verbiegen oder nach unseren Vorstellungen verändern zu wollen. Der Eigensinn der Anderen ist meines Erachtens Voraussetzung dafür, tolle Sachen auf den Weg zu bringen. Insofern hoffe ich, dass von dieser Programmatik auch etwas hier im Verband bleibt. Jedenfalls wäre es schön, wenn Eigensinn und Seinlassen-Können auch die Aidshilfearbeit weiter ausmachen.

Guido Schlimbach: Und nun geht es auf die andere Seite, auf die andere Rheinseite, auf die Seite des öffentlichen Gesundheitsdienstes zur BZgA. Was hat Dich neben der persönlichen Herausforderung, etwas Neues beginnen zu können, gereizt, die Seiten zu wechseln? Wo siehst Du die Chance, Aidshilfearbeit in Deiner neuen Position voran zu bringen?

Dirk Meyer: Ich habe es für mich persönlich immer als wichtig empfunden, Spaß an der Arbeit zu haben. Ich hatte das Glück, das über viele Jahre erleben und mit beeinflussen zu können. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dies auch in meinem neuen Arbeitsfeld so sein wird, weil ich weiß, was dort in den vergangenen Jahren geleistet wurde und in welcher Qualität. Ich blicke mit Freude darauf, mich jetzt mit meinem Know-how und meinen Erfahrungen dort einzubringen. Sicher wird manches schwierig und neu sein, aber genau darin liegt ja die Herausforderung, Prävention und andere wichtige Bereiche der Aidsarbeit weiterzuentwickeln. Gerade auf Bundesebene mit den Möglichkeiten der Massenkommunikation, in der Verzahnung der Kampagnen mit personalkommunikativen Angeboten, in der Verzahnung von Prävention für alle und der zielgruppenspezifischen Prävention, in der Verzahnung dessen, was in der HIV-Prävention erreicht wurde, und dem, was im Bereich anderer sexuell übertragbarer Krankheiten noch entstehen muss. Das sind Herausforderungen, neu zu denken und Kommunikation und Kooperation im Blick zu haben. Der Erfolg der Aidsprävention in Deutschland liegt sicher darin, die Unterschiedlichkeit aller Akteure insgesamt zur Stärke werden zu lassen. In Zukunft werden die Rahmenbedingungen für Prävention schwieriger und komplizierter. Sich dem gemeinsam zu stellen, macht für mich den Reiz aus, in der neuen Struktur zu arbeiten.

Guido Schlimbach: Lieber Dirk, ich danke Dir sehr für das Gespräch und wünsche Dir alles Gute für Deine neuen Aufgaben.

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[Interview: Guido Schlimbach für die Aids-Hilfe NRW; vielen Dank für die Einwilligung der Übernahme!]

Carsten Schatz – bald der erste offen HIV-positive Landtags-Abgeordnete ? (akt.)

Einen offen HIV-positiven Abgeordneten in einem Landesparlament, das gibt es in Deutschland bisher nicht. Bisher – Carsten Schatz hat die Möglichkeit, dies am 18. September 2011 zu ändern.

Politiker? Offen HIV-positiv? Dies scheinen bisher in Deutschland kaum zu vereinbarende Gegensätze zu sein. Bisher. Am 18. September 2011 könnte sich dies ändern – bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.

Die Hauptversammlung des Bezirks Treptow-Köpenick der Partei ‚Die Linke‘ nominierte am Freitag 25. März 2011 Carsten Schatz zum Direktkandidaten im Wahlkreis 6 Berlin Treptow-Köpenick.

Im Fall seiner Wahl wäre Carsten Schatz der erste offen HIV-positive Landtags-Abgeordnete in Deutschland.

Das Gebiet des Bundeslandes Berlin ist in 12 Wahlbezirke unterteilt. Der Wahlbezirk 09 Treptow-Köpenick ist mit nahezu 20% der Berliner Stadtfläche der größte der Berliner Bezirke. Der Wahlkreis Treptow-Köpenick 6 (096) umfasst das nördliche Köpenick, Friedrichshagen sowie Rahnsdorf.

Wahlkreise Abgeordnetenhaus Berlin (Grafik: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2008)
Wahlkreise Abgeordnetenhaus Berlin (Grafik: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2008)

Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 2006 erhielt die Partei ‚Die Linke‘ in Berlin Treptow-Köpenick 29,3% der Stimmen (SPD: 34,4%, CDU 14%). Im Wahlkreis Treptow-Köpenick 6 gewann bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2006 das Direktmandat die Abgeordnete Renate Harant (SPD) mit 35,3% der Stimmen (7,3% vor dem nächstplatzierten Kandidaten).

Carsten Schatz (Foto: DAH)
Carsten Schatz (Foto: DAH)

Carsten Schatz (Jahrgang 1970) ist seit Oktober 2008 Vorstands-Mitglied der Deutschen Aids-Hilfe und Mitglied bei Positiv e.V., dem Verein, der seit 1986 die Bundesweiten Positiven-Treffen im Waldschlößchen plant, in Zusammenarbeit mit der Akademie Waldschlößchen organisiert und durchführt.

Schatz ist zudem derzeit Geschäftsführer DIE LINKE Landesverband Berlin. Zuvor war er Leiter des Wahlkreisbüros der Berliner Bundestagsabgeordneten Petra Pau (Die Linke).

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Aktualisierung
10.04.2011, 09:00 Uhr: Die Vertreter/innen-Versammlung der Linken nominierte Carsten Schatz auch auf ihrer Landesliste (Platz 18) für die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 18.9.2011.

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siehe auch:
poz&proud 29.03.2011: Hiv-positieve parlementariër in Berlijn?

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Deutsche AIDS-Hilfe: Bayerische Drogenpolitik kostet immer mehr Menschenleben

Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist 2010 um sieben Prozent gesunken, teilte gestern die Bundesdrogenbeauftragte Mechthild Dyckmans (FDP) mit. Doch diese erfreuliche Zahl ist nur die halbe Wahrheit: In Bayern ist die Zahl der Toten nämlich von 250 auf 262 gestiegen – eine direkte Folge falscher Drogenpolitik.

„Die Bundesregierung und ihre Drogenbeauftragte stehen in der Pflicht, hier ihren Einfluss geltend zu machen“, sagt Hansmartin Schön, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH). „Überlebenshilfe für Drogenkonsumenten muss bundesweit verfügbar sein!“

In Bayern gibt es bislang keine Drogenkonsumräume. Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) und seine Partei weigern sich, eine entsprechende Rechtsverordnung zu schaffen – entgegen der Forderung von Ärzten und Wissenschaftlern, Wohlfahrtsverbänden, Experten der Aids- und Drogenhilfe, der Kirche sowie SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen und Die Linke.

Drogenkonsumräume retten nachweislich Leben: In Notfällen steht sofort medizinische Hilfe zur Verfügung. Die Einrichtungen verlagern den Konsum aus der Öffentlichkeit in ein hygienisches Umfeld mit Beratungsangeboten. Sterile Spritzen, Nadeln und Konsumutensilien verhindern HIV- und Hepatitisinfektionen.

Wie fatal sich die Blockade der bayerischen Landespolitik auswirkt, zeigt sich vor allem in Nürnberg: Hier hat sich die Zahl der drogenbedingten Todesfälle seit 2005 fast verfünffacht – von 6 auf 29 Tote im Jahr 2010.

„Ideologische Schranken führen zum Tod vieler Menschen“, sagt DAH-Drogenreferent Dirk Schäffer. „Dass eine fachlich versierte Drogenpolitik diese Tragödie beenden könnte, zeigen die Erfahrungen aus Berlin und Nordrhein-Westfalen: Dort ist die Zahl der Drogentodesfälle kontinuierlich rückläufig.“

Bayern ist nicht das einzige Bundesland, in dem es keine Drogenkonsumräume gibt. Eine entsprechende Rechtsverordnung fehlt auch in Brandenburg, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

„Deutschland stellt das drogenpolitische Konzept der Schadensminimierung international zu Recht als Erfolgsmodell dar. Doch damit die Zahl der Drogentoten bundesweit sinkt, muss es auch überall in Deutschland Anwendung finden“, sagt Schäffer.

(Pressemitteilung der DAH)