Kieler Urteil gegen HIV-Positiven: Fünf Jahre in Haft & Psychiatrie-Unterbringung

„Welche Rolle spielt eine nicht nachweisbare Viruslast“ Mit dieser Frage Hatten sich Corinna Gekeler und Karl Lemmen in einem Gastbeitrag am 6. Juli 2010 beschäftigt ((Versuchte) HIV-Übertragungen vor Gericht: Welche Rolle spielt eine nicht nachweisbare Viruslast?).
Heute behandeln beide Autoren in einem Gastbeitrag einen aktuellen Fall aus Kiel, in dem u.a. ebenfalls die Viruslast des Angeklagten ein Thema war:

Kieler Urteil gegen HIV-Positiven:
Fünf Jahre in Haft & Psychiatrie-Unterbringung

Das Kieler Landgericht verurteilte 28.Juni 2010 einen 47-jährigen Mann am wegen zweifacher vollendeter und fünffacher gefährlicher Körperverletzung. Der gelernte Maler wird auf Anordnung des Gerichts in der Psychiatrie untergebracht. Das Gericht billigte ihm wegen massiver Hirnschädigungen und einer schweren Persönlichkeitsstörung erheblich verminderte Schuldfähigkeit zu. Die Kammer blieb zwei Jahre unter dem Antrag der Anklage, die beiden infizierten Frauen als Nebenklägerinnen verzichteten auf Rechtsmittel. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Fall
Der Angeklagte gab zu, seine HIV-Infektion trotz ausdrücklicher Nachfragen seiner Partnerinnen zum Teil verschwiegen und in einem Fall sogar geleugnet zu haben. Dies verteidigt er damit, dass er sich immer „super“ gefühlt habe und aufgrund seiner nicht nachweisbaren Viruslast davon ausgegangen war, nicht mehr ansteckend zu sein. Er hatte sogar die Medikamente einige Zeit abgesetzt, da er sich für „geheilt“ hielt. Die zuerst angesteckte Frau beschuldigte er sogar wider besseres Wissen, sie habe ihn infiziert.
Der Mann saß wegen Wiederholungsgefahr seit Oktober 2009 in U-Haft, nachdem ihn eine der beiden infizierten Frauen angezeigt hatte. Eine zweite Infizierte erlitt Nierenversagen und war sogar zeitweilig gelähmt. Beide betroffene Frauen müssten nun nicht nur eine erheblich verminderte Lebensqualität hinnehmen, sondern auch mit einer geringeren Lebenserwartung rechnen, betonte das Gericht.
Bei dem Angeklagten war die Krankheit 2004 mit schwersten Symptomen wie starkem Gewichtsverlust und einer Lungeninfektion ausgebrochen. Die HIV-Medikamente setzte er ab, als seine Viruslast unter der Nachweisgrenze war. Er ging erst wieder in die Aids-Ambulanz der Universität Lübeck, als eine der Sexpartnerinnen infiziert war. Da sei seine Viruslast „exorbitant hoch und er hochinfektiös“ gewesen, sagte Richter William. Dennoch kontaktierte er weitere Frauen, um ungeschützten Sex zu haben.
Das Gericht betonte, es wäre möglicherweise gar nicht zu den Taten gekommen, wenn die Ärzte 2004 die Hirnschädigung nicht nur festgestellt, sondern auch genauer untersucht hätten. Durch den massiven Abbau von Hirnmasse habe der Angeklagte schon damals nicht mehr richtig einsehen können, was mit ihm und anderen geschehe.

Erstes Resümee
Welches Gewicht die Viruslast letztendlich bei der Urteilsfindung spielte, kann noch nicht geklärt werden, da das Urteil noch nicht vorliegt. Sollte die gestiegene Viruslast darin ein ausschlaggebendes Argument darstellen, müsste jedoch auf die rechtlichen Konsequenzen für das Gegenteil, also die nicht nachweisbare Viruslast, diskutiert werden.
Ein Rolle scheint aber auf jeden Fall zu spielen, dass der Verurteilte seine Infektion verschwiegen bzw. verleugnet hatte und die Frauen ohne ihr Wissen einer großen Gefahr aussetzte. Unklar bleibt auch, wie es zu der vermutlich unzureichenden ärztlichen Behandlung des Mannes kommen konnte.

Quellen:
http://www.focus.de/panorama/welt/prozesse-aids-kranker-wegen-ungeschuetztem-sex-verurteilt_aid_524493.html
ln-online/lokales vom 29.06.2010 00:00: http://www.ln-online.de/news/2810203
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/regioline_nt/hamburgschleswigholstein_nt/article8206865/Fuenf-Jahre-Haft-fuer-HIV-Infizierten.html

Vielen Dank an Corinna Gekeler und Karl Lemmen für diesen Beitrag!

(Versuchte) HIV-Übertragungen vor Gericht: Welche Rolle spielt eine nicht nachweisbare Viruslast?

Immer wieder stehen auch in Deutschland Menschen vor Gericht mit dem Vorwurf, andere fahrlässig oder vorsätzlich mit HIV infiziert zu haben. ‚Bei mir ist die Viruslast unter der Nachweisgrenze‘, mag der ein oder andere denken, sich an das EKAF-Statement und die Viruslast-Methode erinnern. Doch – wie sieht es in der Realität vor Gericht aus? Welche Bedeutung haben Viruslast und EKAF-Statement vor Gericht?  In einem Gastbeitrag beleuchten Corinna Gekeler und Karl Lemmen von der Deutschen Aids-Hilfe drei aktuelle Urteile und ihre Bedeutung.

(Versuchte) HIV-Übertragungen vor Gericht – Welche Rolle spielt eine nicht nachweisbare Viruslast?

von Karl Lemmen & Corinna Gekeler, Deutsche AIDS-Hilfe

Die deutsche Rechtsprechung weist große Unterschiede auf. Insbesondere die Viruslust unter HAART wird sehr verschieden beurteilt. Würde man die „EKAF-Kriterien“ auch als rechtstaugliche Maßstäbe 1:1 umsetzen, müsste die von den Schweizern vorgesehene Herstellung eines Informed Consent zwischen den Beteiligten nämlich auch eine Rolle spielen.
Wir  dokumentieren hier aktuelle Fälle aus der Presse und ergänzt die Bewertung eines Würzburger Urteils aus 2007 durch neue Information aus einem medizinrechtlichen Fachblatt.

Urteil 1: Fulda
Das Amtsgericht Fulda verurteilte Anfang März eine 32-Jährige zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr1. Der HIV-Positiven wurde zur Last gelegt, durch ungeschützten Sex eine Infektion ihres 41-jährigen Freunds „billigend in Kauf“ genommen zu haben. Die Frau erwartet das zweite Kind von ihrem Partner, der inzwischen wieder ungeschützten Sex mit ihr habe. Weder er noch das erste Kind wurden infiziert, jedoch ein Kind aus erster Ehe. Der Ex-Mann hatte laut Berichten in der Lokalpresse ausgesagt, seinen Nachfolger von der HIV-Infektion seiner Ex-Frau informiert zu haben. Auch die Verurteilte bestritt, über ihre Infektion gelogen oder geschwiegen zu haben.
„Zudem habe ihr eine Ärztin gesagt, die Viruslast sei so gering, dass sie nicht ansteckend sei. Doch während eines Gesprächs mit dem Richter hatte die Ärztin dieser Behauptung widersprochen. Auch ein medizinischer Sachverständiger aus Fulda, bei dem die Angeklagte in Behandlung ist, gab an, dass man eine Ansteckungsgefahr nie ganz ausschließen könne“, so die Lokalpresse.

Urteil 2: Kiel
Seit April 2010 ist ein 47-Jähriger wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (HIV-Übertragungen) und wegen versuchter Körperverletzung in fünf Fällen vor dem Kieler Landgericht angeklagt. Der HIV-Positive sitzt wegen Wiederholungsgefahr seit Oktober 2009 in U-Haft. Als Zeuginnen geladene Sexpartnerinnen sagten aus, er habe in Internetforen gezielt „Sex ohne Gummi“ gesucht.
Er gibt zu, seine HIV-Infektion trotz ausdrücklicher Nachfragen seiner Partnerinnen zum Teil verschwiegen und in einem Fall sogar geleugnet zu haben. Dies verteidigt er damit, dass er sich immer „super“ gefühlt habe und aufgrund seiner nicht nachweisbaren Viruslast davon ausgegangen war, nicht mehr ansteckend zu sein. Er hatte sogar die Medikamente einige Zeit abgesetzt, da er sich für „geheilt“ hielt. Auf Anraten seines Arztes nimmt der Angeklagte jetzt wieder HIV-Medikamente, obwohl er sich über die Notwendigkeit wundere. Die Idee, dass die Viruslast ohne die Pillen wieder steigt, sei ihm nicht gekommen. Er habe sich darüber keine Gedanken mehr gemacht. Sein Arzt sagte vor Gericht aus, er habe den Mann auf die weiterhin bestehenden Risiken hingewiesen. Weitere Experten stellten dem interessierten Richter die Bedeutung der Viruslast vor, was wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde.
Voraussichtlich im Juni und Juli werden drei weitere Verhandlungstage folgen. Momentan wird ein psychiatrisches Gutachten über den Angeklagten erstellt.2

Urteil 3: Würzburg
INFO erfuhr neue, interessante Details zu einem Urteil vom Landesgericht Würzburg aus dem Jahr 2007 (1) aus einem Beitrag im Fachblatt für Medizinrecht (2). Darin schreibt RA Dr. Jörg Teumer, der Angeklagte wurde wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Aufgrund antiretroviraler Mittel sei seine Viruslast unter der Nachweisgrenze gewesen, wodurch er davon ausgegangen war, es könne keine Übertragung stattfinden. Bei einer der Partnerinnen konnte medizinisch eine auf den Angeklagten zurückgehende HIV-Infizierung nachgewiesen werden.
Das Gericht betonte, dass bei den Sexualpartnerinnen, die über die HIV-Infektion Bescheid gewusst und dennoch mit dem angeklagten sexuell verkehrt hätten, eine strafausschließende eigenverantwortliche Selbstgefährdung bzw. eine wirksame Einwilligung vorliege, aus der sich keine Strafbarkeit ergebe. Ein solcher „Informed Consent“ zur Selbstgefährdung bietet demnach weiterhin Schutz vor Klagen oder gar Verurteilungen – unabhängig von der Höhe der Viruslast. Aber natürlich nur, wenn die Absprache allen Beteiligten ‚erinnerlich‘ ist.
Was die Beurteilung der Viruslast im Infektionsgeschehen betrifft, gibt es nach wie vor unterschiedliche Expertenaussagen. Gerichte urteilen ebenfalls sehr unterschiedlich, wie dieses Würzburger Urteil und der Nürtinger Fall belegen.

Für den Autor Jörg Teumer trägt das LG Würzburg mit seinem Urteil dem aktuellen Behandlungsstand Rechnung: „Solange es keine 100 % sicheren wissenschaftlichen Belege dafür gibt, dass eine Infizierung Anderer bereits aufgrund der regelmäßigen Einnahme dieser Medikamente vollständig (!) ausgeschlossen ist, darf eine Kondombenutzung beim Sexualverkehr nicht unterbleiben und führt das Unterlassen dieser Schutzmaßnahme zur Strafbarkeit. Ärzte, Apotheker oder Mitarbeiter von Aids-Beratungsstellen etc., die dennoch einen Sexualverkehr ohne Kondombenutzung befürworten oder gar anregen, laufen daher Gefahr, sich wegen Beihilfe oder Anstiftung zu einem Körperverletzungsdelikt strafbar zu machen.“

Fazit
Die Urteile aus Fulda und Würzburg zeigen, dass das Thema Viruslast in den Gerichten angekommen ist und wie unterschiedlich es bewertet wird, nämlich meist in Abhängigkeit von der Stellungnahme der geladenen medizinischen Experten. Man kann sich hier im Moment auf nichts verlassen und ist in jedem Fall der „Willkür“ der jeweils geladenen Gutachter ausgeliefert. Zumindest so lange, wie Fachverbände wie DAIG und DAGNAE hier nicht mit einer Stimme sprechen.
Ein Ausweg für alle Fälle (unabhängig von der Viruslast) könnte die Herstellung eines „Informed Consent“ zum Kondomverzicht sein; denn wer im Wissen um die HIV-Infektion des Gegenübers in ungeschützten Sex einwilligt, der begeht eine „strafausschließende Selbstgefährdung“. Frage ist natürlich, wie realistisch eine Vereinbarung ist, und ob man bei Bedarf immer Papier und Bleistift zur Hand hat bzw. haben möchte, um sich vor Gericht vor eventuellen „Erinnerungslücken“ seiner Sexualpartner schützen zu können.

(1) Quellen: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,679064,00.html und http://www.fuldaerzeitung.de/newsroom/regional/Fulda-amp-Region-Ungeschuetzter-Sex-HIV-Infizierte-verurteilt%3Bart25,251310
(2) Quellen: http://breaking-news.de/blog/2010/04/05/kiel211-hiv-infizierter-bestreitet-ausreichende-kenntnis-von-ansteckungsgefahr/, http://www.kiel-informativ.de/news-442.html und ein mündlicher Bericht einer Prozessbesucherin
(3) 1 Ks 901 Js 9131/2005 25
(4) RA Dr. Jörg Teumer: Neues zum Thema Aids und Strafrecht. In: MedR 2010 Heft 1

Vielen Dank an Corinna Gekeler und Karl Lemmen für diesen Beitrag!

Fortsetzung: „Kieler Urteil gegen HIV-Positiven: Fünf Jahre in Haft & Psychiatrie-Unterbringung

UNAIDS und UNDP unterstützen EKAF-Statement

Erstmals hat UNAIDS die weitreichende Bedeutung des EKAF-Statements sowohl für HIV-Übertragung als auch die Lebenssituation von Menschen mit HIV betont.

In dem Statement zur 14. Sitzung des Human Rights Council (Agenda Item 3) vom 7. Juni 2010 betonen UNAIDS und UNDP, es sei sehr wichtig, Menschen mit HIV Zugang zu antiretroviraler Behandlung zu ermöglichen, da dies die HIV-Übertragung deutlich reduziere und eine große Bedeutung für Menschen mit HIV haben könne:

„It is even more critical to get those living with HIV on treatment as the latest science shows that treatment reduces HIV transmission by 92% at the population level, and can have even greater impacts for individuals.“

In einer Fußnote (zu „greater impact for individuals“) wird auf das (im Januar 2008 publizierte) EKAF-Statement („keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„) hingewiesen.

Bisher hatte UNAIDS eine sehr ablehnende Position zum EKAF-Statement eingenommen. Weitere Forschung sei erforderlich, und nur Kondome seien ein wirksamer Schutz.

Die Deutsche Aids-Hilfe hatte bereits Anfang April 2009 in ihrem Positionspapier „HIV-Therapie und Prävention“ die große Bedeutung des EKAF-Statements betont und es zu praktikablen Botschaften weiterentwickelt (u.a. ‚Viruslast-Methode‚).

UNAIDS (Joint United Nations Programme on HIV/AIDS) ist eine Organisation der Vereinten Nationen mit dem Ziel, die verschiedenen HIV/Aids-Pandemie Aktivitäten einzelner Ländern im Kampf gegen Aids zu koordinieren.
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (engl. United Nations Development Programme UNDP) ist ein Exekutivausschuss innerhalb der UN-Generalversammlung. UNDP unterstützt u.a. Programme der HIV/Aids-Bekämpfung.

[via Edwin J. Bernhard / criminal hiv transmission]

weitere Informationen:
UNDP & UNAIDS 07.06.2010: Statement by the Secretariat of the Joint United Nations Programme on HIV/AIDS (UNAIDS) and the United Nations Development Programme (UNDP) 14th Session the Human Rights Council Agenda (pdf)
criminal hiv transmission 09.06.2010: UNAIDS/UNDP supports Swiss statement, announces new Global Commission on HIV and the Law
aidsmap: UNAIDS/WHO statement (zum EKAF-Statement)
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Nachtrag 09.10.2010, 11:45 Uhr:
UNAIDS hat sich vor dem Human Rights Council zur Reduktion der HIV-Transmission durch Therapie geäußert und auch auf das EKAF-Statement verwiesen, sich jedoch nicht zur Frage des Kondomgebrauchs geäußert.
Titel des Artikels geändert von „UNAIDS und UNDP unterstützen EKAF-Statement und Viruslast-Methode“ auf „UNAIDS und UNDP unterstützen EKAF-Statement“.

HIV-infiziert und im Gesundheitssystem – was ist zulässig?

Auch im Gesundheitswesen arbeiten Menschen, die mit HIV infiziert sind, als Arzt, Zahnarzt, Krankenpfleger/in. Welche Tätigkeiten dürfen sie ausüben? Und wie wirkt sich eine wirksame antiretrovirale Therapie aus?

Darf ein HIV-infizierter Zahnarzt operieren, eine HIV-infizierte Chirurgin invasive Eingriffe vornehmen? Wenn er / sie eine wirksame antiretrovirale Therapie nimmt, verändert dies die Risiko-Bewertung? Diesen Fragen widmet sich ein ausführlicher Beitrag von Dr. Klaus Korn (Nationales Referenzzentrum für Retroviren, Universitätsklinikum Erlangen) in der soeben erschienenen Ausgabe 01 / 2010 des Retrovirus-Bulletin.

Das Retrovirus Bulletin ist online (pdf) erhältlich (s.u.).

Der Beitrag soll laut Herausgeber (Nationales Referenzzentrum für Retroviren)

„dazu dienen, auf der Basis der bisher vorliegenden Daten und der heutigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten einen an den tatsächlichen Risiken orientierten Umgang mit dieser Problematik zu ermöglichen. Hier gilt es, einerseits überzogene Befürchtungen auszuräumen, andererseits aber die in manchen Bereichen durchaus vorhandenen Risiken nicht zu ignorieren.“

Bezüglich der Möglichkeit der HIV-Übertragung im Rahmen von chirurgischen Eingriffen kommt Korn im Kontext einer wirksamen antiretroviralen Therapie des HIV-infizierten Arztes zu dem Schluss, dass

„bei einem negativen Ergebnis in einem Test mit einer Nachweisgrenze von 1.000 Kopien/ml nur ein extrem geringes Risiko der Übertragung besteht. Ein negatives Ergebnis in einem der heute zur Verfügung stehenden ultrasensitiven Tests mit Nachweisgrenzen im Bereich von 20 – 50 Kopien pro ml gibt hier noch eine zusätzliche Sicherheitsmarge …“

sowie

„Auch andere Überlegungen unterstützen die Annahme, dass von einer HIV-infizierten, chirurgisch tätigen Person auch bei Tätigkeiten mit erhöhtem Übertragungsrisiko nur ein extrem geringes Risiko ausgeht, wenn die Viruslast unter der Nachweisgrenze eines hochempfindlichen Tests liegt.“

Korn betont:

„Anders stellt sich die Situation bei einer Unterbrechung oder beim Absetzen der antiretroviralen Therapie dar.“

weitere Informationen:
Dr. Klaus Korn, Nationales Referenzzentrum für Retroviren: „HIV-infizierte Mitarbeiter im Gesundheitswesen – was dürfen sie (nicht) ?“, in Retrovirus-Bulletin Nr. 01/2010 (pdf)
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Kurz notiert … Mai 2010

31. Mai 2010: Im Jahr 2011 soll nach 24 Jahren erstmals wieder eine Volkszählung stattfinden. Die Vorbereitungen laufen bisher eher im Stillen. „Aktivisten planen Verfassungsbeschwerde gegen Volkszählung 2011,“, berichtet Spreeblick.

28. Mai: Kommen EKAF-Statement und die Viruslast-Methode langsam auch international in der Forscher-Realität an? „Antiretroviral Treatment Cuts HIV Transmission Rate by 92 Percent„, berichtet POZ über eine US-Studie (Original-Publikation auf The Lancet).

27. Mai 2010: Tesamorelin: Zulassung empfohlen. Das zuständige Beratungs-Gremium „Endocrinologic and Metabolic Drugs Advisory Committee“ der FDA hat am 27. Mai 2010 die Zulassung von Tesamorelin empfohlen. Die Entscheidung der FDA wird innerhalb der nächsten 2 Monate erwartet. POZ berichtet am 27.05.2010: FDA Committee Unanimously Recommends Egrifta for Lipodystrophy

27. Mai 2010: Frauen-Kondom: „Kampf gegen Aids: Washington fördert Frauenkondome“, berichtet SpON.

26. Mai 2010: Kann anal verwendetes Gleitgel das Risiko für sexuell übertragbare Erkrankungen erhöhen? aidsmap berichtet „Rectal lubricants may enhance the risk of STIs

20. Mai 2010: Usbekistan – Maskerade: Präsident Karimow regiert ein Land, in dem jüngst der Aids-Aktivist Maxim Popov zu 7 Jahren Haft verurteilt wurde – und seine Tochter gibt bei einer Aids-Gala in Cannes die Wohltäterin.  Die taz berichtet über „Die Tochter des Despoten“.
Ex-Boygroup bei CSD:  „Backstreet Boys to Perform at S.F. Pride“ meldet advocate.

18. Mai 2010: Denkmal-Debatte: den aktuellen Streit um die Wahl des nächsten Films (und de facto um die Rolle überhaupt) des im Mai 2008 eingeweihten ‚Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen‘ kommentiert Stephan Speicher in der SZ als „Wendepunkt in unserem Verhältnis zum Nationalsozialismus“ und „Entwertung der Geschichte“: „Homosexuellen-Denkmal: Entwertung der Geschichte

18. Mai 2010: Verhandlung N. B. in Darmstadt – das Amtsgericht Darmstadt teilt mit „In der Strafsache gegen die Sängerin N. B. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung hat der zuständige Richter des Amtsgerichts Darmstadt mit Beschluss vom 17.05.2010 die von der Staatsanwaltschaft Darmstadt erhobene Anklage vom 04.02.2010 zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Darmstadt eröffnet.“ Als Termine für die Hauptverhandlung wurden bestimmt: 16.08., 19.08., 23.08., 25.08. und 26.08.2010, jeweils um 09.00 Uhr bestimmt.

18. Mai 2010: Liegt’s an den Pocken? „Ende der Pockenimpfung könnte HIV-Ausbreitung ermöglicht haben“, berichtet SpON (Originalmeldung: BMC Immunology: Significantly reduced CCR5-tropic HIV-1 replication in vitro in cells from subjects previously immunized with Vaccinia Virus)

17. Mai 2010: Wie geht es Nadja Benaissa? ‚No Angels‘ – Sängerin Nadja Benaissa muss aus gesundheitlichen Gründen alle Termine plötzlich absagen, Tour-Auftakt geplatzt, berichten viele Medien (u.a. die Salzburger Nachrichten)

16. Mai 2010: Gedenken an Magnus Hirschfeld: Tetu berichtet über eine Gedenkveranstaltung am Grab von Magnus Hirschfeld in Nizza anlässlich des 75. Todestags von Magnus Hirschfeld

14. Mai 2010: „ultra-schwul und einzigartig“ – Tetu berichtet über das „erste Zentrum für sexuelle Gesundheit“ in Paris

13. Mai 2010: „He HAS manipulated us into invisibility.“ Larry Kramer kritisiert mit deutlichen Worten die Aids-Politik von US-Präsident Obama.

7. Mai 2010: Ärger um den GMHC-Umzug:  In New York tobt eine Auseinandersetzung um eine der ältesten und wichtigsten Aids-Organisationen der USA: GMHC Gay Mens Health Crisis, Debatten um Bunkermentalität, Betroffenennähe und Ignoranz. Meinungsstark wie immer äußert sich Larry Kramer zum anstehenden Umzug von GMHC

2 Jahre EKAF-Statement – eine Bilanz

2 Jahre EKAF – einer der Autoren und der Medizin-Beferent der DAH ziehen eine Bilanz.

Es sorgte für viel Aufmerksamkeit, Aufregung, erhitzte Diskussionen – das Statement der Eidgenössischen Aids-Kommission EKAF „keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„.

“Eine HIV-infizierte Person ohne andere STD unter einer antiretroviralen Therapie (ART) mit vollständig supprimierter Virämie … ist sexuell nicht infektiös” – dies ist die Kern-Botschaft eines Statements, das die Eidgenössische Aids-Kommission EKAF im Januar 2008 veröffentlichte.

Im April 2009 veröffentlichte dann die Deutsche Aids-Hilfe DAH nach intensiven Diskussionen ihr Positionspapier HIV-Therapie und Prävention – Positionspapier der Deutschen AIDS-Hilfe.

2 Jahre nach Veröffentlichung des EKAF-Statements ziehen Prof. Pietro Vernazza (St. Gallen; einer der Autoren des Statements) und Armin Schafberger (Berlin; Medizin-Referent der Deutschen Aids-Hilfe DAH) in der Zeitschrift „HIV & More“ eine vorläufige Bilanz:

HIV & More: „Bilanz 2 Jahre nach EKAF“ – Audio-Datei MP3

Das EKAF-Statement zur Frage der Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie – vor zwei Jahren sorgte es für viele Diskussionen. Inzwischen ist die einstige aufgeregte Hektik weitgehend einer überlegten Gelassenheit gewichen. Die Fakten werden von Experten kaum noch bestritten – diskutiert wird weiterhin, auf welchen wegen das EKAF-Statement und die ‚Viruslast-Methode‘  in die Praxis (auch der HIV-Prävention) umgesetzt werden kann.

Stanowisko Deutsche Aids-Hilfe e.V. na temat terapii i prewencji HIV/AIDS (akt.2)

Terapia antyretrowirusowa (ART) przedłuża przecietna długośc życia zakażonych wirusem HIV ludzi i znacznie podwyższa ich jakośc życia.
Oprócz tego, przynosi dodatkowe korzyści prewencyjne: ryzyko zakażenia wirusem HIV zostaje znacznie zmniejszone.

Zarażenie sie podczas stosunku bez prezerwatywy, jest mało prawdopodobne, jeżeli sa spełnione nastepujace warunki:

– virus HIV-zakażonego partnera/partnerki jest przez co najmniej sześc miesiecy poniżej granicy wykrywalności
– leki antyretrowirusowe sa konsekwentnie stosowane
– partnerzy seksualni nie maja wad błony śluzowej (np. w skutek chorób przenoszonych droga płciowa)

Wniosek: przy spełnieniu powyższych warunków, ryzyko zarażenia sie wirusem HIV jest tak niskie, jak podczas stosunku z użyciem prezerwatywy.

Nasze dotychczasowe przesłania na temat bezpiecznego seksu zostały przez te oświadczenie odpowiednio i skutecznie uzupełniane. Przez to, w prewencji otwieraja sie teraz nowe możliwości.

Anfang April 2009 hat die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) ihr Positionspapier ‚HIV-Therapie und Prävention‘ veröffentlicht. Oben stehend eine (am 21.9.2009 überarbeitete) Übersetzung des ersten Absatzes des Positionspapiers ins Polnische. Übersetzung: Fachbereich Internationales der DAH

Positionspapier der Deutschen Aids-Hilfe als pdf in deutsch, englisch, französisch.

Wissen, Einstellungen und Risikoverhalten bei Nutzern eines HIV-Testangebots in Köln

In wenigen Tagen beginnen die iwwit-Testwochen. Testangebote bestehen in einigen Städten bereits seit längerem. Im Epidemiologischen Bulletin wird über erste Erfahrungen aus Köln berichtet.

Ab 1. September 2009 bewirbt die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) mit den iwwitt-Testwochen gezielt und bundesweit die bestehenden Testangebote auf HIV und andere STDs. Mit dieser Aktion will die DAH den HIV-Test und Tests auf andere sexuell übertragbare Infektionen (STDs) in den Fokus ihrer erfolgreichen Präventionskampagne „ich weiss was ich tu!„“ (iwwit) rücken.

Im Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts wird in der Ausgabe 34 / 2009 über erste Erfahrungen eines Test-Angebots in Köln (Checkpoint / Check-Up) berichtet.

Dargestellt werden Ergebnisse von Testangeboten an vier Abenden im November / Dezember 2008. Hierbei wurden 162 Personen erreicht, bei 157 wurden Schnelltests durchgeführt. Als Haupt-Zielgruppe des Angebots bezeichnet der Bericht

„Männer, die (auch) Sex mit Männern haben, unabhängig davon ob sie sich als homosexuell (schwul) beziehungsweise bisexuell bezeichnen, oder diese Kategorien für sich ablehnen“ (MSM).

Diese Zielgruppe wurde mit 74% der Test-Teilnehmer erreicht (24% mit Migrations-Hintergrund; 23% erstmaliger HIV-Test). In acht Fällen wurde ein positives Ergebnis des Schnelltests festgestellt, dies wurde in 7 Fällen durch eine Laboruntersuchung bestätigt. Zwei Personen holten das Ergebnis des Bestätigungstests nicht ab.

Der Bericht beschäftigt sich ausgiebig mit dem Umgang mit Risiken durch die getesteten Personen (Gründe für das Eingehen von Risiko-Situationen, Strategien der Risiko-Reduzierung, Beziehungsformen, Partnerzahlen etc.).

Explizit geht die Darstellung auch auf die Frage ein, in wie weit die Frage der Reduzierung der Infektiosität bei nicht nachweisbarer Viruslast in das individuelle Risikomanagement hat. Dies sei nur bei 2% der Fall gewesen, was u.a. mit der unterschiedlichen Wahrnehmung des EKAF-Statements durch HIV-Positive und HIV-Negative zu erklären versucht wird.

Der Report entwickelt die Hypothese, statt bewusst angesprochener Risiko-Informationen spiele eher eine „gefühlte Sicherheit“ eine Rolle als versuchte Risiko-Minimierungs-Strategie:

„Die im ersten Teil dargestellten Zahlen lassen vermuten, dass viele der Männer, die im Rahmen des Beratungs- und HIV-Schnelltest-Angebotes befragt werden konnten, die Sicherheit bei Sexkontakten nicht explizit verbal aushandeln (im Sinne einer „Negotiated Safety“), sondern sich häufig situativ auf eine eher „gefühlte“ Sicherheit verlassen.“

Das Kölner Test-Angebot scheint mit 74% (davon 23% erstmalig) die eigentliche Zielgruppe der Männer die Sex mit Männern haben gut zu erreichen – erfreulich im Vergleich zu Auswertungen eines anderen Testangebots, das deutlich niedrigere Raten hatte.

Erfreulich, dass auch die Frage reduzierter Infektiosität bei nicht nachweisbarer Viruslast (Viruslast-Methode) mit in dem Bericht betrachtet wird. Hingewiesen wird, dass nur 2% diese Frage mit in ihr Risikomanagement einbezogen. Wünschenswert wäre gewesen, wenn zur  Einordnung dieser niedrigen Rate auch Information dargestellt worden wäre, ob zu diesem Thema im Test-Gebiet (Köln) schon wirksame Informationen in den Zielgruppen zum Themengebiet „EKAF-Statement“ erfolgten.

weitere Informationen:
„Begleiterhebung von Wissen, Einstellungen und Risikoverhalten bei Nutzern von HIV-Testangeboten“ in Epidemiologisches Bulletin Nr. 34 24. August 2009
DAH-Blog 21. August 2009: BZgA und RKI warnen vor HIV-Heimtests
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Viruslast-Methode ist Mist – sagt ACT UP Paris

Sich seine Sexpartner nach HIV-Status auszusuchen, sei gefährlich, ebenso die Viruslast-Methode, sagt ACT UP Paris – in großflächigen Anzeigen in Paris.

Rosa und schwarz gehaltene Anzeigen warnen seit Ende Juni in Paris. Seinen Sexpartner nach dem HIV-Status auszusuchen sei nutzlos und gefährlich, sagt dort die Aids-Aktionsgruppe ACT UP Paris. Ebenso gefährlich und falsch sei es, seine individuellen Präventionstrategien nach der Viruslast zu richten.

Je baise sans capote ...
Je baise sans capote ...

„Ich ficke ohne Kondom, weil … oops, ich bin HIV-positiv!. Einzig das Kondom schützt!“

sous tritherapie efficace ...
sous tritherapie efficace ...

„Unter wirksamer Kombinationstherapie … riskiere ich es, meine Sexpartner zu infizieren“

Die Propagierung der Viruslastmethode für individuelle Strategien des Schutzverhaltens fördere nur die Bereitschaft, Risiken einzugehen, meint ACT UP Paris.

Erst jüngst hatte es in Frankreich Wirbel um die Aids-Empfehlungen gegeben: Die französische Gesundheitsministerin widersprach einer Empfehlung ihrer Aids-Experten, Therapie als Mittel der Prävention zu sehen. Nur Kondome schützen, meint die Ministerin – gegen den Rat des französischen Nationalen Aids-Beirats (Conseil national du Sida).
Dieser war vorher seiner Stellungnahme u.a. zu dem Schluss gekommen, in hochwirksamer antiretroviraler Therapie liege ein hohes Potenzial hinsichtlich HIV-Übertragung und Prävention. Auch antiretrovirale Therapie haben ihren Platz in der individuellen Schutzstrategie.

ACT UP Paris stellt sich mit seiner neuen Kampagne gegen die Einschätzung des französischen Aids-Expertenrats CNS (Centre National du Sida), sowie zahlreicher internationaler Experten – an die Seite der konservatioven französischen gesundheitsministerin, die beenfalls meint, nutr Kondome schützten.

Selbst die Welt-Gesundheitsorganisation WHO hingegen hatte erst jüngst betont

„There is little doubt that ART has preventive effects …“

Die Deutsche Aids-Hilfe hatte bereits im April 2009 ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie u.a. zu dem Schluss kommt “Unsere bisherigen Safer-Sex-Botschaften werden durch diese Aussage sinnvoll und wirksam ergänzt; in der Prävention eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten.”

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weitere Informationen:
ACT UP Paris 25.06.2009: Act Up-Paris lance une campagne sur la prévention gay et adresse une lettre ouverte à l’INPES
tetu 02.07.2009: Prévention, sérotriage… Act Up-Paris contre les idées reçues
WHO Bulletin Juli 2009: Preventing HIV transmission with antiretrovirals
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ACT UP Paris versucht, mit grellen Anzeigen die Uhren zurück zu drehen.

Es ist schon bizarr, immer wieder neu zu erleben, dass eine Organisation, die insbesondere auch als engagierte Interessenvertretung von und für Menschen mit HIV entstand, sich zu einer beinahe stalinistisch anmutenden konservativen Präventionsagentur gewandelt hat.
Selbst der (von der Gesundheitsministerin zurück gepfiffene) AIDS-Expertenrat Frankreichs kommt zu dem Schluss, eine Viruslast unter der Nachweisgrenze senke die HIV-Übertragung drastisch, und dies müsse auch gesagt werden. Sollte es ACT UP Paris zu denken geben, dass selbst Virologen und Infektiologen inzwischen anders zur Viruslast-Methode denken?

Nach vorne denken, statt rückwärtsorientiert zu handeln – das sollte eigentlich Ansatz von ACT UP sein …