Mission Gesundheit – Portrait des Robert Koch Instituts

Das Robert-Koch-Institut wird in einem Artikel von ‚Bild der Wissenschaften‘ portraitiert.

951 Mitarbeiter, ein Drittel davon Wissenschaftler, 60 Millionen Euro Bundesmittel jährlich- und die Aussicht, zum zentralen Bundesinstitut für Gesundheit ausgebaut zu werden – ein Blick auf das Robert-Koch-Institut RKI lohnt.

„Das traditionsreiche Robert Koch-Institut in Berlin ist bekannt für Mikrobenforschung, Impfempfehlungen und Pandemievorsorge“, leitet ‚Bild der Wissenschaft‘ sein 8-seitiges Portrait des RKI ein. Und im Aids-Bereich für seine epidemiologischen Daten und Analysen auch zu HIV und Aids, könnte man aus Sicht von HIV-Selbsthilfe und Aidshilfe ergänzen (auch wenn Aids in dem Artikel nur am Rande Erwähnung findet).

Am 27. Mai 2010 jährt sich zum 100. Mal der Todestag von Robert Koch, dem Namensgeber des Instituts.

„Mission Gesundheit“
Bild der Wissenschaft Nr. 05/2010

HIV-Neudiagnosen 2009 (akt.)

Bei 2.856 Menschen wurde 2009 in Deutschland neu eine HIV-Infektion diagnostiziert. Dies berichtet das Robert-Koch-Institut im aktuellen ‚Epidemiologischen Bulletin‘.

Die Zahl der neu diagnostizierten HIV-Infektionen ist in Deutschland 2009 nahezu stabil im Vergleich zum Vorjahr 2008:  für 2009 wurden 2.856 Neudiagnosen gemeldet, für 2008 lag die Zahl bei 2.843 HIV-Neudiagnosen.

Die aktuelle Ausgabe des ‚Epidemiologischen Bulletin‘ des Robert-Koch-Instituts (RKI) enthält die „Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten Berichtsmonat: Dezember 2009 (Datenstand: 1.3.2010)“. Hier sind die HIV-Neudiagnosezahlen 2009 nach Bundesländern aufgeschlüsselt aufgeführt (mit Vergleichswerten 2008).

1.629 Neudiagnosen erfolgten in der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) im Vergleich zu 1.575 Neudiagnosen im Jahr 2008 (+3,4%). Bei iv-Drogengebraucher/innen ist die Zahl weiter gesunken auf 100 Neudiagnosen (2008: 125; 2007: 154).

Die aktuelle Statistik des RKI nennt u.a. auch die Zahl der Syphilis-Neudiagnosen. Mit 2.556 neu diagnostizierten Fällen liegt ihre Zahl für 2009 unter dem Niveau der Vorjahre (2008: 3.190 Syphilis-Neudiagnosen; 2007: 3.280).

Nachtrag 17.03.2010: Situation in Österreich
In Österreich wurden im Jahr 2009 507 Neuinfektionen mit HIV diagnostiziert. Dies geht aus „HIV-Epidemie, Update 2009“ hervor. Schätzungsweise 9.000 Menschen leben dem papier zufolge derzeit in Österreich mit HIV.

Im internationalen Vergleich liegt die Zahl der HIV-Neudiagnosen in Deutschland weiterhin sehr niedrig. Die gelegentlich von interessierter Seite kolportierte Behauptung, die Zahl der HIV-Infektionen in Deutschland sei so hoch, erweist sich einmal mehr als Mythos, als nicht zutreffend.

Der Anstieg der Zahl der HIV-Neudiagnosen bei Männern, die Sex  mit Männern haben, ist moderat. Die neue Kampagne „ich weiss, was ich tu“ der Deutschen Aids-Hilfe widmet sich gezielt der HIV-Prävention bei Männern, die Sex mit Männern haben. Diese Kampagne hatte im September 2009 die „ich weiss was ich tu – Testwochen“ gestartet. Schon beim Start der Kampagne hatte DAH-Vorstand Carsten Schatz betont

„Durch die zunehmende Bereitschaft in der Zielgruppe, sich mit einem positiven HIV-Test auseinanderzusetzen, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Anstieg der beim Robert Koch Institut (RKI) gemeldeten Neudiagnosen kommen.“

Klar gesagt: wer viel testet, wird mehr finden. Die Behauptung einer neuen Sorglosigkeit bei schwulen Männern dürfte sich hier ebenfalls erneut als Mythos erweisen. Im Gegenteil, der moderate Anstieg der Zahl der HIV-Neudiagnosen 2009 könnte auch erste Folge der Test-Kampagne sein – und damit letztlich ein Zeichen erfolgreicher Prävention.

weitere Informationen:
RKI
Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten
Berichtsmonat: Dezember 2009 (Datenstand: 1.3.2010)
Epidemiologisches Bulletin 10/2010
Österreich: HIV-Epidemie, Update 2009 (pdf)

Zur Unterscheidung HIV-Neudiagnosen und HIV-Neuinfektionen siehe „HIV-Neuinfektionen – Basisinformationen
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Syphilis: seit 5 Jahren stabil

3.172 Fälle von Syphilis wurden 2008 dem Robert-Koch-Institut gemeldet. Damit haben sich die Meldezahlen seit 2004 stabilisiert, so das RKI.

Durchschnittlich 3,9 Fälle von Syphilis pro 100.000 Einwohner wurden im Bundesgebiet 2008 festgestellt. Berlin gehört (mit Brandenburg, Bremen und Hamburg) zu den Bundesländern mit 2008 gestiegener Syphilis-Inzidenz (Berlin: 19,1 Fälle von Syphilis pro 100.000 Einwohner).

In Berlin stieg die Zahl der Syphilis-Fälle 2008 im Vergleich zu 2007 um 44% (Hamburg 33%; Inzidenz 11,1). Köln gehört mit einer Inzidenz von 17,9 Fällen pro 100.000 Einwohner ebenfalls zu den Städten mit hoher Syphilis-Inzidenz.

Zur Gruppe der MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) bemerkt das RKI

„In der Gruppe der MSM hat sich offenbar seit dem Jahr  2004 ein neues Endemieniveau etabliert, welches sich von einem sehr niedrigen Stand der Syphilis-Zirkulation Ende der 1990er Jahre aus entwickelt hat. Dieses neue Endemieniveau konnte sich vermutlich etablieren durch die (Re-) Konstitution einer Kerngruppe von Männern, innerhalb derer die Syphilis sehr intensiv zirkuliert.“

Das RKI merkt an, dass in Großstädten (Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und München) inzwischen 50% der Fälle von Ärzten als Re-Infektion (erneute Syphilis-Infektion nach bereits mindestens einmal durchgemachter Syphilis-Infektion) bezeichnet werden.Das RKI sieht eine Ursache dieser hohen Syphilis-Zirkulation in „sexuellen Netzwerken mit rasch wechselnden Partnern, in denen bei HIV-Serostatuskonkordanz häufig auf die Verwendung von Kondomen verzichtet wird“.

Kritiker weisen darauf hin, dass es sich bei dem hohen Prozentsatz an Re-Infektionen um eine ärztliche Einschätzung handelt – und dass sich hierin auch reaktivierte Fälle von Syphilis, z.B. nach nicht ausreichender Behandlung, verbergen könnten.

Die Zahl der Syphilis-Fälle wieder nennenswert zu senken sie nicht einfach. Das RKI betont, hierzu müsste insbesondere der Zeitraum zwischen Infektion und Feststellen der Syphilis (bzw. Behandlung) verkürzt werden, vor allem in der Gruppe der Menschen mit hohen Partnerzahlen.

Bei Menschen mit HIV sollte die Untersuchung auf Syphilis in die regelmäßigen Labor-Untersuchungen einbezogen werden. In den von Syphilis besonders betroffenen Gruppen sei vermehrte Aufklärung über typische Erkrankungssymptome erforderlich.

weitere Informationen:
Syphilis in Deutschland im Jahr 2008. in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 49/2009
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HIV 2009: die Situation in den Bundesländern (akt.)

Ergänzend zu seinem Bericht HIV und Aids 2009 hat das Robert-Koch-Institut auch Teil-Bericht über die Situation in einzelnen Bundesländern veröffentlicht:

* HIV /AIDS in Deutschland

* HIV /AIDS in Baden-Württemberg
* HIV /AIDS in Bayern
* HIV /AIDS in Berlin
* HIV /AIDS in Brandenburg
* HIV /AIDS in Bremen
* HIV /AIDS in Hamburg
* HIV /AIDS in Hessen
* HIV / AIDS in Mecklenburg-Vorpommern
* HIV /AIDS in Niedersachsen
* HIV /AIDS in Nordrhein-Westfalen
* HIV /AIDS in Rheinland-Pfalz
* HIV /AIDS im Saarland
* HIV /AIDS in Sachsen
* HIV / AIDS in Sachsen-Anhalt
* HIV /AIDS in Schleswig-Holstein
* HIV / AIDS in Thüringen

Epidemiologisches Bulletin HIV/Aids 2009

Das Robert-Koch-Institut hat wie schon in vergangenen Jahren anlässlich des Welt-Aids-Tags 2009 eine gesamte Ausgabe des ‚Epidemiologischen Bulletins‘ dem Thema HIV/Aids gewidmet.

Die am 24.11.2009 vorab veröffentlichte Ausgabe 48/2009 des Epidemiologischen Bulletins enthält die Beiträge

* Zum Verlauf der HIV-Epidemie in Deutschland bis Ende 2009
Der Beitrag beschreibt den Verlauf der Epidemie und erläutert wesentliche Eckpunkte, die den Verlauf der Neuinfektionen beeinflusst haben. Dabei werden auch die Manifestationen des Krankheitsbildes AIDS berücksichtigt.

* Zur Situation in Deutschland – Eckdaten

* Späte Diagnose und später Behandlungsbeginn in Deutschland
Der Artikel analysiert die Entwicklungen bei der Diagnostik und Therapie und gibt den erreichten Stand wieder. Weitere Verbesserungen werden in sechs Empfehlungen zusammengefasst.

* Ergebnisse der AIDS-Impfstoffstudie in Thailand
In dem Beitrag werden Durchführung und Ergebnis der in Thailand durchgeführten AIDS-Impfstoffstudie vorgestellt und kommentiert.

Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin Nr. 48/2009

siehe auch „HIV 2009: die Situation in den Bundesländern

siehe auch:
DAH-Blog 24.11.2009: Zahl der HIV-Neuinfektionen weiter stabil
Bundesministerium für Gesundheit 24.11.2009: HIV-Neuinfektionen stabilisiert – Neueste Zahlen zeigen den Erfolg von Prävention und Aufklärung
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Schweinegrippe: STIKO empfiehlt vorrangige Impfung auch für HIV-Positive

In Kürze soll der Impfstoff gegen die ‚Schweinegrippe‘ (korrekt: Neue Influenza A/H1N1) verfügbar sein. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) hat jetzt ihre Empfehlungen zur H1N1-Impfung veröffentlicht. Darin auch die Empfehlung, vorrangig u.a. Menschen mit HIV-Infektion zu impfen.

Das Robert-Koch-Institut schreibt zur heutigen Empfehlung

„Die STIKO empfiehlt diese Impfung zunächst für Medizinpersonal, chronisch Kranke und Schwangere.“

Die STIKO selbst konkretisiert in ihrer Empfehlung

„Die Impfung gegen die Neue Influenza A (H1N1) sollte in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Impfstoffe in folgender zeitlicher Reihenfolge und Abstufung erfolgen: Mit der Impfung der Indikationsgruppen 1, 2 und 3 sollte bei Verfügbarkeit der Impfstoffe sofort begonnen werden:

2. Personen ab einem Alter von 6 Monaten mit erhöhter  gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens, wie zum Beispiel: … … HIV-Infektion“

Armin Schafberger, Medizin-Referent der Deutschen Aids-Hilfe, hatte schon im Juni 2009 betont

„im Moment deutet tatsächlich alles darauf hin, dass die Schweinegrippe bei Menschen mit HIV nicht wesentlich anders verläuft als bei nicht Immungeschwächten.“

und betonte

„Menschen mit HIV brauchen im Moment nicht beunruhigt zu sein. Sie sollten aber daran denken, sich gegen Pneumokokken impfen lassen.“

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weitere Informationen:
Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut: Impfung gegen die Neue Influenza A (H1N1). in: Epidemiologisches Bulletin 12. Oktober 2009 / Nr. 41
Neue Influenza: Ständige Impfkommission legt Impfempfehlungen vor – Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts vom 08.10.2009
Informationsseiten des RKI zur Neuen Influenza A/H1N1
DAH-Blog 31.07.2009: Interview mit Armin Schafberger, Medizin-Referent der DAH: Keine Angst vor der Schweinegrippe
queer.de 09.10.2009: Schweinegrippe: Schwangere und HIV-Positive nach vorn
stationäre aufnahme 10.10.2009: „Schweinegrippe“: Arzneitelegramm wirft Behörden Fehleinschätzungen vor
stationäre aufnahme 12.10.2009: Extra-Impfstoff für Soldaten?
alivenkickin 12.10.2009: Die Schweinegrippe, die Bundeswehr und die Bevölkerung der Bundesdeutschen Versuchskanninchen
POZ 12.10.2009: H1N1 Vaccine Studies in HIV-Positive Youth and Pregnant Women
aidsmap 13.10.2009: Americans testing higher dose of swine flu vaccine in HIV-positive women and young people
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Die Hoffnung stirbt zuletzt: Das Kompetenznetz HIV/Aids und die Politik

Die Zukunft der HIV-Kohorte des Kompetenznetzes HIV/Aids ist unsicher – ein Gast-Kommentar von Siegfried Schwarze (Projekt Information, München):

In der Medizin sind Kohorten, also die Sammlung von Behandlungsdaten zu einer bestimmten Erkrankung über längere Zeit, ein unverzichtbares Mittel um Forschungshypothesen für klinische Studien aufzustellen. Im HIV-Bereich gibt es mehrere große Kohorten, darunter vor allem die schweizerische „Swiss Cohort“ mit mehr als 15.000 Patienten, aus der immer wieder hochrangige wissenschaftliche Veröffentlichungen gewonnen werden.

Bis vor einigen Jahren war Deutschland, was HIV-Kohorten anbelangte, Entwicklungsland. Zwar erfasste jedes größere Behandlungszentrum die Daten seiner Patienten mehr oder weniger systematisch, aber eine Zusammenarbeit oder gemeinsame Auswertung der Daten gab es immer nur kurzfristig und projektbezogen.

Dann kam die „Kompetenznetzinitiative“ der Bundesregierung. 2002 waren Kompetenznetze auf einmal die tollste Erfindung seit dem Plastikstrohhalm. Im Bereich HIV wurde das Kompetenznetz HIV/Aids aus dem Boden gestampft und mit ihm eine Kohortendatenbank. Ein Grundgedanke beim Aufbau des Netzwerks war es, in Deutschland die industrieunabhängige Forschung zu fördern. Heraus kam eine weltweit ziemlich einmalige Struktur, in der sich die gesamte „HIV-Community“ aus niedergelassenen Ärzten, Klinikärzten, Grundlagenforschern, Sozialwissenschaftlern und Patientenvertretern wiederfindet. Damit schien auch eine erfolgreiche Eingliederung in internationale Projekte machbar.
Allerdings hatte Deutschland aufgrund der dezentralen Struktur seines Gesundheitswesens einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil: Jede Praxis, bzw. jede Klinik kann aus einem breiten Angebot verschiedener Software-Systeme auswählen, die praktisch alle zueinander inkompatibel sind. Nun gibt es zwar die Möglichkeit, entsprechende Datenschnittstellen zu schaffen, aber diese Programme sind sehr komplex und müssen zudem ständig angepasst werden – ging also nicht, da zu teuer. Einzige Alternative: Die Ärzte müssen alle Daten doppelt erfassen. Einmal für sich selbst, einmal für’s Kompetenznetz. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist die Eingabe von Datensätzen mit über 100 Einzeldaten pro Patient schon bei wenigen Patienten ein solcher Aufwand, dass der Arzt diese Aufgabe an (zusätzliches) Personal delegieren muss. Und das kostet Geld. Im Jahr 2007 wurde die Kohorte dann von ihrem eigenen Erfolg eingeholt: Bei mehr als 16.000 Patienten war absehbar, dass das Geld, das vom Staat von Förderperiode zu Förderperiode spärlicher floss, nicht mehr ausreichen würde. Nicht zuletzt auf massiven Druck der fördernden Ministerien wurde die Kohorte schließlich auf etwa 8.000 Patienten verkleinert.

Doch damit war das Problem der Finanzierung nicht gelöst, denn von Anfang an war klar, dass die Förderung durch den Staat am 31.08.2010 endgültig auslaufen würde. Dieser Zeitpunkt rückt immer näher und bis jetzt ist kein tragfähiges Konzept für die weitere Finanzierung des Kompetenznetz HIV/Aids in Sicht. Vielfache Anstrengungen sind für die finanzielle Sicherstellung des Kompetenznetz HIV/Aids unternommen worden doch bisher trägt davon keine. So ist auch die Möglichkeit, die Finanzierung durch eine Stiftung sicherzustellen, nur dann umsetzbar, wenn bei allen Beteiligten (und bei denjenigen, die von der Forschung und den Daten des Kompetenznetzes möglicherweise profitieren) der Wille besteht, das Kompetenznetz zu erhalten. 50 Millionen Euro würden als Stiftungskapital gebraucht um mit den Kapitalerträgen die Kohorte am Laufen zu halten. Bisher gibt es trotz vieler Gespräche wenig Hoffnung, diese finanzielle Einlage (auch befristet, wenn das Kompetenznetz nicht erfolgreich arbeitet) zu realisieren. Momentan braucht der Staat offenbar jeden Cent um marode Banken zu sanieren und Wahlgeschenke zu finanzieren.

Der Patientenbeirat und die Deutsche Aidshilfe haben sich in einer Briefaktion an zahlreiche deutsche Politiker und Entscheidungsträger gewandt, mit der Bitte, das Kompetenznetz nicht einfach so sterben zu lassen. Immerhin hat es den Steuerzahler bereits etwa 17 Millionen Euro gekostet. Und die Daten in der Datenbank sowie die eingefrorenen Blut- und Gewebeproben sind für die Forschung von unschätzbarem Wert. Anders als in anderen Studiendesigns muss eine Kohorte über viele Jahre fortgeführt werden, um aussagekräftige Daten zu erhalten und diese sinnvoll analysieren und publizieren zu können (Zum Vergleich: Die Schweizer Kohorte hat über 10 Jahre dafür gebraucht!). Das Kompetenznetz hat gerade aufwendig die Kohortendaten in ihrer Qualität aufgewertet. Erste Veröffentlichungen der Daten auf Kongressen und in Artikeln finden gerade statt, die Kohorte wird nach vergleichsweise kurzer Zeit sichtbar. Jetzt, wo die Kohorte anfängt, Früchte zu tragen, wäre es der unsinnigste Zeitpunkt, ihre Fortführung einzustellen.

In den Antwortschreiben (so denn überhaupt eine Antwort kam…) wurde angedeutet, dass die Kohorte unter der Aufsicht des Robert-Koch-Instituts (RKI) fortgeführt werden könnte. Dies kann und darf aber keine Lösung sein, denn zum einen ist damit die Frage der Finanzierung immer noch offen (wenn man das nötige Geld dem RKI gibt, könnte man es auch gleich dem Kompetenznetz geben), zum anderen ist der Transfer hochsensibler Daten von 8.000 Patienten an die Bundesseuchenbehörde (nichts anderes ist das RKI) aus Datenschutzgründen nicht akzeptabel. Sollte dieses schlimmstmögliche Szenario eintreffen, würde der Patientenbeirat alle Patienten in der Kohorte dazu aufrufen, ihre Einwilligungserklärung zu widerrufen. Dann müssten die Daten gelöscht und die Blut- und Gewebeproben vernichtet werden.

Doch glücklicherweise werden noch andere Alternativen erwogen. So könnte die Kohortendatenbank auch bei wissenschaftlichen Gesellschaften wie der Helmholtz-Gesellschaft oder bei den Fraunhofer-Instituten eine neue Heimat finden. Da in Deutschland Großforschungseinrichtungen im Rahmen der diversen „Eliteförderungen“ und „Exzellenzinitiativen“ immer noch vergleichsweise großzügig unterstützt werden, sind diese Gesellschaften finanziell recht komfortabel ausgestattet und könnten den Erhalt der Kohorte langfristig sicherstellen. Denkbar und aus
Sicht des Patientenbeirats das „kleinste Übel“ wäre die Angliederung der Kohorte an eine solche oder eine vergleichbare Struktur, die es auch im Umfeld von Universitäten gibt. Die einfachste und billigste Lösung wäre es sicherlich, die aufgebauten Strukturen des Kompetenznetzes weiter zu nutzen.

Eines ist klar: Wenn wir das Kompetenznetz einfach so gegen die Wand fahren, verliert Deutschland auf lange Zeit die Chance, in der HIV-Forschung mit vorne dabei zu sein. Der Einsatz der Ärzte und Forscher und nicht zuletzt auch der Patienten wäre umsonst gewesen und HIV-Forschung wäre nur noch mit Mitteln der Pharmaindustrie möglich.

Soweit darf es nicht kommen!

S. Schwarze

Deutsche HIV-Kohorte bald bei der Seuchenkontroll-Behörde?

Die Zukunft der HIV-Kohorte des Kompetenznetzes HIV/Aids ist unsicher – ein Gast-Kommentar von Bernd Vielhaber:

Seit 2002 hat existiert das deutsche Kompetenznetz HIV/AIDS (www.kompetenznetz-hiv.de). Das Markenzeichen des Kompetenznetzes ist seine Patientenkohorte, in der der Infektionsverlauf von aktuell 8.200 HIV-Infizierten pseudonymisiert und mit hoher Qualität dokumentiert wird. Zu den halbjährlich aktualisierten Daten gehören bis zu 560 verschiedene Items – unter anderem Laborbefunde, Art und Menge der Medikamente sowie Begleiterkrankungen. Zur Kohorte gehören auch Materialbanken, in denen mehr als 46.000 Blut- und 14.000 DNA-Proben eingelagert sind.

Nach Begutachtung durch ein internationales Expertengremium hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) dem nationalen Forschungsverbund für eine dritte Förderperiode bis September 2010 insgesamt 3,6 Millionen Euro zugebilligt. Das Netzwerk benötigt zirka 2,5 Millionen Euro jährlich, um die in Deutschland geschaffene neue Qualität der AIDS-Forschung, mit der Translationsforschung als Alleinstellungsmerkmal des Netzes, durch eigene Projekte zu gewährleisten und auszubauen.

Zum Vergleich ein Blick ins Ausland: Eine dem Kompetenznetz ähnliche Struktur in Frankreich (ANRS) wird mit 45 Millionen Euro pro Jahr unterstützt. Und die HIV – Forschung in Großbritannien erhält ein Budget, das höher ist als das der Netze Frankreichs und Deutschlands zusammen.

Das BMBF sperrt sich gegen die Weiterfinanzierung und betreibt derzeit die Verlagerung der Kohorte und der Materialbank an das Robert-Koch-Institut (RKI).

Das ist in mehrfacher Hinsicht „bemerkenswert“.

Das RKI hat eine eigene HIV-Kohorte (ClinSurv). Eine Zusammenarbeit oder gar Zusammenlegung der beiden Kohorten ist in der Vergangenheit vom stellvertretende Leiter der Abteilung Infektionsepidemie des RKI (Osama Hamouda) immer mit dem Hinweis verweigert worden, die Datenstrukturen der beiden Kohorten seien zu unterschiedlich, der Aufwand sei viel zu groß und man habe keine personelle Ressourcen.

Aufgrund einer Ausnahmegenehmigung darf die ClinSurv-Kohorte betrieben werden, ohne das die eingeschleusten Patienten(inn)en wissen, dass sie eingeschleust worden sind und ohne dass sie eine Einverständniserklärung unterschreiben mussten.

Das RKI ist die staatliche Seuchenkontrollbehörde.

Anfang Juli 2009 hat das RKI verschiedene Forschungsprojekte ausgeschrieben. Der folgende Text ist dieser Ausschreibung entnommen und macht deutlich, in welche Richtung das RKI zu denken scheint:

„Die epidemiologische Krebsregistrierung in Deutschland hat sich gerade in den letzten Jahren wesentlich verbessert. Seit kurzem sind in allen Bundesländern die gesetzlichen Grundlagen für eine flächendeckende bevölkerungsbezogene Krebsregistrierung geschaffen worden. Die Daten epidemiologischer Krebsregister ermöglichen es, die Effektivität von Präventions- und Früherkennungsprogrammen zu bewerten. Dabei bilden relative Überlebensraten ein geeignetes Maß, um die Überlebensaussichten nach der Diagnose einer Krebskrankheit auf Bevölkerungsebene zu beschreiben. Überlebensraten können jedoch nur zur Bewertung der Effektivität des Gesundheitswesens bei der Bekämpfung von Krebserkrankungen herangezogen werden, wenn die Qualität der Daten gewährleistet ist. Gerade für die neu etablierten Krebsregister stellt die Prüfung der Datenqualität eine wichtige Aufgabe dar. Hinsichtlich der Berechnung des Überlebens von Krebspatientinnen und -patienten bildet die Verlässlichkeit, mit der der Vitalstatus der Erkrankten festgestellt werden kann, einen wichtigen Einflussfaktor. Erfahrungsgemäß sind die Überlebensraten umso höher, je ungenauer der Kenntnisstand des Krebsregisters hinsichtlich des Vitalstatus der registrierten Krebspatientinnen und -patienten ist.

In der Arbeitsgruppe „Überlebenszeitanalysen“ der „Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V.“ (GEKID) ist die Notwendigkeit erkannt worden, die Erfassung aller Todesfälle unter den registrierten Krebskranken in den Krebsregistern näher zu untersuchen und gegebenenfalls zu verbessern. Dazu soll der Vitalstatus der im Register erfassten Patientinnen und Patienten mittels der Einwohnermeldeämter im Rahmen einer (kostenpflichtigen) Meldeauskunft überprüft werden. Um die Gesamtkosten für die einfachen bzw. erweiterten Meldeauskünfte zu begrenzen, ist die Bildung von Patientenstichproben denkbar oder die Konzentration auf einzelne, stellvertretende Entitäten mit guten/schlechten Prognosen. Die letztlich entstehenden Kosten sind jedoch nicht vollständig aus den laufenden Budgets der Krebsregister finanzierbar. Das beabsichtigte Projekt sollte sowohl die Finanzierung dieser Aufgaben ermöglichen als auch die übergreifende Auswertung der Ergebnisse unterstützen.
Die bisher berechneten Überlebensraten fallen günstig aus, wenn unterstellt wird, dass alle Krebskranken, über deren Ableben nichts bekannt ist, überlebt haben. Die Überlebensraten fallen deutlich schlechter aus, wenn nur diejenigen als Überlebende angesehen werden, die nach positiver Auskunft des Einwohnermeldeamts am alten oder einem neuen Wohnort gemeldet und nicht zwischenzeitlich verstorben sind. Erst die nach zusätzlichen Informationen neu berechneten Überlebensraten werden Klarheit über die wahren Verhältnisse schaffen. Erst dann kann der Einfluss unterschiedlicher Mortalitätserfassung in den einzelnen Registern auf die Ergebnisse abgeschätzt werden. Dadurch sind letztlich relative Überlebensraten für Deutschland realisierbar, die nicht nur – wie bisher – allein auf den Daten des saarländischen Krebsregisters basieren, sondern auf Krebsregisterdaten aus weiteren (möglichst allen) Regionen Deutschlands.“

Da frage ich mich dann doch, ob nicht eine Einführung der namentlichen Meldepflicht über die Hintertür zu befürchten ist.

Aus meiner Sicht ist eine Überführung der Kohorte und der Materialbank des Kompetenznetzes HIV/AIDS an das Robert-Koch-Institut völlig inakzeptabel.

Das BMBF hat – so die Einschätzung der an den Gesprächen Beteiligter – überhaupt keine Vorstellung davon, dass gerade für Menschen mit HIV und AIDS eine derartige Bedrohung ihrer Anonymität nicht hinnehmbar ist und geht davon aus, dass die Transition problemlos und ohne Widerstand über die Bühne geht.

Ich schlage daher vor, dem BMBF sehr deutlich Grenzen zu setzen. Dazu habe ich (in Anhang) einen Musterbrief formuliert, den jede/r Patient/in die/der in der Kohorte ist, seiner einschleusenden Ärztin/seinem einschleusenden Arzt ausgefüllt zuschicken kann, um deutlich zu machen, dass wir einer solchen Verlagerung keinesfalls zustimmen.

Bernd

Musterbrief zum Download als rtf hier

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EMIS – europaweite Befragung von Männern, die Sex mit Männern haben

Europaweit sollen im Rahmen eines von der EU-Kommission geförderten Projekts Männer, die Sex mit Männern haben, zu Wissen, Einstellungen und Verhalten bezüglich HIV und STDs befragt werden.

In den meisten europäischen Staaten sind Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), die gesellschaftliche Gruppe, die am stärksten von HIV betroffen ist. Doch auch bald 25 Jahre nach Beginn von HIV-Prävention ist die Gesundheit wie auch gesundheitsförderndes Verhalten von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), immer noch nicht nur von ihren allgemeinen Lebensbedingungen abhängig, sondern auch durch Stigmatisierung von Homosexualität und HIV-Infektion beeinträchtigt.

Erst jüngst hatten vergleichende Analysen der HIV-Neudiagnosen bei schwulen Männern (ungleich MSM) gezeigt, dass zwischen 2000 und 2005 die zahl der HIV-Diagnosen in West-Europa, Nord-Amerika und Australien annähernd in gleichem Umfang gestiegen sind (druchschnittlich +3% jährlich).
Innerhalb West-Europas hat Deutschland im Vergleich mit 33,5 HIV-Neudiagnosen pro 1 Million Einwohner die niedrigsten HIV-Neudiagnose-Raten.

Befragungen zu Wissen, Einstellungen und Verhalten von MSM wurden bisher in Europa überwiegend regional oder national durchgeführt, mit verschiedenen Medien, unterschiedlichen Forschungsansätzen etc. Sie sind deshalb i.d.R. auf europäischer Ebene kaum vergleichbar.

Dies will nun das Projekt EMIS (European MSM Internet survey on knowledge, attitudes and behaviour as to HIV and STIs) angehen. Erstmals in Europa sollen MSM mit einem einheitlichen Fragebogen (in 19 Sprachen) und überall gleichem Forschungs-Design via Internet befragt werden.

„Untersucht werden nun sollen Sexualverhalten, HIV- und STI-Testverhalten, Präventions-Ressourcen (z.B. Wissen zu Übertragungswegen und Behandelbarkeit) und Präventions-Hinternissen (z.B. Stigma Homosexualität, Stigma HIV-Infektion, Fehlannahmen zu Übertragungswegen).“

Teilnehmen am Projekt EMIS sollen nicht nur nahezu alle EU-Staaten, sondern auch die Schweiz, Russland, die Ukraine, Moldavien, Serbien, die ehemalige jugoslavische Republik Mazedonien sowie die Türkei.

„Das Projekt wird gemeinsam getragen und durchgeführt vom Robert Koch-Institut, der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), der niederländischen Universität Maastricht, der italienischen Regione del Veneto (Verona), dem katalanischen Zentrum für epidemiologische Studien zu Aids und STI (CEEISCAT, Barcelona) und dem an der Universität Porthmouth angesiedelten Präventionsforschungsinstitut Sigma Reseach (London).“

Mit ersten Ergebnissen wird im Sommer 2010 gerechnet.
Derzeit sind die Projektpartner aufgefordert, in allen Teilnehmerstaaten nach für die Befragung in Betracht zu ziehenden Internetseiten zu forschen. Dabei geht es den Verantwortlichen darum, nicht nur Organisationen aus dem Bereich public health oder Epidemiologie einzubinden, sondern besonders auch Organisationen schwuler und bisexueller Männer.

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weitere Informationen:
RKI 22.06.2009: EMIS-Projekt – Europäischer MSM Internet Survey
RKI 19.06.2009: The EMIS project
aidsmap 22.06.2009: Similar rises in gay men’s HIV diagnoses seen in Western Europe, North America and Australia since 2000
koww 22.06.2009: HIV-Prävention – Deutschland niedrigste Neu-Diagnosen in West-Europa
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HIV-Inzidenzstudie

Wie viele Menschen infizieren sich in Deutschland jährlich mit HIV? Bisherige Zahlen basieren auf Schätzungen – mit einer derzeit laufenden Studie will das Robert-Koch-Institut Daten zu frischen HIV-Infektionen sammeln.

Wie viele Menschen infizieren sich jährlich mit HIV? Zwar publiziert das Robert-Koch-Institut jährlich Fragen hierzu, diese basieren jedoch auf Schätzungen.

Gemessen wird bisher, wie viele HIV-Infektionen in einem Jahr neu diagnostiziert werden. Dies sagt jedoch zunächst nichts darüber aus, wann sich die Person mit HIV infiziert hat (sondern nur über den Zeitpunkt des positiven HIV-Tests). Gemessen werden die Neu-Diagnosen, nicht die Neu-Infektionen.
Eine interessante Basis zur Beurteilung der Situation, aber auch für die HIV-Prävention wäre jedoch auch eine bessere Kenntnis des aktuellen Infektionsgeschehens – sprich der Zahl derjenigen Menschen, die sich in einem Zeitraum frisch mit HIV infizieren (HIV-Neuinfektionen). Die  Zahl der HIV-Neudiagnosen pro Zeiteinheit wird als HIV-Inzidenz bezeichnet.

Das Robert-Koch-Institut führt hierzu seit November 2007 eine Studie zur Bestimmung der Inzidenz von HIV-Infektionen in Deutschland durch. Ziel dieser HIV-Inzidenz-Studie ist insbesondere die „Ermittlung des Anteils frischer (inzidenter) HIV-Infektion unter den neu diagnostizierten HIV-Infektionen über einen Zeitraum von zweimal 12 Monaten in Deutschland“.

Diese HIV-Inzidenz-Studie wird seit dem 1. November 2007 durchgeführt. Sie wird durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert. Die Laufzeit der Studie beträgt drei Jahre. Der jetzigen HIV-Inzidenz-Studie ging eine Pilotphase voran, die von November 2005 bis Februar 2007 in Berlin stattfand.

Zum Hintergrund der Inzidenzstudie erläutert das RKI:

„Diese Fallmeldungen der neu diagnostizierten HIV-Infektionen spiegeln jedoch nicht die tatsächliche HIV-Inzidenz, also die Anzahl der neu erworbenen Infektionen wieder, sondern sie stellen die Summe aus frischen und länger zurückliegenden, erstmalig diagnostizierten HIV-Infektionen dar. Die Qualität dieser Daten hängt vom Meldeverhalten der Labore und Ärzte ab. Weitere Faktoren, die die Meldedaten beeinflussen können, sind das Angebot von Testmöglichkeiten und die Inanspruchnahme solcher Testangebote. Insbesondere Veränderungen dieser Parameter im Zeitverlauf können die Interpretation der Daten erschweren.

Die Anzahl frisch erworbener Infektionen (inzidenter Fälle) ist ein sehr aktueller Indikator, der auf eine veränderte epidemiologische Situation hinweisen kann und dadurch eine zeitnahe Anpassung von Präventionsprogrammen ermöglicht. Durch Bestimmung der Inzidenz kann z.B. das Übertragungsniveau und dessen Änderung bzw. Dynamik in bestimmten Risiko- oder Altersgruppen erfasst werden.“

Das RKI über die Studie:

„Nach Abschluss einer Pilotphase in Berlin sollen jetzt in der HIV-Inzidenzstudie bundesweit Daten zum Anteil frischer HIV-Infektionen und zu Wissen, Einstellungen, Verhalten und Praktiken bezüglich HIV/AIDS gesammelt werden. Die Datensammlung erfolgt anonym und unverbunden. Die Studie wird in Kooperation mit etwa 90 Laboren sowie Praxen, Kliniken, Gesundheitsämtern und Beratungsstellen in sechs Regionen in Deutschland durchgeführt.“

Weitere Informationen:
Epidemiologisches Bulletin 47 / 2006: RKI-Pilotstudie zu inzidenten HIV-Infektionen in Berlin
Epidemiologisches Bulletin 1/2008: Zur Bestimmung der Inzidenz von HIV-Infektionen in Deutschland
Robert-Koch-Institut: HIV-Inzidenzstudie
ondamaris: HIV-Neuinfektionen – Hintergrundinformationen

Aids-Hysterie und die ’sorgenvolle Denunziation‘

Die Aids-Hysterie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre trieb Menschen zu teils bestürzenden, teils erschreckenden Verhaltensweisen – von Denunziation vermeintlich HIV-positiver Nachbarn bis zur vermeintlich fürsorglichen Zwangsuntersuchung des eigenen Sohnes.

Die kleine Ausstellung ‚Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV’ zeigt unter anderem einige sehr eindrückliche Beispiele, wie die Stimmung in Teilen der Bevölkerung Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre in Sachen Aids und HIV-Infizierte war.
Beispiele von Denunziation, Diffamierung und menschlichen Abgründen …

So wendet sich ein Briefschreiber 1992 an das Bundesgesundheitsamt, um mitzuteilen, dass „Herr L (Name und Adresse vollständig angegeben) HIV-positiv ist und seine schwere Erkrankung durch häufig wechselnde Männerbekanntschaften überträgt“. Er bittet um vertrauliche Behandlung seiner Nachricht – und Einleitung „entsprechender Schritte“:

Ein Jahr später meldet ein anderer Briefschreiber per Einschrieben mit Rückschein „aus Gewissensgründen“ einen Mitbürger „wegen AIDS“ und nennt auch gleich mögliche ‚Kontaktpersonen‘:

Im dritten Beispiel begehrt ein promovierter Vater vom Robert-Koch-Institut, nein er erwartet, dass sein Sohn „umgehend zu einer Untersuchung“ einbestellt wird, und erwartet Antwort innerhalb von 14 Tagen.
Der Grund seines Ansinnens: er habe „Grund zu der Annahme, dass sein Sohn [vollständige Adresse genannt] sich mit HIV infiziert“ habe, und der Herr Dr. möchte „seine weitere Studienförderung davon abhängig machen, dass er mir einen entsprechenden Untersuchungsbefund vorweist und sich künftig dem Ergebnis des Untersuchungsbefunds entsprechend verhält“. Wie das aussehen soll? Herr Dr. präzisiert weiter „also Intimkontakte zu Nichtangesteckten meidet wenn er infiziert ist, bzw. zu möglicherweise Infizierten (vorsichtshalber alle nichtuntersuchten Homo- und Bisexuellen und deren ständige oder vorübergehende Partner) unterläßt, wenn er Glück gehabt hat und noch nicht infiziert ist“:

Die drei Beispiele stehen vermutlich für eine größere Anzahl an Briefen ähnlichen Inhaltes, die Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre an Bundesgesundheitsamt und Robert-Koch-Institut gerichtet wurden. Dennoch, schon diese drei Briefe geben exemplarisch nicht nur einen Eindruck von der Stimmung, die damals herrschte. Sondern sie berichten auch davon, zu welchen Verhaltensweisen Menschen unter den damaligen Bedingungen fähig waren. Und lassen die Frage im raum stehen, ob sich wirklich so viel geändert hat, oder ob solche Briefe auch heute wieder geschrieben werden würden …

HIV/Aids in den Bundesländern, Niederlanden & Großbritannien

Das Robert-Koch-Institut berichtet nicht nur bundesweit über die Stabilisierung der Zahl der HIV-Infektionen, sondern erstellt auch Berichte z.B. zur Situation von HIV/Aids in den Bundesländern:

HIV/Aids in Baden-Württemberg
HIV/Aids in Bayern
HIV/Aids in Berlin
HIV/Aids in Brandenburg
HIV/Aids in Bremen
HIV/Aids in Hamburg
HIV/Aids in Hessen
HIV/Aids in Mecklenburg-Vorpommern
HIV/Aids in Niedersachsen
HIV/Aids in Nordrhein-Westfalen
HIV/Aids in Rheinland-Pfalz
HIV/Aids im Saarland
HIV/Aids in Sachsen
HIV/Aids in Sachsen-Anhalt
HIV/Aids in Schleswig-Holstein
HIV/Aids in Thüringen

HIV/Aids in Deutschland

Anders als in Deutschland (Stabilisierung) sieht die Situation in einigen Nachbarländern aus:
Über „Forse toename hiv-geïnfecteerden in Nederland in 2007“ berichtet ‚Poz and Proud‘, basierend auf dem Bericht des HIV-Monitoring der Niederlande (pdf)
Und pinknews berichtet aus Großbritannien ‚New figures show record number of HIV diagnosis among gay bisexual men‘, die BBC sagt ‚Rise in UK HIV numbers continues‘
In Frankreich erfreulicherweise ‚kein Anstieg bei den Homos‘

Ausstellung ‚Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV‘

Am 1. Dezember 2008 eröffnete im Robert-Koch-Institut in Berlin die Ausstellung ‚ Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV‚.

Die Ausstellung zeigt anhand einiger (weniger) Beispiele, zu welchen Auswüchsen die von Medien und Politikern angefeuerte Aids-Hysterie Ende der 1980er Jahre geführt hat – von skurilen Geschichten um Blutorangen über selbst ernannte Gesundheitsexperten mit der endgültigen Heilung bis zu bösestem Denunziantentum.

Eröffnung der Ausstellung 'Zeitgeister - Skuriles und Nachdenkliches zu HIV'
Eröffnung der Ausstellung

Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV
Robert Koch-Institut, Seestraße 10, 13353 Berlin
Die Ausstellung kann zwischen dem 01.12.2008 und 31.01.2009 werktags zu den üblichen Bürozeiten (i.d.R. 09:00 bis 17:00 Uhr) besucht werden (ohne Anmeldung)

Stabilisierung der Zahl der HIV-Infektionen

In Deutschland leben nach einer aktuellen Schätzung des Robert Koch-Instituts anlässlich des Welt-AIDS-Tages 2008 rund 63.500 Menschen mit HIV oder AIDS. Von ihnen haben sich geschätzte 3.000 im Jahr 2008 infiziert, ähnlich viele Neuinfektionen waren es im Jahr 2007 gewesen. „Die weiterhin hohe Zahl zeigt, dass Prävention und Forschung unverändert wichtig sind“, betont Jörg Hacker, Präsident des Robert Koch-Instituts. Ob es sich nach dem Anstieg der Infektionszahlen zwischen den Jahren 2000 und 2006 um eine dauerhafte Stabilisierung handelt, ist offen. Bei rund 1.100 Menschen haben sich im Jahr 2008 die HI-Viren so stark vermehrt, dass sie an AIDS erkrankt sind. Etwa 650 Menschen mit einer HIV-Infektion sind im Jahr 2008 gestorben.

Das Epidemiologische Bulletin des Robert Koch-Instituts veröffentlicht in der aktuellen Ausgabe 47/2008 mehrere Beiträge zu HIV/AIDS: eine Analyse der Epidemie in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten, eine Einschätzung zur aktuellen weltweiten Situation, Zwischenergebnisse aus der so genannten HIV-Inzidenz-Studie sowie eine neue Schätzung der „Eckdaten“, die im Internet auch für jedes einzelne Bundesland verfügbar ist. Die Eckdaten enthalten eine Schätzung der Zahl der Personen, die mit einer HIV-Infektion leben (HIV-Prävalenz) und der tatsächlich erfolgten HIV-Neuinfektionen im Jahr 2008 (HIV-Inzidenz).

Unter den 63.500 Menschen, die Ende 2008 mit HIV oder AIDS leben, stellen Männer, die Sex mit Männern haben, mit 38.700 die größte Gruppe. Etwa 8.700 Personen haben sich über heterosexuelle Kontakte infiziert, rund 7.300 Menschen kommen aus so genannten Hochprävalenzregionen und infizierten sich überwiegend in ihren Herkunftsländern und dort bei heterosexuellen Kontakten. Etwa 8.200 HIV-Infektionen gehen auf intravenösen Drogengebrauch zurück.

Die Schätzung der HIV-Neuinfektionen ist nicht zu verwechseln mit der Zahl der Neudiagnosen. Die Meldungen über Neudiagnosen (die monatlich im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht werden und auch über die Datenbank SurvStat im Internet abrufbar sind) erlauben keinen direkten Rückschluss auf den Infektionszeitpunkt, da HIV-Infektion und -Test zeitlich weit auseinander liegen können. Um das aktuelle Infektionsgeschehen besser bewerten zu können, hat das Robert Koch-Institut die „Inzidenz-Studie“ begonnen, die vom Bundesministerium für Gesundheit finanziert wird. Ziele sind die Bestimmung des Anteils aktueller Infektionen an den gemeldeten Diagnosen und die Erhebung von Faktoren, die das Testverhalten beeinflussen. Außerdem sollen Risikofaktoren und -verhalten ermittelt werden, um gezielte, an aktuellen Trends orientierte Präventionsstrategien abzuleiten.

Das 25-jährige Jubiläum der Deutschen AIDS-Hilfe im Jahr 2008 nimmt das Robert Koch-Institut zum Anlass, einen Blick in die Vergangenheit von HIV zu werfen. Die Ausstellung „Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV“ wird am Standort Seestraße 10 in 13353 Berlin gezeigt. Zu sehen ist unter anderem ein Teil der zwischen 1987 und 2002 an das Robert Koch-Institut gerichteten Briefe zu diesem Thema sowie Schlagzeilen der Presse. Die Eröffnung findet am 1.12.2008 um 16.00 Uhr statt. Die Ausstellung kann werktags zu den üblichen Bürozeiten besucht werden.

(Pressemitteilung des Robert-Koch-Instituts)

weitere Informationen:
RKI: Verlauf und gegenwärtiger Stand der HIV-Epidemie in Deutschland, Ende 2008
RKI: Epidemiologisches Bulletin 47/2008 (pdf)
HIV-Neuinfektionen: Hintergrund-Informationen

Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV

Mit einer Ausstellung erinnert das Robert-Koch-Institut (RKI) an noch gar nicht so ferne Begebenheiten aus der Frühzeit der politischen Auseinandersetzung um den Weg der Aids-Bekämpfung.

„Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV“ – eine Ausstellung zum Welt-Aids-Tag 2008

Das RKI bemerkt zur Ausstellung:

„Im Jahr 2008 feiert die Deutsche AIDS-Hilfe ihr 25-jähriges Bestehen. Dies nimmt das Robert Koch-Institut zum Anlass, einen Blick in die Vergangenheit von HIV zu werfen.
Die Ausstellung „Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV“ wird am Standort Seestraße 10 in 13353 Berlin gezeigt. Zu sehen ist unter anderem ein Teil der zwischen 1987 und 2002 an das Robert Koch-Institut gerichteten Briefe zu diesem Thema, Schlagzeilen der Presse und der damalige Gesetzentwurf von Peter Gauweiler zur Bekämpfung von HIV. Gauweiler war zu dieser Zeit Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium.“

Im Flyer zur Ausstellung erläutert das RKI:

„Warum diese Ausstellung?
Der Titel spielt auf die teils sehr skurilen Auswüchse in der Öffentlichkeit nach dem Auftauchen von HIV an. Angst und Panik wurden verbreitet und medienwirksam in Szene gesetzt. AIDS – die Lepra der Neuzeit. Uns ist es ein Anliegen, etwas spürbar zu machen, nachzufühlen was sich in jener Zeit hier in Deutschland abgespielt hat. Manche Schlagzeilen erinnern an Denunziantentum, an Klu Klux Klan, an Hexenverfolgung.“

Thematisiert wird am Beispiel Peter Gauweiler auch, welche Folgen resultieren können:

„Peter Gauweiler, Staatssekretär des Inneren in Bayern, öffnete mit seinem Gesetzentwurf von 1987 zu HIV/AIDS [gemeint ist der sog. ‚Bayrische Maßnahmenkatalog‘, d.Verf.] die Türen für eine Hatz auf HIV-Infizierte. Dieser Gesetzentwurf trug maßgeblich dazu bei, dass HIV-positiv Getestete der von den medien gesteuerten ‚öffentlichen‘ Meinung ausgeliefert waren. Viele der betroffenen begannen sich zu verstecken. Für einige aus dieser Zeit haben sich die Bilder von damals und die Schlagzeilen tief ins Gehirn eingebrannt und wirken noch bis heute nach. Immer noch sprechen hierzulande nur wenige öffentlich übner ihre HIV-Infektion.“

Ausstellungseröffnung am Montag, den 1.12.2008 um 16 Uhr im Robert Koch-Institut Seestraße 10 13353 Berlin. Die Ausstellung kann zwischen dem 01.12.2008 und 31.01.2009 werktags zu den üblichen Bürozeiten (i.d.R. 09:00 bis 17:00 Uhr) besucht werden (ohne Anmeldung)

Empfehlungen zur HIV-Post-Expositions-Prophylaxe

Das Robert-Koch-Institut hat auf seinen Internetseiten die Deutsch-Österreichische Empfehlungen Postexpositionelle Prophylaxe der HIV-Infektion (Stand Januar 22008) veröffentlicht.

Das RKI weist zudem hin auf entsprechende europäische Leitlinien
– Recommendations for Post-Exposure Prophylaxis against HIV infection in Health Care Workers in Europe und
– Proposed Recommendations for the Management of HIV Post-Exposure Prophylaxis after sexual, injecting Drug or other Exposures in Europe,

sowie auf US-amerikanische Leitlinien
– US-Guidelines für berufliche HBV-, HCV- und HIV-Postexpositionsprophylaxe, und
– US-Guidelines für nicht-berufliche HIV-Postexpositionsprophylaxe.
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